Bibelarbeit über Markus 3, 7-20
gehalten von Michael Strauch
A. Jesus Christ Superstar? (Kapitel 3, 7-12)
B. Jesu Gemeindebaukonzept (Kapitel 3, 13-19)
C. Jesus, der Schwärmer? (Kapitel 3, 20+21)
A: Jesus Christ Superstar? (Kapitel 3, 7-12)
Klärung der geographischen Orte
Was die Menschen verbindet...
Glaube und Glaube ist zweierlei
zu 1: Klärung der geographischen Orte
Galiläa: gehörte zum Reich des Königs Herodes Antipas. Es gab ein Ober und ein Untergaliläa und es deckt ca. die Hälfte des oberen Teils Israels, rund um den See Genezareth. Interessant ist, dass durch die Deportation der Juden unter der syrischen Herrschaft viel Vermischung stattfand. So entstand das Mischvolk der Samariter. Es gab aber auch viele Phönizier an der Küste und griechisch sprechende Menschen östlich vom See Genezareth und auch im Norden. Reiche Juden verachteten die Galiläa und nannten es das „Galiläa der Heiden“. Durch die vielen außerjüdischen Einflüsse erkannte man das galiläische Aramäisch sofort ans einem Dialekt. Jesus wirkte einen großen Teil seiner Zeit dort.
Judäa und Jerusalem: Zu Jesus kamen aber auch die Leute aus der Stadt Davids. Jerusalem und Judäa liegen südlich von Galiläa. Auch von dem eher frommen und gesegneten Orten kamen Menschen.
Idumäa: dazu gehörte die Negevwüste und überhaupt alles südlich Jerusalems. Idumäa gehörte einst den Edomitern, auch Herodes war ein Edomiter. Also kamen Menschen von tiefsten Süden auch zu Jesus.
das Gebiet östlich des Jordans: dazu gehörte z.B. das „Zehn-Städte-Gebiet“ - die Dekapolis. Dort finden wir viel griechisch geprägte Menschen, was z.B. in der Schweinezucht zum Ausdruck kommt. Cäsarea Philippi z.B. soll auf einem jüdischen Friedhof errichtet worden sein und wurde von frommen Juden gemieden.
die Umgebung von Tyrus und Sidon: Auch hier Heiden. Wir denken an die Syrophynizierin. Das Gebiet liegt im Nordosten, am Mittelmeer.
Wir stellen also fest, dass das gesamte Land in seiner großen völkischen und religiösen Vielfalt zu Jesus kam. Es ist beeindruckend, weil über Glaubensgrundlagen und unterschiedlicher Prägung alles zu Jesus kam. Was verbindet sie? Was verbindet sie über die große Zahl der Vorurteile?
Zu 2: Was die Menschen verbindet
Wir erkennen zwei Dinge, die Jesus so anziehend machten:
Vers 8: die von seinen Taten gehört hatten
Vers 10: ...und er heilte viele...
Was Jesus für die Menschen so anziehend machte ist nicht seine Predigt in erster Linie, nicht der Wille zur Umkehr, nicht der Wunsch, Gott zum Vater zu haben. Es sind eine große Zahl zutiefst geplagter Menschen. Kranke Menschen und Besessene. Sie haben von ihm gehört, sowie sie von anderen Wunderheilern gehört haben. Niemand konnte dauerhaft helfen. Jesus kann es. Dabei spielen sich dramatische Szenen ab. Es heißt, dass die Menschen „über ihn herfielen“ (Vers 10), um ihn „anzurühren“.
Ist diese Art derselbe Glaube, den die Vier hatten, als sie den Gichtbrüchigen durch das Dach des Hauses ließen? Ist der Glaube, der Jesus sprichwörtlich auf das Dach stieg, derselbe wie der, der über Jesus herfällt? Gewiss, Jesus heilt die Menschen. Er weist sie nicht von sich. Auch bekommen wir keine letzte Antwort. Aber eines stimmt uns doch merkwürdig:
zu 3: Glaube und Glaube ist zweierlei
Wie reagiert Jesus? Wie empfinden wir ihn? Wir wollen ihn still beobachten und aus seinem Verhalten versuchen zu erraten, wie es um sein Grundanliegen geht: den wirklichen Glauben.
