Bibelarbeit über Philipper 2, 12-30 für Gemeinschaftsblatt 5/05

von Michael Strauch


1. Schaffet euer Heil mit Furcht und Zittern (Verse 12-18)

Ich meine, einem evangelischen Christen müssen die Verse 12-13 zusetzen.
Warum? Weil Paulus hier sagt, dass der Christ sein Heil mit Furcht und Zittern
- so wörtlich - erarbeiten soll. Das klingt verdächtig nach Werkgerechtigkeit.
Ist Paulus am Ende doch wieder in das pharisäische Denken abgerutscht? Doch
heißt es nicht auch ganz klar, dass der Christ durch den Glauben an Jesus
selig wird? Jakobus hält dagegen: Glauben? Das tun die Teufel auch und...zittern!
Nun kommt Paulus wieder zu Wort und fügt an: Gott schenkt das Wollen und
auch das Vollbringen. Wenn Gott am Ende das Entscheidende zu meinem Heil
tut, warum soll ich noch arbeiten um des Heils willen, sogar mit Furcht
und Zittern?

Wenn ich diese Verse lese, fallen mir zwei Männer ein, deren Leben eine
Antwort sein könnte auf diese Fragen: Martin Luther und Dietrich Bonhoeffer.
Martin Luther hatte eine grauenvolle Angst vor dem richtenden Gott. Er meinte,
durch den Eintritt in eines der strengsten Klöster seiner Zeit in Erfurt
Gott gnädig stimmen zu können. Doch weder die "Möncherei" noch alle Beichten
bei seinem geistlichen Vater Staupitz brachten ihm die Erlösung von dem
sich Fürchten und Zittern vor Gott. Dann der Durchbruch, der uns evangelische
Christen bis heute prägt: nicht durch Werke, allein durch den Glauben an
den gekreuzigten und auferstandenen Herrn werde ich selig. Vierhundert Jahre
später musste Bonhoeffer in seinem Buch "Nachfolge" klagend feststellen:
Diese von Luther erkannte und begriffene Gnade Gottes ist zur Schleuderware
verkommen. Der Ablassbrief hat sich neue Wege und eine neue Gestalt gesucht
und gefunden.

Wir halten fest: es ist durchgehend biblisches Zeugnis, dass kein Mensch
durch Werke selig werden kann. Gerade das thematisiert Paulus ja im Römerbrief.
Der Glaube an Jesus Christus allein ist entscheidend. Wir halten weiter
fest, dass der Glaube an Jesus aber nicht zu vergleichen ist mit einer Versicherung,
die ich einmalig abschließe und dann so weiter leben kann wie zuvor auch.
Die Gnade Gottes ist keine Schleuderware.

Zwischen dem Anfang als Christ und dem seligen Ende, dass Gott schenkt,
steht der lange und mühevolle Weg des Gehorsams. Bezugsvers ist Kapitel
1,27: Wandelt würdig der Berufung! Paulus meint also: als Christen sind
wir geadelt. Wir sind Kinder des allmächtigen Gottes geworden, ohne unser
Zutun, ohne unseren Verdienst. Als Kinder Gottes sind wir automatisch auch
erbberechtigt. Aber Adel verpflichtet! Als Kinder Gottes sind wir aufgerufen,
unsere ganze Kraft, unsere Kreativität - sprich unser Leben - dran zu setzen,
dass wir uns dieser Berufung als würdig erweisen. Ein Schlüssel dazu ist
die das "Fürchten und Zittern". Ich glaube nicht, dass Paulus damit meint,
dass wir vor unsrem himmlischen Vater Angst haben sollen. Gemeint ist die
Ehrfurcht vor Gott. Gott ist kein Kumpel, kein Pappi, der bei allem immer
ein Auge zudrückt. Gott ist der Schöpfer des Universums. Selbst Johannes
(siehe Offenbarung) hat es sprichwörtlich umgehauen, wie er seinen verherrlichten
Herrn wieder sah. Wer das begriffen hat, der wird sich immer in seinem Leben
als Christ die eine Frage stellen müssen: was ist mein Motiv? Trachte ich
wirklich nach Gottes Willen? Und wie verstehe ich Gottes Wort? Ist es nicht
so, dass es oft missbraucht wird als erbauliche Lektüre, die mich immer
nur bestätigt und schöne Gefühle schafft, aber letztendlich nichts verändern
darf in meinem Verhalten? Was würde sich ändern, wenn ich begönne, das Wort
Gottes wirklich ernst zu nehmen?

2. Niemand nach meinem Sinn (Verse 19-30)

Im nächsten Abschnitt erfolgt ein zweites schweres Wort: Paulus sagt, dass
"alle das Ihre suchen, nicht das, was Jesu Christi ist!" Dem Apostel macht
dieser Umstand schwer zu schaffen. Es ist die Rede von "tiefer Bekümmerung"
und von vielfacher "Trauer". Hier möchte ich am liebsten mit allen Christen
stehen bleiben und uns fragen: ist es nicht so? Wer sucht wirklich den Willen
des Herrn? Wer kann von sich sagen, dass er nicht selbst sich verwirklichen
will? Siegmar Stehmann sagt in einem Gedicht: "Wir rufen die Liebe, die
arme Magd, die jeder begehrt und jeder verjagt!" Wir wollen vom Herrn geliebt
werden, Vergebung bekommen, getröstet, beschützt und gestärkt werden. Und
wir sind so wenig bereit, zu lieben, zu vergeben, zu trösten, zu beschützen
und zu stärken. Wir sprechen lieber durch Mikrophone, statt zum Einsamen
und Kranken.

Paulus spricht von zwei Männern, die er uns als Vorbild vor Augen stellt:
Timotheus und Ephaphroditus. Von Timotheus heißt es, dass er wie ein Kind
seinem Vater nicht Paulus, sondern "dem Evangelium" gedient hat. Wenn wir
allerdings die Timotheusbriefe lesen, wie sehr die christliche Gemeinde
diesem jungen Mann zugesetzt und ihn verzagt gemacht hat, dann weiß man,
was es heißt, dem Evangelium zu dienen. Denn das Evangelium durchkreuzt
unsere Eigeninteressen.

Von Epaphroditus heißt es, er sei ein Mitstreiter und ein "Helfer in der
Not!" Die Gemeinde in Philippi liebte Epaphroditus und er liebte sie. Es
geht einem das Herz auf, welch eine Sehnsucht und Liebe diese Gläubigen
verbindet. Die Christen in Philippi konnten sich nicht mehr freuen, als
sie hörten, wie schlecht es dem Mitarbeiter des Paulus erging. Sie machten
seine Not zu der Ihren.
Am Schluss heißt es, dass die Gemeinde solche Menschen in Ehren halten soll,
die bereit sind, Gesundheit, Kraft, Geld und ihr ganzes Leben für die Sache
Jesu dranzugeben.


Schluss:

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