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Kriesen und Freuden, wenn eine Oma plötzlich wieder Kinder erziehen muss. Ein Artikel aus der neuen Zeitschrift 55plus www.55plus-magazin.de

Vor fünf Jahren zogen meine Enkel Kirsten, damals knapp drei, und Marissa, noch kein Jahr alt, mit ihremVater (unserem ältesten Sohn Geoff) auf unsere Farm. Im Gepäck die Wunden einer Ehe, die es nicht über ihren vierten Hochzeitstag gebracht hatte. Obwohl ich meinen Sohn und meine Enkel von ganzem Herzen liebe, hatte ich mir meine „Herbsf-Jahre zusammen mit meinem Mann Campbell ganz anders vorgestellt.

    Um ehrlich zu sein, als meine eige nen vier Kinder das Nest verließen, um zu heiraten, freute ich mich auf mein Leben ohne Kinder. Ich begann, unser Haus zu renovieren und die schmutzunempfindlichen Erdtöne durch freundlichere Farben zu er setzen. Da ich meine eigene Karrie re zugunsten der Kinder zurück gestellt hatte, schrieb ich mich an der Universität ein, um über die Prosa des 17. Jahrhunderts zu promovieren.

    Aber kurz nach dem ich mein Universitätsstudium beendet hatte, stellte ich fest, dass ich meine beruf lichen Absichten  auf Eis  legen musste, um mit einer trauernden Dreijährigen und einem noch nicht trockenen Baby klar zu kommen. In diesem Sommer - und allen Som mern seitdem - wurden Campbell und ich zu Ersatzeltern für unsere Enkelinnen, weil mein Sohn als Pilot jeden Sommer Wasserbomber fliegt, um die Waldbrände im Norden Kanadas einzudämmen. Den Rest des Jahres stellt Geoff Flugzeuge wieder her, so dass es ihm möglich ist,  mehr Verantwortung  für  seine Kinder zu übernehmen - aber es ist schwer, die Lücke zu schließen, die seine Ex-Frau hinterlassen hat. Und es ist hart für uns, sich zum zweiten Mal auf das Elternsein einzustellen. Der Trend geht zu erziehenden Großeltern

     Immer mehr Kinder werden von ihren Großeltern aufgezogen - ein Trend, der weder von den Kindern noch von ihren Großeltern freiwillig mitgemacht wird. Ich habe drei Gründe gefunden, warum viele von uns zu einer zweiten Runde Mut terschaft berufen werden: Unverhei ratete Mütter brauchen die Unter stützung ihrer Eltern, wenn sie ihre Kinder behalten, anstatt sie zur Adoption frei zu geben; arbeitslose junge Erwachsene ziehen zurück ins Haus ihrer Eltern oder verlassen sich auf die unbezahlte Kinderbe treuung ihrer Mütter; und, wie im Fall meines Sohnes, in der Folge von Scheidungen ist großelteriiche Hilfe nötig.

    Natürlich geht es nicht nur um Windeln und Plackerei. Das Leben mit kleinen Kindern bringt viel Freude mit sich; sie finden schnell Raum in unseren Herzen und in unserem Leben. Und es gibt einen Reichtum in Familien mit mehreren Generationen unter einem Dach, den wir in der westlichen Welt weit gehend verloren haben.

    Aber ich sehe das nicht mit glän zenden Augen. Es ist nicht einfach, die Waltons (amerikanische Fern sehgroßfamilie) zu spielen. Sich um Kinder zu kümmern braucht Zeit: Die Mahlzeiten sind aufwändiger; der Wäschekorb ist größer und es gibt mehr Hausarbeit; und alles muss mit den neugierigen Kleinen an der Seite getan werden. Hinzu kommt, dass ich nicht mehr so viel Energie habe wie vor zwanzig Jah ren; manchmal kann ich das Durch einander und Geplapper kaum aus haken. Wenn die Kinder nach Gutenachtgeschichte, -lied und -ge bet und einer Umarmung endlich im Bett verstaut sind, bin ich mei stens so müde, dass ich nicht ein mal im Stande bin, ein Buch zu le sen. Meine Freundschaften leiden. Meine Artikel und Bücher muss ich in den wenigen ruhigen Momenten zwischen zwei Unterbrechungen schreiben. Und die wenigen Augen blicke, in denen Campbell und ich allein sind, wecken in mir die Sehn sucht nach mehr Zweisamkeit. Widersprüchliche Emotionen