Vers 7: ...aber Jesus zog sich zurück mit seinen Jüngern an den See
Vers 9: ...sie sollten ein kleines Boot ...bereithalten...damit die Menge ihn nicht bedränge
Ves 12: ...und er gebot ihnen streng, dass sie ihn nicht offenbar machten
Wie aber reagieren die Menschen und die Dämonen?
Menschen: „...eine große Menge folgte ihm...sie bedrängten ihn...sie fielen über ihn her...“
Dämonen: „.. fielen vor Jesus nieder..schrien...bekannten unerlaubt und unaufgefordert seine Person
Ich meine, dass wirklicher Glaube hier nicht stattfindet. Die vier Träger stießen zu Jesus vor, aber sie halten Abstand und denken zuerst an den Leidenden. Diese Menschen machen aus Jesus einen Wunderheiler, sie fallen über ihn her wie Tiere und Jesus hat keine Möglichkeit, ihnen vom Reich Gottes zu erzählen. Sie wollen seine Taten, nicht aber seine Person! Sie wollen Gottes Gaben, aber nicht ihm gehören!
Wir haben in Kap 2, 1-12 gesagt, dass Jesus seinen Worten auch Taten folgen läßt. Jesus ist ein Gott, der auch wirklich hilft. Er hilft auch hier und versagt niemanden, von seinem Elend erlöst zu werden. Aber am liebsten würde er ihnen ihre Sünden vergeben, sie einreihen ins Reich Gottes, sie zu Kindern des himmlischen Vaters machen.
Und wieder stellt sich die Frage, die Jesus den Pharisäer stellte: was denkt ihr in euren Herzen? Glaube ich, dass Jesus helfen kann? Wenn ja, halte ich es auch aus, wenn er mir die Hilfe versagt? Bin ich nur dann bereit, dem Herrn zu folgen, wenn er mir meine Wünsche erfüllen will? Will ich Jesu Taten, aber nicht seine Person?
Man stelle sich eine Freundschaft vor, in der einer der Freunde nur Interesse am anderen hat, weil dieser vielleicht spendabel ist oder etwas zu bieten hat. Sobald er es nicht mehr kann, hört auch die Freundschaft auf. Jesus will so gerne helfen, heilen und retten. Aber er ist kein Vertreter, der uns sein Produkt anbietet. Jesus will Gemeinschaft, will Beziehung und in diese Beziehung hinein will er auch gerne helfen. Wenn ich über Jesus herfalle und praktisch ihm signalisiere: Dein – sprich mein Wille – geschehe, dann instrumentalisiere ich den Herrn. Das tut Jesus weh. Jesus kann Wundergläubigkeit nicht brauchen. Wirklicher Glaube heißt: eine Liebesbeziehung zu Christus zu haben.
B. Jesu Gemeindebaukonzept (Kapitel 3, 13-19)
Jeder Prediger oder Pastor wäre hochzufrieden, wenn er so ein gefragter Mann wäre. Wie oft zählen wir die Besucher? Auch ich mache es immer wieder und ertappe mich bei dem Fehler, zu glauben, dass eine große Zahl von Besuchern zwangsläufig auch ein Wirken Gottes sein muss. Wenn Menschen kommen in großer Zahl, wenn „etwas abgeht“, dann ist man schnell der Superstar. Wenn das Telefon nicht still steht und der Prediger sich von Anfragen nicht retten kann. Nicht so Jesus. Wie reagiert der Herr?
