Predigt über Lukas 10, 38-42

gehalten von Michael Strauch

Einleitung:

Ich erinnere mich noch gut daran: es war auf einer Geburtstagsfeier. Ein
wunderschöner Abend, es gab viel zu essen und zu trinken, wir alle amüsierten
uns köstlich. Die Frau des Hauses rannte und achtete darauf, dass es an
nichts mangelte. Eine hervorragende Gastgeberin, dachte ich. Mir imponiert
das ungeheuer, wenn ein Mensch so auf Zack ist und quasi aus dem Nichts
ein Gericht nach dem anderen zaubert. Toll. Später fragte der Gastgeber
die Leute, wie es ihnen denn gefallen hätte und sie meinten alle, dass es
ganz toll gewesen sei. Nur eines fanden sie schade, dass seine Frau nie
Zeit gehabt hatte, sich mit hinzusetzen.

Der Mann war ich selbst und die Köchin meine Frau. Ich sagte ihr die Aussage
unserer Freunde und sie antwortete: Ja, ich hätte mich liebend gerne auch
mal hingesetzt. Aber von nichts kommt nichts. Und ich erinnere mich gut,
wie ich ihr später mal zu ihrem Geburtstag eine Karte schenkte: mit dem
Bild von Maria und Martha. Mit welchen von Beiden ich meine Frau damals
verglich, verrate ich aber nicht. Was ich aber verraten will, dass mir Marta
sehr symphatisch ist und das Verhalten der Maria mich im ersten Moment etwas
befremdet. Was hat der Herr an Marta nur zu beanstanden? Sie ist sie nicht
der Inbegriff schwäbischer Arbeitstugend? Ist sie nicht in die Kategorie
Powerfrau einzugliedern und verdient sie nicht unser aller Respekt? Was
fehlt ihr?

Marta, Marta...

Als erstes wollen wir genau hinhören, was Lukas ? immerhin Arzt von Beruf
und damit gewohnt, Dinge genau zu untersuchen ? über Marta berichtet. Er
erzählt uns, dass Marta bereit war, dreizehn hungrige Männer ? nämlich Jesus
und seine 12 Jünger ? womöglich unangemeldet aufzunehmen, ihnen ein Nachtlager
einzurichten und dafür zu sorgen, dass alle hungrigen Mägen aufhören, zu
knurren. Und bitte schön: das alles ohne Kühltruhe, ohne Geschirrspüler,
Sprudelmax und Knorrsuppenmenü aus der Tüte. Marta war ganz bestimmt nur
am Rennen, am Machen und Rödeln. Und ich bin fest überzeugt, dass Lukas
das lobend erwähnt. Er muss es, denn er war ein frommer Jude. Und spätestens
in den Sprüchen Salomos in Kapitel 31 ab Vers 10 heißt es ganz klar: ?Wem
eine tüchtige Frau beschert ist, die ist viel edler als die köstlichsten
Perlen...!? Und alles, was darauf hin angeführt wird, sind lauter praktische
Dinge des Haushalts und der Wirtschaft. Martin Luther war mächtig stolz
auf seine Bier brauende, Knechte und Mägde einstellende und samt Kinder
versorgende Hausfrau. Er nannte sie liebevoll ?Herr Käthe?. Denn zuhause
führte sie das Regiment.

Nein, Marta war keine Frau nach dem Motto: Marta, Marta, du entschwandest...!
Sie war da, sie stand ihren Mann. Wer in ihr ein Negativbild für die unbeliebte
Hausfrau sucht, wer biblisch das Heimchen am Herd kritisieren will, wird
Marta nicht gerecht. Denn sie hat ihren Platz eingenommen, füllte ihn bestens
aus und der Herr Jesus hätte niemals etwas zu beanstanden gehabt. Doch Martha
hatte ein Problem. Vielleicht ein sehr modernes und hochaktuelles Problem.
Aber was war es genau? Marta wusste es selbst nicht. Doch die Situation
ließ hoch kochen, was in ihrem Inneren brodelte.

