Einführung in das Markusevangelium

von Michael Strauch



1. Der Verfasser

1.1 Geschichtlicher Befund


Das Markusevangelium enthält keine Verfasserangabe. Warum?


a.) Markus ist schlichtweg unbekannt

b.) Oder will Markus im Hintergrund bleiben

  1. Oder schreibt Markus im Auftrag eines anderen


Lt. Kurt Aland (Buch: „Die Frühzeit der Kirche in Lebensbildern“) ist die Angabe völlig unwichtig, da es um die zentrale Person Jesu Christi geht.


In der alten Kirche galt schon nach dem Jahre 100 n.Chr. Markus als der Verfasser des Evangeliums. Der im Jahre 70 n.Chr. In Ephesos geborene Kirchenvater Papias behauptete, er wisse, Markus schrieb im Auftrag des Petrus. Anders ausgedrückt: Markus schrieb nieder, was Petrus vom Herrn erzählte und Petrus erfand dies als sehr gut.


Das Zitat des Bischofs Papias macht folgendes deutlich:

a.) Markus war offensichtlich kein Augenzeuge

b.) Er war der Hermeneut des Petrus

  1. Der Verfasser folgt nicht dem chronlogischen Verlauf


Ein weiterer Bezeuger letztgenannter Theorie ist der Kirchenvater Irenäus. Er sagte, Markus hat als Schüler des Petrus das Evangelium verfasst. Der Text des Markus bestätigt, dass das Evangelium aus erster Hand kam. Erst ab dem 4.Jahrhundert bekam das Evangelium die Überschrift: kata markon (Kodex vaticanus/ codex siniaticus).


    1. Das biblische Zeugnis


Markus hat zwei Namen: Johannes (jüdisch) und Markus (römisch). Später als Heidenmissionar war er nur noch Markus. Vgl. dazu Apg 13, 5+13/ 15,37/ 15,39/ Kol 4,10/ Phil 24/ 2Tim 4,11/ 1Pt 5,13


Aus Apg 12, 12-14 kann man folgendes lesen:


Aus Apg 12,12 ist zu ersehen:




Aus Apg 12,25 ist zu ersehen:



Weitere Daten:


Interpreten glauben, dass der in Mk 14,13-16 beschriebene Jüngling der Autor ist. Auch die Verse 51-52 weisen auf Johannes Markus.


Psychogramm:

Johannes Markus will gerne im Einsatz für Christus stehen, doch bei aufkommenden Schwierigkeiten flieht er.


Die Verwandtschaft mit Barnabas läßt sich aus der sTelle Kol 4,10 ersehen. Im griechischen Steht hier: anephios , was soviel wie Cousin oder Kind eines Geschwisterteiles (Onkel) heißt. Der Gedanke des Onkels liegt nahe, da Barnabas sich in sehr seelsorgerlicher Weise um Markus kümmert.


Dann die feige Flucht des Johannes M. In Apg 13,5 und Apg 15, 36-41. Barnabas vergibt ihm und will ihm bei der nächsten Missionsreise eine neue Chance einräumen. Nicht so Paulus.

Barnabas und Paulus missionieren von nun an getrennt, werden aber dennoch von Gott bestätigt.


Martin Luther: „Wer glaubt, der flieht nicht!“


Doch Gott hat Markus verändert:


Kol 4,10.11: Grußliste. Mitarbeiter und Trost gelten genauso für Johannes M. Es hat eine Veränderung stattgefunden.

2.Tim 4,11: Er ist mir nützlich zum Dienst. Und das schreibt Paulus in einer präkeren Situation. Aus der Fluchttendenz ist Treue geworden.


  1. Ort und Zeit der Abfassung – erster Leserkreis


1Pt 5,13: Johannes und Petrus haben offenbar zusammen gearbeitet.


Es gibt gewisse Stellen, die darauf hindeuten, dass Johannes M. Zusammen mit Petrus in Rom sich aufgehalten haben (Siehe Zitate des Kirchenvater Clemens). Es liegt nahe, dass es zwei Redaktionen gab.


Lt Apg 15 könnte zum Zeitpunkt des Apostelkonzils, also 48.n.Chr.die erste Abfassung entstanden sein (P7-Q5).

