Bibelarbeit zum Thema „Segen“

von Michael Strauch


Einleitende Gedanken:


Es kann gut sein, zu Beginn einer Bibelstunde, eines Hauskreises o.ä.sich kurz bewußt zu werden, was uns zum Segen/segnen einfällt. Ich habe persönlich eigentümlicherweise sofort den Papst vor Augen, der in Rom vor dem Petersdom den traditionellen „Urbi et Orbi“ (Volk und Welt) segnet.

Als nächstes erinnere ich mich gerne an die Zeit in meiner Heimatkirchgemeinde. Dort hatten wir Samstagabends sogenannte Segnungsgottesdienste. Man hatte die Möglichkeit, zum Altar zu kommen, auf die Kniebank zu knien und laut oder still im Beisein von Pfarrer und Gemeinderat eine Bitte, eine Klage oder eine Schuld loszuwerden. Danach legten einem die Beiden die Hände auf und segneten.

Weiter fällt mir mein alter Gemeinderat ein, der leider nicht mehr lebt. Er sagte einmal: Die Predigt kann grottenschlecht sein, für mich lohnt sich der Gottesdienst dennoch, schon allein wegen dem Segen, den ich am Ende des Gottesdienstes empfange.

Und ich erinnere mich an meine Besuchsdienste. Die zwei jungen Frauen, die zum einen ihren Mann verloren, zum anderen der Ehegatte Krebs hat. Die alte Frau im Altersheim, die die abgemagerte Faust auf das Kissen schlägt und meint, Gott habe sie vergessen und der ehemalige Stundenbruder, der nun sprachlos im Bett liegen muss und auf sein Sterben wartet. Ihnen allen habe ich die Hände auf Ihre Hände getan. Ihnen allen habe ich bewußt den aaronitischen Segen zugesprochen. Die junge Frau mit dem krebskranken Mann sagte, ihr habe Gott Kraft geschenkt. Die Witwe blickte mich gefasster an, die verbitterte alte Dame entrannen Tränen und sie konnte wieder etwas lachen und der alte Mann konnte plötzlich im Bett das Lied mitsingen: Großer Gott, wir loben dich. Der Segen Gottes! Was ist er? Was verbirgt sich dahinter? Warum brauchen wir ihn dringend für unser Leben?


  1. Der Segen in der Bibel - AT


Wann taucht denn das erstemal der Segen auf? Richtig, in 1Mose 1,28: „Und Gott segnete sie (das Menschenpaar) und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan...“

Der Segen findet seinen ersten Ausdruck in der Fruchtbarkeit der Frau. Auch ist der Empfänger des Segens zuerst der Mensch. Im Segen empfängt der Mensch etwas. Eine Eigenschaft, eine Möglich-keit, ein Zuwendung. Die Fruchtbarkeit des Menschen ist der Segen Gottes. Das eine Frau Kinder bekommen kann und die Schöpfung bereichert, ist Gottes Wille und Ausdruck seines Segens.

In der Frühzeit des Menschen, in der Antike so auch in der frühen Zeit des AT war dieser Gedanke, dass Fruchtbarkeit gleich Gottes Segen ist, tief im Menschen verankert. Und obwohl das Wort Segen bei Hanna, der Mutter von Samuel (1.Samuel 1) nicht explizit vorkommt, schwingt doch 1Mose 1,28 mit. In Vers 5 heißt es: „ ...obgleich der Herr ihren Leib verschlossen hatte!“ An diesen Worten wird sehr deutlich, dass das Wunder der Schwangerschaft und Geburt Hoheitsgebiet des Allmächtigen ist. Es zu erfahren, galt für eine Frau von damals als Segen. Wo nicht, blieb ihr nur die Trauer (V.10). Nun betet sie zum Herrn und es heißt dann so schön: (V.19) „und der Herr gedachte an sie!“ Das Gott an mich/Dich denkt und etwas tut, das ist Segen.