2. Maria?!

Doch lassen wir Marta kurz mal in der Küche werkeln und machen einen Blick
ins Wohnzimmer. Dort sitzen die Jünger und Jesus. Der Herr Jesus nutzt jede
Gelegenheit, um Menschen vom himmlischen Vater zu erzählen. Sein Herz ist
erfüllt davon. Jesus redet und besonders eine Frau hört ihm intensiv zu.
Sie sitzt zu seinen Füßen, eine Stellung, die der Schüler gewöhnlich gegenüber
seinem jüdischen Lehrer und Meister einnimmt. Maria hat ganz bestimmt am
Anfang der Marta geholfen. Vielleicht ist sie kurz zu den Gästen hineingegangen
und hörte Jesus predigen. Und in dem Moment vergaß sie alles. Sie vergaß
Marta, sie vergaß womöglich, allen einzuschenken. Sie vergaß ihre Stellung
als Frau in der damaligen Welt. Sie vergaß schlichtweg alles um sich herum
und bestand nur aus Ohren. Sie hörte Jesus zu. Dabei war ihr ihre Welt durchaus
wichtig. Ihre Schwester war ihr wichtig. Das tägliche Einerlei, es war ihr
alles sehr wichtig, ganz bestimmt war das keine Frage. Doch in diesem Moment
geschah im Hören etwas, wo sie merkte: über allem, was mich den ganzen Tag
beschäftigt, gibt es etwas Höheres. Etwas, was das andere nicht aufhebt,
nicht unwichtig macht, aber doch relativiert: die Worte Jesu für ihr Leben.
Die Worte Jesu für dein Leben! Ich wurde erinnert an ein Poplied mit dem
Refrain: ?Hör gut zu, du bist mein Glück!? Dieser Jesus war ihr Glück. In
seiner Botschaft und Nähe fand sie alles, was sie brauchte. Sie hatte etwas
gefunden, was Jesus ?das Eine? nennt. Er meint damit seine Person und seine
Botschaft. Die Botschaft, dass der himmlische Vater alle Menschen, dich
und mich, so sehr lieb hat. Gott ist ganz bestimmt hoch beschäftigt. Doch
liebt er Dich so sehr, dass er immer Zeit hat für dich. Etwas aber macht
Gott Not: Du hast keine Zeit für ihn. Vielleicht bist du auch jemand, der
gut und recht sein Leben führt. Ein Mensch, der nach schwäbischem Ideal
als schaffig gilt. Vielleicht habt ihr Kinder, die gute Leistungen in der
Schule bringen. Vielleicht führst du deinen Familienbetrieb und gehst zusätzlich
auch noch arbeiten. Vielleicht machst Du darüber noch mehr. Die Menschen
beschäftigen sich mit allem und jedem. In Württemberg galt der hochstilisierte
Slogan: ?Wir können alles, nur nicht hochdeutsch!? Eines aber fällt nicht
nur dem Lukas auf vor 2000 Jahren, sondern auch heute. Und das gilt für
ganz Deutschland: ?Wir können alles, nur eines nicht: zuhören!? Gerade Christen
sind hochbeschäftigte Leute und haben oft eines nicht: Zeit. Und damit auch
keine Zeit zum Hören. Wir hören unsern Kindern nicht zu, wir hören unseren
Ehepartnern nicht zu und nicht unsern Freunden. Ich saß einmal im Cafe und
schaute mir allzu gerne die Leute an. Dabei beobachtete ich zwei Frauen.
Sie redeten nicht selten alle Beide. Entweder konnten sie beide reden und
zuhören oder jeder drehte sich nur um sich. Dann sah ich zwei Männer. Die
redeten eher wenig miteinander, aber mir fiel auf, dass sie sich nie in
die Augen schauten. Sie hielten Abstand, schauten mal da und dort, verabschiedeten
sich aber überschwänglich. Zuhören ist heute Mangelware. In der Wochenzeitung
?Die Zeit? war ein großer Artikel darüber, dass besonders Männer im hohen
Alter ins Bordell gehen, nicht, weil sie erotische Erlebnisse haben wollen,
sondern nur einen Menschen, der ihnen mal zuhört.

Und wenn wir Menschen nicht zuhören, wie viel weniger Jesus.

Schluss

Marta hat sich gerade über Maria beklagt. Und Jesus? Er hat sie auf etwas
hingewiesen, was vermutlich der Grund ist, dass wir heute nicht mehr zuhören
können oder wollen. Er sagt zu Martha: Marta, Marta, du hast viel Sorge
und Mühe...? Noch einmal: dass sie so fleißig arbeitet, ist mehr als lobenswert.
Ihre Gastfreundschaft eine Freude und ein Vorbild. Und doch gibt es etwas,
was über aller Arbeit und aller Leistung steht: das Reich Gottes. Jesus
selbst. Der Herr erwartet nicht, dass wir alle nachher die Kirche verlassen
und die Klöster sich nun freuen dürfen, weil sie durch uns viel Nachwuchs
bekämen. Jesus sagt, was das Lied ausdrückt: ?Hör gut zu ? oder darf ich
sagen ? hör mir zu, ich bin dein Glück!? Vielleicht ist unser größtes Problem,
dass wir uns viel zu wichtig nehmen. Das wir denken, ohne uns geht`s nicht.
Mehr noch, so wie denke, so müssen alle denken. Das kann besonders Menschen
passieren, die Erfolg durch die Hände ihrer Arbeit haben. Sie können zwar
hundertmal sagen: wer bin ich schon, ich bin nicht wichtig. Ihr Leben erzählt
doch eine andere Geschichte. Wie bei Marta. Und diese andere Geschichte
wird oft dann offenbar, wenn jemand sein Leben eben anders führt. Wir nehmen
uns zu wichtig und sollten doch Jesus wichtig nehmen. Es wäre schön, wenn
wir ? ganz praktisch ? am Morgen, vor dem Mittagessen und am Abend eine
Zeit haben, wo wir ? bildlich gesprochen ? uns zu Jesu Füßen setzen. Vielleicht
die Hände falten und ein paar Verse aus der Bibel lesen. Lieber, ach so
beschäftigter Mensch, Jesus tut dir gut. Er will Dir in regelmäßigen Abständen
des Tages etwas sagen, deine Arbeit in eine gute Richtung lenken, dich leiten
und führen. Hör ihm zu, es ist dein Glück. Amen.