1. Text:
Und am nächsten Tag, als sie von Betanien
weggingen, hungerte ihn.
Und er sah einen Feigenbaum von ferne, der Blätter hatte; da
ging er hin, ob er etwas darauf fände. Und als er zu ihm kam, fand er nichts
als Blätter; denn es war nicht die Zeit für Feigen.
Da fing Jesus an und sprach zu ihm: Nun esse niemand mehr
eine Frucht von dir in Ewigkeit! Und seine Jünger hörten das.
2. Textanalyse:
Stichwort: Feigen, Feigenbaum in der Bibel1
Den Feigenbaum gibt es bis heute im ganzen Mittelmeerraum.
Besonders in Syrien und Palästina gedeiht er sehr gut und sein Anbau gründet
auf eine uralte Tradition. Der Baum wird ca. 6-9 m groß, hat kreisförmig
ausladende Äste und verliert seine Blätter zur Winterzeit. Auch in der
Regenzeit ist er kahl. Anfang April schlägt er neu aus und kündigt den Sommer
an.
In Palästina trägt der Feigenbaum dreimal jährlich Früchte!
Die 1.Ernte ist bereits im Frühling. Im April formen die Endknospen wieder neue
Jahrestriebe und dort sprießen auch die ersten neuen Blätter. Unter diesen
Trieben sitzen schon wieder kleine junge Feigen, die „Vorfeigen“. Wenn man
diese sehen kann, ist der Winter vorbei. Sie sind nicht saftig, werden aber
trotzdem gegessen, solange es nichts anderes gibt. Wo diese Vorfeigen fehlen
(!), ist der Baum unfruchtbar. Darum verflucht Jesus diesen Baum, weil er zwar
die neuen Triebe und Blätter hat, aber keine Früchte trägt. Er täuscht
Fruchtbarkeit nur vor. Es folgen nach den Vorfeigen Ende Mai/Anfang Juni die
besonders saftigen Frühfeigen und im August erntet man dann die Spätfeigen.
Der Feigenbaum wird nicht selten in der Bibel zusammen mit
dem Weinstock erwähnt. Man pflanzte sogar Feigenbäume in Weingärten, sodass die
Ranken des Weinstocks am Feigenbaum hochklettert. Das Wohnen unter dem
Weinstock und Feigenbaum ist Bild für das Wohnen im Frieden (1Kö 5,5). Der
Feigenbaum gehört zu den 7 Segnungen, die zum Reichtum des verheißenen Landes
gehören (5Mose 8,8).
3. Zur Auslegung der Verse:
Jesus hat Hunger. Er ist umjubel worden beim Einzug nach Jerusalem. Doch am Abend
hat er Hunger. Er will ihn stillen an den Früchten des Feigenbaums. Doch außer
Blattwerk hat dieser Baum nichts hervorgebracht und Jesus verflucht diesen
Baum. Jesus sucht nach den „Vorfeigen“, aber er findet nur einen Blätterwald.
Jesus hat Hunger. Hunger nach Liebe, Hunger nach Anbetung, Hunger nach echtem
Glauben, Hunger nach Ehrlichkeit – Hunger nach den Früchten des Heiligen
Geistes. Diesen Hunger will er nicht an sich selbst befriedigen. Er sucht die
Früchte nicht an sich selbst, sondern am Baum, an Jerusalem, bei der Kirche,
bei uns, bei Dir! Und was findet er? Er findet viel Bürokratie, er findet viel,
viel Papier. Er findet Bücher, er findet Liedblätter, er findet Bibelarbeiten
und Predigten, er findet Jungscharmaterial und findet Freizeitprospekte. Er
findet die Pracht ausladender Begabungen. Er findet das Rauschen von
Betriebsamkeit. Er findet das, was äußerlich erstaunen läßt,
was äußerlich gefällt und das Auge anspricht. Er findet junge Triebe, er findet
die Anzeichen, dass der Winter vorbei ist und sieht viele gute Ansätze. Aber er
will nicht etwas für`s Auge, sondern für sein Herz.
Jesus hat Hunger, und unterm Blätterwald findet er keine Frucht. Nichts. Noch
nicht einmal Frühfeigen, die eh nicht sonderlich gut schmecken. Jesus findet viel
Blätter, aber wenig Frucht: „Und als er zu ihm kam, fand er nichts als Blätter;
denn es war nicht die Zeit für Feigen!“
In der ganzen Geschichte
Israel gab es immer ein bestimmtes Problem: Schein und Sein. Die
Gemeindeglieder hielten Gottesdienste, sangen aus Feiert Jesus, dem
Kirchengesangbuch und dem Gemeinschaftsliederbuch, hielten Bibelabende,
Vorträge, Konferenzen und Gott konnte sage: ich will das Geplärr eurer Lieder
nicht mehr hören. Die Gläubigen fasteten und ließen sich ihren Glauben etwas kosten
und Gott konnte sagen: was ist das für ein Fasten?
Was wollte Gott damals? Was
will er heute? Er will Frucht. Und Frucht muss für einen anderen dazu dienen,
dass sein Hunger gestillt wird! Menschen haben Hunger. Hunger nach Liebe,
Hunger nach Nähe, Hunger nach Gerechtigkeit, Hunger nach Mitleid, Hunger nach
Beachtung. Warum sind wir oft so feige, wenn es darum geht, mein Amt als
Nächster für die Bedürftigen wahrzunehmen. Lt. Mt 25
wird Jesus im Gericht folgendes sagen: Denn ich bin hungrig gewesen und ihr
habt mir zu Essen gegeben. Und die Christen werden sich fragen, wann habe ich
das getan? Und Jesus sagt: was ihr dem Geringsten Gutes getan habt, das habt
ihr mir getan.
Darum, seid nicht „feige“
in dem, was ihr wirklich tun sollt. Amen.
1(siehe Bibellexikon von Rienecker,
Brockhaus 1985, S.394)