Ich erinnere mich in diesem Moment an die Witwe, die Ihren Mann (39 Jahre alt) tragisch verlor. Noch ein Monat vor seinem Tod gebar sie ihren Sohn. Er ist nun ein Trost für sie. Ich erinnere mich an die andere Frau. Sie erzählte mir, dass an dem Tag, wo ihr Mann so schwer krank wurde und die Diagnose auf Tod stand, was sie mit dem Kind in ihrem Bauch nur machen sollte, wenn der Mann nicht mehr da wäre? Sie entschieden sich beide für das Kind. Heute ist es ein großer Trost für sie.

Der Segen der Fruchtbarkeit wurde nach der Sintflut (1Mose 9,1) wiederholt. Schon bald begegnen wir dem Phänomen, dass auch Menschen Menschen segnen – und verfluchen! So in 1Mose 9, 25-27: „...Gelobt sei der Herr, der Gott Sems, und Kanaan sein sein Knecht! Gott breite Jafet aus und lasse ihn wohnen in den Zelten Sems, und Kanaan sei sein Knecht!“ In diesem Segen wird sogar eine „herrschende Struktur“ festgelegt. So soll es sein. Der Segen war also nicht, wie man es heute leicht versteht, ein paar „schöne Worte“, sondern es war – man möchte fast sagen – ein stellvertre-tendes Reden Gottes.

Doch der Segen Gottes geht über den Menschen hinaus. Mir fallen dazu zwei Paradestellen ein. Einmal der Segen nach erlittenem Leid bei Hiob und der Segen, den Isaak über Jakob ausgießt. Hiob 42,10-16 gefällt mir besonders gut. In Vers 12 heißt es: „Und der Herr segnete Hiob fortan mehr als einst, so dass er vierzehntausend Schafe kriegte....“ Bei Hiob bedeutete Segen ganz konkret materiellen Wohlstand, schöne Kinder und ein langes Alter. Dem vorausgeht aber, dass Hiob ein großes Herz für die Armen hatte und gerne von seinem Überfluss hergab! Aber halten wir fest: Segen Gottes heißt auch materielle „Fruchtbarkeit“ im AT. In NT taucht dieses Phänomen nicht mehr so explizit auf.

Aufgrund des altt. Verständnisses von Segen erschleicht sich Jakob den Erstgeburtssegen (1Mose 27,28ff) und kämpft später sogar nicht mit Gottes Engel (1Mose 32,27): „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!“ Segen meinte hier stets: Wohlstand, Achtung, einen guten Lebensstand. Es wäre noch Abraham zu nennen, wie Gott ihn segnet, es wäre der alte Jakob mit seinen segnenden Händen über seine Söhne etc.


Fazit: Man kann sagen, dass der Segen eine Zuwendung Gottes ist. Gott spricht oder handelt gleich in stiller, aber sichtbarer Weise an uns Menschen. Der Segen Gottes ist ein Ausdruck einer gütigen Zuwendung. Man könnte sagen, man bekommt auf sein Konto immer wieder etwas gutgeschrieben. Gott gleicht mein Minus aus. Gottes Segen kann sich in Geldzuwendung in finanzieller Not ausdrücken, Gottes Segen kann Kraft und Trost in schwachen Zeiten sein. Gottes Segen kann Heilung bewirken und Gottes Segen bewirkt das Wunder der Geburt. Gottes Segen öffnet tote Herzen und macht harte Menschen weich. Am Beispiel des Josef kann der Segen Gottes ein Gelingen im Beruf sein. Gottes Segen setzt oft da an, wo ein Mangel ist. Und Gottes Segen ist stets eine Zuwendung Gottes für alle Menschen. Der große Theologe Westermann sagte einmal: Gott rettet und er segnet. Retten tut Gott alle Menschen, die an ihn glauben. Segnen aber will er alle.


