Markus 4, 35 – 41, Bibelarbeit, Predigt, Andacht, Evangelium, APis

 

Grundwort „Vertrauen“

Wem kann ich vertrauen? Wer ist vertrauenswürdig?
„Da habe ich einem Menschen voll vertraut – und er hat mich bitter enttäuscht…“ Kennen Sie das? Enttäuschtes Vertrauen - eine schmerzhafte Erfahrung, die einen tiefen Riss in der Vertrauensbeziehung zurücklässt. Eine Erfahrung, die mich vorsichtig oder misstrauisch werden lässt. Wem kann ich wirklich vertrauen? Wer ist meines Vertrauens würdig?
Wer treu ist, wer zu seinem Wort steht und im Denken und Handeln einen geraden Weg geht, kann meines Vertrauens würdig sein. Doch treu im vollen Sinne des Wortes ist nur Gott (vgl. Mose 7,9; 32,4). Er ist der Unwandelbare, der sein Wort nie bricht (Ps 33,4). Darum wirbt Gott um mein Vertrauen. Vertrauen beweist sich in meiner Hingabe an Gott (Ps 84,13; Jes 26,4; Jer 17,7).
Und Jesus Christus, der Sohn Gottes ist treu – wie der Vater (Hebr 2,17; Offb 1,5; 3,14; 19,11). Selbst wenn Himmel und Erde vergehen, seine Worte werden nicht vergehen. Sein Wort steht fest bis zur Erfüllung! Deshalb kann ich ihm vertrauen und auf sein Wort hin gehorsam handeln wie Petrus: „… aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen!“ (Lk 5,5)
Jesus ist für uns das Vorbild des Vertrauens zum Vater. Mitten in der Versuchung hat er sich für das uneingeschränkte Vertrauen zum Vater entschieden (Mt 4,1-11; Hebr 2,13) und an dieser Entscheidung unbeirrt festgehalten, auch als er ans Kreuz genagelt wurde und die Spötter ihn höhnend aufforderten, sich selbst zu helfen, indem sie sich auf sein Gottvertrauen beriefen (Mt 27, 39-43) – und damit in Wahrheit sein Vertrauen wegzuwerfen. Indem er den müde gewordenen Christen Jesu Vertrauen zum Vater vor Augen stellt, ermahnt der Hebräerbrief, an diesem Vertrauen auf Gott festzuhalten: „Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt“ (Hebr 10,35.36).

Vertrauen wagen gegen das menschliche Bedürfnis der Absicherung
In der Heiligen Schrift wird uns Gott als der treue Gott bezeugt. Das stellt uns in die Entscheidung, ob wir auf Gottes Treue mit unserem Vertrauen antworten. Da wir von Natur aus auf äußere Absicherung setzen, auf Gesundheit und eigene Kraft, auf Erfolg und Reichtum, auf unseren Besitz (das Ersparte und das eigene Haus) oder auf andere Menschen, ist die Entscheidung, diesem Gott im Sinne des ersten Gebotes allein zu vertrauen und unser Herz nur an ihn zu hängen (Lk 10, 27), ein Vertrauenswagnis (Mt 19,16-26).
Haben Sie schon einmal zugeschaut beim Abseilen am Fels (siehe Titelbild)? Oder vielleicht selbst erlebt, wie das ist, wenn man abgeseilt wird? Ich muss Vertrauen wagen, den Schritt ins Ungewisse über den sicheren Fels hinaus tun, um zu erfahren, dass das Seil hält. Frei im Seil zu hängen und gehalten zu werden, eine gigantische Erfahrung – aber es braucht den kleinen Schritt des Loslassens der eigenen Sicherheit, der eigenen Absicherung… den Schritt des Vertrauens. Zu diesem Schritt muss ich mich entscheiden – Vertrauen ist Wagnis! Vertrauen verlässt das sichere Terrain, in dem ich alles im Griff habe, und hängt sich ins Seil, lässt sich fallen, um zu erfahren, was es bedeutet, gehalten zu werden.
Es gibt Situationen, da bin ich gefordert, mich gegen alles Äußere, gegen alle Erfahrung und gegen meine Gefühle zum Vertrauen zu entscheiden, da kann ich Vertrauen nur blind wagen. Ich denke an die Eltern einer Konfirmandin, die ihr Kind nicht abtreiben ließen, obwohl die Voraussage der Ärzte lautete, dass das Kind krank oder behindert sein würde. Sie haben Vertrauen gewagt – diesen Schritt ins Ungewisse über den sicheren Grund hinaus – und ihr JA gesagt zu genau diesem Kind als Gabe Gottes. Eltern, die nach neun Monaten staunend und überwältigt eine gesunde Tochter im Arm hielten, die jetzt eine aufgeweckte, fröhliche und begabte Jugendliche ist.

