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Vor fünf Jahren zogen meine Enkel Kirsten, damals knapp
drei, und Marissa, noch kein Jahr alt, mit ihremVater (unserem ältesten Sohn
Geoff) auf unsere Farm. Im Gepäck die Wunden einer Ehe, die es nicht über ihren
vierten Hochzeitstag gebracht hatte. Obwohl ich meinen Sohn und meine Enkel von
ganzem Herzen liebe, hatte ich mir meine „Herbsf-Jahre zusammen mit meinem Mann
Campbell ganz anders vorgestellt.
Um ehrlich zu sein, als meine eige
nen vier Kinder das Nest verließen, um zu heiraten, freute ich mich auf mein
Leben ohne Kinder. Ich begann, unser Haus zu renovieren und die
schmutzunempfindlichen Erdtöne durch freundlichere Farben zu er
setzen. Da ich meine eigene Karrie re zugunsten der Kinder zurück gestellt
hatte, schrieb ich mich an der Universität ein, um über die Prosa des 17.
Jahrhunderts zu promovieren.
Aber kurz nach dem ich mein
Universitätsstudium beendet hatte, stellte ich fest, dass ich meine beruf
lichen Absichten auf Eis legen musste, um mit einer trauernden
Dreijährigen und einem noch nicht trockenen Baby klar zu kommen. In diesem
Sommer - und allen Som mern seitdem - wurden Campbell und ich zu Ersatzeltern
für unsere Enkelinnen, weil mein Sohn als Pilot jeden Sommer Wasserbomber
fliegt, um die Waldbrände im Norden Kanadas einzudämmen. Den Rest des Jahres
stellt Geoff Flugzeuge wieder her, so dass es ihm möglich ist, mehr Verantwortung für
seine Kinder zu übernehmen - aber es ist schwer, die Lücke zu schließen,
die seine Ex-Frau hinterlassen hat. Und es ist hart für uns, sich zum zweiten
Mal auf das Elternsein einzustellen. Der Trend geht zu erziehenden Großeltern
Immer mehr Kinder werden von ihren
Großeltern aufgezogen - ein Trend, der weder von den Kindern noch von ihren
Großeltern freiwillig mitgemacht wird. Ich habe drei Gründe gefunden, warum
viele von uns zu einer zweiten Runde Mut terschaft berufen werden: Unverhei
ratete Mütter brauchen die Unter stützung ihrer Eltern, wenn sie ihre Kinder
behalten, anstatt sie zur Adoption frei zu geben; arbeitslose junge Erwachsene
ziehen zurück ins Haus ihrer Eltern oder verlassen sich auf die unbezahlte
Kinderbe treuung ihrer Mütter; und, wie im Fall meines Sohnes, in der Folge von
Scheidungen ist großelteriiche Hilfe nötig.
Natürlich geht es nicht nur um
Windeln und Plackerei. Das Leben mit kleinen Kindern bringt viel Freude mit
sich; sie finden schnell Raum in unseren Herzen und in unserem Leben. Und es
gibt einen Reichtum in Familien mit mehreren Generationen unter einem Dach, den
wir in der westlichen Welt weit gehend verloren haben.
Aber ich sehe das nicht mit glän
zenden Augen. Es ist nicht einfach, die Waltons (amerikanische Fern
sehgroßfamilie) zu spielen. Sich um Kinder zu kümmern braucht Zeit: Die
Mahlzeiten sind aufwändiger; der Wäschekorb ist größer und es gibt mehr
Hausarbeit; und alles muss mit den neugierigen Kleinen an der Seite getan
werden. Hinzu kommt, dass ich nicht mehr so viel Energie habe wie vor zwanzig
Jah ren; manchmal kann ich das Durch einander und Geplapper kaum aus haken.
Wenn die Kinder nach Gutenachtgeschichte, -lied und -ge bet und einer Umarmung
endlich im Bett verstaut sind, bin ich mei stens so müde, dass ich nicht ein
mal im Stande bin, ein Buch zu le sen. Meine Freundschaften leiden. Meine
Artikel und Bücher muss ich in den wenigen ruhigen Momenten zwischen zwei
Unterbrechungen schreiben. Und die wenigen Augen blicke, in denen Campbell und
ich allein sind, wecken in mir die Sehn sucht nach mehr Zweisamkeit.