Was Segen im Besonderen meint, haben wir wie oben erwähnt, im sogenannten „aaronitischen Segen!“ Er steht in 4Mose 6,24-26:


Gottes Segen meint hier ein dreifaches:


  1. Gott schenke Dir seine Bewahrung. Wie schön klingt hier der bekannte „irische Reisesegen“. Bewahrung und Schutz vor Krankheit, vor Unfällen, vor der Bosheit anderer Menschen, vor schwerem Leid. Und dort, wo Gott diesen Schutz verwehrt (siehe Hiob), schenke Gott Schutz vor meiner Verzweiflung, Schutz vor Einsamkeit und Schutz vor Bitterkeit. Sovieles steckt drin in dem „behüten“. Es ist das Bild des guten Hirten aus Johannes 10, der Tag und Nacht bei seiner Herde wacht. Wohl kommen die Wölfe. Aber der Herr ist da. Wohl kommen die Täler (Psalm 23), aber der Herr ist „Stecken und Stab“

  2. Gott möge den Glauben schenken. Zweimal ist vom Angesicht Gottes die Rede. Zum einen geht das Angesicht auf wie die Sonne nach langer Nacht, zum anderen erhebt Gott sein Angesicht über mir. Gemeint ist, dass Gott sich mir gnädig zuwendet. Denn das Gegenteil ist, dass Gott sein Angesicht verbirgt. Und das tut er, wenn sein Volk in schwere Schuld fällt. Es ist dann vergleichbar, wie wenn die Sonne nicht mehr scheint und alles von Gottes Lebensodem abschneidet. Gott möge mir gnädig sein, weil ich immer wieder schuldig bin und werde. Er möge sich nicht von mir abwenden, sondern mir (Psalm 51) einen willigen Geist schenken. In dem Erheben des Angesichts ist das ganze Erlösungswerk Jesu impliziert. Gott hat diese Welt gnädig angesehen – oder wie es bei Hannah hießt: er gedacht ihrer.

  3. Gott möge Frieden gewähren. Beiderlei Frieden. Paulus sagt an einer Stelle, wenn es irgendwie ginge, so solle man mit allen Menschen in Frieden leben. Gott schütze vor Unfrieden mit seinen Mitmenschen. Gott schütze vor Krieg und vor Terror. Gott schütze die Kinder auf dem Heimweg davor, dass sie nicht abgefangen und verprügelt werden, nicht erpresst und gedemütigt werden. Gott schütze und schenke Frieden. Lt.neuester Statistik hat jede 7.Frau in Deutschland sexuelle Missbrauch und Gewalt erfahren. Gott schenke Frieden. Gott schenke besonders den inneren Frieden. Den Frieden mit Gott durch die Erlösung Jesu. Somit ist im Schutz, in der Beziehung Gott zu Menschen und Mensch zu Mensch alles im Segen drin und umfasst das ganze Leben des Menschen.


  1. Der Segen in der Bibel – NT


Ich glaube nicht, dass sich das Verständnis des Segen im AT wesentlich geändert hat. In Mk 10,13-16 segnet er die Kinder und ich bin mir sicher, dass er an die drei Elemente des aaronitischen Segens dachte. Das Segnen meint nicht ein „wünschen“, sondern ein „Zusprechen“. Deshalb muss vielleicht die allgemeine Redewendung „Ich wünsche Dir Gottes Segen“ überdacht werden. Denn das Segnen ist ein festes Zusprechen, wohl in dem Wissen, dass es nicht in unserer Macht steht, dass der Segen von Gott erfüllt wird.

Jesu Segen über der täglichen Speise (Lk 9,16; 24,30) beinhaltet den jüdischen Lobspruch: Gelobt sei Gott, der das Gewächs aus der Erde wachsen läßt...!“ Es ist die Erwartung an Gott, dass er die Speise für den Essenden und Trinkenden zum Wohle dienen läßt und zu Gottes Ruhm.

Der Segen in leiblichem Wohl drückt sich bei Jesus weiter aus in allem, was er tut. Von den Heilungen angefangen über seine Seelsorge, über seine Predigten, über seine Wunder. So hören wir manchmal, dass Menschen über andere Menschen sagen: der Mann/ die Frau war für uns ein Segen. Gemeint ist: unser Leben ist durch diesen Menschen reicher geworden. Wieviel mehr durch Jesu Leben.