Gemeinschaft mit Gott
Wenn von einem Berg die Rede ist, dann spielt stets der Gedanke eine Rolle, dass der Herr hier dem Vater sehr nahe sein möchte. Jesus hat oft auf Bergen gebetet, als wäre er hier dem Himmel ein Stück näher. Auf einem Berg – also in der Nähe des himmlischen Vaters – vollzieht der Herr den ersten großen Schritt seiner Reichsgottesarbeit: er bestimmt ganz gezielt Mitarbeiter. Er baut eine Art Bibelschule auf mit großem Praxisteil. Jesus baut sein Reich nicht auf die Massen, sondern er investiert eine Menge Zeit in einen kleinen Kreis. Er sucht sich treue Mitarbeiter, die das Anliegen Jesu verstehen, die mit ihm intensivste Gemeinschaft haben und von ihm und in der Praxis lernen sollen. Wir stellen folgendes fest:
a.) es findet explizit eine Berufung statt (Kap 1,16ff)
b.) es findet explizit eine Ordination statt (V.14). Sie werden „eingesetzt“ in ihr Amt.
es findet explizit eine Amtsbezeichnung statt (V.14): Apostel – Gesandte (a-post-olos)
es findet explizit eine Beauftragung und eine Bevollmächtigung statt (V.14+15)
Der Auftrag lautet: Predigt – sprich die Verkündigung und Auslegung der Schrift. Das heißt nicht, dass nur sie dass allein tun dürfen. Das Besondere liegt darin, dass sie von Jesus aus ihren Berufen befreit werden und ausschließlich für diesen Dienst der Verkündigung eingesetzt werden.
Ihre Vollmacht beziehen sie aus der Gemeinschaft mit Jesus. Es heißt, dass sie „bei ihm sein sollten“ (V.14). Aus dieser Kraft heraus erklären sie dem Reich der Finsternis den Krieg (V.15).
Der Vollamtliche ist damit ein Nachfolger dieses Grundgedankens Jesu. Aber auch jeder Christ, der trotz seinem Beruf in der Verkündigung tätig ist, hat diese Würde und muss aus dieser Gemeinschaft mit Christus seine Vollmacht beziehen.
Unter den Aposteln finden wir eine bunte Schar. Als erstes wird Petrus genannt, der sich später als der Sprecher der Jünger herauskristalisiert. Bei ihm wird explizit die Namensänderung angegeben, sowie es bei Klöstern die Fall ist. Beim Eintritt erhalten sie einen neuen Namen. Simon heißt nun Petrus, Fels, weil auf einem Felsen die Gemeinde Jesu gebaut wird.
Weiter nennt Markus die nächsten zwei, die immer zusammen mit Petrus in der Nähe Jesu waren, die auch bei manchen Anlässen explizit aus der Jüngerschar erwählt wurden (z.B. bei der Verklärung Jesu!): Jakobus und Johannes! Auch sie werden umbenannt in die „Donnersöhne“. In Mk 10,35ff finden wir eine mögliche Erklärung: ihr ungestümes Temprament.
Bei allen dreien fällt auf, dass der Name für sie Programm ist. Ich glaube nicht, dass auf Petrus die Gemeinde gegründet ist, sondern Christus ist der Fels. Aber Petrus ist eine leitende Figur. Aber zu dieser Persönlichkeit muss er wachsen durch viel Zerbruch. So ist seine Name wie der der Donnersöhne Erinnerungen, worauf sie achten müssen, damit der Herr sie gut gebrauchen kann.
Weiter nennt Markus Andreas und Philippus. Andreas ist der Bruder des Petrus. Er taucht immer wieder mal auf, weist auf andere hin wie z.B. auf den Jungen mit den Gesternbroten bei der Speisung der 5000. Philippus ist nicht zu verwechseln mit dem Diakon Philippus in der Apostelgeschichte. Philippus hat viele Fragen. „Zeige uns den Vater“ ist eine davon. Er vermittelt an anderer Stelle für hellenistische Juden und bringt den Nathanael (Bartholomäus) zu Jesus. Letzterer ein Mann, indem kein Falsch ist. Matthäus und Zachäus – zwei ehemalige Zöllner, machen die Truppe richtig bunt. Am Schluss wird Judas Iskariot erwähnt. Derjenige, der den Herrn die Gemeinschaft aufkündigte und ihn verriet. Darunter auch Thomas, der Zweifler.
