Bibelarbeit über Matthäus 11, 20 - 30
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Dieser Abschnitt enthält:
a: Weheruf über die Städte Galiläas wegen fehlender Bußbereitschaft (V.20-24)
b: Dankgebet, daß Gott seine Wahrheit den Unmündigen offenbart hat (25-27)
c. Das Angebot, zu Jesus zu kommen (V.28-30) - letzteres nur bei Matthäus
Einzelexegese:
Chorazin, Kapernaum, Bethsaida(1) - die "galiläischen Hauptstäde" (G.Maier). Dort, in einem kleinen Gebiet am Nordende des Sees Genezareth, hat er stark und vollmächtig gewirkt. Dort ist dem Herrn große Begeisterung entgegen gebracht worden, aber nicht Glaube.
Wo sind die Neubekehrten, die bei der Taufe des Johannes ihrem alten Leben abschworen und durch das Wasserbad bekannten, daß sie neu mit Gott leben wollten? Der Erfolg bleibt aus. Mit dem ausbleibenden Erfolg sieht sich auch der Herr konfrontiert. Johannes hatte die Aufgabe, ihm den Weg zu bahnen. Und Johannes der Täufer hat sicher alles eingesetzt, wozu er fähig war. Was bleibt, ist Trauer, Klage, Weinen. Jesus spricht nicht die Situation schön, er stellt die Dinge nicht falsch dar, damit sein Ruhm nicht geschmälert werde. Jesus klagt und trauert. Es heißt in Vers 20, sie hätten keine Buße getan. Es fand sprichwörtlich kein Umdenken statt. Denn ein Umdenken wäre im Leben der Einzelnen sichtbar geworden. Aber offenbar fand im Leben vor und nach der Taufe keine Änderung statt.
Vers 21-24:
Es wäre interessant, in welchen Stellen im NT davon die Rede ist, daß der Herr "Schmerzen" empfindet. Das griech. Ouai (Wehe) ist Ausdruck des Schmerzes. Was aber tut dem Herrn weg? Nicht, was erzürnt den Herrn in erster Linie, sondern was fügt ihm seelischen Schmerz zu? "...und das, was ihm das Leid bereitet, ist die Unbeweglichkeit der Gemeinde, die sich nicht aus ihrem gewohnten Verhalten herausführen läßt und sich den Untergang bereitet, weil sie den Willen zu einer ernsthaften Umkehr nicht findet!"(2)
Die Größe der Schuld liegt nicht in der begangenen Tat, sondern in der verspielten, großen Chance, sein Leben zu ändern. Wie groß und wie "leicht" die Sinnesänderung gewesen wäre, macht Jesus deutlich, daß selbst die phönizischen Städte Tyrus und Sidon, bekannt für sprichwörtliche Habgier und geistlichen Hochmuts, sowie die lasterhaften Städte des Altertums, Sodom und Gomorrha, bereit zur Buße gewesen wären, hätten sie gleiche Chancen gehabt. Gegen Gottes Willen zu handeln, der eigenen Überzeugung treu zu bleiben bis zum bitteren Ende kann gefährlich sein. Je mehr man von Gott weiß und erkannt hat, desto folgenreicher das Gericht. Die Worte Jesu erinnern an den Fall Babels in Jesaja 14, 12-15, das auch für den Fall Luzifers gedeutet wird. Hier blitzt die Ursünde auf. Das Wissen um den Willen Gottes, aber das bewußte Überschreiten seiner Grenze die fehlende Bereitschaft, Jesu Vergebung in Anspruch zu nehmen. Der Herr ist fertig geworden mit Prostituierten, Aufständischen, Besatzern, Reichen und Wankelmütigen - aber das selbstgerechte Herz widersteht ihm mit massiver Wucht. Darüber bricht der Herr in Tränen aus.
