Bibelarbeit über Matthäus 8, 23 - 34 Berglen, den 28. Oktober 2000

A: Evangeliensynopse mit Mk 4, 35-41 und Lk 8, 22-27

Vers 23:

Mt erzählt wie gewohnt sehr knapp. Es heißt nur, daß er ins Boot einsteigt und seine Jünger ihm folgen. Von Mk wissen wir, daß es am Abend desselben Tages geschah. Jesus fordert seine Jünger auf, ans andere Ufer zu fahren, d.h. von Kapernaum nach dem östlich gelegenen Gerar. Mk berichtet auch, daß sie die Zuhörer entließen und vom Ufer abstießen. Welche Boote noch dabei waren, läßt sich schwer sagen! Aber es ist ein interessanter Hinweis. Lk ist ausführlicher als Mt, aber knapper als Mk. Ansonsten identisch.

Jesus hat also einen beschwerlichen Tag hinter sich. Er hat gepredigt, geheilt, gelehrt. Nun ist es Abend geworden und er will sich mit seinen Jüngern zurückziehen. Er entläßt die Menge und fordert seine Jünger auf, ans andere Ufer zu rudern, östlich von Kapernaum.

Vers 24:

Mt berichtet nun, daß ein gewaltiger Sturm ganz plötzlich die Wellen zu großen Brechern auftürmt. Die Wellen schlagen über das Boot hinweg und das Boot droht unter dieser Gewalt zu kentern. Dann lesen wir das Unfaßbare: Jesus schläft! Von Mk hören wir, daß Wasser das Boot füllte. Vermutlich haben die Jünger versucht, verzweifelt das Wasser wieder hinaus zu schütten, doch vergebens. Das Schiff sinkt immer bedrohlicher! Nun hören wir, daß Jesus - typisch Mk für diese Details - hinten im Heck schlief auf einem Kissen. Lk wieder knapper als Mk betont nur, daß sie in großer Gefahr schwebten.

Vers 25:

Lt Mt gehen die Jünger nun endlich zu Jesus, weckten ihn auf und schreien um Hilfe: Herr, hilf, wir kommen um!" Lt Mk klingt schon mehr der Vorwurf: Herr, fragst du nicht danach, das wir umkommen?" Vielleicht haben mehrere auf Jesus eingeredet. Lk weiß auch eher den Ausruf bei Mt: Meister, Meister, wir kommen um!"

Vers 26:

Mt läßt Jesus nun antworten: Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam?" Dann steht er auf (diese Stelle ist einfach gewaltig), bedroht den Wind und das Meer. Und es wurde ganz still. Mk läßt das Wort des Glaubens wie bei Mt weg. Bei ihm steht Jesus auf, bedroht den Wind mit den Worten Schweig und verstumme!" Und es tritt eine große Stille ein. Lk ist hier sehr knapp. Er erwähnt nur, daß Jesus aufstand, die Elemente bedrohte und eine große Stille eintritt.

Vers 27:

Dann erwähnt Mt, daß die Menschen" (auch evtl. die in den anderen Booten?) sich verwunderten. Sie rufen erstaunt aus: was ist das für ein Mensch, daß ihm Wind und Meer gehorsam sind. Es ist ähnlich wie bei Mt 9,8, wo die Menschen Gott preisen, daß Gott dem Menschen solche Macht gegeben hat. Sie erkennen immer noch nicht den Christus.

Mk läßt nun Jesus jetzt die Worte sprechen: Was seid ihr so furchtsam! Habt ihr keinen Glauben?" Dann folgt dieselbe entsetzte Reaktion, wie schon bei Mt beschrieben. Auch Lk läßt hier das Wort Jesu aussprechen: Wo ist euer Glaube?" Dann die Reaktion, wie bereits erwähnt.