Die zweite Redaktion könnte im Jahre 60 n.Chr. In Rom abgefaßt worden sein (die erste ca. um 44/45 n.Chr.in Rom). Lt. Eusebius bestätigte Petrus den Johannes M.als Autor des Evangeliums.


Weiterer Hinweis: Der Predigtstil des Petrus bei dem Hauptmann Cornelius ähnelt dem des Evangeliums.

Hinzu kommt, dass es im griechischen Urtext viele sogenannte Latinismen vorhanden sind, wie z.B. in Mk 6,27 „speculatora“ (Späher). Auch aramäische Ausdrücke wie Talita kumi werden erklärt. Johannes Markus teilt die Nacht auch in vier Wachen ein wie die Römer (Mk 6,48). Die Juden haben lediglich eine Dreiereinteilung der Nacht (siehe Mk 13,35). Markus ist bemüht, jüdische Ausdrücke zu umschreiben.


Merksatz:


Johannes Markus war selbst ein Jude, der in Jesus von Nazareth den Messias erkannt und geglaubt hat. Er schreibt seinen Bericht gem. den Erinnerungen des Petrus für die Gemeinde in Rom, deren Glieder aus Juden und Nicht-Juden besteht.



  1. Aufbauschema des Markus-Evangeliums


Der Schlüsselvers im MK-Ev steht in Mk 10,45:


Des Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.“


  1. Gekommen: K.1,1-13 – Unterschrift Gottes (V.11): Du bist mein lieber Sohn. Vorbereitung des Wirkens Jesu.

  2. Dass der diene: Kapitel 1-9: Wirken Jesu in Galiläa und abseits von Galiläa

    Kapitel 10: Unterwegs nach Jerusalem

    Kapitel 11-13: Wirken Jesu in Jerusalem

  3. sein Leben gebe: Kapitel 14+15: Leiden, Kreuzigung, Grablegung

    Kapitel 16: Auferstehung Jesus



Markus setzt drei große Schwerpunkte:


1.Schwerpunkt: Kapitel 1-9

2.Schwerpunkt: Kapitel 10

3.Schwerpunkt: Kapitel 11-16



  1. Besondere Merkmale:


  1. Kein Bericht über die Geburt Jesu

  2. Schwerpunkt liegt auf den Taten Jesu, weniger auf seine Reden – nur zwei längere Reden in Mk 4 (Gleichnisrede) und Mk 13 (Ölbergrede)

  3. Sondergut:

  1. 7% des Mk-Ev sind Sondergut.

  2. 93% des Mk-Ev sind vorhanden in den übrigen Evangeliens

  3. Wunder: Heilung eines Taubstummen (7,31-37)

    Heilung des Blinden bei Bethsaida (8, 22-26)

  4. Gleichnisse: Von der selbstwachsenden Saat (4, 26-29)

    Vom Türhüter (13, 34-37)

Viele Einzelaussagen findet man nur bei Markus. Z.B. wird Jesus von seiner Familie nicht verstanden (K 3,21). Oder „der fliehende Jüngling aus K. 14, 51-52


  1. Sprachstil:


Markus beschreibt oft kleine Details, die in den Evangelien fehlen. Auch ist der Stil einfach und lebendig. Es gibt eine Vorliebe für die direkte Rede, Sätze werden oft mit „und“ verbunden und über 150x wird das historische Präsens angewandt.

5. Das Christuszeugnis nach Markus:


Nach Kap 1,1 ist das Evangelium eine frohe Botschaft und kündet von Jesus, dem Sohn Gottes. Alles, was geschrieben ist an Worten, Taten und Gesprächen soll Jesus dem Leser vor Augen stellen und zum Glauben an Jesus führen. Es gilt der Grundansatz: Wer ist Jesus?


  1. Jesus war Mensch unter Menschen


„Er nahm Knechtsgestalt an“ (Gestalt des Dienenden – 10,45). „ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.“ (Phil 2,7).

