Der Philipperbrief – kurze Einführung
(Gemeinschaftsblatt der Altpietistischen Gemeinschaft 2005)
1. Der Adressat
Die Gemeinde in Philippi. Sie ist die erste von
Paulus gegründete Gemeinde auf europäischem Boden – gegründet auf seiner
zweiten Missionsreise (siehe Apg 16,11ff). Der Name Philippi geht auf Philippus II.
von Mazedonien (um 350 v.Chr.) zurück, den Vater
Alexanders des Großen, der diese Stadt gegründet hat. Zur Zeit des Paulus war
sie eine wichtige römisch geprägte Handels- und Militärstadt. Paulus hatte eine
besondere Verbindung zu dieser Gemeinde und einen regen Austausch mit ihr (Apg 20,1-5; Phil 2,19ff). Ob das daran lag, dass sie mitten
im Sturm einer Verfolgung entstanden war und Paulus hier eine ganz besondere Glaubenserfahrung gemacht hatte (mit Lydia und dem
Kerkermeister)? Es war offenbar eine zwar kleine, aber sehr einsatzfreudige und
wohltätige Gemeinde (4,13ff).
2. Anlass
Aktueller Anlass für den Brief war der Dank für das Geldgeschenk, das Paulus in
seine Gefangenschaft übersandt bekommen hat – übermittelt durch Epaphroditus (2,25-30). Paulus – obwohl er sich selbst im
Gefängnis befindet (1,12ff) – benutzt den Brief, um der Gemeinde Zuspruch
zukommen zu lassen, ihren missionarischen Auftrag zu verdeutlichen und auf die
Einmütigkeit im Glauben hinzuweisen (2,1ff).
3. Besonderheiten
Zwei „Schlüsselworte“ prägen den Brief und damit auch zwei eindeutige
geistliche Schwerpunkte:
A) Freude
Der Brief selbst wird oft auch „Brief der Freude“ genannt. In der
Gefangenschaft geschrieben, strahlt er tiefe Zuversicht und Siegesgewissheit
aus. Der Herzton des Evangeliums kommt zum Tragen (Evangelium = frohe
Botschaft, vgl. Lk 2,10). Während der Römerbrief das
Fundament der christlichen Lehre bildet und der Galaterbrief
von bestechender theologischer Klarheit ist, atmet der Philipperbrief
eben den Grundton des Evangeliums. Ein besonders schöner Edelstein unter den
Paulusbriefen! Allein 17-mal kommt das Wort „Freude“ oder „sich freuen“ vor,
wie viel häufiger noch zwischen den Zeilen. Beispiele:
- am Gebet (1,4)
- an der Verkündigung des Evangeliums (1,18)
- an der Gemeinschaft (2,1-2)
- im Herrn (3,1; 4,4).
Alles soll dazu helfen, dass die Gemeinde zum Lob Gottes angeleitet wird.
B) Christus
Auffällig ist, wie oft und intensiv Paulus innig von Christus redet. Hier wird
der andere „Herzton“ des Evangeliums deutlich: Der Glaube ist eine innige
Beziehung zu Christus. Nicht umsonst steht mitten im Brief der berühmte
„Christushymnus“ (2,5-11), der in seiner Klarheit und Kürze und auch in seiner
sprachlichen Schönheit einmalig ist (nicht umsonst ist er auch im
Gemeinschaftsliederbuch aufgenommen, siehe Nr. 847).
Christus ist hier angestrahlt
- als Quelle geistlicher Frucht (1,11)
- als Thema aller Verkündigung (1,18)
- als vollkommenes Beispiel göttlicher Gesinnung (2,5-11)
- als Ziel des Lebens (3,12-14)
- als entscheidender Wert des Lebens (3,7-11)
- als der, der wiederkommt und unseren Leib verklären wird (3,20-21)
- als unsere Kraft (4,13)
- als unser Reichtum (4,19).
Die Zuspitzung erfährt der Brief in Kapitel 4,4: echte Freude gibt es nur
durch, bei und in Christus. Christus wiederum bewirkt beständige Freude,
Dankbarkeit und Frieden.
4. Was unbedingt (auswendig) zu lernen ist
2,5-11; 2,12b-13; 3,12-14; 4,4-7.
5. Abfassungszeit
Aus einer Gefangenschaft – wahrscheinlich aus Rom (60-64 n.Chr.)
oder schon vorher aus Ephesus (55 n.Chr., zur Zeit
der dritten Missionsreise). Die Hinweise in 1,13 und 4,22 lassen beide Orte
möglich erscheinen. Für Rom spricht, dass in der Apostelgeschichte von keiner
Gefangenschaft des Paulus in Ephesus berichtet wird, jedoch ausführlich von der
Gefangenschaft in Rom.
Otto Schaude