Bibelarbeit über Markus 12, 1-12 und 13-17; 41-44

von Michael Strauch



Bibelarbeit:



Deutung:

Weinberg ist ein altes Bild für das Volk Israel, für das Land Israel, für das Erbteil, in dem Milch und Honig fließt.

Der Zaun ist der Schutz Gottes gegen die übermächtigen Feinde Israels im Norden, Süden und Osten und gegen das Meer. Gott selbst sagte einmal, er will eine feurige Mauer um sein Volk sein.

Die Kelter sind besonders in der Offenbarung der Behälter des Zornes Gottes (siehe Offb 14,6ff). Dort werden die reifen Beeren (Werke der Menschen) zertreten und der zerstoßene Saft wird mit menschlichem Blut verglichen. Die Kelter, „draußen vor der Stadt“ also Bild des Zornes Gottes und sicher zugleich auch Bild für den, der den Zorn Gottes am Kreuz ertrug.

Der Turm ist in der Bibel zum einen Ausdruck menschlicher Hybris (Genesis 11), aber auch der Ort, wo man auf Gott wartet und Ausschau hält und auf seine Worte hört (siehe Habakuk 2,1). Also wie bei der Kelter sind beide Seiten vorhanden – Hybris und Gottesschau.

Das Verpachten des Weinberges scheint mir eindeutig Ausdruck dessen zu sein, dass Gott seinem Volk das gute Land gegeben hat zum „seligen Gebrauch“. Das Volk soll die Früchte des Landes genießen.

Die Weingärtner sind Menschen, die etwas von ihrem Handwerk verstehen. Nicht jeder Israelit war ja Weingärtner. Also müssen diese für die Theologen der damaligen Zeit gestanden haben als da waren die Schriftgelehrten, die Pharisäer und Sadduzäer, die Ältesten, die Propheten, Priester und Leviten – sprich die geistliche Führung des Volkes.

Außer Landes drückt das volle Vertrauen aus, die der Verpächter hinterläßt. Er greift nicht ein, er läßt den Weingärtnern freie Hand.



Deutung:


Die Bibel vergleicht das Leben der Gläubigen in der Beziehung zu Gott mit den Zeiten der Saat und Ernte. Es gibt eine Zeit, wo Gott in den Menschen investiert und ihm seinen guten Samen schenkt. Im Bild vom vierfachen Ackerfeld (Mk 4,1ff) wird deutlich, dass das Herz des Menschen mit einem guten Boden verglichen wird. Der Same ist das Wort Gottes. Die Frucht nun ist das Werk, das aus dem Samen entspringt. Mit anderen Worten: Gott hat seinem Volk Gebote, Satzungen, Lehre geschenkt. Die Ernte ist dabei ein geheiligtes Leben des Einzelnen. Das bedeutet, die Ernte ist hier nicht etwas, von dem Gott, der Herr, sich etwas „erwerben könnte“, sondern es ist ein geheiligtes Leben, das Gott erfreut und seine Beziehung zu ihm intensiviert.

Wer aber sind die Knechte, die den Teil einfordern? Hier stoßen wir auf einen interessanten Punkt:

Die Knechte können niemand anders sein als die Propheten des alten Testaments. Welchen Teil der Ernte wollten sie aber einfordern? Nichts anderes als den Gehorsam Gott gegenüber. Wann sandte Gott Propheten? Die gab es immer, sie unterwiesen das Volk. Aber wenn Propheten besonders hervorstechen und dafür sprichwörtlich Not, Tod und Leid erfuhren, dann, wenn das Volk Gottes sich von Gott abgewandt hat.

Das bedeutet, dass Gott seinem Volk das Land völlig zur freien Verfügung überließ! Erst, als sie Land vom Geber trennten, erst, als sie Gott entthronten und sich selbst zu Herren des Weinbergs machten, erst dann treten die Propheten auf den Plan und erinnern an den Bund! Dabei geht Gott mit großer Demut vor und mit großen, eigenen Verlusten.



Deutung:

Das erste, was anklingt ist der satanische Zug. Satan griff nach den Sternen, er wollte Gott enthronen und wollte selber Herr sein. Beim Sündenfall verführte er den Menschen genau darin: ihr werdet sein wie Gott! Die Weingärtner wollen nicht nur anstelle Gottes treten, sie wollen herrschen über den Weinberg und die Früchte des Landes – sprich Gehorsam und Lobpreis – für sich selbst annehmen. Genau das war die letzte Versuchung Jesu in der Wüste, wo der Teufel sagte, er möge doch niederfallen und ihn anbeten. Das ist wiederum die Ursünde, die nun der Sohn tödlich an sich erfahren muss. Jesus ist der letzte Knecht. Der Knecht Gottes (Jesaja!), der als der Erbe in sein Erbteil geht (vgl. Johannes 1, 1-18 – besonders Vers 11), wissend und damit rechnend, dass dies ein Gang des Todes sein kann.

