Themenpredigt: „Zielorientiert leben“. Text: Römer 12, 1+2
von Michael Strauch
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Einleitung:
Im Fernsehen kam vor einigen Wochen eine Sendung, in der der beliebteste Deutsche gesucht wurde. Ich habe nur eine Sendung gesehen, und da war der Erfinder der Buchdruckerkunst Johannes Gutenberg und direkt an zweiter Stelle – man höre und staune – Martin Luther. Diesen Beiden, so meint ein Großteil der deutschen Bevölkerung – hat Deutschland ein ganz großes Stück vorwärts gebracht. Beide waren in ihrer Art „Reformatoren“. Gutenberg reformierte die Art der Büchervervielfältigung und ist somit ein Vorläufer der modernen Datenkommunikation. Luther reformierte die Theologie und damit die Staatsreligion und damit sogar unsere Sprache und unser Denken. Diese Menschen haben Deutschland und der Welt viel gebracht durch ihre Reformen. So wundert es, dass im Jahre 1997 als „Unwort des Jahres“ der Begriff „Reformstau“ in den deutschen Duden aufgenommen wurde. Reformen sind gut, solange man in einer Zeit aufwächst, wo man die Früchte der Reform geniessen darf. Reformen sind anstrengend, ärgerlich und irritierend, wenn man Teil der Neuerung ist. Denn Reformen heißen immer auch, Liebgewordenes zu hinterfragen und gegebenenfalls zu lassen. Reformen sind wichtig, dass wird kaum jemand verneinen. Doch wenn eine Reform die andere jagt, dann staut sich das Ganze wie eine Autokolonne ins Urlaubsgebiet und am Ende steckt alles fest. Und manche Reformen bringen das Gegenteil, was man ursprünglich wollte. Auch Luther hat viele Momente gehabt, wo er nicht wußte, ob der eingeschlagene Weg der Richtige ist. Auch unser Leben als Christ braucht immer wieder eine Reformation. Doch wie soll das gehen?
Reform heißt: Klärung des eigenen Standpunkts
Den eigenen Standpunkt klären, das ist leichter gesagt als getan. Schauen Sie sich doch ihren Alltag an? Wir verbrauchen viel Kraft, Zeit und Energie in all nur denkbaren Aktivitäten. Der Wohlstand muss erhalten, ausgebaut und eventuell gemehrt werden. Dazu reicht ein Gehalt oft nicht aus. In der noch verbleibenden Zeit kommen eine Flut an Anfragen zur Mitarbeit von Gemeinde – geistlich wie politisch. Wer Kinder hat, sieht sich schnell an Kuchenständen, Basteltischen und Chauffeuren für Kindergarten und Schule. Viele wollen einiges bewegen, erneuern und vorantreiben – solange, bis man müde und desillusioniert in den Sessel fällt und den Eindruck bekommt, dass man sich zwar sehr verausgabt hat, aber nicht genau weiß, wo man gerade steht. Paulus sagt einmal, er möchte nicht jemand sein, der – so wörtlich – in die Luft schlägt. Er will damit sagen, ob ein konzentriertes Leben nicht wichtiger wäre?
Luthers Vater z.B. wollte unbedingt, dass der hochbegabte Martin Jura studiert. Er hat den Bub gefördert, hat sich in Mansfeld den Buckel krumm gearbeitet, dass aus seinem Sohn ein toller Rechtsanwalt wird. Dann solle die Karriereleiter des Mittelalters immer höher erklimmen, Geld machen, Ansehen gewinnen etc. Und was macht Luther in der Blüte seiner Schaffenskraft? Er geht in einen Schweigeorden. Warum? Er wollte sich nicht verlieren an all den schönen Karriereofferten seiner Zeit, sondern er wollte seinen eigenen Standpunkt klären. Dazu brauchte er eine Auszeit. Er wollte zuerst wissen: wie stehe ich vor Gott? Wie sieht mich Gott? Der erste Schritt der Reformation bestand darin, dass ein Mensch sein Verhältnis zu Gott geklärt hat.
Eine junge Frau hat einmal in einem Intervierw folgenden Satz geprägt: „Also, ich bin mit meiner Generation nicht sehr glücklich. Alles ist so unheimlich „light“, so zerstreut und beliebig. Ich sehe wenig Interesse an Verbindlichkeit und Engagement. Es müßte viel mehr Mut zu Tiefe und konstruktiver Spontanität geben. Gesucht wird das coole Glück: alles durchliberalisiert, aber merkwürdig unfroh!“ Die erste Frage der Reform muss heißen: wo stehe ich gerade? Von welchem Strom lasse ich mich treiben? Ich brauche als Christ immer wieder eine Auszeit. Wo ich mein Leben vor Gott kläre. Ich muss meinen Standpunkt klären.