    Großeltern in meiner Situation scheuen sich häufig davor, ihre Frustration darüber zum Ausdruck zu bringen, dass sie wieder in eine Lebensphase eintreten müssen, die sie eigentlich schon abgeschlossen

    hatten. Stattdessen sind diese aufgestauten Gefühle   Auslöser für Depressionen.     „Frauen im mittleren Alter, die aufs Neue mit den An   sprüchen ihrer Familien konfrontiert werden, haben mit   Schuldgefühlen und Ärger zu kämpfen.", sagt Familien   therapeutin Diane Marshall. „Sie fühlen sich häufig ver   antwortlich für das Scheitern ihrer Kinder in Beziehungen   und Beruf. Sie fühlen sich schuldig, weil sie sich darüber   ärgern, dass ihr Lebensstil von neuen, unerwarteten Fa   milienbedürfnissen beschnitten wird. Und wenn sie einer   außerhäuslichen Karriere nachgehen, fühlen sie sich schul   dig, weil sie nicht mehr Unterstützung anbieten können."     Tatsächlich kämpfen die Frauen, mit denen ich ge   sprochen habe, mit einer ganzen Menge komplizierter   Gefühle:     Arger Wenn die Unverantwortlichkeit einer anderen   Person in unser Leben hinein schlägt, verwundbare   Kinder verletzt und Menschen, die wir lieben, und un   sere Zeit in Anspruch nimmt, dann haben wir ein Recht   dazu, ärgerlich zu sein. Meine Freundin Dorothy war   zunächst ärgerlich als ihr Plan, mehr für die Gemeinde   zu tun, von einer Enkelin durchkreuzt wurde, die bei   ihr einzog. „Gefühle sind nicht falsch", sagt sie. „Aber   der reife Mensch lernt, sie zu verarbeiten oder ihnen   Luft zu lassen, ohne sie auf andere zu projizieren."

    Angst: Als Geoff auf das Ende seines Scheidungsver fahren wartete, fürchteten wir oft, er würde das Sorge recht für seine Mädchen verlieren. Und in den ersten beiden Sommern hatte ich fürchterliche Angst, den Kleinen würde ein Unfall auf unserer Farm passieren. Und wenn ich daran denke, was noch alles vor uns lie gen könnte bis sie erwachsenen sind, gerät mein Herz ins Stocken.

     Meine Freundin Sandra, die ihrem Sohn bei der Be treuung von zwei Vorschulkindern hilft, sagt, „Wenn die Kinder sich aufmachten, das Wochenende mit ihrer Mut ter zu verbringen, musste ich mir sagen: .Herr, du schaust nach ihnen, wo immer sie sind, wo immer sie hin gehen.'"

    Trauer: Nur wer selbst eine geliebte Schwiegertochter oder einen geliebten Schwiegersohn aufgeben musste, weiß, wie tief der Schmerz über diesen Verlust ist. Un sere eigene Trauer wird dadurch vervielfältigt, dass wir an den emotionalen Wunden unseres eigenen Sohnes und seiner Kinder teilhaben. Wir wissen, unsere Enkel werden sich mit dem Verlust ihrer Mutter auseinander setzen müssen. Mein Mann und ich haben uns dafür entschieden, unseren Enkeln ehrliche und ihrem Alter entsprechende Informationen zu geben, wenn wir ge fragt werden. Und danach versuchen wir ihnen klar zu machen, wie geliebt und wertvoll sie sind.