Widersprüchliche Emotionen
Großeltern in meiner Situation
scheuen sich häufig davor, ihre Frustration darüber zum Ausdruck zu bringen,
dass sie wieder in eine Lebensphase eintreten müssen, die sie eigentlich schon
abgeschlossen
hatten. Stattdessen sind diese
aufgestauten Gefühle Auslöser für
Depressionen. „Frauen im mittleren
Alter, die aufs Neue mit den An
sprüchen ihrer Familien konfrontiert werden, haben mit Schuldgefühlen und Ärger zu kämpfen.",
sagt Familien therapeutin Diane
Marshall. „Sie fühlen sich häufig ver
antwortlich für das Scheitern ihrer Kinder in Beziehungen und Beruf. Sie fühlen sich schuldig, weil
sie sich darüber ärgern, dass ihr
Lebensstil von neuen, unerwarteten Fa
milienbedürfnissen beschnitten wird. Und wenn sie einer außerhäuslichen Karriere nachgehen, fühlen
sie sich schul dig, weil sie nicht mehr
Unterstützung anbieten können."
Tatsächlich kämpfen die Frauen, mit denen ich ge sprochen habe, mit einer ganzen Menge
komplizierter Gefühle: Arger Wenn die Unverantwortlichkeit einer
anderen Person in unser Leben hinein schlägt,
verwundbare Kinder verletzt und
Menschen, die wir lieben, und un sere
Zeit in Anspruch nimmt, dann haben wir ein Recht dazu, ärgerlich zu sein. Meine Freundin
Dorothy war zunächst ärgerlich als ihr
Plan, mehr für die Gemeinde zu tun, von
einer Enkelin durchkreuzt wurde, die bei
ihr einzog. „Gefühle sind nicht falsch", sagt sie. „Aber der reife Mensch lernt, sie zu verarbeiten
oder ihnen Luft zu lassen, ohne sie auf
andere zu projizieren."
Angst: Als Geoff auf das Ende seines
Scheidungsver fahren wartete, fürchteten wir oft, er würde das Sorge recht für
seine Mädchen verlieren. Und in den ersten beiden Sommern hatte ich
fürchterliche Angst, den Kleinen würde ein Unfall auf unserer Farm passieren.
Und wenn ich daran denke, was noch alles vor uns lie gen könnte bis sie
erwachsenen sind, gerät mein Herz ins Stocken.
Meine Freundin Sandra, die ihrem
Sohn bei der Be treuung von zwei Vorschulkindern hilft, sagt, „Wenn die Kinder
sich aufmachten, das Wochenende mit ihrer Mut ter zu verbringen, musste ich mir
sagen: .Herr, du schaust nach ihnen, wo immer sie sind, wo immer sie hin
gehen.'"
Trauer: Nur wer selbst eine geliebte
Schwiegertochter oder einen geliebten Schwiegersohn aufgeben musste, weiß, wie
tief der Schmerz über diesen Verlust ist. Un sere eigene Trauer wird dadurch
vervielfältigt, dass wir an den emotionalen Wunden unseres eigenen Sohnes und
seiner Kinder teilhaben. Wir wissen, unsere Enkel werden sich mit dem Verlust
ihrer Mutter auseinander setzen müssen. Mein Mann und ich haben uns dafür
entschieden, unseren Enkeln ehrliche und ihrem Alter entsprechende
Informationen zu geben, wenn wir ge fragt werden. Und danach versuchen wir
ihnen klar zu machen, wie geliebt und wertvoll sie sind.
Isolation; Es kann passieren, dass
wir uns isoliert fühlen. Während un sere Altersgenossen Golfstunden nehmen oder
eine neue Karriere starten, lesen wir zum x-ten Mal „Benjamin Blümchen".
