Bibelarbeit über Markus 14, 1-11

gehalten von Michael Strauch


Gliederung


  1. Ja nicht bei dem Fest.... (Verse 1+2)

  2. Da wurden sie froh... (Verse 10+11)

  3. Gesalbt für mein Begräbnis (Verse 3-9)


zu 1: Ja nicht bei dem Fest.... (Verse 1+2)


    1. Begriffserklärung


Mit dem „Fest“ ist der Zeitraum gemeint beginnend von der Passahnacht und die 7 Festtagen, die sich dem anschließen. Diese Festwoche wird Mazzoth, das Fest der ungesäuerten Brote genannt. In unserem Text ist gemeint, dass die Schlachtung der Passahlämmer am Nachmittag vollzogen war und nun in der Nacht des darauffolgenden Tages in Gruppen und Familien zu verspeisen.


Nun müssen wir folgendes beachten, damit uns die Dramatik und der heilsgeschichtliche Moment, um nicht zu sagen auch die Tragik deutlich vor Augen steht:


    1. Auslegung


Die Zeit drängt. Die Zeitangabe „es waren noch zwei Tage bis zum Passahfest...“ darf man nicht locker und unbeteiligt lesen, sondern eher im Sinne einer grässlichen Anspannung: „Nur noch zwei Tage bis zum Countdown!“ Doch warum haben die „Mordbuben“ so Angst vor diesem Passahfest?

Markus gibt uns die Antwort: „Damit es nicht einen Aufruhr gebe im Volk!“ Warum aber, so wollen wir gerne fragen, soll es einen Aufruhr geben?



Weil das Volk so viel von Jesus hielt, wäre eine öffentliche Ergreifung fatal. Es würde u.U.ein Blutbad herbeiführen und die Theologen würden nicht allein Teile des Volkes, sondern auch die eigene herodianische Justiz, ja sogar Rom gegen sich haben. Also eine öffentliche Ergreifung wäre wenig ratsam. Wie dann? Wo doch Jesus ständig unter Menschen ist.

Im Text heißt es, dass die – richtig übersetzt – oberen Priester, das heißt diejenigen, denen die Tempelpolizei unterstand zusammen mit den Schriftgelehrten fieberhaft sich den Kopf zerbrachen, wie sie es am geschicktesten anstellen sollten. Man müßte die geheimen Orte kennen, wo Jesus sich aufhält, wenn mal nur seine Jünger bei ihm wären. Oder noch besser, nur ein Teil von ihnen.

Sollte das gelingen, wäre als nächster Schritt ein schnelles „Um die Ecke bringen“ wichtig. Normalerweise hat ein Verurteilter gerade in dieser Justizfrage bei Jesus das Recht auf eine mehrtägige Verhandlungssphase. Doch diese Zeit stand nicht mehr zur Verfügung. Jesus mußte gefaßt werden, ohne dass es jemand merkt. Dann muss er theologisch und damit auch nach dem öffentlichen Recht zu Tode gebracht werden. Die Frage blieb: wie ihn ergreifen, wie ihn töten? Sie selbst durften nach dem römischen Gesetz ihn ja nicht einfach umbringen.


Zu 2: Da wurden sie froh... (Verse 10+11)


Die Pharisäer und Schriftgelehrten hätten in ihren fieberhaften Überlegungen sicher keine Lösung gefunden, wäre ihnen nicht dieser dicke Fisch ins Netz gegangen. Sie mußten Judas als ein Geschenk des Himmels angesehen haben. Ja noch mehr. Sie mußte glauben, dass Gott nun mit seinem Gericht beginnt, indem er ihnen einen reuigen Jünger aus den engsten Reihen ausliefert. Was sie nicht ahnen ist das satanische Netzwerk. So wie sie in Kapitel 1 das dämonisch besessene Gemeindemitglied über all die Jahre nicht merkten, so merkten sie auch diesmal nichts von dem Satan, dem Beelzebul, der in Judas wirkte! (siehe Kapitel 3, V.22ff).