     Isolation; Es kann passieren, dass wir uns isoliert fühlen. Während un sere Altersgenossen Golfstunden nehmen oder eine neue Karriere starten, lesen wir zum x-ten Mal „Benjamin Blümchen". Die Isolation kann bis in die eigene Ehe reichen: Für meinen Mann Campbell war es eine Quelle der Freude und Erneue rung, die Kinder um sich zu haben. Sogar für ihn - meinen engsten Ver trauten - war es schwer zu verste hen, dass es für mich keine reine Freude war. Hilfe finden

    Sandra wohnt zusammen mit ih rem Mann in einem Drei-Zimmer Haus. Als ihr Sohn mit seinen zwei Söhnen auch noch in dieses Haus mit einzog, kam sie an einen Punkt, wo sie es nicht mehr aushielt: „Ich nenne es mein schwarzes Loch und ich dachte nicht, dass ich je wieder rauskommen würde", erzählt sie. „Als ich mich bei dem Gedanken er tappte, dass es am besten wäre zu sterben, um den ganzen Stress los zu sein, ging ich in eine Beratung."

   Ich selbst finde Hilfe bei den we nigen Freunden, denen ich voll ver traue. Bei ihnen kann ich mein Herz ausschütten. Ich nehme mir auch Zeit, Tagebuch zu schreiben. Häufig schreibe ich Gebete, um meine Verwirrung und Ratlosigkeit auszu schütten. Die Psalmen, mit ihren ehrlichen Äußerungen von Verstörung und Ärger, trösten mich. Psalm 39 be schreibt das Bedürfnis des Psalmisten, seinen Schmerz auszusprechen und Erleichterung im Gebet zu finden; Psalm 116 zeichnet den Veränderungsprozess von Trau er zu Lob und lädt mich ein: „Komme wieder zur Ruhe, o meine Seele." Auswählen

     Obwohl ich mir die Situation, in der ich mich befin de, nicht ausgesucht habe, gibt es durchaus Wahlmög lichkeiten. Ich kann den Kindern zu meinen Füßen ent weder erlauben, mich alt und bitter werden zu lassen oder mich jung und aktiv zu halten. Ich kann mich entweder in Selbstmitleid und Groll baden oder zu meinem Herrn sagen: „Soll ich nicht den Kelch trinken, den mir mein Vater gegeben hat?" (Johannes 18, 11).

    Indem ich gelernt habe, die Bedürfnisse der Klei nen über andere Pläne und Wünsche zu stellen, bin ich geduldiger geworden. Und ich habe mich entschlossen, dem Groll nicht zu erlauben, mich der Freuden im Zu sammenleben mit den Kindern zu berauben. Alle Dinge zum besten dienen

    Elterliche Pflichten erneut zu übernehmen ist sicher lich nicht nur Stress und Schmerz. Vielmehr habe ich durchtragende Freude entdeckt. Manchmal muss ich diese Freude suchen, indem ich mich auf die wunder schönen Augen der Kleinen konzentriere, anstatt auf das Chaos dahinter zu blicken. Ich versuche Arbeit und Ruhe im Gleichgewicht zu halten, damit ich nicht von Ermüdung übermannt werde - die kann nämlich schnell  dazu  führen,  dass  ich  schnippisch  und kratzbürstig werde. Aber jeden Tag empfinde ich Freu de. Ich hatte die Chance, all die magischen Momente im Leben unserer Enkel zu erleben. Und wir hatten jede Menge Spaß zusammen. Ich lerne, jeden Tag so zu nehmen, wie er ist, und ihn so gut ich kann mit Liebe und schönen Erinnerungen zu füllen.

    Mein blassblauer Teppich wird grau. Meine anderen Renovierungspläne - und viele andere Pläne auch - lie gen auf Eis. Aber neulich, als einige meiner erwachse nen Kinder mich zum Abschied nach einem gemeinsa men Wochenende umarmten und zurück zu ihren Jobs in unterschiedliche Städte fuhren, schaute mich meine Enkelin Kristen mit ihren großen braunen Augen an und sagte: „Bist du nicht froh, dass du uns hast, Oma?" Und es war für mich überhaupt nicht schwierig zu ant worten: ,Ja, mein Liebling, sehr froh. Sehr froh."