Verse 25 - 27: Der Lobpreis Jesu
Der Kontrast ist stark. Noch hören wir das Weinen und Klagen des Heilands, schon wechselt die Stimmung in Lobpreis. Hier merken wir, daß Jesu Worte ein Gebet sind! Jesus bricht in einen Lobpreis aus. Das muß den Jüngern Mut gemacht haben. Der stillen Trauer über nicht wachsende Kreise, wenige Bekehrungen und wenig echtem geistlichem Leben folgt die Freude, daß Gott sein Reich baut. Wo er mir den "Erfolg" versagt, schenkt er es woanders. Um seines Namens willen. Es wird wohl immer Menschen geben, deren scheinbare Weisheit der Torheit des Kreuzes den Zugang verwehrt. Denn Weisheit ist nicht zu verwechseln mit Lebenserfahrung, nicht zu verwechseln mit einem Gewinn in einem Wissensquiz. Weise muß nicht automatisch ein Uniprofessor oder ein alter Mensch sein. Weise ist, wer im göttlichen Licht den jeweiligen Sachverhalt klar erkennt und seine praktischen Konsequenzen für sein Leben findet und anwendet. Der ist "klug!" Wieviel weiß der Christ? Wieviel hat er erkannt und begriffen in der Vielzahl der Hauskreise, Gottesdienst, Bibelstunden? Was ist davon umgesetzt worden? Es ist vergleichbar mit einem Menschen, der ein schönes Haus erworben hat, aber nicht einzieht, der einen schönen Wagen geschenkt bekommen hat, aber nicht damit fährt. Das ist doch dumm, auf der Straße zu nächtigen, statt in seinem Bett, wenn man die Möglichkeit dazu hat. So ist es dumm, um den Segen zu wissen, den man empfängt, wenn man Gottes Willen erkennt und tut, und nicht danach handelt. Sondern die Erkenntnisse wie Orden an die Brust heftet, wo sie ohne mein Zutun ihre Wirkung tun sollen.
Am tiefsten begriffen und erkannt hat das nur der Sohn. In seiner Hand liegt es, ob er es einem Menschen kundtut oder nicht.
Wir spüren darüber hinaus Jesu Anliegen, den Vater in seiner Größe zu offenbaren und den Menschen in seiner Anmaßung zu kürzen. Es ist so, wie es jemand formuliert hat: Kein Mensch ist so groß, daß Gott ihn bräuchte und kein Mensch ist so klein, daß Gott ihn nicht suchte.
"Da die Galiläer unwillig sind, Kapernaum unbußfertig bleibt und die Weisen sich ihm widersetzen, ist er der Unerkannte, der allen Unverständliche. Gott aber kennt ihn, Gott allein. Das hat seinen Grund darin, daß einzig er Gott kennt. Die Kenntnis der Schrift ist damit den Weisen nicht verneint, auch nicht das Gottesbewußtsein und dessen kräftige Vertretung in ihrem ganzen Verhalten. Jesus spricht aber von der Wahrnehmung des göttlichen Wirkens, wie es in der Gegenwart geschieht und Geschichte wird. Davon sehen sie nichts; denn sie sehen und kennen nur sich selbst."(3)
Dem Herrn ist alles übergeben worden vom Vater. Was aber oder worin besteht
dieser große Reichtum Jesu? Was hat der Herr empfangen, das er so gerne den
Menschen weiter geben will? Es ist die Erkenntnis des Vaters. Die Erkenntnis,
die nicht auf Theorien, Ideen, Modellen beruht, sondern einzig in einem innigen
Leben und Bestehen im und mit dem himmlischen Vater. Somit bleibt es ein
gewaltiger, stellenweise tödlicher Unterschied, ob ich den Herrn kenne, viel
über ihn weiß und in seinem Namen tue, oder ob ich den Herrn erkannt habe und
viel und intensiv mit ihm lebe durch Wort und Gebet, durch Buße und der stillen
Bereitschaft des Gehorsams. Wohl wissend, daß mein Leben aus Fallen und
Aufstehen bestehen wird.
Verse 28-30: Der Heilandsruf
In Sprüche 1,20 heißt es: "Die Weisheit ruft laut auf der Straße und läßt ihre Stimme hören auf den Plätzen..." Diese und ähnliche Worte erinnern nun an die Worte Jesu, der zum Ausdruck bringt, was Weisheit tut: sie kommt ins Zentrum, sie kommt zu Christus, den lebendigen Herrn. Vielleicht hat man deswegen die Magier aus dem Morgenland die "Weisen" genannt, weil sie weder Weg noch Strapazen scheuten, um zu Christus zu kommen.