„Vorschuss-Vertrauen“ – Vertrauen gegen den Augenschein in Stürmen und Nöten
Vertrauen beweist sich in der Not, im Verzicht auf eigenes Handeln in der Erwartung, dass der Helfer eingreift – im Sinne eines „Vorschuss-Vertrauens“.
Ich denke an Paulus und Silas in Philippi (Apg 16), die nach der Bekehrung der Magd mit dem Wahrsagegeist das Volk in der Stadt gegen sich hatten, unschuldig verurteilt, hart geschlagen und dann ins Gefängnis geworfen wurden. Und dort, im innersten Trakt des Gefängnisses, an Händen und Füßen angekettet, mit den Schmerzen der Auspeitschung wagen sie einen ungewöhnlichen Vertrauensakt, eine Art Vorschuss-Vertrauen: „Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott“ (Apg 16,25) - sie feiern sozusagen einen „Lobpreis-Gottesdienst“ in der Zelle.
Das „Vorschuss-Vertrauen“ von Paulus und Silas im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses äußerte sich im Lob Gottes! Gott zu loben trotz der Situation – das bedeutet Vertrauen wagen auf den Gott, der allein vertrauenswürdig ist, mich ganz in seine Hand geben und sagen: JA, Vater, du hast mein ganzes Leben und auch diese Situation in deiner Hand. Unser Leben mit den Höhen und den Tiefen, dem Schönen und Schweren bejahend aus Gottes Hand zu nehmen, setzt eine tiefe Gottesbeziehung voraus. Eine solch vertrauende Lebenseinstellung ist gelebte Anbetung.
Das Vertrauen der verfolgten Gemeinden in der Offenbarung äußert sich im Lob und der Anbetung Gottes. Mitten in ihrer Situation schauen sie durch die sichtbare Wirklichkeit (Verfolgung unter der Herrschaft römischer Kaiser) hindurch (Offb 7,9-17) – sie sehen hinein in das Reich Gottes und preisen den Gott, der regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit (Offb 4,8-11); den Gott, der alle Macht hat und der am Ende sein Reich sichtbar vollenden wird in Herrlichkeit (Offb 5,11-14), den Herrn, vor dem sich einmal alle Knie beugen müssen und alle Zungen bekennen: „Jesus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters“ (Phil 2,9-11). Im Lob und in der Anbetung seiner Kinder äußert sich „Vorschuss-Vertrauen“ auf den Gott, der König und Herr der Welt und meines Lebens ist: „Die Herren dieser Welt gehen, unser Herr kommt!“ Auch wenn wir es noch nicht sehen, vertrauen wir darauf, dass er sein Wort erfüllen wird. Wir vertrauen darauf, dass er schon jetzt regiert (Offb 11,15-18) – und dass seine Herrschaft einmal sichtbar werden wird für die ganze Welt, wenn er sein Reich vollendet in Herrlichkeit.
Gott antwortet auf das Vertrauen seiner Kinder – mit seiner Hilfe (1.Chr 5,20; Jer 39,18; Dan 3,28). Menschen, die Gott vertrauen, erkennen ihn als den Helfer (Sir 2,6), den Heiland (Ps 17,7), ihren Schild (Ps 18,31) und retten ihr Leben (Jer 39,18).

