Predigt über Markus 16, 9-14

von Michael Strauch



Liebe Gemeinde,


Einleitung:


Kennen Sie den berühmten Isenheimer Altar von Matthias Grünewald im französisch-elsässichen Städtchen Colmar? Wenn ja, dann steht ihnen vor dem geistigen Auge der Erinnerung noch das Bild vom auferstandenen Christus vor Augen: Christus mit erhobenen Armen, umstrahlt von einem gleißenden Kranz aus Licht, der Grabstein weggerollt und unter seinen Füssen die damalige Weltmacht Rom. Majestätisch steht der Herr da wie Phönix aus der Asche, ein strahlender Held und Herr. Und haben Sie noch nie das Bedürfnis verspürt, zu all dieser Herrlichkeit noch mehr hinzu zu fügen? Dass Jesus siegreich in Jerusalem auf einem weißen Araberhengst einreitet, seine Widersacher beschämt die Koffer packen müssen und Christus seinen Worten selbst recht gibt und Nachdruck verleiht?


Hauptteil:


  1. Der Unglaube erster Teil

Der heutige Abschnitt allerdings berichtet ncihts von einer weltweiten Offenbarung. Es ist weder die Rede von großen Schlachtrössern, Strahlenkränzen und lärmenden Mengen. Auch die Widersacher Jesu behielten ihre unseligen Posten. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht: eines der größten und gewaltigsten Werke Gottes, die Auferweckung Jesu von den Toten, geschah völlig unscheinbar in einer kleinen römischen Provinz fernab des großen politischen Geschehens der Weltbühne. Vergeblich suchen wir bei den damaligen Historikern wie Josephus, Titus Livius oder Tacitus Hinweise oder gar Schlagzeilen über Jesu Auferstehung.

Der Mensch aber glaubt nur allzugern, was vor Augen steht. Die Jünger Jesu bilden da keine Ausnahme. Die Jünger glaubten nicht, in ihren Herzen war statt des Glaubens an Jesus eine schwarze Leere. Gewiss, sie sahen mit Jesus große, unfassbare Wunder, aber genauso sahen sie mit eigenen Augen den gefesselten, bis zur Unkenntlichkeit gegeißelten und dann am Kreuz verendenden Jesus. In ihrer Erinnerung fraß sich das Bild des grausam zugerichteten Meisters ein und ihr Verstand sagte, dass dies unmöglich der Herr der Welt und schon gar nicht der Sohn Gottes sein konnte. Ja, wenn er vom Kreuz herabgestiegen wäre, ja dann... Sie hatten schon manches erlebt, wo Jesus nicht eingriff. Aber dann tat er es doch und zerstreute ihre Zweifel. Doch diesmal geschah nichts. Gott ist tot, so würde viele hundert Jahre später ein nihilistischer Philosoph in eine Parkbank ritzen, Friedrich Nitzsche.



  1. Der Unglaube zweiter Teil

Die Jünger glaubten nicht. Das änderte sich erst recht nicht, als aufgebrachte Frauen auf sie zugerannt kamen und ihnen sagten, dass Jesus lebe. Ihr Glaube keimte immer noch nicht, als nun zwei ehrenwerte, jüdische Männer erscheinen und die Aussagen der Frauen decken. Es blieb dabei. Sie glaubten es nicht. Wir werden an Goethes Faust erinnert, der seinen Protagonisten verweifelt ausrufen läßt: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!“

Warum glaubten die Jünger nicht? Vielleicht müssen wir zuerst nochmal klären, was wir unter Glauben verstehen, damit wir auch den Un-Glauben fassen können. Im landläufigen Sinn verstehen wir unter Glauben ein leicht unsicheres Führwahr-Halten. „Ich glaube schon, dass deine Mutter mit dem Zug kommt und nicht mit dem Auto“. Glaube kann auch heißen, dass man jemandem etwas zutraut: „Ich glaube fest daran, dass Du morgen den Wettkampf gewinnen wirst. Du schaffst es!“

Auch das Gegenteil dieses Glaubens ist uns geläufigt: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht!“ Hier drückt der Unglaube ein zerstörtes Vertrauensverhältnis aus. Das heißt, man steht den Aussagen des Lügners etwas skeptisch gegenüber.