Die Isolation kann bis in die eigene Ehe reichen: Für meinen Mann Campbell war
es eine Quelle der Freude und Erneue rung, die Kinder um sich zu haben. Sogar
für ihn - meinen engsten Ver trauten - war es schwer zu verste hen, dass es für
mich keine reine Freude war. Hilfe finden
Sandra wohnt zusammen mit ih rem Mann
in einem Drei-Zimmer Haus. Als ihr Sohn mit seinen zwei Söhnen auch noch in
dieses Haus mit einzog, kam sie an einen Punkt, wo sie es nicht mehr aushielt:
„Ich nenne es mein schwarzes Loch und ich dachte nicht, dass ich je wieder
rauskommen würde", erzählt sie. „Als ich mich bei dem Gedanken er tappte,
dass es am besten wäre zu sterben, um den ganzen Stress los zu sein, ging ich
in eine Beratung."
Ich selbst finde Hilfe bei den we
nigen Freunden, denen ich voll ver traue. Bei ihnen kann ich mein Herz
ausschütten. Ich nehme mir auch Zeit, Tagebuch zu schreiben. Häufig schreibe
ich Gebete, um meine Verwirrung und Ratlosigkeit auszu schütten. Die Psalmen,
mit ihren ehrlichen Äußerungen von Verstörung und Ärger, trösten mich. Psalm 39
be schreibt das Bedürfnis des Psalmisten, seinen Schmerz auszusprechen und
Erleichterung im Gebet zu finden; Psalm 116 zeichnet den Veränderungsprozess
von Trau er zu Lob und lädt mich ein: „Komme wieder zur Ruhe, o meine
Seele." Auswählen
Obwohl ich mir die Situation, in der
ich mich befin de, nicht ausgesucht habe, gibt es durchaus Wahlmög lichkeiten.
Ich kann den Kindern zu meinen Füßen ent weder erlauben, mich alt und bitter
werden zu lassen oder mich jung und aktiv zu halten. Ich kann mich entweder in
Selbstmitleid und Groll baden oder zu meinem Herrn sagen: „Soll ich nicht den
Kelch trinken, den mir mein Vater gegeben hat?" (Johannes 18, 11).
Indem ich gelernt habe, die
Bedürfnisse der Klei nen über andere Pläne und Wünsche zu stellen, bin ich
geduldiger geworden. Und ich habe mich entschlossen, dem Groll nicht zu
erlauben, mich der Freuden im Zu sammenleben mit den Kindern zu berauben. Alle
Dinge zum besten dienen
Elterliche Pflichten erneut zu
übernehmen ist sicher lich nicht nur Stress und Schmerz. Vielmehr habe ich
durchtragende Freude entdeckt. Manchmal muss ich diese Freude suchen, indem ich
mich auf die wunder schönen Augen der Kleinen konzentriere, anstatt auf das
Chaos dahinter zu blicken. Ich versuche Arbeit und Ruhe im Gleichgewicht zu
halten, damit ich nicht von Ermüdung übermannt werde - die kann nämlich
schnell dazu führen,
dass ich schnippisch
und kratzbürstig werde. Aber jeden Tag empfinde ich Freu de. Ich hatte
die Chance, all die magischen Momente im Leben unserer Enkel zu erleben. Und
wir hatten jede Menge Spaß zusammen. Ich lerne, jeden Tag so zu nehmen, wie er
ist, und ihn so gut ich kann mit Liebe und schönen Erinnerungen zu füllen.
Mein blassblauer Teppich wird grau.
Meine anderen Renovierungspläne - und viele andere Pläne auch - lie gen auf
Eis. Aber neulich, als einige meiner erwachse nen Kinder mich zum Abschied nach
einem gemeinsa men Wochenende umarmten und zurück zu ihren Jobs in
unterschiedliche Städte fuhren, schaute mich meine Enkelin Kristen mit ihren
großen braunen Augen an und sagte: „Bist du nicht froh, dass du uns hast,
Oma?" Und es war für mich überhaupt nicht schwierig zu ant worten: ,Ja, mein Liebling, sehr froh. Sehr froh."