Die Beratung der Weingärtner bezüglich seines Todes findet sich in vielen Beispielen wieder, so z.B. in Mt 12,14: „Da gingen die Pharisäer hinaus und hielten Rat über ihn, wie sie ihn umbrächten.“

In den Worten „sie nahmen ihn“ (Gethsemane, Verhaftung, Verurteilung) und sie „töteten ihn“ (Geißelung und Überantwortung an die Römer, Tod am Kreuz) und „warfen ihn hinaus vor den Weinberg“ (außerhalb der „schützenden Mauer“, außerhalb der Gemeinde, außerhalb der Stadt Jerusalems, fern von Gott!) wird die ganze Passion Christi quasi in einem Vers zum Ausdruck gebracht.



Deutung:

Dieses Vergeben des Weinberges ist in der Geschichte Israels nicht auf einmal geschehen, sondern immer wieder. Die Zeit der Richter, die Königsbücher zeugen deutlich davon, wie das Verhältnis Gottes gegenüber die friedliche Pacht bestimmte. Ab König Salomos Tod ging der Weinberg mehr und mehr über in fremde Hände. Zuerst in die Hände der Assyrer, später der Babylonier, der Perser, der Griechen, der Römer, noch später in die Hände der Moslems, der Türken bis bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts war Erez Israel in der Hand fremder Hände. Das Land gehört Gott. Es ist für die Juden bestimmt. Aber das Missverhältnis zu Gott ließ es immer wieder in fremde Hände fallen.

Der Tod der Geistlichen (Weingärtner) erinnert an den Fall des Tempels – Ausdruck der lebendigen Gegenwart Gottes unter seinem Volk. Als die Römer Jerusalem eroberten, „türmten“ sich die Leichen der getöteten Priester im Tempel (siehe Josephus: der jüdische Krieg). Sie trifft ein besonderes Gericht, weil sie um Gottes Willen wußten und nicht willig waren, es den Menschen lieb zu machen.


Jesus erzählt also mit der Weinberggeschichte die Geschichte Israels. Dabei greift er sogar zu diesem Zeitpunkt voraus! Das Erbteil heute ist für alle Christen das „neue Jerusalem“, die „ewige Ruhe“, das Himmelreich. Wer den Sohn annimmt (Joh 1), dem verpachtet Gott nicht nur das Land, er wird zum Erbe. Also das, was die Weingärtner durch Mord und Raub an sich bringen wollten, will Gott denen schenken, die ihn lieben und seine Gebote halten.


Nocheinmal: Das Gleichnis wäre missverstanden, wenn man meint, Gott kommt und macht eine Stippvisite und will ab und zu Früchte in unserem Leben sehen. Sondern Gottes Propheten erschienen dann, wenn sich das Volk von Gott zu lösen begann. Gott will aber, dass der Mensch ihn liebt. Denn in Jesus Christus ist das Leben. Der Mensch vergiftet sich selbst ohne Gott. Darum kämpft Gott selbst am Kreuz noch für seine Peiniger. (...denn sie wissen nicht, was sie tun!). Gott will vielmehr schenken. Doch der menschliche Geist ringt ständig danach, den Platz Gottes einnehmen zu wollen. Darum ist Christus einfürallemal für alle menschliche Schuld gestorben, damit meine Hybris mich von Gott nicht trennen muss. Allein der Sohn kann uns helfen durch Gottes Geist, an den Vater zu glauben, ihn zu lieben und ihm die Früchte der Anbetung zu schenken. So kann Paulus ausrufen, dass seit Christi Tod und Auferstehung uns nichts mehr trennen kann von der Liebe Gottes. Der Tod des Gottesknechtes führt für Israel zum Landverlust, aber führt in eine neue Dimension. Es gibt das Erbteil im Himmel, wo keine Motten und keine Diebe hingelangen. Dieses Erbteil gilt der ganzen Welt für jeden, der Jesus als Herrn und Heiland annimmt.