Und wenn Gott schweigt? Vertrauen mitten in der Anfechtung
„Hat Gott mich vergessen, hat er sich abgewandt?“, so fragte mich die junge Frau fassungslos am Telefon, als sie mir stoßweise, mit gebrochener Stimme erzählte, dass ihr Verlobter mitten in den Hochzeitsvorbereitungen in den Bergen tödlich verunglückt ist, zwei Wochen vor dem Fest. Und dann standen wir mit allen Hochzeitsgästen am offenen Grab und die schmerzende, quälende Frage im Raum: Warum? Hat Gott sein Angesicht abgewandt?
Das Gebet der Hanna in 1.Sam 1 angesichts ihrer Kinderlosigkeit ist ein Schrei aus der Tiefe der Anfechtung heraus zu Gott. Im Gebet lässt Hanna tief in ihr Herz blicken: nicht nur die Verletzungen, die ihr durch andere Menschen zugefügt wurden, die Verachtung und Kränkung durch Peninna ist es, was sie umtreibt. Eine andere Frage bricht in ihrem Gebet auf: Hat Gott sein Angesicht vor mir verborgen? Hat er mich vergessen? Sich von mir abgewandt? Ist das der Grund, dass ich keine Kinder haben darf? So fragt Hanna, und dieser verzweifelte Schrei kommt aus der Tiefe ihres Herzens zu Gott!
Gebet ist ein Vertrauensschritt – mich im Abgrund der Anfechtung, aus der Tiefe heraus Gott anzuvertrauen, vor ihm das Herz auszuschütten. Beten heißt, Gott zu sagen, wie´s mir ums Herz ist, die Warum-Fragen, die tiefsten, verborgensten Sehnsüchte vor Gott aussprechen, ihn dahinter schauen lassen, dorthin, wo ich keinen anderen Menschen hineinschauen lasse. Mitten in der Anfechtung zu Gott kommen, mit meinen Tränen, wenn ich nicht mehr vertrauen kann, und ihm meine Not klagen! Gott so in den Ohren liegen wie die Psalmbeter in den Klagepsalmen.
In Psalm 13 wird solch eine innere Not widergespiegelt – wie es aussieht, wenn einer fast nicht mehr vertrauen kann, wenn einer zerbricht am Schweigen Gottes, an der Not des Lebens. Drei Bereiche seiner Klage werden sichtbar:
a) Die Gottklage: „Herr, wie lange willst du mich so ganz vergessen? Wie lange verbirgst du dein Antlitz vor mir?“ (Ps 13,2). Gott, warum hast du dein Angesicht verborgen? Bist du noch vertrauenswürdig? Gott, du bist mir wie ein Verführer, wie eine rissige Wand… Ich habe dir vertraut, und du hast mich betrogen (Jeremia). Die ganze Enttäuschung über Gott wird vor ihm herausgeschrien. „In den Psalmen, da siehst du allen Heiligen ins Herz“, schreibt Luther in der Einleitung zum Gebetbuch der Bibel. Da öffnen Menschen ihr Herz und lassen mich hineinschauen – und ich finde mich wieder in ihren Worten. Hier finde ich noch Worte, wenn ich selbst keine Worte mehr habe zum Gebet, wenn mein Vertrauen nur noch wie ein glimmender Docht ist, kurz vor dem Verlöschen.
b) Die Ich-Klage: „Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele und mich ängsten in meinem Herzen täglich? “(Ps 13,3a). Warum trifft es mich? Warum geht es den Gottlosen so gut und ich verderbe im Unheil, in der Not, der Krankheit, im Unrecht, das mir geschieht?
c) Die Feindklage: „Wie lange soll sich mein Feind über mich erheben?“ (Ps 13,3b)
WARUM lässt du dem Bösen so viel Raum? Warum darf er sich ausbreiten? Bist du wirklich der Regent, der alles wohl führt? Die Geschichte dieser Welt und die Geschichte meines Lebens – trotz der Menschen, die mir Böses wollen, die mir übel mitspielen, die mir Fallen stellen und mich in die Enge treiben? „Schau her, antworte mir, Herr, mein Gott! Dass mein Feind nicht sage: ‚Ich habe ihn überwältigt!’ Dass meine Bedränger nicht frohlocken, wenn ich wanke (Ps 13,4.5).
Und dann ein Vertrauensbekenntnis mitten in der Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit der Situation, noch mitten in der Klage: „Ich aber, ich habe auf deine Gnade vertraut, mein Herz soll frohlocken über deine Rettung“ (Ps 13,6a).
Und ein Versprechen: „Ich will dem Herrn singen, denn er hat wohl getan an mir“ (V6b).
Schon jetzt, noch bevor das Gebet erhört ist, gelobe ich dem Herrn, ihn zu loben. Schon jetzt, bevor ihr Gebet erhört ist und ihre Tränen getrocknet sind, tut Hanna ein Gelübde und verspricht, den Sohn, den Gott ihr schenken wird, ihm zurückzugeben zum Dienst für ihn.
Welch ein Wunder, wenn Menschen mitten in der Klage durchbrechen zum „Dennoch-Vertrauen“ und bekennen: „Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an… Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf Gott, den Herrn, dass ich verkündige all dein Tun“ (Ps 73,23-28).

