Predigt über Matthäus 12, 33-37; gehalten am 17.11.1999 (Buß-und Bettag)


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Einleitung:

Liebe Gemeinde,

In Berglen-Öschelbronn wird momentan die Straße aufgerissen, direkt vor unserer Haustür. Jedesmal, wenn der Bagger im Erdreich sich zu schaffen macht, wackelt das ganze Fundament unseres Hauses. Meine Frau meint dann, daß hoffentlich uns nicht die Decke sprichwörtlich auf den Kopf fallen möge. Hoffentlich trage das Fundament.

Ich mußte dabei darüber nachdenken, daß ich bei Menschen, die selten oder nie in ihren Lebensfundamenten mal erschüttert wurden, eine gewisse Oberflächlichkeit beobachte. Aber es muß ja nicht gleich ein Bagger sein, der das Fundament erschüttert. Manchmal sind es schlichtweg nur Worte, die Menschen so aufwühlen und durcheinanderbringen. Worte haben Kraft! Es gibt Aussagen, die plötzlich so eindeutig und klar vor dem inneren Auge stehen, daß man sich auf die Schenkel hauen möchte und sich fragt, warum einem das nicht früher eingeleuchtet sei. Klare, einsichtige Worte sind aber oft Momente, wo mein Leben einer Analyse unterzogen wird. Es ergeht mir manchmal so, als würde ein Wort wie ein Zahnbohrer wirken, der unter einem scheinbar gesunden Zahn den Hals freilegt und offenbart, daß es so gut gar nicht bestellt ist. Zu diesen im guten wie im erschreckenden Sinn zähle ich die Worte Jesu aus Matthäus 12, 33-37. Ich will Jesus zu Wort kommen lassen:

Textlesung: Matthäus 12, 33-37

1. Gute Bäume setzen

Der Herr Jesus benutzt hier das Bild eines faulen und eines gesunden Baumes, um sein Anliegen zu verdeutlichen. Ein kaputter Baum bringt faule Früchte, ich meine sogar überhaupt keine. Ein gesunder Baum trägt reichlich Früchte. Das bedeutet, daß die Frucht Aufschluß gibt über den Zustand des Fruchtträgers. Wenn ich meinen 5-jährigen Sohn einen Apfel zeige und ihn frage: Sag mal, von was für einem Baum habe ich diese Frucht so wird er mir den Apfelbaum nennen, obwohl er genau den Baum nie gesehen hat. Das Produkt gibt beredten Aufschluß auf den Träger. Mehr noch. Der Zustand des Produktes kann Aufschlüsse auf den Zustand des Fruchtträgers geben. Auch wenn die Wirtschaft es geschickt versteht, es anders zu vermarkten. So können holländische Tomaten schön rot und groß aussehen. Doch wenn sie künstlich bestrahlt wurden, schmecken sie nach nichts. Ich bilde mir ein, Eier von glücklichen Hühnern schmecken anders als die von Legebatterien. Jesus bringt zum Ausdruck: so wie die Frucht als äußerste Form des Trägers Auskunft gibt über seine Herkunft und Zustand, geben Worte Aufschluß über unser geistliches Innenleben. Interessant, Jesus spricht nicht von den Taten, sondern von der Unfähigkeit, Gutes zu reden, wenn man innerlich verdorben ist. Das will uns nicht gleich einleuchten. Es geht mir wie mit Goethes Faust, wenn er sagt: so hoch kann ich das Wort nicht schätzen! Wir drücken es anders aus:"Worte sind wie Schall und Rauch!" Oder: "der kann mir viel erzählen, ich will erst einmal Taten sehen!" Wir geben Worten im allgemeinen nicht viel Gewicht. Jesus denkt da ganz anders. Und denken wir doch nur mal an unsere Kindheit. Waren es nicht Worte, die wir bis heute nicht mehr vergessen haben? Worte wie: "Mensch, Kerle, du hast doch wirklich zwei linke Hände!"

Oder: "Wenn du so weiter machst, dann wird aus Dir nichts!" Fragen Sie sich selbst, wie Sie unter Umständen ein Leben lang mit solchen Worten fertig werden mußten.

Vielleicht verbissen versuchten, das Gegenteil von dem zu beweisen, was vielleicht nie zutraf!