B: Auslegung

Wir werden bei Mt immer wieder feststellen, daß der Glaube ein zentrales Thema darstellt. Der Glaube, wie er schon bei dem Aussätzigen und bei dem Hauptmann von Kapernaum hervortritt. Wir werden diesen Glauben und besonders, wie konkret er in den unterschiedlichen Situationen auftritt, verfolgen. Bei dem Aussätzigen und dem Hauptmann zeigt sich Jesus als der Herr über die Krankheiten. Aber darüber hinaus erweist sich der Herr als der Herr über die Sünde. Denn für den Juden hingen Krankheit und Sünde in einem engen Zusammenhang. Das Jesus nun Krankheiten heilen kann, beweist, daß er die Strafe Gottes aufzuheben vermag!" Das bedeutet aber, daß er der Sohn Gottes ist. Der Glaube hieß hier, alle Hindernisse zu überwinden und zum Zentrum, zu Jesus vorzudringen und von ihm alles zu erwarten. Wie verhält sich nun aber der Glaube, wenn ein Unglück ganz plötzlich über einen Menschen hereinbricht? Wenn ein Mensch, der von sich dachte, top gesund zu sein, plötzlich von heute auf morgen den Bescheid bekommt, daß er eine todbringende Krankheit hat? Wie verhält sich Jesus in diesen Situationen? Wie verhält sich mein Glaube? Was heißt eigentlich, in solchen Situationen zu glauben?

Der Text beginnt damit, daß es Abend ist. Alles läuft wie gewohnt. Man steigt ins Boot, wie die Jünger es schon dutzende Mal getan haben. Bitte darauf achten, daß wir nicht zu schnell davon ausgehen, daß seine 12 Jünger bei ihm waren. Denn nach Mt wurden die erst noch berufen. Es sei auch darauf hingewiesen, daß mehrere Boote mitfuhren. Wir lassen diese Fragen offen.

Mitten auf dem See Genezareth passiert es: ein Sturm, nach Mk und Lk ein gefährlicher Windwirbel taucht völlig überraschend auf. Diese Fallwinde sind für diese Gegend typisch. Die Jünger haben sich nicht leichtsinnig in Gefahr gebracht, sondern sind ohne Verschulden - ja sogar auf Jesu Anweisung in See gestochen.

Jesus aber schläft. Uns ist diese Situation völlig unverständlich. Krasser kann der Gegensatz nicht ausgebaut werden. Die tobenden Elemente und ihre Macht, zu töten und zu verderben und die schreienden Menschen in ihrer Todesfurcht. Und Jesus kann schlafen. So absurd diese Situation sein mag, aber Jesus lebt so tief im Vater, daß ihn diese Stürme nichts anhaben können.

Hier höre ich aus der Seelsorge so manchen Menschen verzweifelt ausrufen: wo ist Gott? Warum schläft er? Interessiert es ihn nicht, daß ich leiden muß ohne Ende? Wie oft erleben wir und haben es erlebt, daß Jesus zum Leiden zu schweigen scheint. Wie schmerzhaft müssen wir akzeptieren, daß er die Stürme zuläßt, ja sogar uns willentlich hineinführt! Er wußte er ja, was auf sie zukommt. Er hieß die Jünger in die Boote steigen. Das Leiden kam nicht vom Herrn, aber er führte in das Leiden hinein.

Hier können wir einen ganz großen Trost vermitteln. Jesus sitzt mit uns im selben Boot. Vielleicht schweigt er, vielleicht läßt er vieles zu. Aber er ist da. Und wo ich nicht mehr glauben will, so glaubt Er für mich. Er ist bei mir, ganz ruhig, auch in meiner letzten Todesstunde wird das so sein. Er ist ruhig, auch wenn ich schreie. Weil er weiß, daß das Ende doch Herrlichkeit sein wird.

Aber Jesus benutzt das Leid, um den Glauben zu trainieren. Mir kommt es sehr seltsam vor, wie lang die Jünger brauchten, bis sie nach den Erlebnissen mit Jesus sich endlich an ihn wandten. Offenbar haben sie ganz lange erst einmal versucht, selbst klar zu kommen. Dann, wenn uns alles aus der Hand genommen ist, fragen wir noch nach Jesus. Sogar vorwurfsvoll.

Und das ist wohl ein entscheidender Moment: die Jünger stoßen an ihre Grenzen, verlassen sich nicht auf ihre Kräfte und Möglichkeiten und schreien zum Herrn. Auch hier ist der Glaube wie zuvor beim Hauptmann oder beim Aussätzigen: alle Hindernisse überwinden - das Hindernis des eigenen Könnens, des eigenen Wissens und Planens und das Durchdringen zu Jesus.