Die Reform wagen
Luther hat im Kloster Erfurt eine tiefgreifende theologische Entdeckung gemacht: der Vater im Himmel liebt mich. So wie ich bin. Ohne eigene Leistung, ohne gute Noten, ohne gutes Betriebszeugnis bin ich einfach geliebt. Diesem liebenden Gott widmete Luther sein ganzes Leben. Für Luther war der Apostel Paulus das große Vorbild. Was aber fesselte Luther am Leben des Paulus? Beide hatten eine schmerzhafte Auszeit hinter sich. Beide mußten zu Beginn ihres neuen Lebens ihr Verhältnis zu Gott neu klären. Beide übergaben ihr ganzes Leben dem neu gewonnenen Christus. Beide beschlossen, von nun an nicht irgendwas christliches zu tun oder ein christlich bürgerliches Leben zu führen, sondern ein Leben aus dem Geist zu führen. Paulus war ein Mann, der stets mit Gott in Verbindung stand und Gott fragte: was soll ich als nächstes tun? Wo ist mein Platz? Hat er ersteinmal einen Weg als richtig erkannt, dann verfolgte er diesen mit Mut und Entschlossenheit.
Schauen wir uns das Leben Jesu an. Er hätte doch durch die ganze damalige Welt wie ein Großevangelist reisen können und überall Vorträge halten können. Er hat es nicht getan. Er wirkte in einem kleinen, unterdrückten Land. Er lehrte zwölf Personen drei Jahre lang seine Botschaft. Jesus verlor sich nicht in unendlichen Aktivitäten. Jesus pfiff auf die Meinung der Leute, dass er vor den Augen als „schaffig“ dasteht. Im Gegenteil, sie nannten ihn einen Weinsäufer und Fresser. Jesus war über allem gelassen, weil er ein Lebensmotto hatte: Ich tue den Willen des, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk!“ Der Herr Jesus ist ja überhaupt der größte Reformator aller Zeiten. Doch seine Reformation geschah im Kleinen. Er investierte in einen kleinen Kreis – und das mit Hingabe und Konsequenz und er nahm sich immer wieder Auszeiten auf den Bergen Israels. Eine Reform beginnt damit, dass ich mein Verhältnis zu Gott kläre und als nächstes frage: Herr, was willst Du, dass ich tun soll? Und wenn ich etwas erkannt habe, diesen Weg mutig beschreiten. Und diesen Weg vor Augen behalten und sich nicht ablenken zu lassen von all dem, was man noch alles machen könnte. Lieber eine Sache gut und richtig machen als vieles oberflächlich und seicht.
Schluss
Am Schluss möchte ich ihnen aber eines nicht verschweigen. Alle Reformatoren, sei es der Herr Jesus, seien es die Propheten des AT, seien es Paulus, Luther, Gutenberg, Zwingli etc. lebten oft im heftigen Widerspruch ihrer Zeit. Es gibt nichts gefährlicheres als einen Christen, der weiß, was Gott von ihm will und sein ganzes Denken und Schaffen dort hineinlegt. Gott sagt, dass seine Gedanken nicht unsere seien. Wer sich nun Gottes Gedanken zu eigen macht, lebt oft im Widerspruch – nicht zuletzt auch mit seinen eigenen Glaubensgefährten. Denn wer hat das Leben Jesu, des Paulus, Luthers etc. schwer gemacht? Die böse Welt oder nicht oft genug die aus den eigenen Reihen? Aber, wer sein Leben vor Gott reformiert, der wird sein Leben zusehens mehr als erfüllt sehen. Denn ein bewußtes Leben mit Gott ist ein Abenteuer, das seines gleichen sucht.
Darum: kläre deinen Standpunkt. Wie ist dein Verhältnis zu Gott? Den Müttern möchte ich empfehlen, sich ein Wochende mal zu nehmen und die Väter bitte ich, es ihnen zu ermöglichen. Wir brauchen Auszeiten für Gott. Und wenn wir Gott begegnen und ihm unser Leben wieder ganz neu hingeben, dann werden wir viel effektiver sein und gleichzeitig gelassener. Denn nicht alle Reformen sind von mir zu bewältigen. Nicht alle Anfragen und Erwartungen müssen mich belasten, sondern allein der Wille Gottes zählt. Amen.