Worte sind eben nicht Schall und Rauch. Umgekehrt können lobende Worte einen Menschen zu höchsten Taten anspornen, ein tröstendes Wort einen Gestürzten aufrichten. Aber vorsichtig: mit der Zeit merkt ein Mensch, ob die ihm angebotene Frucht innen faulig ist oder nicht. Jesus stellt fest: Worte haben eine hohe Bedeutung. Er selbst wird als das Wort bezeichnet, das in die Welt gekommen ist. Durch Worte hat Gott die Welt ins Leben gerufen. Worte bewirken Segen oder Fluch. Das leuchtet mir nun ein. Aber nun spüre ich, wie mein Zahnhals frei liegt. Wen dem so ist, wie steht es dann bei mir? Wieviel böse Worte sind schon über meine Lippen gegangen! Ihr Eltern, kennt ihr dieses schlechte Gewissen den Kindern gegenüber, wenn man nach einem dummen Vorfall ausgerastet ist und Worte wie Lanzen geschleudert hat, die man hinterher fassungslos bereut? Schlechte Früchte. Ihr jungen Menschen, kennt ihr die kleinen, gemeinen Worte, mit denen man sich selbst ins Licht stellt und den andern ins Abseits? Kürzlich saßen zwei 8-jährige Mädchen im Schulhof zusammen. Eine dritte wollte sich dazusetzen. Da sagte einer der sitzenden Mädchen nur zwei Worte: "verpiss dich!" Welch eine Demütigung, welch ein grausamer Vergleich liegt in diesen unbedachten Worten eines Menschen, der gerade mal 8 Lenze auf dieser Erde zählt. Ob diese faulen Früchte Rückschlüsse auf den elterlichen Baum zulassen? Setzen wir auch bei unseren Kindern durch unser "wörtliches" Vorbild gute Bäume? Oder gehen wir leichtsinnig, zerstörend und unbedacht mit Kritik und Menschen um. Mir hilft, wenn ich versuche, immer die S A C H E zu hinterfragen, nicht aber den Menschen in seiner Würde. Setzen wir auch bei den Kindern gute Bäume, dann werden wir - so Gott will - gute Früchte ernten.

2. Gute Frucht und böse Frucht

Jetzt kann es passieren, daß Sie nach dem Gottesdienst nach Hause gehen und sich fest vornehmen: ab sofort habe ich nur noch gute Worte für meine Kinder, meine Freunde, meinen Ehemann etc. Und dann passiert es doch wieder. Ich sehe den Übeltäter in der Kirchbank sitzen. Er hat kürzlich Dreck in meinen Garten geschmissen! Aber in der Kirche sitzen, das haben wir gerne! Dann steigt er wieder hoch wie ein heißer, giftiger Geysir. Wie das Gift schnell den Weg zum Herzen findet, so dieser giftige Quell den Weg vom Herzen durch den Mund, um sich bei einer Tasse Kaffee oder einem kleinen Plausch an nächster Stelle zu ergießen. Ich werde an ein schottisches Sprichwort erinnert: "Du bist Herr über deine Worte. Aber sobald sie draußen sind, herrschen sie über dich!"

Noch einmal: Jesus sagt, daß die Früchte Aufschluß geben über den Fruchtträger. Wenn dem so ist, wie schlecht ist es aber dann um mich bestellt? Kein Ausweg? Kein Mittelweg? Vergeblich suchen wir bei Jesus nach Gemischtwaren. Entweder nur gute Frucht oder alles ist faul. Hinzu kommt, daß sich Jesu Worte auftürmen zu einem bedrohlichen Höhepunkt: schlechte Frucht besagt, daß mein innerer geistlicher Zustand verderbt und tot ist. Dann habe ich doch keine Chance, an dem Tag zu bestehen, wenn der Herr Jesus wiederkommt und Gericht übt . Ich muß mit Luther ausrufen: "wie kriege ich einen gnädigen Gott!"