Deutung:

Der Weinberg ist nicht allein das Land, sondern auch das Volk Israel. Der Reichtum Gottes sind die Menschen. Ihnen gilt seine Liebe, sein Mühen, seine Opfer. Diese Früchte wollen aber die Weingärtner für sich haben. Sie wollen „auf dem Marktplatz gegrüßt werden“. Sie empfangen vom Volk Ruhm, Achtung und Ehre und nicht zuletzt Geld. Die ganze Geschichte handelt im Grunde genommen von den tausendfachen Versuchen irgendwelcher mächtiger Potentaten, die die Verehrung des Volkes an sich reißen wollen.


Vorschlag für einen Hauskreisabend:


  1. Text lesen. Herausgreifen bestimmter Begriffe und sie im Gespräch klären und deuten.

  2. Frage: worin liegen Steigerungen? Die Steigerung der Gewalt. Die Steigerung der Hybris. Die Steigerung der Liebe Gottes.

  3. Der Schlüssel ist der Sohn. Wie stehe ich zum Sohn? Wie stehe ich zu meinen Mitmenschen? Inwiefern gebe Gott, was Gottes ist (V.17)? Wo suche ich menschliche Ehre?


Bibelarbeit über Markus 12, 13-17; 41-44


Jedem, was ihm gebührt (Verse 13-17)

Es hat sich bis heute nicht geändert. Heute wie damals gab es unterschiedliche Glaubensbewegun-gen, und jeder meint, Gott auf seiner Seite zu haben. Im Christentum meinen allen, Jesus besonders zu dienen. In der Zeit Jesu vermutete jeder, dass Jesus die Lehre der anderen Partei vertrat. Die Sadduzäer dachten, Jesus vertrete die Auferstehungslehre 1:1 wie die Pharisäer. Die Pharisäer vermuteten, dass Jesus die Auferstehung in Frage stellt wie die Sadduzäer. Die Rabbiner sahen in Jesus zelotisches Gedankengut. Sie reagieren auf Jesus allergisch, so wie die christlichen Gruppierungen das heute auch tun, weil der Herr einzelne Punkte ihrer Frömmigkeit als Sünde offenlegt. Nun aber, so glaubten die Gelehrten Israels diesmal mit eigenartige Einmütigkeit, hatten sie „das Ei des Kolumbus“ gefunden. Sie stellen ihm die Frage, aus der es nach ihrer Ansicht kein Entrinnen geben konnte: die Frage nach Jesu Stellung zum römischen Kaiser. Ein Jude, der den römischen Kaiser verehrt, und sei es allein durch die Bezahlung der römischen Steuer, kann nicht der verprochene Messias sein. Dieser würde vielmehr die Römer aus dem verheißenen Land vertreiben.

Würde der Herr aber öffentlich verkündigen, dass man den Römern keine Steuern zu zahlen brauche, dann würden die geistlichen Herren ihm den römischen Fiskus an den Hals hetzen. Noch einmal: die Juden gingen vom ersten Gebot aus: Gott ist einer. Er ist Herr, ihm allein gebührt alle Ehre. Durch die Bezahlung der Steuer an Rom, so das jüdische Denken, erwies man dem römischen Kaiser, der sich als alleinigen Pantokrator sah, die Ehre. Für einen frommen Juden kaum denkbar. So wurde das Judentum in verschiedene Lager geteilt. Die armen Bauern hielten sich insgeheim zu den Zeloten. Sie verlangten, dass sich die Juden in keine römische Steuerliste eintragen lassen dürfen, wenn sie Gott nicht verleugnen wollten. Die Schriftgelehrten wiederum sahen Rom als notwendiges Übel. Ein Teil des Zornes Gottes über sein Volk. Darum duldeten sie die Steuer. Zurück zu Jesus. Die Frage an Jesus war ein tödlicher Trick. So schlicht und einfach. Sie werden sich gefragt haben, warum sie nicht früher auf die Idee gekommen waren. So einfach, und doch so unentrinnbar erschien ihnen diese Versuchung. Die Herodianer stehen schon Gewehr bei Fuss, so sicher waren sich die Pharisäer.