Matthäus ist der Glaube und seine Darstellung über alles wichtig. Darum ist er auch der Synoptiker, der diesen Satz Jesus als erster sprechen läßt: Warum seid ihr so furchtsam, ihr Kleingläubigen?"

Aus Jesu Worten spricht sicher kein Zorn, vielmehr Enttäuschung. Wie ein Nachhall hören wir die Worte Jesu über den Hauptmann aussprechen: Solch einen Glauben habe ich in ganz Israel nicht gefunden. Oder: Sprich nur ein Wort...!" Die Angst ist nicht das, was Jesus traurig macht. Sondern daß die Jünger nicht bereit sind, dieses Hindernis - die Angst - zu überwinden und zu Jesus zu gehen. Daß sie am Ende doch noch zu Jesus gehen, bezeichnet Jesus als Glauben, wenn auch klein.

Im übrigen wird sehr deutlich, daß es Jesus in erster Linie um den Glauben geht. Glaube ist Ausdruck einer tiefen Beziehung zu Jesus. Durch den Glauben erkennen wir ihn als Herrn und Heiland an. Der Glaube erkennt Jesu Größe an. Und Glaube heißt, alles aus dem Weg zu räumen und zu Jesus durchdringen. Vielleicht wäre die richtige Reaktion gewesen, wenn die Jünger sich gleich an Jesus gewandt hätten und ihm gesagt hätten: Jesus, wir haben Angst, aber sprich nur ein Wort, dann werden die Elemente still. Wo nicht, wissen wir dennoch: solange du im Boot bist, kann das Schlimmste uns nicht passieren." Aber so werden die Gebete wie ein Schnellfeuer in alle Richtungen geschossen in der Hoffnung, daß etwas treffen mag. Vielleicht erfahren wir deswegen so wenig Heilungen, weil der Glaube, und das heißt immer, die tiefe und dauernde Gemeinschaft mit Jesus so verdeckt wird durch viele andere Dinge, die uns wichtig sind.

Der Glaube der Leute ist klein, aber sie haben sich zu Jesus durchgekämpft. Das ist hier wichtig und tröstend. Und indem sie zu Jesus durchdringen, erleben sie Gewaltiges. Sie müssen immer wieder erkennen, daß dieser Mensch mehr ist. Er hat Bereiche in seinem Leben, die die Jünger fassungslos machen. Und sie stellen tastend immer mehr die Frage: in welchem Verhältnis steht er zu Gott. Denn ein Wunder - also etwas Übernatürliches - konnte nach ihrer Erfahrung nur Gott oder sein Gegenspieler, der Teufel vollbringen. Wo steht dieser Jesus? Diese Frage soll am anderen Ufer geklärt werden, mächtig und stark.

C. Die Besessenen von Gergesa

C.1: Evangeliensynopse mit Mk 5, 1-20 und Lk 8,26-39

Vers 28:

Jesus erreicht die Gegend der Gadarener", eine Gegend, wo griechisch sprechende Heiden lebten und die von Juden gemieden wurde. Auch Mk berichtet nicht anders, nur daß er das Wort Gerasener benutzt. Lk berichtet, daß sie weiter fuhren" ins Land der Gerasener, das Galiläa gegenüberläge. Es herrscht über den genauen Ort etwas Unklarheit. Es könnte Gadara gemeint sein, ca. 10 km vom See entfernt, ein Ort der Zehnstädte (Dekapolis) oder Gerasa, ebenfalls ein Ort von Dekapolis, ca. 60 km vom See entfernt. Es gibt aber direkt am See einen Ort namens Gergesa. Er hatte eine alte Hafenanlage und könnte der Ort mit großer Wahrscheinlichkeit gewesen sein.

Vers 29:

Die Jünger fallen - dem ersten Schrecken entkommen - in den nächsten hinein. Es ist, als würde Jesus das Unglück förmlich anziehen!" Zuerst sind sie den gefährlichen Naturelementen entkommen, nun begegnen sie einer Welt, denen sie nur mit Grausen gegenüberstehen. Mt.berichtet, daß zwei Besessene Jesu Weg kreuzen.