Vertrauen konkret: wie Kinder Gottes lernen, Vertrauen zu buchstabieren (Jes 40,26-31)
Jesaja 40 nimmt uns hinein in einen Abschnitt der Geschichte des Volkes Israel, in dem Menschen gefordert waren, das Wort Vertrauen neu durchzubuchstabieren. Vorher hatten sie ein eigenes Land, ein gutes Auskommen, jeder sein Haus und seine Felder, und jetzt sind sie plötzlich im Exil, Gefangene der neuen Weltmacht Babylon, hoffnungslos, heimatlos, ohne Perspektive und voller Fragen: Was trägt denn jetzt noch? Auf was kann ich noch vertrauen, wenn alles zerbrochen ist, was mir Halt gegeben hat im Leben? Alles hat sie ihnen zerstört, diese neue politische Weltmacht, auf was sie sich bisher verlassen hatten: ihre militärische Stärke ist zerbrochen, die Hauptstadt niedergebrannt bis auf die Grundmauern, das Volk in Gefangenschaft. Ihr kluges politisches Taktieren ist am Ende, ihre Bündnispartner wurden selbst überrollt von der Weltmacht oder haben sich rechtzeitig auf die Seite von Babylon gestellt. Der Boden unter den Füßen ist weggebrochen - für ein ganzes Volk. Es gibt nichts mehr, auf das man jetzt noch vertrauen könnte. Die wirtschaftliche, politische und die persönliche Zukunft ist völlig ungewiss. In dieser Situation fordert der Prophet Jesaja die Menschen heraus, Vertrauen ganz praktisch zu buchstabieren: „Alle, die auf den Herrn vertrauen, bekommen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler“ (Jes 40,31). „Die auf den Herrn harren“, steht da wörtlich, also die aktiv, in gespannter Erwartung am Vertrauen an Gott festhalten – gegen den Augenschein.
Haben Sie schon einmal Adler beobachten können? Die mächtigen Flügelschläge beim Abheben, die riesige Spannweite und wie sie durch die Lüfte segeln! Sie suchen den Aufwind und nützen ihn geschickt, um aufzufahren und Höhe zu gewinnen. Da ist Kraft dahinter und Eleganz.
Aber was ist, wenn es nur Abwinde, Fallwinde gibt? Dann tun sich auch die Adler schwer. Mit dem majestätischen Gleiten ist es vorbei. In solche Fallwinde ist das Volk Israel geraten. Fast siebzig Jahre sind sie jetzt schon im fremden Babylon. Die Hoffnung, bald in die Heimat zurückzukommen, ist längst begraben. Das Schlimme dabei ist, dass sich in ihren Köpfen und auch auf einer ganz tiefen Ebene im Herzen der Gedanke festgesetzt hat: Gott hat mich vergessen! Er schaut weg, er kümmert sich nicht um mich. Er lässt es einfach zu, dass mir Unrecht geschieht. Es ist ihm egal. Heimat verloren, Freiheit verloren, Recht verloren, Gott verloren...alles ist zerbrochen, was ich an Vertrauen hatte. Das lähmt innerlich – man fühlt sich wie ein Adler im Abwind, im Fallwind.
Auf was kann ich denn noch vertrauen in solch einer Situation?
a) Vertrauen konkret: mich verlassen auf Gottes Verheißungen – auf Gottes Möglichkeiten
„Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat dies (das ganze Heer der Sterne) geschaffen?“
Die Sterne am Himmel werden zum Fingerzeig für Gottes Möglichkeiten, die alle menschlichen Denkmöglichkeiten noch weit übersteigen! Mitten in der Nacht fordert Jesaja diese verzagten Menschen mit all ihrem zerbrochenen Vertrauen auf: Kommt doch einen Moment heraus und schaut auf zum sternenklaren nächtlichen Himmel! Was für eine Weite, was für eine unzahlbare Menge an Sternen! Ein Mensch kann die riesige Menge an Sternen unmöglich zählen - die Gesamtzahl lässt sich nur schätzen. Sie beträgt rund 10 Milliarden Galaxien zu durchschnittlich 10 Milliarden Sternen. Was muss für ein wunderbarer Schöpfer hinter diesem Werk stehen! Wie groß muss seine Macht sein! Wie leicht muss es für ihn sein, eine Weltmacht aus den Angeln zu heben! Sollte er nicht auch das, was wir, was du und ich für ausweglos und hoffnungslos halten, ändern können? Sollte seine Verheißung nicht für mich gelten, seine Möglichkeiten gerade in meiner Situation zu Ende sein? Die Sterne des Nachthimmels werden zum Zeichen, um in einer menschlich gesehen hoffnungslosen Situation, in der alles zerbrochen ist, Vertrauen zu lernen. Der Herr, der das Weltall mit seinen unzähligen Sternen und Planeten erschaffen hat, hat so große Macht und Kraft, dass er auch dem Volk Israel in der babylonischen Gefangenschaft helfen kann. „Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt.