Bibelarbeit über Matthäus 16, 1-12

erstellt durch Michael Strauch


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Zeichenforderung der Pharisäer und

Warnung vor ihrer Lehre



4. Die eigentümliche Einheit



Wir werden erinnert an Mt 12,38. Nun kommt der Wunsch der frommen Kaste erneut. Zeig uns ein Zeichen. Ich möchte dazu auf meine Ausführungen zu Kap 12 verweisen. Legitimiere Dich durch ein Zeichen. In Kapitel 12 waren es die Pharisäer und Schriftgelehrten. Nun kommt die Gruppe der Sadduzäer hinzu. Wir haben also die ganze theologische Schlagkraft der Juden hier, die gegen Jesus antritt. Aber damit nicht genug. Lt Mk 8,15 waren sogar Herodianer dabei. Also wird die theologische Elite und die jüdischen Staatsorgane zunehmend auf den Plan gerufen. Sie werden entsandt, um diesen Rabbiner auf`s Kreuz zu legen. Möglich ist es auch, dass die Gesandtschaft aus Jerusalem (K 15,12ff) einen Sturm in der Hauptstadt entfacht haben. Eins scheint sicher: der Boden wird heißer, Jesus nachzufolgen, gefährlicher. Und noch ein erschwerendes Element: die eigentümliche Zusammenarbeit von normalerweise sich rivalisierender Gruppen. Gegen die Jünger Jesu und gegen diesen Meister wird Front gemacht. Darin sind sich alle einig. Und plötzlich ist eine Zusammenarbeit denkbar, wenn es darum geht, dass ihre Ehre gewahrt bleibt. 10 Minuten vor zwölf schließt sich die damalige fromme Genossenschaft zusammen und die wahren Jünger Jesu kommen zunehmend mehr in Bedrängnis. Ein halbes Jahr später wird der Herr von dieser Allianz umgebracht. Einer frommen Allianz aus ehrsüchtigen, frommen Gruppierungen und den Handlangern des Staates.



5. Das Zeichen



Wenn am Abend der Himmel feuerrot ist, so schließt man auf gutes Wetter für den nächsten Tag. Ist dagegen ein Morgenrot zu sehen, so wird der Tag trübe, regnerisch und schlecht. Zur ihrer Beschämung verweist der Herr sie auf das alltägliche Zeichen am Himmel. Denn auf vergleichsweise niedrigem Niveau besteht ihr Verständnis. Sie begreifen Dinge und können Dinge vorhersagen wie ein Prophet, wozu das Studium der Theologie nicht nötig ist.

Jeder Landwirt ist in diesen Dingen geschulter. Aber sie, die sich Geistliche nennen und sich als solche grüßen und nennen lassen begreifen die geistlichen Zeichen der Zeit nicht. Sie begreifen den Messias nicht, verstehen nicht, was sie täglich gelesen haben. Immerfort haben sie mit Tränen scheinheiliger Frömmigkeit in den Synagogen vom Kommen des Messias gesprochen. Doch gekommen ist ihre Ehre, ihre Sucht nach Anerkennung, geistlicher Würde und Adel. Mit staatlicher Macht haben sie sich vermählt, und für Gottes Wirken war sie blind.

Schrecklich: der Herr gibt auch ihnen das Rätzelwort des Jona. Das Rätselwort des Mannes, der vor Gott floh. Ein frommer Mann, der vor Gott flieht. Der alles tut, der noch so fromm ist, und doch nicht im Willen Gottes lebt. Ein Mann, der nicht will, was Gott will. Ein Mann, der seine eigene Vorstellung von Frömmigkeit hat und von Gott verlangt, sich darin anzupassen. Oh, wie aktuell ist das alles auch für den desolaten Zustand unserer Kirche in jeder Schattierung. Wie sehr müssen wir darüber nachdenken. Und wie sehr müssen wir es vielleicht geradezu fürchten, dass der Herr uns sprichwörtlich "den Rücken zukehrt". Traurig den Disput mit unserem Eigenwillen nicht mehr führen will. Davor möge uns Gott bewahren.



6. Der Tadel Jesu



Der Wechsel der Ufer ist hier auffällig. Überhaupt die zunehmende Unruhe, der Druck, das flüchtende Verhalten. Immer wieder scheint der Herr auszuweichen, immer stärker, immer öfter. Und immer noch bleibt alles, eigentlich vom Bild der Gleichnisse vom Samenkorn, über die Speisung der Fünftausend, der Brotkrume bei der Kanaaniterin, der Speisung der Viertausend im Bild des Brotes hängen. Im Bild dessen, der von sich sagt: Ich bin das Brot des Lebens. Im Bild dessen, der einmal am eigenen Leibe erleben muß, wenn es heißt: der Leib Christi, für dich gebrochen.

Die Jünger sind mit Jesus ins Boot gestiegen und es fällt ihnen ein, dass sie vergessen haben, Proviant mitzunehmen. Vielleicht ist das Boot noch nicht weit weg vom Ufer, als der Herr sagt, dass die Jünger sich hüten sollen vom Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer. Die Jünger verstehen Jesus völlig falsch. Vermutlich haben sie gedacht, sie sollen noch einmal zurück ans Ufer und Brot kaufen. Sie sollen aber tunlichst nichts von den Schriftgelehrten und Konsorten kaufen, auch sie nicht fragen, wo es Brot gäbe.

Jesus reagiert auf dieses Missverständnis mit Unmut. Es ist einfach lächerlich, zu glauben, der Herr würde die Jünger darum tadeln, dass sie Brot vergessen haben, mitzunehmen. Er, der Tausende gesättigt hat. Wie konnten sie so etwas annehmen? Nur aus dem Kleinglauben heraus. Wie schwer, wie verzweifelt klingt das Wort aus Vers 9: versteht ihr noch nicht?



7. Umgang mit falscher Lehre



Jesus erklärt es ihnen und die Jünger begreifen. Jesus gebraucht ein Gleichnis, um deutlich zu machen, wie verderblich die Lehre und Haltung der priesterlichen Kaste für das Volk ist. Die geistlichen Leute haben Stand, Einfluß und Anerkennung im Volk. Es sind Mechanismen der Macht. Mechanismen, die ohne Heer und polizeilicher Gewalt dennoch im Menschen zu greifen vermögen. Bei vielen ist es das Gewissen, bei anderen die Angst oder eine Art Volksfrömmigkeit. Kirchen in allen Jahrhunderten und Denominationen haben sich dieser klerikalen Macht bedient. Und es hat dazu geführt, dass das Volk, obwohl es diese religiöse Kaste innerlich als hohl und Gott entfremdet ahnte, doch nicht verließ und sich noch dazu verleiten ließ, in den Chor das "Kreuzige ihn" zu singen. Jesus macht es den Jüngern überdeutlich: nehmt Abstand. Wir finden den Herrn am Tisch mit den Heiden. Von ihnen droht weniger Gefahr als von Geistlichen, die ihre klerikale Macht missbrauchen, um sich ihr eigenes Standbild zu schaffen. Achtung, sagt der Herr, dieser Sauerteig steckt an.