Dieser Vorgang ist für Mt schon sehr schön ausgewählt. Der Kranke, der Jesu Weg kreuzt, der Hauptmann, der Jesu Weg kreuzt und nun der Feind, der Jesu Weg kreuzt. Ihre Attribute scheinen aus einem Horrorfilm zu entstammen. Sie leben in Gruften" - hauteng beim Geruch des Todes. Sie sind gefährlich und suchen zu verderben. Niemand, so Mt.konnte diese Straße gehen. Wir spüren die große Begeisterung, die Mt für seinen Herrn empfindet. Der mutige Held, der wahre Herr, keine Angst kennend, tritt jeder Gefahr ruhig und majestätisch entgegen. Wir spüren - ohne das ein Wort geredet wird - das blanke Entsetzen der Jünger. Der Aufruhr der unsichtbaren Mächte, wie beim Sturm zuvor.

Mk berichtet uns genauer, daß Jesus kaum aus dem Boot gestiegen war, als ihm ein Mensch mit einem unsauberen Geist" wie ein kläffender Hund sofort stellt. Mk berichtet intensiver, was Mt in diesem Zusammenhang nicht wichtig ist. Sein Zuhause sind die Gräber, jeder Versuch, ihn mit Seilen oder Ketten zu binden, war erfolglos. Sie entwickeln ungeheure Kräfte. Niemand konnte diese Besessenen bändigen. Ein Simson in teuflischer Verkleidung. Sein Sinn war nach Zerstörung und nach dem Zufügen von Leid. Diese Zerstörungswut richtete sich auch gegen ihn selbst. Er rannte wie ein Rasender auf die Berge, schrie schrecklich. Aber - so verwundern wir uns: der Teufel konnte ihn nicht dazu bringen, daß er sich selbst umbrächte. Über Leben und Tod bestimmt Gott.

Lk berichtet auch nur von einem Mann. Er berichtet von einem Mann, der von bösen Geistern" besessen war. Nur Lk erwähnt, daß der Mensch ganz nackt war, bar jeder Selbstachtung. Auch Lk.gibt seinen gespenstischen Wohnort an: die Grabeshöhlen.

Wir bekommen also folgendes Bild: Jesus steigt aus dem Boot, als ihm ein nackter Mann entgegen rennt, schreiend und gestikulierend. Es ist äußerst gefährlich, von Dämonen besessen und macht die Gegend unsicher. Der Teufel nimmt ihm alle seine Würde. Nackt, schmutzig, schreiend, einsam, todessehnsüchtig. Er kreuzt Jesu Weg. Rennt ihm entgegen. Der Teufel kann es nicht verhindern.

Vers 29:

Mt berichtet, wie der Mund des Nackten sich öffnet. Aber die Stimme ist unnatürlich und nicht die Stimme des Menschen. Ein anderes Wesen bedient sich diesen geschundenen Leibes. Was willst du von uns, du Sohn Gottes? Bist du hergekommen, uns zu quälen, ehe es Zeit ist?" Wie entgegen gesetzt sind diese Worte gegenüber den anderen, die Jesu Weg kreuzten. Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen - hören wir den Aussätzigen sprechen. Sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund, hören wir den Hauptmann sprechen. Sie alle sprechen von Jesus nicht als den Sohn Gottes, und doch behandeln sie ihn als solchen. Unausgesprochen geben sie ihm die Gottesehre. Der Satan braucht keine Belehrungen. Plump platzt er die Wahrheit heraus. Und: diesmal ist es Jesus, der etwas will!

Was ist aber genau geschehen? Das erfahren wir bei Mk. Hier hören wir, daß der Mensch vor Jesus niederfällt und bevor er sprechen kann, Jesus ihm - das heißt dem Dämon - befiehlt, auszufahren. Dieser scheint mit Jesus verhandeln zu wollen. Mk erwähnt den Zusatz: Sohn Gottes, des Allerhöchsten." Auch bei Mk heißt es, Jesus solle doch den Dämon nicht quälen", bevor die ihm gesetzte Zeit erfüllt sei. Bei Lukas erfahren wir dasselbe wie bei Mk. Nur das Lk erwähnt, daß der Mensch in die Wüste getrieben wurde und daß die Dämonen nun den Menschen genug gequält hatten. Ich vermute, daß die Dämonen versuchten, den Menschen umzubringen. Aber sie hatten keine letzte Macht darüber.