Jesus, menschgewordene Weisheit Gottes, lädt alle ein. All die, die durch die tägliche harte Arbeit müde und ausgelaugt sind, all die, die von Kindesbeinen Christsein nur als Gesetz und Zwang erleben und ihr Gewissen empfindlich diesen Regeln unterliegt. Diese Christen wirken wie mühselige Lastenträger, wie Zwangsarbeiter, wie Sklaven. Doch der Herr verurteilt die Menschen nicht, sondern ruft sie zu sich. Jesus ruft den Menschen, auch den Christen zu sich und will ihm "Ruhe geben", Gemeint ist nicht ein Aufhören der Werke. Gemeint ist nicht ein mönchisches Leben des Gebets. Gemeint ist, daß der Herr den Jünger befreien möchte von allen menschlich-frommen Vorstellungen, Gesetzen, Regeln und Ängsten. Die wiegen tonnenschwer. Der Herr befreit zu einer neuen, authentischen Schule. Der Herr lädt den Menschen ein, von ihm zu lernen. Bei ihm in die Schule zu gehen. Er drückt es im Bild aus, wenn er davon spricht, daß er uns ein Joch auflegt, das aber vergleichsweise leicht ist. Somit müssen die beiden Fragen: Herr, wer oder wie bist Du (Gotteserkenntnis) und Herr, was willst du, daß ich tun soll? (Praxis) beständig im Gebet und in der Gemeinschaft bewegt werden. All das "läßt sich nicht mit einem Mal beantworten; denn sie erhält durch die Bewegung des Lebens beständig neuen Inhalt!"(4)
Jesus ist sanftmütig und von Herzen demütig. Er ist weit entfernt vom aufbrausenden Zorn und von dem Streben nach ehrgeizigen Zielen. Die frommen Pharisäer und Gesetzesmeister waren als fromme Perfektionisten bekannt. Sie straften schnell, sie belegten schnell den Ungehorsamen mit Fluch und Gericht. Wer zu ihnen in die Schule ging, der mußte (wie einst Paulus) einer frommer Eiferer gewesen sein, ein ehrgeiziger Mensch. Die Schüler trachteten nach Sündlosigkeit, nach ununterbrochenem Gebet. Das ganze Leben mußte der Religion und dem Gottesdienst gewidmet werden. Jesus verlangt von den Christen keine heroischen Heldentaten, er verlangt nicht die geistliche Zwangsjacke. Sondern er lädt ein, mit ihm zu leben, sein Vorbild, seinen Gehorsam, seinen Umgang mit dem Vater zu betrachten und nachzuahmen. Jesus lebte alles vor, Stück und Stück und lädt ein, seinen Fußstapfen zu folgen.
Der fromme Asket oder Eiferer versucht, seinen Willen dem Willen Gottes unterzuordnen. Er versucht es, indem er sich Zwängen, Regeln und Ordnungen auferlegt. Luther ist als Mönch gerade an diesem Punkt gescheitert. Denn der eigene Wille ist so groß. Dem eigenen Willen den Krieg zu erklären, ist sinnlos. Der Jünger begibt sich vielmehr eine enge Lebensgemeinschaft mit Jesus. Durch das ganzheitliche, bewußte, tägliche Leben mit dem Herrn, durch das Betrachten seines Lebens, seines Willens, durch den Umgang mit ihm im Gebet und Wort lernt der Jünger ungezwungen, dem Beispiel Jesu zu folgen. Dort, wo Beziehung wächst, handelt der Jünger aus Liebe. Und der eigene Wille und der Wille Gottes verschmelzen zusehens. Wie man von einer guten Ehe davon spricht, daß die Partner sich mit den Jahren zusehens ähnlicher werden, so auch der intensive Umgang mit Christus. Zu letzterem braucht es aber ein ganzes Ja, weil es nur Christus im Mittelpunkt hat. Wer Ruhm und Ehre sucht, wird beim Joch Christi nicht glücklich werden.