Wie reagiert nun der Herr auf diese knifflige Frage, ob der Jude Steuern an den Kaiser zahlen solle? Er läßt sich eine Münze geben. Sie hat das Bild des römischen Kaisers, was gegen das jüdische Bilderverbot verstieß. Man muss bedenken, dass Münzen und ihre Prägungen damals für Propagan- dazwecke missbraucht wurden. Eine Münze, in Italien hergestellt und geprägt. Das Bild, der Entstehungsort machen deutlich: das Geldstück gehört dem römischen Kaiser. Was ihm gehört, muss getrennt werden von dem, was Gott gehört. Natürlich gehört Gott im Grunde alles. Aber Gott vergreift sich nicht so einfach am Besitz eines Menschen. Er gesteht Besitz dem Menschen zu. Die römische Münze gehört in den Besitz des römischen Kaisers. Man muss dadurch keine Gewissens-konflikte haben. Schwierig wird es doch dann, wenn Gott jemanden ausdrücklich etwas anvertraut hat aus seinem expliziten Besitz, und diese dann dreist proklamieren, es gehöre nun ihnen. Das Gleichnis mit den Weingärtnern greift in diesem Moment. Gott etwas zu nehmen, etwas für sich zu nutzen und als Eigentum zu behandeln, ist Diebstahl an Gott. Dem römischen Kaiser gibt man durch die Steuer römischer Münzen zurück, was in seinem Land geprägt wurde. Es geht vielmehr darum, Gott nicht vorzuenthalten, was ihm gehört. An der Zahlung der römischen Steuer wird nicht ersichtlich, ob jemand Gott die Ehre geben will oder nicht. Diese, auf Äußerlichkeiten beharrende Gedanken sind ganz ähnlich dem des Marktes im Tempelhof.

Die Frage bleibt nun: was gehört den Gott? Was gebührt ihm? Worin besteht die Frucht, die Gott sucht? Jesus gibt hier keine Antwort. Er sagt nur: Gebt Gott, was ihm gehört. Eines scheint sicher zu sein: es ist nicht etwas, was der Mensch schaffen kann, herstellen und anbauen kann. Wenn also von Gottes Eigentum die Rede ist, dass er den Seinen gibt und die Frucht aus diesen Gaben fordert, dann müssen wir fragen, was Gott dem Gläubigen geschenkt hat. Nun hat Gott uns Gaben gegeben, natürliche Fähigkeiten und Geistesgaben. Mit ihnen sollen wir Gott ehren und ihm dienen. Gott hat das Leben gegeben, die Vergebung der Sünden, sovieles - mit dem sollen wir Gott ehren. Was soll ich Gott geben? Mein Leben, meinen Gehorsam und mein Gotteslob! Jesus gelangt am Schluss beim ersten Gebot: Gott lieben, mit allem, was mich ausmacht.

Indem er die römische Steuer als römisches Eigentum deklariert, kann der Zelot den Herrn nicht angreifen. Jesus gibt dem Besitzer sein Eigentum zurück. Wie die Römer mögen auch die Münzen in ihr Land zurückkehren. Steuern zahlen, ja. Weil die Steuer die Ehre Gottes nicht antastet. Gott will keine Steuern, sondern unsere Herzen. Darin konnten auch die Pharisäer und Schriftgelehrten ihn nicht fassen. Sie sind bass erstaunt und gehen.

Gebt Gott, was Gottes ist!



Wenig kann alles sein und viel kann wenig sein (Verse 41-44)


Am Ende des Gottesdienstes heißt es immer wiedermal: „das Opfer heute ist für die eigene Gemeinde bestimmt!“ Dieser Satz entspringt einer uralten, biblischen Tradition, nach der jedes Mitglied einer Gemeinde finanziell sich beteiligt an dem, was innerhalb und außerhalb des Kirchgebäudes getan wird. Dazu gehören ganz materielle Dinge wie Renovierungen etc. sowie alle christlichen Aktionen innerhalb dieser Kirche. In 1Könige 12,10 lesen wir, dass sich schon die jüdische Gemeinde am Bau des Gotteshaus beteiligte. Auch gab es bis zu Jesu Zeiten eine Tempelsteuer. Auch Jesus spricht nicht sich nicht gegen die Sitte des Spendens aus. Im Gegenteil. Otto Schaude, 1.Vorsitzender des Altpietistischen Gemeinschaftsverbandes sagte kürzlich auf einer Konferenz völlig zu Recht, dass an der Spendenpraxis die Beziehung zu Christus erkennbar würde. Geld geben und Christsein gehören untrennbar zusammen. Ich verweise auf die Bergpredigt und die vielen anderen Stellen, wo Jesus über das Geld zum sprechen kommt. Nicht zuletzt denken wir auch an eine negative Spende seitens des Judas.

