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Predigt zu Lukas 2, 39 - 52;
gehalten von Michael Strauch
Einleitung:
Ich war ein Teenager, als
ich unbedingt ein Puzzle haben wollte. Darauf war ein Bild mit drei Haifischen,
einem Schwimmer und viel grünem Meerwasser. Es hatte 750 Teile, eigentlich nicht
zu schwer. Den Rand hatte ich eigentlich sehr schnell und auch den ar men
Schwimmer auf seiner Luftmatratze. Doch dann gab`s nur noch graue und grüne
Teile. Viele Teile wollten einfach nicht passen, so sehr ich auch suchte. Ich
drückte, wie in unserem Anspiel Teile, bis sie passten. Doch das machte alles
nur noch schlimmer. Am Ende blieb eine Fläche leer. Ich war furchtbar sauer und
es war eine Erlösung, als meine Mutter an den Tisch stieß und das ganze Puzzle
zerlegt wieder auf der Erde landete. Die einzige Teenagergeschichte Jesu, die
uns die Bibel berichtet, hat etwas von diesem Momenten, die man vom Puzzle
kennt. Das Moment des Suchens und Finden's. Das Moment, wo alles gleich passt
und wo vieles plötzlich nicht passt. Und der Moment, wo manches offen bleibt.
Zuerst hat in unserer Geschichte alles gepaßt:
1. Feste Platzanweisung
Mindestens einmal im Jahr mußten alle Männer Israels zu
einem der drei großen Feste nach Jerusalem. Oft wurden sie von ihren Familien
begleitet. Der Teenager Jesus hatte seinen festen Platz in seiner Familie und in
der jüdischen Tradition. Und er genoß es: Diese geschichtsträchtige Wanderung
nach Jerusalem, das Singen der Pilgerpsalmen, das Einziehen in Jerusalem, die
vielen wunderbaren Bräuche rund um dem Tempel. Alles zieht den jungen Jesus mit
großer Kraft an. Alles hat seinen festen Platz. Jesus ist ein gebettet in einer
immer wiederkehrenden Liturgie und einer fröhlichen Glaubensgemeinschaft.
Folgendes fällt mir auf:
Die Kinder, das Mittelalter, die Ledigen und
Verheirateten, die Jugendlichen und Alten, sie alle sind zusammen. Es gibt keine
getrennten Veranstaltungen. Alle sind immer dabei. In Mannheim, wo ich herkomme,
gibt es eine große, jüdische Synagoge. Der Gottes dienst verläuft nach der
strengen, jüdischen Liturgie ab. Doch es gibt keine Kinderbetreuung. Die Kinder
sind von Anfang bis Ende dabei. Sie gehören dazu. Im Unterschied zu deutschen
Gottesdiensten dürfen die Kinder sich im Gottesdienst frei bewegen. Für u ns
nicht denkbar. Die jüdischen Feste und Gottesdienste verliefen nach alten Riten
ab. Doch dazwischen war viel Raum für Freude und Ausgelassenheit, Gemeinschaft
und der Nachsicht auf das jeweilige Alter. Darum gab es auch keine Diskussionen
über Form, Lieder und Uhrzeiten. Alles ging ineinander über. Es wurde nicht in
Alt und Jung aufgebröselt. Nur so ist zu verstehen, dass man das Fernbleiben des
Teenie Jesus erst später bemerkte.
2. Mein rechter Platz ist leer
Das Fest war vorüber. Als große Gemeinschaft wanderte man Hause. Jesus wird
schon irgendwo bei den Verwandten sein, oder bei seinen Freunden. Er ist
zuverlässig. Es gab noch nie Probleme. Doch nach einem Tagesmarsch hat sich
Jesus immer noch nicht blicken lassen. Nun machte sich langsam Panik breit. Ob
Maria an die Prophezeiung dachte, nach der ein Schwert durch ihr Herz noch
dringen sollte? Und blitzte es nicht kurz auf? Noch schemenhaft, noch ohne
fassbaren Sinn. Sie suchten Jesus drei Tage lang. Jahre später werden sie erneut
drei Tage von Jesus getrennt sein. Die Eltern fragen Passanten, so wie die
Frauen später den scheinbaren Gärtner fragen werden. Und sie werden zur Antwort
bekommen: was sucht ihr mich? Wisset ihr nicht...? So wie der Engel später sa
gen wird: was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Sie suchen, doch nichts will
passen. Etwas ist anders als sonst. Maria fällt ins Bodenlose. Plötzlich greifen
die Traditionen nicht mehr, die Lieder trösten nicht mehr, die Gemeinschaft
greift nicht mehr, weil der Eine ihr verloren ging: das Kind Jesus. Als sie
Jesus später findet, dann will sie ihn zurückholen in die alte Zeit. Doch etwas
paßt nicht mehr so recht.