Für mich stellt sich die Frage, ob Judas von den Plänen der Theologen wußte. Halten wir fest: wie sollte Judas Jesus verraten? Der Herr selbst sagte, dass er jeden Tag im Tempel gelehrt habe. Sollte Judas Aussagen über seinen Messiastitel verraten? Kaum, denn beim Prozess taucht Judas nicht auf und es gibt falsche Zeugen in Genüge. Es kann also nur um den Verrat eines Versteckes handeln. Judas wußte, dass Jesus sich im Garten Gethsemane aufhalten würde. Wiederum stellt sich mir die Frage, woher Judas dann von den Plänen wußte, dass man Jesus möglichst ohne Volk fassen wollte. Es gibt meines Erachtens nur zwei Möglichkeiten:

  1. Judas Iskarioth hatte schon länger geheimen Kontakt zu den führenden Männern Israels.

  2. Oder Judas erfuhr an diesem Abend von ihren Plänen und konnte nun das Seine beitragen.

Ich denke, dass beides zutrifft aus folgendem Grund: in Kapitel 3,19 wird Judas das letztemal erwähnt. Gesondert und mit dem Zusatz :“...der ihn später verriet!“ Das legt den Schluss nahe, dass Judas sehr bald ein Spitzel im Kreis der Jünger war. Dass er womöglich skeptisch war von Anfang an oder es wurde. Trotzdem hatte auch er die klare Chance, ja sogar die besondere Gelegenheit, von der Liebe Gottes übermannt und angesteckt zu werden. Judas ein Spitzel? Im Dienste der Priester und Schriftgelehrten? Die ganze Zeit über? Biblisch nicht zu belegen, aber der Gedanke liegt mir nicht fern und würde manches erklären. Andererseits würden sie dann nicht nach einer Lösung „suchen!“ Also Judas als aktiver Spitzel scheidet aus, aber als passiver bleibt er. Die Theologen begrüßen ihn in ihrer Mitte. Sie freuen sich über sein Angebot. Die Zeit ist günstig. Das Volk wird Passah innerhalb der Mauerfeste Jerusalems feiern. Wo aber wird dann Jesus übernachten, wenn er ja sonst bei Freunden außerhalb der Stadt zu übernachten pflegte. Wo? Judas wußte es noch nicht. Aber er wird es herausfinden und den Ort verraten. Die Tempelpriester und Schriftgelehrten freuten sich und boten ihm Geld an, obwohl nicht dasteht, dass er es forderte.

In Kapitel 3,22 ff. haben wir versucht, Jesu Darstellung des satanischen Reiches zu erklären. Hier wird deutlich, dass der „dämonische Wal“ auftauchen muss. Männer Gottes arbeiten mit Spitzeln und stellen sogar einen Verräter ein. Was nun noch fehlt, sind echte Berufskiller, Meister ihres Geschäfts. Das könnnen nur Römer sein...



zu 3: Gesalbt für mein Begräbnis (Verse 3-9)


    1. Begriffserklärung


Bethanien:

„Haus des Elends!“ Nahe Jerusalem. Ostseite vom Ölberg. Ca. eine halbe Stunde Fußmarsch von Jerusalem entfernt. Jesus war oft in Bethanien und pflegte auch des öfteren dort zu übernachten. Martha und Maria, Lazarus und andere Bekannte und Freunde Jesu wohnten dort.

Zu Tisch sitzen:

Man kennt es aus Filmen: in der Antike lag man zu Tisch so dass eine Hand frei war, um sich Speisen vom Tisch zu holen. Diese Speisen waren mundgerecht zerkleinert oder man benutzte einen Bissen Brot dazu.

Glas mit Nardenöl:

Alabastron: Ein Gefäss aus feinem Gipsstein. Es ist milchig grau und ein wenig durchsichtig.

In Vers 5+6 wird das Wort „myron“ gebraucht. Eine aus Pflanzen gewonnene Salbe. Äußerst kostbar und eigentlich ein Luxusartikel. In Vers 3 haben wir das Wort nardos. Eigentlich ein Importgut. Eine indische Gewürzpflanze, aus dessen Wurzelsaft die Salbe gewonnen wurde.

Vielleicht ist das ganze mit einheimischen Öl durchmischt. Auf jeden Fall ist alles furchtbar teuer und kostbar.

Herabträufeln:

Es war üblich, dass Frauen (oder Haussklaven) einen Tropfen wohlrichendes Öl auf Füße und Kopf des Besuchers träufelten. Ein Tropfen konnte der Tageslohn eines einfachen Arbeiters bedeuten. 300 Denare, dafür musste ein Mann ein ganzes Jahr arbeiten. Man darf davon ausgehen, dass es sich ungefähr um einen Liter handelt und die Frau – statt zu träufeln – die ganze Flasche zerbricht und der komplette Inhalt über Jesus sich ergießt.