Das Geld aber ist bis heute für viele Christen ein großes Problem. Otto Schaude erwähnte ebenfalls, dass besonders Christen, die wenig haben, verhältnismäßig viel gäben.

Nicht selten neigt man zu Kompromissen, unnötigen Vergeistlichungen oder auch zu hilfreichen Regeln. Eine Regel ist z.B. der „Zehnte“. Er ist in der Gemeinde Jesu weit verbreitet. Dabei wird meines Erachtens eines schnell übersehen: Der Zehnte hatte im AT seinen festen Platz. Im NT nicht weniger, aber er findet praktisch kaum Erwähnung. Schaut man in der Konkordanz nach dem Zehnten, so finden sich zwei Stellen: Matth 23,23 und Lukas 18,12. Weder in der Apostelgeschichte noch in den paulinischen Briefen ist vom Zehnten noch die Rede. In den zwei genannten Stellen aus den Evangelien wird der Zehnte auch nur in einem negativen, missbrauchenden Zusammenhang gebraucht!

Der Zehnte im AT (ich empfehle dazu Rieneckers Lexikon unter dem Stichwort „Zehnte“) war in erster Linie auf Tiere und Früchte bezogen! Einmal im Jahr (!) sollte der Zehnte des Ertrages ins Zentralheiligtum gebracht werden. Dieser Zehnte konnte auch finanziell ausgeglichen werden, nur dann mußte man zum geschätzten Wert noch ein Fünftel dazurechnen! Der Grundgedanke des Zehnten war übrigens nicht allein in Israel bekannt, sondern auch in vielen anderen Völkern (Phönizier, Römer, Perser etc.). Er sollte stets deutlich machen, dass alles von Gott kommt. Praktisch sah der Zehnte z.B. bei Rindern so aus: Die Tiere wurden hintereinander geführt und jedes zehnte Tier wurde herausgenommen, ganz egal, welches es war. Das heißt aber konkret, dass wenn einer überhaupt keine zehn Rinder hat, er auch den Zehnten nicht geben kann!

Zur Zeit Jesu bis heute ist das Geld bewährtes Tauschmittel und die Frage des Zehnten stellt sich erneut. Wo man z.B. bei Rindern den Zehnten – wie am Beispiel erwähnt – gar nicht immer fest machen kann, so beim Geld natürlich immer. Ist das aber korrekt?


Ein Beispiel:


Hans verdient 6000 € Brutto. Oliver nur 1700 €.


Die erste Frage, die sich stellt: muss man den Zehnten vom Brutto oder vom Nettogehalt nehmen? Ich denke, es wäre durchaus legitim, wenn ich die 10 % nur von dem nehme, was ich auch wirklich zur Verfügung habe.


Demnach verdient Hans z.B. 3500 € netto. Bei Oliver bleiben noch 1100 € übrig. Das hängt ja vom Familien – bzw. vom Ehestand ab und damit von der Gehaltsstufe.


Demnach zahlt Hans 350 € als Spende (10%) und hat noch 3150 € zur freien Verfügung! Oliver zahlt 110 € und hat noch 990 € zur Verfügung. Beide gehen zum Zahnarzt und beide zahlen 10 Euro pro Quartal. Beide zahlen Miete. Sollte Oliver ledig sein, wird er eine kleine Wohnung kaum unter 350 Euro Miete bekommen. Die Rechnung ließe sich beliebig weiterstellen. Ganz abgesehen davon, dass mehr Geld mehr Zinsen bringen auf der Bank u.s.w.


Der Zehnte ist also kein guter Maßstab für einen Christen, weil es den Armen noch ärmer macht, den Reichen aber wenig abverlangt. Darum wurde in der christltlichen Gemeinde schon sehr früh davon gesprochen, dass alles dem Herrn gehört. Es gibt Menschen, die sehr reich sind und trotzdem ein bescheidenes Leben führen. Ihr Unternehmen wirft soviel Gewinn ab, dass sie praktisch 90 Prozent spenden und immer noch gut leben könnten.


Ich glaube, dass wir diesen Gedankengang im Hinterkopf behalten müssen, wenn wir Jesu Reaktion am Gotteskasten verstehen wollen. Finanziell und materiell haben die Reichen mehr in den Gotteskasten gelegt als die arme Witwe. Aber von einem Pfennig als niedrigste Währungseinheit kann sie keinen Zehnten mehr geben! Also gab sie 100 %! So hat sie prozentual zu ihren finanziellen Möglichkeiten weit mehr gegeben als die anderen.