Wir haben also eine Jüngerschar, die zum Teil schon mit Johannes dem Täufer groß wurde. Große prägende Personen wie Petrus, Johannes und Jakobus sind aus dem „Galiläa der Heiden“. Darunter auch ehemalige Zöllner und sogar ein politisch, zelotischer Typ: Judas. Niemand aber war besonders fromm, besonders erleuchtet, besonders geistlich. Sie alle hatten ihre Fragen. Sie alle hatten Momente, wo sie an Jesus scheiterten. Sie alle – bis auf einen – hielten ihm am Schluss nach seiner Auferstehung doch wieder die Treue. Was sie mit Jesus verband waren nicht seine Taten, nicht die Abenteuer, sondern sie begriffen durch viel Leid und Entbehrung: Jesus ist der Christus.
Jesus, der Schwärmer? (Kapitel 3, 20+21)
Jeder Abschnitt beginnt immer damit, dass Jesus einen Ort aufsucht.
Vers 7: Jesus zog sich zurück ...an den See
Vers 13: Jesus ging auf einen Berg...
Vers 20: Jesus ging in ein Haus
Und jedesmal geschieht etwas. Am See wird er überfallen von der gesamten Einwohnerschaft Israels. Auf dem Berg beruft er seine Jünger und im Haus?
Was auffällt ist, dass Jesus auf dem Berg Gott sehr nahe ist. Dort findet auch die Jüngerberufung statt. Ein Gipfeltreffen, ein Gipfelerlebnis. In der Ebene aber – am See oder im Haus – ist der Mensch. Mit seinen Nöten, mit seinen Vorstellungen, mit seiner Sünde. Und Jesus kehrt immer wieder herab.
Vermutlich ist er wieder im Haus des Petrus. Wieder werden sie von Menschenmassen bedrängt. Es reicht ihnen noch nichtmal zur Mahlzeit.
Die Mahlzeit ist eine Zeit der Ruhe und es ist gut, wenn man das auch in der Familie, in der Ehe oder sonstwo einübt. Ich meine, früher waren die Mahlzeiten überstreng gehalten, aber heute ist etwas davon verloren gegangen. Dass die Mahlzeiten zu bestimmten Zeiten stattfinden. Dass während der Mahlzeit das Telefon nicht abgenommen wird, halte ich für wichtig. Es muss Ruhepunkte geben im Alltag. Das Frühstück, das Mittag-und Abendessen gehört sicher dazu.
Es wird uns in diesem Abschnitt nicht explizit gesagt, welcher Geist vom Volk ausgeht. Markus gibt uns nur kleine Hinweise, auf die wir uns einen möglichen Reim machen können. In Vers 7 hörten wir, dass Jesus Distanz suchte. Hier hören wir, dass die Mahlzeit Jesu nicht akzeptiert wird. Sie wollen nicht ihn als Person, sondern das, was er zu verschenken hat. Auf ähnliche Weise reagieren nun auch „die Seinen“. Lt Kap 6,4 läßt sich schließen, dass mit den „Seinen“ Jesu Eltern, seine leiblichen Geschwister und/oder Verwandten gemeint sind. Sie suchen ihn auf. Ihnen ist der Tumult um Jesus peinlich. Vielleicht fürchten sie die Macht des Klerus, oder gar die der römischen Besatzer. Ganz Israel hört von Jesu Wundertaten und sie kommen und probieren es aus. Aber die eigenen Verwandten meinen, er sei ein Irrer, ein Schwärmer, ein Sektierer. Sie sagen: er sei nicht zurechnungsfähig. Sie erscheinen wie Abgeordnete aus einen Irrenhaus und schrecken nicht davor zurück, sogar sanfte Gewalt anzuwenden: sie wollten ihn festhalten. Vermutlich haben die Jünger sie davon abgehalten.
Die Situation des 12-jährigen Jesus wiederholt sich. Jesus muss sein indem, was seines Vaters ist und wohin ihn der Vater sendet. Die Angehörigen begreifen es nicht. In Galiläa tut der Herr große Wunder, aber die Ernte des Glaubens ist furchtbar gering.