Nun möchte ich Sie bitten, diese Spannung auszuhalten! Lassen Sie es zu, daß ihr Fundament erschüttert wird, ihr Zahnhals frei liegt, die Diagnose schlecht ausgefallen ist. Nur eine faule Frucht in meinem Leben, und das Urteil heißt: schuldig. Was aber bedeutet dieses Wissen? Heißt es: genieße dein Leben, denn was danach kommt, ist die Hölle? Sie können die Faust gen Himmel strecken, fluchen, schimpfen, stampfen. Es nützt nichts. Das letzte Wort spricht der Herr Jesus Christus. "Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden!" Solche Macht haben unsere Worte, daß sie entscheiden können über eine ganze Ewigkeit. In der Bibel wird ein Baum, der keine Früchte bringt, abgehauen und ins Feuer geworfen. Mir machen diese Worte Angst.

Ich höre Johannes den Täufer sprechen: die Axt ist schon an die Wurzel gelegt.

3. Rechschaffende Frucht der Buße

Der jüdische Gelehrte Martin Buber hat einmal gesagt: "Die Schuld des Menschen sind nicht die Sünden, die er begeht, denn die Versuchung ist mächtig und seine Kraft gering. Die Schuld des Menschen ist, daß er in jedem Augenblick die Umkehr tun kann und sie nicht tut!"

Konkret heißt das: nimm dir vor, das Gute zu tun. Du wirst immer wieder versagen. Goethe sagt im Faust, man könne turmhohe Perücken tragen, man bleibe doch, wer man ist. Wir können vor Gott unterm Strich einfach nicht bestehen. Wir müssen kapitulieren. All unser Bemühen gleicht dem in der griechischen Sage dargestellten Sysiphus, dessen Stein, einmal auf den Gipfel des Berges gerollt, immer wieder den Abhang herunter kullert. Doch genau hier will uns der Herr haben. Er will unsere Kapitulation. Er muß sie haben. Er muß den faulen Zahn ziehen, das alte Haus abreißen, den Baum abhauen. Und nun kommt etwas, was der menschliche Verstand nicht fassen kann. Der Herr vermag neues zu schaffen, ohne das meine persönliche Identität dabei verloren geht. Er will das böse Herz aus meinem Inneren nehmen. Ich werde ohne das Herz sterben. Zugleich wird er mir ein neues, "fleischernes Herz" schenken und ich werde leben.

In den Kinos läuft ein Film mit dem Titel: die Zelle (the Cell). Eine Psychoanalytikerin vermag, dank modernster, fiktiver Technik, in das seelische Innenleben eines Triebtäters zu gelangen und beginnt den Kampf gegen die geistige Dämonie in den unterschiedlichsten Facetten. Ein Film, keine Wirklichkeit. Oder doch? Jesus Christus ist ihn gegangen. Den Weg in das menschliche Grauen, in die tiefsten Abgründe menschlicher Verderbtheit und Sünde. Er nahm den Kampf auf gegen die tödliche Krankheit, die mich Elenden die Ewigkeit kosten kann. Er wurde stellvertretend für mich zum faulen Baum und wurde stellvertretend für mich abgeschlagen, als er am dürren Holz des Kreuzes starb. Doch die Krankheit der Sünde fand in ihm keine Angriffsfläche. Sein Leben und Wesen ist makellos. Gott hat ihn auferweckt von den Toten. Und mit ihm auch mich. Ich bin durch ihn "veredelt". Bin wie ein Zweig an seinen Stamm gepfropft. Er bringt durch mich die gute Frucht, auch wenn ich aus mir nichts Gutes schaffe. Es bleibt am Schluß die Frage: laß ich die Operation an mir zu?

Schluß:

Vorgestern ist unser geliebter Bezirksbruder Herbert Daiss gestorben. Inmitten seiner Obstbäume starb er beim Versuch, einen alten Baum herauszureißen. Herbert sprach oft in seinem Leben von der Krankheit der Sünde und der Schuld. Er wußte aber auch um den großen Heiland, den Arzt Jesus Christus. Herbert hat sich immer wieder von Jesus erneuern lassen. In ihm hat der Herr etwas geschaffen, was trotz menschlichen Versagens dem göttlichen Gericht standhalten wird. Er hat sein Lebensfundament auf sicheren Grund gebaut. Er hat sich den Zahn, man könne aus eigner Kraft selig werden, endgültig ziehen lassen. Er sprach auch oft von dem Setzen guter Bäume: die Buße, das Wort Gottes und das Gebet. Durch die Bibel redet der Herr zu uns und gibt uns Hilfestellung für unser Leben. Durch das Gebet geben wir ihm Antwort. Durch die Buße lassen wir uns von Gott heilen. Amen.