Johannes 3,1-8 (9-15)

 

Wichtiger Kontext

Die Nikodemusgeschichte muss auf dem Hintergrund von Joh 2,23-25 gesehen werden: Dort heisst es, dass Menschen an Jesus auf Grund von Wundern glauben, aber Jesus vertraut sich ihnen nicht an (vgl 4,48). Einer von diesen Menschen ist wohl Nikodemus. Er will jedoch einen Schritt weiter als die anderen gehen und kommt nachts zu Jesus.

 

Nikodemus – ein Mensch auf dem ganzen Weg zum Glauben: Jesus ist Koenig

Das Johannesevangelium zeigt dann, wie Nikodemus nach geschehener Unterweisung durch Jesus (3,3-21; 7,37-39) den ganzen Weg zum Glauben geht: Er setzt sich gegen Mitpharisaeer (Joh 7,50) für Jesus ein. Wenn er Joh 19,39 eine übergrosse Menge von Myrrhe und Aloe zum Begraebnis Jesu bringt, legt er Jesus die Attribute ins Grab, die den messianischen Koenig auszeichnen! Nur im von Johannes mehrfach messianisch verstandenen Koenigspsalm 45 werden (Ps 45,9) in der gesamten Bibel Myrrhe und Aloe genannt. Nikodemus ist also den Weg vom Verstaendnis Jesu als „Lehrer, von Gott gekommen“ (weil er solche Wunder tut) bis zur Anerkennung Jesu als Koenig gegangen, als den sich Jesus selbst vor Pilatus erklaert hatte.

 

Ein Pharisaeer, der verstanden hat

Ein Pharisaeer steht also mit seinem Handeln an dem toten Jesus für Jesus als Koenig der Juden ein, wo seine Mitpharisaeer spaeter gerade den ans Holz gehaengten Jesus gemaess Dtn 21,23 (vgl Gal 3,13) als von Gott verflucht deklariert haben. Nikodemus hat also verstanden, was Jesus gemeint hat, als er nach Joh 3,14 gesagt hat: „Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhoeht hat, so muss des Menschen Sohn erhoeht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben... .“

Nikodemus hat auch verstanden, dass Gott nicht nur mit dem Wunder wirkenden Jesus (3,2) ist, sondern mit dem Gekreuzigten und Gestorbenen, dass also Gott so mit dem gestorbenen Jesus ist, dass er Koenig ist und dass Gott Nikodemus als Zeugen und Mitarbeiter in diesem Prozess des Koenig-Werdens Jesu gewinnt. In diesem Prozess wird Nikodemus selbst ein anderer, vollzieht sich an ihm die neue Geburt von oben (3,3), und er kann am Ende die Koenigsherrschaft Gottes sehen (3,3).

 

Zwischenstation für Nikodemus: Das Laubhüttenfest

Nikodemus war dann beim Laubhüttenfest in Jerusalem (7,50f). Er hatte dort Jesus erlebt, wie er am Hoehepunkt des Festes ausgerufen hatte: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von des Leibe werden Stroeme lebendigen Wassers fliessen. Das sagte er aber von dem Geist, welchen empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da, denn Jesus war noch nicht verherrlicht.“

An diesem Fest konnte also die Geburt des Nikodemus aus Wasser – dem Wort Jesu – weitergehen und nach Ostern durchs den Geist vollendet werden.

Ausleger haben in Joh 3,5 einen Hinweis auf die Notwendigkeit der Taufe gesehen. Ich habe Joh 3,5 im Hinblick auf die Jesusreden und die Erfahrung des Geistes nach Ostern verstanden.

 

Die johanneische Gemeinde hinter Joh 3,1ff

Erstaunlich ist, dass Jesus in Joh 3 – obwohl die Verherrlichung am Kreuz noch weit entfernt ist – so viel vom Geist redet. Man merkt daran, dass die eigene Gemeinde des Evangelisten im Blick ist, die ganz vom an Jesus erinnernden Geist abhaengig ist. In Nikodemus ist auch diese Gemeinde angeredet, den Weg des Nikodemus zu gehen. Sie hat nicht mehr wie Nikodemus Jesus als Gegenüber und direkten Gespraechspartner, aber sie ist wie Nikodemus auf dem Weg zur neuen Geburt, die dann abgeschlossen ist, wenn man in dem am Kreuz erhoehten Jesus nicht den Gescheiterten, sondern den Koenig sieht. In Bachs Johannespassion heisst es: „Mache dich, mein Herze weit! Ich will Jesum selbst begraben.“ Mit dem Akzeptieren des Begraebnisses Jesu ist die neue Geburt zum Abschluss gekommen und der Glaubende erreicht durch den Geist ein neues Verstaendnis seines Lebens und seines Sterbens.

 

Diese Abhandlung ist hier entnommen:

http://www.erlangen-evangelisch.de/johannesevangelium/index.htm