“ Wenn dieser Gott den Überblick hat, wenn kein Stern am Himmel verschwindet, ohne dass er es bemerken würde, so wird auch das kleine Volk Israel in der Gefangenschaft nicht im Meer der Völker untergehen. Das ist neues Vertrauen, das der Prophet mit den zerschlagenen Menschen in einer Situation, wo alles zerbrochen ist, durchbuchstabiert.
Wir werden Zeuge eines sehr persönlichen Gesprächs zwischen Gott und seinen Menschen: „Warum sagst du: Mein Weg ist dem Herrn verborgen?“ Warum sagst du: Der Herr kümmert sich nicht um mich, er lässt zu, dass mir Unrecht geschieht! Wenn du jetzt denkst, dass ich dich nicht mehr ansehe, dass ich mein Angesicht von dir abgewandt habe, so täuscht du dich! Es geht dir schlecht, und andere Mächte haben für gewisse Zeit die Oberhand über dich behalten – doch ich bin dennoch da als der Gott, der Himmel und Erde in seiner Hand hat, und ich stehe zu dir! Ich bin noch immer derselbe Gott wie damals, als Abraham den Sternenhimmel angesehen hat, ich habe keine Sekunde geschlafen, meiner Macht kann niemand widerstehen. Du bist jetzt müde – vielleicht zu müde zum Hoffen, zu müde zum Vertrauen, aber ich gebe dir neue Kraft und Stärke! Die babylonischen Heere, die euch so furchtbare, vernichtende Schläge zugefügt haben, sie werden müde, sie haben nur begrenzte Kraft. Die Umstände und Mächte, die deinem Leben so vernichtende Schläge zugefügt haben, sie haben nur begrenzte Kraft.
Das Volk Israel unter dem Sternenhimmel in Babylon – eine Sternstunde neuen Vertrauens für Menschen in einer Situation, in der nichts mehr trägt; eine Sternstunde der Hoffnung in der Geschichte Gottes mit zerbrochenen Menschen ohne Zukunftsperspektive.
Kennen Sie solche Sternstunden? Wenn der lebendige Gott sehr persönlich hineinredet in mein zerbrochenes Vertrauen, wenn er mir wieder Grund unter die Füße gibt, auf dem ich stehen kann, wenn ich durch die Kraft des Heiligen Geistes merke: mit diesen Wort bin ich gemeint! Wenn innere Blockaden und Schutzwälle um die Seele zerbrechen und seine Verheißung mich trifft, wenn ich in seltener Klarheit – wie in einer ganz sternklaren Nacht – merke: ich bin gemeint! ER redet mit mir, der lebendige Gott! – das sind Sternstunden meines Lebens!
Es ist eine Sternstunde, wenn ich Gottes Größe und Macht erkenne und neu zu vertrauen beginne: Dieser Gott ist auch für mein Leben nicht am Ende seiner Möglichkeiten! Das ist mehr als die großen Sternstunden der Menschheit, als Kaiser Konstantin Christ wurde und das Christentum als Staatsreligion im römischen Reich einführte (312 n.Chr.), als Kolumbus 1492 Amerika entdeckte oder als das Penicillin entdeckt wurde.
Sternstunden im menschlichen Leben sind etwas ganz Seltenes, Kostbares! Wenn der lebendige Gott vor mir steht, wenn ER in mein Leben hineinredet, wenn ER mich persönlich ganz tief berührt, wenn ER die entscheidenden Weichen für meine Zukunft stellt; wenn ER Zerbrochenes heilt, wenn er Tränen trocknet, wenn ER unendlich behutsam tröstet – das sind STERNSTUNDEN der Geschichte Gottes mit mir, in meinem Leben – Sternstunden des Vertrauens.