Jesus befiehlt also mit größter Autorität. Herzlich leid tut ihm dieser Mensch. Er will befreien, ihn erlösen aus der Knechtschaft der Dämonen. Aus der Knechtschaft fremder Mächte. Und nun kommt das Unfaßbare. Die Dämonen kennen Jesus und ER kennt sie. Jesu Augen sind offensichtlich die eines Menschen, aber sein Blick durchdringt die unsichtbare Welt (wir werden das noch oft merken wie Jesus Gedanken erfassen kann u.s.w.).

Vers 30:

Mt gibt hier keine Antwort Jesu an. Er erwähnt nur, daß in unmittelbarer Nähe unreine Tiere waren, eine ganze Herde Schweine. Mk nimmt uns mit in weitere Details. Jesus wiederholt nicht sofort seinen Befehl, sondern fragt die Dämonen nach ihrem Namen. Der Name und die Kenntnis des Namens ist weit bedeutungsvoller, wie oft angenommen wird. Unsre Namen sind im Himmel notiert, der Glaube an Jesu Name rettet. Wir leben heute in einer Zeit, wo wir sehr schnell unsren Namen preisgeben. Gerade die Preisgabe des Vornamens und das schnelle Anbieten des Du" hat nicht immer Segen gebracht. Und es ist ein ganz großes Vorrecht, Jesus bei seinem Namen anreden zu dürfen, wenn wir bedenken, daß der Jude im AT nicht gewagt hat, den Namen Gottes auszusprechen.

Die Dämonen geben ihre Namen nicht preis, sie antworten listig und ausweichend mit Legion", also eine Art Sammelbegriff. Dann erwähnt Mk auch die Herde Säue. Spätestens bei Lukas erfahren wir, was es mit der Qual" auf sich hat. Sie fürchten sich davor, von Jesus sprichwörtlich in die Hölle" geschickt zu werden. Jesus hat alle Macht und Gewalt dazu. Ein Wort von ihm würde genügen.

Vers 31-32:

Die Dämonen bitten Jesus, in ein andres Medium zu fahren. Es ist ihnen offenbar eine große Qual, ohne Leiblichkeit zu sein. Aber sie müssen Jesus um Erlaubnis bitten, wenigstens in die Säue fahren zu dürfen. Jesus erlaubt es ihnen und erteilt ihnen selbst den grausigen Befehl. Wie die Irren rasen sie in die Schweine. Doch die Tiere reagieren ganz anders als der Mensch. Sie rennen wie wild geworden los und stürzen in den See und ertrinken. Bei Mk finden wir die Zahl: 2000 Schweine. Wenn nur ein Dämon in eine Sau gefahren ist, dann haben wir eine Vorstellung, daß eine ganze Kleinstadt von Dämonen in einem Menschen gehaust hat. Der Gedanke bleibt allerdings spekulativ.

Auch hier erleben wir ein Wunder. Jesus ist der Herr über die satanischen Mächte. Würde er seine Macht von unten haben, so würde er seine Kraft zur Unterstützung des Bösen einsetzen. Aber er quält" die bösen Mächte. Jesus ist Herr über die Krankheiten, Herr über die Elemente, Herr über die finstere, unsichtbare Welt. Wer kann da noch an ihn zweifeln? Und kommt das Unfaßbare:

Verse 33-34:

Die Hirten flohen in die Stadt. Sie erzählten es den Einwohnern. Wie zuvor auch wird von den großen Taten Jesu berichtet. Die ganze Stadt kommt nun zu Jesus. Sie scheint nicht in Aufruhr. Sie scheint nicht in Wut. Nein, sie bittet. Bittet, wie der Aussätzige, bittet, wie der Hauptmann, bittet, wie die Jünger im Boot. Aber diesmal bitten sie, daß Jesus gehe. Das ist der krasse Gegensatz des Glaubens, wenn ich alles dran setze, damit Jesus aus meinem Leben sich entfernt. Wider besseres Wissen Jesus die Anbetung verweigern. Die Bitte kommt ohne Zorn, leise aber bestimmt. Fast mit schlechtem Gewissen. Laß du uns unsere Geschäfte machen. Mit den Problemen wie dem Besessenen hätten wir leben können. Aber ohne mein tägliches Schnitzel auf dem Tisch und ohne den Gewinn, den mir die Tiere machen, will ich nicht Christ sein. Wirke nicht in unser Leben hinein. Du kannst der Sohn Gottes sein, du kannst alles machen, nur bleib bitte meiner Privatsphäre fern.

Wie so oft berichtet uns Mk mehr Details. Köstlich Luthers Übersetzung für Schweinehirten: Sauhirten! Diese rennen in die Stadt, die Leute kommen zu Jesus und ihr Augenmerk fällt zuerst auf das Wunder. Der Besessene: statt umherzurennen, sitzt er friedlich da. Statt zu schreien, schweigt er still. Statt Zerstörungswut, Friede. Statt Nackheit, Bekleidung. Statt Irrsinn, Vernunft. Und die Reaktion bei den Menschen ist...Angst. Sie fürchten Jesus mehr als den Teufel und bitten nun wie die Dämonen: gehe aus unserem Gebiet. Man hört ungesagt: Quäle uns nicht. Lk.berichtet ähnlich mit dem Zusatz, das einige ihnen alles erzählten, wie Jesus das gemacht hatte.

Die Menschen bitten Jesus, zu gehen. Die Menschen bitten Jesus, was noch nicht einmal die Teufel baten: geh weg. Warum? Wir hören einen anderen diesselben Worte noch sprechen. Es ist Petrus, der nach einem solchen Wunder zu Jesus sagt: Geh weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch. Ob die Menschen ähnliches empfanden? Jesu Wunder bewirken Furcht. Für einen kurzen Moment wird die Gottheit Jesu strahlend hell für die Augen aller. Aber so strahlend hell in seiner Gegenwart wird auch meine Sünde und meine Schuld. Wohl dem, der diese Sünde erkennt und zu Jesus geht und bittet: mach mich rein. Die andre Reaktion: geh weg. Wenn doch wenigstens das Schuldbekenntnis eines Petrus gekommen wäre: ich bin ein sündiger Mensch. Denn im tiefsten will Petrus sagen: verlass mich nicht. Aber die Gerasener wollen eine Offenlegung ihres Innersten. Geh weg, Jesus, bitte. Auf diese Bitte hört Jesus. Er zwingt niemanden. Er startet keinen weiteren Versuch. Er läßt die Leute...allein. Zurück bei den Schweinen und Dämonen.

C.2. Exegetische Ergänzungen

Die Grüfte sind wohl die Gräber von reichen Leuten, ähnlich dem Grab, in das Jesus gelegt wurde. Also in Fels gehauene Gruften.

Lt Mt 13,30 hat auch das Böse das Recht, zu reifen bis zur Ernte. D.h. es ist dem Bösen eine Frist gegeben, bis wann sie das Gericht ereilt. Aber sie wissen das Ende der Frist nicht. Darum das blanke Entsetzen.

Wesen gelten nach biblischem Zeugnis als unvollständig ohne Leib. Darum trachten auch die Dämonen danach. Warum Jesus das mit den Schweinen zugelassen hat, bleibt offen. Vielleicht wollte er, daß Israel auch befreit wird von den kultisch unreinen Tieren.

Der Tod der Schweine, der Besessene, all das sind grauenvolle Bilder. Aber grauenvoller ist, wie die Menschen Jesus ablehnen. Der Grund? Vielleicht auch wegen dem Besitz. Denn alles deutet auf eine blühende Schweinezucht hin. Die Menschen haben gespürt: man kann nicht zwei Herren dienen. Entweder Jesus oder mein Wohlstand. Diese Menschen haben sich entschieden. Die Dämonen vertreibt der Herr, die menschliche Gier vertreibt der Herr nicht. Hier will er den Glauben und das freiwillige Nachfolgen in seine Schule.