Der schwäbische Theologe Karl Heim verglich
Menschen, die in einem christlichen Elternhaus groß geworden sind, mit einem
verträumten Bergdorf, umgeben von den schützenden Viertausendern. Die Masse
Schnee an den Hängen sind für ihn Bild all der verdrängten Fragen des Lebens.
Doch durch ein schmerzhafte Erfahrung, durch persönliche Entwicklung oder
anderem löst sich der ganze Schnee und begräbt das Dorf. Karl Heim sagt: Diese
Erfahrung wünsche er jedem Christen, dass er Momente hat in seinem Leben, wo
alle Geborgenheit fällt und der Christ wieder ganz neu, wieder ganz von vorne
diese entscheidende Frage stellt: wer ist dieser Jesus von Nazareth? Wann habe
ich ihn verloren? Ich dachte immer, er geht mit mir so nebenher mit. Aber
irgendwann stellte ich fest: er ist weg. Und dann kann etwas Großartiges
beginnen: Die neue Suche nach Jesus.
3.Mein Platz ist beim Vater
Auch Jesus war drei Tage allein in einer ihm fremden Stadt. Es bleibt ein Geheimnis, was Jesus in dieser Zeit erlebt hat, aber die Eltern werden einen veränderten Jesus auffinden. Ich glaube nicht, dass er bewußt sich von seinen Eltern distanziert hat. Er hat vermutlich den Aufbruch verpaßt. Wo schlief er? Suchte er Verwandte auf? Ich glaube, er war im Tempel. Jesus war ja eine Art Konfirmand. Mit fast dreizehn Jahren wurde ein jüdisches Kind unter das göttliche Gesetz gestellt. Was geschah in dieser Zeit ? Hatte er eine Gottesbegegnung der besonderen Art? Etwas war anders an ihm. Maria erkannte ihren Sohn nicht wieder. Bisher war immer folgsam und vielleicht auch zurückhaltend. Er hatte inmitten all der Traditionen ganz neu eine geistliche Klarheit, die au f Maria fast unheimlich wirkte. Bisher war Nazareth und die Familie sein Zuhause. Nun sprach er vom Tempel und vom himmlischen Vater. Etwas war anders. Und noch etwas: Jesus stellt Fragen. Man muss sich das so vorstellen: Die Schriftgelehrten und Priester setzten sich zwischen Morgen und Abendopfer auf die Tempeltreppe und jeder konnte sie mit Glaubensfragen bombardieren. Eine tolle Tradition. Zu den Fragenden gehörte auch das Kind Jesus. Er hört zu und es dauert nicht lange, da wird er gefragt. Bald stehen die Professoren und die Zuhörer alle um Jesus und fragen. Und Jesus antwortet. Und als Maria ihm vorwurfsvoll begegnet: ich habe Dich mit Schmerzen gesucht - antwortet Jesus: Wußtet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist? Jesus war sei nen Eltern nicht ungehorsam, denn er untersteht dem göttlichen „muss“! Und Maria? Die versteht die Welt nicht mehr. Sie nimmt Jesus mit. Für sie bleibt es alles rätselhaft., doch sie bewahrt die Worte in ihrem Herzen, bis die Zeit gekommen sein wird, wo si e ihren Sinn versteht.
Schluss:
Jesus hat seinen Platz ganz neu eingenommen. Für Maria bleibt ein Platz leer.
Sie nimmt ihn mit und Jesus fügt sich erneut der alten Lebensweise. Auch später
wird sich Jesus weitgehend im Rahmen der jüdischen Traditionen bewegen. Er
ändert nicht die Formen, im Gegenteil. Er vertieft ihren Sinn. Was hat sich
geändert? Was ist es, dass Maria damals nicht verstand, aber sie bewegte es über
viele Jahre in ihrem Herzen? In dem Herzen, dass vom Schwert durchdrungen wurde,
als sie ihr Kind am Kreuz hängen sah? Ih r Herz, dass so bange war in den drei
Tagen bis zur Auferstehung? Sie verstand es, als sie an Pfingsten den Geist
Gottes empfing. Gott ist dem Menschen ganz nahe gekommen. Durch Jesus ist Gott
nicht unser Vater allein, sondern mein Vater! Mein lieber, himm lischer Vater.
Und ich und du, wir müssen dort sein, wo unser Vater ist. Wo stehe ich gerade?
Bewege ich mich im guten Lauf der Traditionen, auch der modernen Traditionen?
Bin ich glücklich in der Menge meiner Freunde und Verwandten und denke, Jesus
wird s chon irgendwo in der Nähe sein? Ich wünsche uns drei einsame Tage. Wo wir
neu begreifen, was durch Jesus anders geworden ist. Ich wünsche mir, dass wir
unseren Platz beim Vater erkennen und ihn dort suchen, wo Jesus zu finden ist.