Im Duden wird Glaube folgendermaßen definiert: Glauben bedeutet ursprünglich: „Für lieb halten, loben, gut heißen!“ Und schon die alten Germanen bezogen das Wort Glauben auf das „freundschaftliche Vertrauen eines Menschen zur Gottheit!“

Glauben meint also in etwas abgeschwächter Form etwas „Für wahr Halten“. Aber Glaube bedeutet noch mehr: Vertrauen und sich anvertrauen, lieb haben, loben und jemanden oder etwas gut heißen.

Auf die Jünger bezogen könnte man ihren Unglauben also folgendermaßen umschreiben: „Sie hatten Jesus nicht mehr lieb, sie lobten ihn nicht mehr, sie hießen ihn und seine Worte und Taten nicht mehr gut!“ Das tut dem Herrn Jesus weh. Unglaube schmerzt dem Herrn im Tiefsten.

Ich möchte an dieser Stelle kurz innehalten und Dich fragen: Hast Du Jesus lieb? Von der Tiefe deines Herzens, liebst Du den Herrn Jesus?


  1. Herr ich glaube, hilf meinem Unglauben


Die Jünger glaubten nicht. Aber bin ich nicht aus sein Jünger? Doch. Gewiss, ich weiß, dass Jesus lebt. Aber wir haben gehört, dass Glaube mehr ist als nur ein Fürwahrhalten einer Tatsache. Wie oft erlebe ich es, dass zwar an Jesus glaube. Dass er in den Kosmos eingreift, dass er in das Leben seiner Kirche eingreift und seine Gemeinde baut. Aber wenn es um mich persönlich geht, macht sich Unglaube breit. Ja, ich glaube, dass der Herr meine Gebete hört, aber glaube ich, glaubst Du, dass er sie auch er-hört? Ich glaube, dass dem Herrn alles gehört. Aber glaube ich dran, glaubst du daran, dass der Herr dir auch materiell aushilft, wenn Du in der Klemme bist? Ich glaube, dass der Herr von schweren Krankheiten heilen kann, aber glaube ich und Du, dass er es in deinem bestimmten Fall tut? Ich höre die Aussage über die Jünger Jesu: aber sie glaubten nicht. Aber ich erlebte und erlebe auch das andre, was in unserem Abschnitt treffend zum Ausdruck kommt: „Schließlich zeigte sich Jesus noch den elf Jüngern, während sie beim Essen waren. Er machte ihnen Vorwürfe, weil sie zweifelten und denen nicht glauben wollten, die ihn nach seiner Aufstehung gesehen hatten.“ Jesus möchte, dass ich, dass Du ihm glaubst. Das meint nun wirklich: ihm vertrauen und mit seiner Hilfe konkret rechnen. Sie können Jesus eine große Freude bereiten, wenn Sie an seine Hilfe und sein Eingreifen glauben und daran festhalten. Wer glaubt, wird Jesus erfahren. Glaube heißt: Jesus – ich vertraue dir. Du bist glaub-und vertrauenswürdig.


Schluss:


Doch vorsicht: Der Glaube nicht den Charakter eines „Instant-Kaffees“ nach dem Motto: schnell ein Gebet, danach folgt brühwarm die Gotteserfahrung. Dem Unglauben der Jünger ging eine große Enttäuschung voraus. Tage der Verzweiflung und des leeren Gefühls. Manchmal hat man den Eindruck, dass einem nur der nackte Wunsch bleibt: ich will glauben, wider alle meine innersten Regungen und Erfahrungen. Und manchmal versagt auch das. Doch wie immer unser Glaube aussieht, ob groß, ob klein, ob halb tot oder quicklebendig, ob verstört oder klar: Jesus greift auch den kleinsten Krümel auf, den glimmenden Doch drückt er nicht aus. Und wo auch alles Licht erloschen scheint und nichts bleibt als die schwache Sehnsucht nach Jesus, so greift der Herr auch das auf und vermag durch seinen Heiligen Geist diese Flamme zu entfachen. Ich schließe mit einem Zitat von Goethe: „Alle Epochen der Welt-und Menschheitsgeschichte, in denen der Glaube herrscht, waren glänzend, herzerhebend und fruchtbar für Mit-und Nachwelt, während die Perioden des Unglaubens ein kümmerliches Dasein fristeten.“