Ein gutes Werk:

Wichtig, gerade um die Zeit des Sabbaths gedachten Juden an die Armen und Bedürftigen. Daher auch der Ausruf nach solch eine Verschwendung, man hätte mit dem Erlös solchen Öls viele Menschen glücklich machen können. Allerdings gab es nach der Thora auch Werke der Barmherzigkeit, die nicht mehr zu wiederholen sind und darum eine besondere Bedeutung haben wie z.B. die ehrenvolle Balsamierung eines Verstorbenen und seine Bestattung. Diese Tat war eine Tat der Barmherzigkeit und Jesus stellt sie als besonders schön, ja als besonders kostbar und nachahmenswert vor.


    1. Auslegung


Es ist eigenartig. Die geistlichen Führer Israels planen heftig an der Ermordung Jesu. Sie wähnen sich geheimnisvoll, topsecret. Doch Jesus weiß davon und was hier nun geschieht, ist prophetisches Handlung. Werden wir Zuschauer einer wunderschönen Geste, voller Gefühl, voller inner Kämpfe, voller Majestät.

Bethanien, Lazarus – Heimat und Geborgenheit. Tisch, Essen, Gemeinschaft – wie muss es den Herrn erfreut haben im Kreis der Lieben zu sein. Sie aßen, sie freuten sich, vielleicht lachten sie miteinander. Darunter aber ist eine Frau, die voller Ehrfurcht Jesus sieht. Gerne hätten wir sie kennengelernt, gerne mehr von ihr erfahren. Wer war sie? Johannes 12 gibt ins Auskunft: es war jene Frau, die einst Jesu zu Füßen saß und ihm zuhörte. Damals vergaß sie alles um sich herum. Sie war ganz Auge, ganz Ohr und voller Liebe für ihren Herrn. Sie nimmt das Alabastergefäß, vielleicht hat sie Jahre lang gespart dafür. Etwas treibt sie, sie weiß nicht was. Vielleicht versteht sie ihr Handeln nicht. Vielleicht folgt ungeplant eins dem anderen. Es ist gute Sitte, dass einem Ehrengast ein paar Tropfen wohlrichendes Öl auf das Haupt geträufelt wird und es ist gute Sitte, dass auch die Füße damit eingerieben werden. Doch dieses Gefäß zerbricht in ihrer Hand – wie wenn sie ahnt, das Jesu Leib zerbrechen wird. Zerbricht sie es? Willentlich? Oder zerbricht das Gefäss ungeplant aufgrund einer inneren Erregung, gar Bestürzung, gar einer Vorahnung? Eine große Menge Öl ergieß sich auf Jesu Haar, auf seinen Körper und seine Füße. Das Ungeheure geschieht. Wir kennen es von der Prostituirten, die mit ihren Tränen Jesu Füße wusch. Maria beugt sich herab und trocknet nach Joh 12 mit ihren langen Haaren seine Füße. Damals hat Jesus zu der Prostituirten gesagt: sie hat viel geliebt.

Die Reaktion damals wie hier ist gleich. Ob Schriftgelehrte oder Jünger, sie reagieren ähnlich: mit angeblich heiligem Zorn. Gerade ihre Einigkeit in dieser Sichtweise macht sie glauben, sie seien im Recht. Sie greifen die sicher peinlich berührte Maria an. Es heißt, sie „fuhren sie an!“ Vermutlich mit Händen gestikulierend, schreiend und wütend. Dann folgt in Vers 5 eine Wortfloskel, die Christen auch heute noch gerne gebrauchen: „Man hätte...“ Man hätte soviel erreichen können für die Gemeinde, wenn Du nicht....! Man hätte, man hätte, man hätte. Die Ankläger wissen es immer, was man besser getan hätte, nur sie selber machen nicht besser, was man besser getan hätte. Es sind immer die anderen, besonders diejenigen, die nicht tun, was die Ankläger wollen. Und sie glauben sie ganz im Recht, ganz im Einklang mit Gott Und sind doch Welten entfernt.