In der Bergpredigt macht Jesus deutlich, wie Gottes Zuwendung selbstverständlich fließt, wenn man ihm vertraut. Gottes Segen meint hier: er gibt uns das, was wir brauchen. Nicht das, was wir meinen, unbedingt haben zu müssen, sondern was wir brauchen. (Beispiel „Lilien auf dem Felde“ - Kleidung – Vögel unter dem Himmel – Nahrung).


Und doch geht der Segen im nt. Verständnis über das at. Segen hinaus. Paulus bringt es im Galaterbrief 3,8+9 zum Ausdruck: „...dass Gott die Heiden durch den Glauben gerecht macht ...In dir sollen gesegnet werden alle Heiden... So werden nun die, die aus dem Glauben sind, gesegnet mit dem gläubigen Abraham.“


Gottes Segen – und so versteht es auch der Herr, wenn er die Kinder segnet und später sagt, solcher sei das Reich Gottes oder wenn er sagt, dass wir unsere Sorge auf das Reich Gottes richten sollen – stellt nun in seiner höchsten, schönsten und tiefsten Form den Menschen vor Gott und spricht ihn trotz seiner Schuld durch die Vergebung und durch den Glauben durch Jesus gerecht.

Der Segen Gottes heißt konkret seit Jesu Erlösungswerk, dass sein Segen eine Qualität hat, die nie mehr endet. So ist der Segen der Überwindung des Todes, der kommenden Herrlichkeit ein Segen , die ewig andauert, während alle materielle Zuwendung irgendwann endet.


  1. Das Segnen als Aufgabe

Jesus fordert seine Jünger mehrmals auf, andere zu segnen. Im griechischen heißt Segen „eulogon“ und heißt wörtlich: „gutes Wort!“ Folgende Stellen seien zitiert:


  1. Lk 6,27f: Liebet eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die euch verfluchen; bitte für die, die euch beleidigen.

  2. Römer 12,13.14: Nehmet euch der Nöte der Heiligen an. Übt Gastfreundschaft. Segnet, die euch verfolgen. Segnet und fluchet nicht.

  3. 1Pt 3,9: Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt.


Hier ist der Sinn des Segens/Segnens weiter gefasst. Jemanden zu segnen heißt, für diesen ein Segen zu sein. Darum stehen die Aufforderungen zum Segen stets im Zusammenhang mit einem Manko. Entweder, dass Menschen uns Böses tun und wir ihm Gutes tun. Oder dass Menschen Nöte haben und wir diese Nöte lindern.

Im Grunde steckt dieser Gedanke – besonders von 1Pt 3,9 schon von Anbeginn drin:


Gesegnet werden heißt Empfangen.

Gesegnet sein heißt Geben.


Der Segen Gottes, einmal in unser Leben gelangt, soll zum Segen anderer werden. Der Segen Gottes will das Böse überwinden. Der Segen Gottes will Nöte lindern. Der Segen Gottes will fließen. Wenn ich ihn staue, dann wird der Segen – im Bild des Wassers gesprochen – brackig und stinkend. Empfange ich Geld, Güter, Besitz als Segnung des Herrn, soll ich es weitergeben. Empfange ich Gesundheit und Kraft als Segen vom Herrn, soll ich Kranken Stütze sein. Empfange ich Gnade und werde Christ und glaube an Jesus, soll ich es weitersagen und weitergeben. Nur so entfaltet sich der Segen. Denn der empfangene Segen verläßt mich nicht, wenn ich ihn weitergebe, sondern er bindet ein Band von Mensch zu Mensch, von Mensch zu Gott.


Praktisch kann ich den Menschen segnen


  1. Im Gebet – in meiner Fürbitte: „Herr, segne diesen Menschen...!“

  2. Im Wort – in dem ich ihm schriftlich oder mündlich es zuspreche: „Der Herr segne dich...!“

  3. Mit Wort und Hand – die Handauflegung und das gesprochene Bibelwort gibt dem Gesprochenen die Nähe Gottes zu spüren. Gerade bei kranken Menschen kann das sehr wichtig sein.

  4. In der Tat – indem ich dem Menschen den Segen zuspreche und eine „Segensgabe“ ihm konkret schenke.


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