Was Segen bzw. segnen bewirkt
„Mein Loch hat wieder einen Boden“
Erfahrungsberichte von Waltraud und Heinrich Kaufmann
(veröffentlicht im Gemeinschaftsblatt)
Zum Beginn meiner Dienstzeit als Prediger hatte ich mit
meiner Frau das große Vorrecht, mich im Abstand von etwa jeweils sechs Wochen mit „Onkel Hans“ zu
treffen. Onkel Hans war ein alter Prediger im Ruhestand. Sein Augenlicht war
schon fast erloschen, aber sein Herz war jung geblieben. Er nahm engagiert
Anteil an unserem persönlichen Ergehen und in der Gemeindearbeit. Und, er
betete täglich für unsere Anliegen. Jedes Mal, wenn wir uns nach einem Besuch
wieder verabschiedeten, sagte er zu uns: „Seid so lieb und kniet nieder, ich
möchte euch noch segnen, bevor ihr das Haus verlasst.“.
Für mich und meine Frau war das ein ungeheueres Erlebnis. Es bedeutete uns
solch eine Stärkung, nicht nur ein verstehendes Gegenüber zu haben, sondern
jemanden, der uns in die Gegenwart Gottes stellte. Dass unser Dienst damals so
gesegnet verlaufen konnte, hängt sicher wesentlich mit dem regelmäßigen
Segenszuspruch dieses alten Bruders zusammen.
Eine andere Situation: Unser Patenkínd war für eine Woche zu
Besuch. Wir beteten nicht nur mit unseren Kindern, sondern wir segneten sie
auch jeden Abend. Als Thomas, unser Patenkind, dies am dritten Tag miterlebte,
fragte er auf einmal Waltraud: „Sag mal, segnet ihr eure Kinder jeden Abend?“.
Sie sagte daraufhin: „Ja, es sei denn, sie wollen es einmal nicht.“ Eine Weile
war Thomas ganz still, und dann sagte er: „Dann seid ihr ja eine segensreiche
Familie!“
Über diesen Ausspruch haben wir noch lange nachgedacht. Wo viel gesegnet wird,
ist man „segensreich“. Kindermund musste uns den Zugang solcher Wahrheit
eröffnen.
Ein drittes Erlebnis: Ich war zu Vorträgen im Saarland. Der
dortige Prediger bat mich, bei einer Frau aus der Gemeinde vorbeizusehen, die seit Wochen unter einer schweren
Depression litt. Wir gingen gemeinsam zu ihr. Als wir ihr Zimmer betraten, war
ich tief erschrocken. Die Frau hockte zusammengekauert auf ihrem Bett in der
Ecke. Die Vorhänge waren zugezogen. Der Raum war dunkel, kalt und roch nach
Heizöl. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich war wie gelähmt. Was sollte ich
als Seelsorger hier tun? Ich spürte nur meine Ohnmacht und Hilflosigkeit. Mir
war sofort klar, hier kannst du kein Gespräch führen. In diesem Moment bekam
ich innerlich den Impuls, die Frau zu segnen, den Namen Gottes auf sie zu
legen. Also fragte ich sie, ob es recht sei, wenn ich sie segne. Sie sagte: ja.
Also begab ich mich ich mich zu ihr ans Bett, betete mit ihr, legte meine Hand
auf ihr Haupt und segnete sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen
Geistes. Wir blieben noch ein paar Augenblicke da und gingen dann wieder weg.
Dieser lähmende Ausdruck verfolgte mich eine Weile.
Als ich wenige Tage danach wieder in der Beratungsstelle war, klingelte das
Telefon. Am anderen Ende meldete sich jene Frau und fragte: „Herr Kaufmann,
darf ich zu Ihnen in zur Beratung kommen? Seit ich mich gesegnet haben, hat
mein Loch wieder einen Boden.“
Ich dankte Gott für dieses Wunder, dass er sich durch den Segen so
verherrlichte.
Segnen
Segnen
heißt, die Hand auf etwas legen und sagen:
Du gehörst
trotz allem Gott.
So tun wir
es mit der Welt, die uns solches Leid zufügt.
Wir
verlassen sie nicht,
wir
verwerfen, verachten, verdammen sie nicht,
sondern
rufen zu Gott.
Wir geben
Hoffnung, wir legen die Hand auf sie und sagen:
Gottes
Segen komme über dich.
Wir haben
Gottes Segen empfangen im Glück und im Leiden.
Wer aber
selbst gesegnet wurde,
der kann
nicht mehr anders, als diesen Segen weitergeben,
ja, er muss
dort, wo er ist, ein Segen sein.
Nur aus dem
Unmöglichen kann die Welt erneuert werden.
Dieses
Unmögliche ist der Segen Gottes.
Dietrich Bonhoeffer