Mit majestätischer Geste gebietet der Herr Einhalt: „Laßt sie in Frieden!“ Schon einmal hat Martha sich über Maria beschwert, weil sie in der Küche nicht zugange war. Maria war anders. In ihrer Art und Erkenntnis den anderen still voraus, ohne je groß in Erscheinung zu treten. Nun sind es die Jünger, die Maria erneut attackieren. Jesus sagt: „Was betrübt ihr sie?“ Maria war also sehr betroffen, unsagbar traurig. Sie verteidigt sich nicht, sie ist einfach nur betrübt, weil ihr echtes Anliegen so missverstanden wird. Jesus stellt sich vor sie. Seine Worte hallen wie Donnerschläge, die den dunklen Himmel erhellen. Seine Worte erhellen den Sinn ihrer Tat, aber der Sinn erschreckt zugleich:



Christen können Gutes tun, ohne es für Gott zu tun. Das ist ein Geheimnis, das ergründet werden will. Etwas Gutes zu tun, dazu brauche ich nicht an Gott zu glauben. Viele Menschen tun anderen Menschen etwas Gutes, das sagt der Herr schon in der Bergpredigt. Gute Werke sind leider nicht immer beredtes Kennzeichen für Christen. Und viele Christen tun gute Werke, sodass der Vorwurf ihnen nicht gelten müßte. Aber sie bleiben ohne himmlischen Lohn, weil sie es nicht für den Herrn getan haben. Die Jünger prangen damit, dass sie wüßten, wie man gute Projekte in Angriff nehmen müßte. Und doch stimmt ihre Motivation nicht. Bei Judas geht es soweit, dass er einen Teil des Gewinns sogar für sich einstreichen würde. Ein gutes Werk ist nur dann vorbildlich, wenn es von Gott gewollt und zu seiner Zeit getan wird. Dann kann das gute Werk entstehen und zugleich verfliegen wie der Duft der Narde. Wichtig ist, dass es in Gott getan ist. Wieviel Werke bestehen bis heute und man bewundert ihre Begründer. Und wieviel Christen beginnen ein gutes Werk und es scheitert. Keinen Ruhm erben sie für ihre Tat, man gedenkt ihrer Kraftanstrengung nicht. Es heißt höchstens: er hat`s halt probiert. Was scheitert, ist von Gott nicht gesegnet. So oft das Denken vieler Christen. Hier werden wir eines Besseren belehrt. Es gibt Werke, die nur kurz aufblühen, eine kurze Zeit dauern, dann vergeht es. Aber wenn es in Gott getan ist, bleibt es in Erinnerung. Wenn nicht bei Menschen, dann bei Gott. Ein Theologe sagte einmal: Gott fängt den kleinen Ball der Menschen auf und macht daraus eine Lawine.

Wichtig ist auch, dass ich nicht irgendwas mache, von dem ich denke, dass es christlich sei. Wichtig ist immer, dass ich den Willen Gottes erkenne. Seinen Kairos, seinen göttlichen Zeitpunkt. Es muss dem Herrn überlassen bleiben, was an wem zu welcher Zeit ich tun soll. Dabei gibt es kein Kleines und kein Großes. Sondern nur den Willen des Herrn.

Maria, so sagt der Herr, hat getan, was sie konnte. Mehr braucht sie nicht. Wir brauchen uns nicht zu grämen, uns nicht zu vergleichen mit anderen Mitchristen, deren Arbeit so sehr expandiert. Wir tun, was wir können. Nicht immer. Maria auch nicht. Aber in diesem Fall tat sie, was sie konnte. Ihr Herz war bei Jesus. Ganz nah. Ihre Ohren auf ihn gerichtet. Ungeplant tat sie etwas, was selbst die Frauen später bei der Grablegung Jesu nicht mehr die Zeit hatten: Jesus wurde prophetisch balsamiert. Das Öl überdeckt für kurze Zeit den Geruch des baldigen Todes. Jesus weiß, dass er sterben muss. Die Jünger dürften wie vom Donner gerührt dagestanden sein. Und Maria begriff vielleicht in diesem Moment ihre Tat.

Maria wird uns zum Vorbild. Eine Frau, die still zu Jesu Füßen lag und mitten in der Arbeit und der Geschäftigkeit sich Auszeiten nahm, um auf den Herrn zu hören. Aus diesem Hören und ihrer Liebe zu Jesus wußte sie, was zu tun ist. Sie brachte ihre Liebe zu Jesus in einer unbewußten, aber prophetischen Art und Weise zum Ausdruck. Diese kleine unscheinbare Tat ist vor fast 2000 Jahren geschehen und ich schreibe und Sie lesen jetzt darüber. Jesu Wort hat sich erfüllt.