  1. Jesus hatte eine Vaterstadt (Nazareth – 1,24/6,1)

  2. Er wuchs in einer Familie auf (6,3)

  3. Er erlernte einen Beruf (Zimmermann 6,3)

  4. Er hatte Hunger (11,12)

  5. Er brauchte Ruhe und Schlaf (4,38)

  6. Er weist eine gute Beobachtungsgabe auf (siehe Gespräche und Gleichnisse)


  1. Jesus handelte in göttlicher Vollmacht


  1. Er hatte Vollmacht über die Natur (4,35ff)

  2. über die Krankheiten (1,40ff, 2,1ff; 3,1ff;

  3. über den Tod (5,21-24.35-43)

  4. über die Dämonen und den Satan (1,23ff; 5,1ff)

  5. Er hatte Vollmacht, Menschen zu berufen (3,13-19)

  6. Sünden zu vergeben (2,5ff)

  7. Er hatte Vollmacht zum Reden und Lehren (1,22; 3,22-30 und 8,28)


  1. Jesus ist Gottes Sohn


  1. Das Zeugnis des Verfassers Kap 1,1

  2. Das Zeugnis des Vaters bei der Taufe Kap 1,11

  3. Das Zeugnis des Vaters bei der Verklärung Kap 9,7

  4. Das Zeugnis Jesu vor den Jüngern (Endzeitrede) Kap 13,32

  5. Das Zeugnis Jesu vor dem Hohepriester und dem Hohen Rat Kap 14, 61.62

  6. Das Zeugnis des Hauptmanns unter dem Kreuz Kap 15,39

  7. Das Zeugnis Satans und seiner Dämonen Kap 3,11


  1. Jesus ist der Christus, der Messias


  1. K 8,29: Da antwortete Petrus und sprach zu ihm: „Du bist der Christus!“

  2. K 14,61.62: „Bist du der Christus, der Sohn des Hochgelobten?“ Jesus sprach: Ich bin`s.


Das Markus-Evangelium zeigt auf, wie Jesus immer wieder gebot, über seine Messianität zu schweigen (K 3,11.12/ 5,43/.../8,30). Es sollte nicht herumgeboten werden, dass er der Messias sei.

Jesus wollte damit verhüten, dass die Menschen ihr falsches Messiasverständnis in den Vordergrund stellen würden, nämlich die Vorstellung eines politischen Führers und Aufwieglers, der die Juden vom Joch der Römer befreien und nur äußerlich, irdisch und materiell helfen sollte.

Der Messias, den Gott, der Vater, sendet, bringt:



Darum führt sein Weg zuerst in die tiefste Erniedrigung am Kreuz und erst dann hinein in die Herrlichkeit und Macht in der Auferstehung von den Toten und bei seiner Wiederkunft.


  1. Jesus ist des Menschen Sohn


Die Bezeichnung „des Menschensohn“ (z.B. 2,10/ 2,28) finden wir nur an Stellen, wo Jesus von sich selber redet – von seinem Dienst und Auftrag, von seinem Weg, von seiner Würde, Macht und Herrlichkeit. Die eine Ausnahme ist die Erwähnung dieser Bezeichnung von Stephanus (Apg 7,56) – da allerdings in Anlehnung an ein Wort Jesu (Mt 26,64/ Lk 22,69)


Jesus sagt mit diesem Begriff ein Doppeltes aus:



Des „Menschensohn“ war zur Zeit Jesu kein messianischer Titel. Wenn aber Jesus diese Bezeichnung aus dem Propheten Daniel für sich verwendet, erhebt er dadurch den Anspruch, dass ihm vom Vater alle Macht gegeben ist, das ewige Reich (vgl. Mt 28,18).

Durch die Erwähnung dieser Bezeichnung im Zusammenhang mit Leiden, Tod und Auferstehung (vgl. Mt 26,2.24.45.64 bzw. den weiteren Verlauf) macht Jesus indirekt seinem Volk deutlich, dass der leidende Gottesknecht von Jesaja 53 derselbe sit wieder eine, dem nach Dan 7,13.14 das ewige Reich gehört.


Mit anderen Worten gilt:

Des Menschen Sohn kommt in Niedrigkeit und gibt sein Leben als Schuldopfer für die Sünden.

Aber des Menschensohn ist auch der, der in Herrlichkeit wiederkommen wird, um zu richten und um zu regieren – in Ewigkeit.

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