Was wäre heute eine Sternstunde Gottes für mich? Wo habe ich das Vertrauen aufgegeben? Wo habe ich resigniert – einfach weil das, was vor Augen liegt, so viel stärker ist als das, was Gott verheißen hat? Wo erwarte ich nichts mehr für mich persönlich, nichts mehr für einen anderen Menschen? Wo bin ich müde und zerschlagen – äußerlich, innerlich? Wo brauche ich das im Moment ganz persönlich, getröstet zu werden, in die Arme geschlossen zu werden, gehalten zu sein? Jesaja sagt: „Hebt eure Augen in die Höhe und seht!“ Sieh nach oben und entdecke Gottes Möglichkeiten. Dieser Gott, der das Universum und Milliarden von Sternen gemacht hat, will dir neue Kraft geben, deine Zukunft liegt in seiner Hand! Willst du neu Vertrauen wagen – dich ins Seil der Verheißungen Gottes fallen lassen?
b) Vertrauen konkret – mich verlassen auf Gottes Liebe und Fürsorge
Jesaja fragt geradezu leidenschaftlich: Weißt du nicht (mehr)? Hast du nicht gehört, was Gott alles schon in der Geschichte dieses Volkes und deines Lebens getan hat? Erinnerst du dich nicht daran, wie groß seine Macht ist und wie er schon gehandelt hat, dich aus der Not gerettet hat? Manchmal müssen wir mit der Nase wieder darauf gestoßen werden, was Gott schon in unserem Leben getan hat, weil die augenblickliche Hoffnungslosigkeit uns die Erinnerung raubt. Wann haben Sie andere Christen nach ihren Erfahrungen mit Gott gefragt? Tun Sie es mal wieder. Sie werden staunen! Den Gefangenen in Babylon jedenfalls ist viel eingefallen, als der Prophet sie fragte: „Weißt du nicht mehr? Hast du nicht gehört?“ Sie erinnerten sich, wie dieser Gott sie aus der Gefangenschaft in Ägypten befreit hat; wie dieser Gott ihnen in wüsten Zeiten Brot gegeben und den Durst gestillt hat; wie Gott ihnen Siege geschenkt hat im Kampf gegen übermächtige Feinde. Sie erinnerten sich, dass Gott mit ihnen war und sie geleitet hat wie ein guter Hirte.
Ob wir uns nicht ebenso erinnern, wenn wir zurückschauen? Vielleicht können Sie als Eltern erzählen, wie Sie Bewahrung erlebt haben bei einem Unfall. Weißt du nicht - dass Gott bei dir war im Operationssaal und am Arbeitsplatz, im Urlaub, beim Abschied von einem lieben Menschen am offenen Grab? Sollte Gott, der bisher viel Gutes getan hat, nicht auch heute Gutes tun können? Vielleicht denken wir zu klein von diesem Gott! Gottes Möglichkeiten sind mit unseren menschlichen nicht vergleichbar. Wir werden müde – Gott nicht. Wir sehen oft nicht, wie es weitergehen soll – er weiß den Weg für uns. Wir können nur in kleinen Zeiträumen denken – Gott überblickt alle Zeit. Wir stoßen verstandesmäßig schnell an unsere Grenzen – sein Verstand ist unausforschlich. Gott ist viel größer als alles, was uns Not macht; alles, was sich wie ein Berg vor uns auftürmt; alles, was uns bedroht. Ihm kann ich vertrauen. Zugleich ist dieser große Gott für uns da wie ein Vater für sein Kind. Machen wir es doch wie die Kinder. Vertrauen wir dem Vater. Dann werden wir erleben, dass wir herauskommen aus den Fallwinden und frischen Aufwind kriegen. Die auf den Herrn vertrauen, bekommen immer wieder neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler. In Gottes Nähe herrscht Aufwind. Von ihm werden wir herausgetragen aus der Tiefe. Wagen wir es doch, uns wieder neu auf diesen Gott und seine Liebe zu verlassen!
Noch einmal hat er ein Zeichen gesetzt, auf das Verlass ist – mehr als auf die Sterne: das Kreuz! Und wenn du denkst, ich bin von allen Menschen verlassen – Jesus ist da, und seine durchbohrten Hände fangen dich noch in der Tiefe auf. Diesem Jesus kannst du vertrauen – für immer. „Wie tief kann ich fallen, wenn alles zerfällt...? Nie tiefer als in Gottes Hand“, nie tiefer als in seine Arme, die am Kreuz für mich ausgebreitet sind.

Pfarrerin Esther Schaaf, Dettingen/Erms

Impulse zur Veranschaulichung für Kinder und Erwachsene:
· Die Geschichte von der Sturmstillung erzählen und dabei die Kinder mit Geräuschen und Bewegungen einbeziehen.
· Veranschaulichung zu Vertrauen: Ein Kind lässt sich mit verbundenen Augen in die Arme seines Vaters fallen.

 

Entnommen aus: http://www.agv-apis.de/main.jsp?navid=686