Johannes 21

 

Joh 21,1-14

 

 

Grundlage: synoptisches Material und spaetere Ergaenzungen vor Johannes

Als eine der Grundlagen hatte Johannes für sein Evangelium wahrscheinlich eine Art synoptisches Evangelium erhalten. In ihm war sehr altes Material enthalten, aber z.T. versehen mit Ergaenzungen einer Gemeinde, die den Jünger, den Jesus lieb hatte, besonders schaetzte. Dieser Jünger hatte nicht – wie Petrus – mit dem Maertyrertod den Glauben an Jesus besiegelt. Er hatte beim letzten Mahl an Jesu Brust gelegen, hatte unter dem Kreuz gestanden und Verantwortung für Maria übertragen bekommen. Er hat auch für das Mahl in Joh 21 eine besondere Bedeutung: Er sagt dem Petrus, dass der, der nach dem ersten vergeblichen Fischfang zu einer erneuten Ausfahrt ermutigt hatte, der Herr ist. Er wird dann mit den anderen Jüngern ein Mahl halten.

War der Jünger, den Jesus lieb hatte, am Ostertag mit Petrus zum Grab gelaufen, war als erster ins Grab hineingegangen und war in ihm Glaube auferstanden, dass Jesus lebt, so ist die Geschichte in Joh 21 eine Begegnung, die nun zum wiederholten Male stattfindet und die zeigt, dass die Jesusgeschichte nach dem Tode weitergeht, dass Jesus „hinüber schreitet“ zum Vater.

Stationen der Begegnung:

*   Maria Magdalena geht am Ostermorgen zum Grab. Sie wird mit dem „Maria“ angesprochen und antwortet „Rabbuni“. Sie erhaelt den Auftrag, zu den „Brüdern“ zu gehen. Jesus steigt auf zu „meinem Vater und eurem Vater“, zu „meinem Gott und eurem Gott.

*   Am Osterabend begegnet Jesus den Veraengstigten mit seinem Friedensgruss und ruft Freude hervor, die niemand nehmen kann. Jünger werden gesendet und erhalten den Geist.

*   Am Sonntag nach Ostern begegnet Jesus Thomas, der sein Bekenntnis spricht. Die, die nicht sehen und doch glauben, werden selig gesprochen. Das Ziel: Dass ihr glaubt, Jesus sei der Christus.

*   Spaeter: Jesus begegnet Jüngern beim Fischfang. Dem Bekenntnis des Thomas „Mein Herr und mein Gott“ wird die Erkenntnis des Jüngers, den Jesus lieb hatte, „Es ist der Herr!“ zur Seite gestellt, Petrus geht Jesus entgegen, ein Mahl wird gehalten, 153 Fische wurden gefangen.

Dieses Mahl mit dem Kyrios wird im Alltag der Arbeit gehalten und transformiert doch diese Arbeit zu einer Bereitung der Jünger zur Weltverkündigung: 153 – nicht irgendeine Zahl, sondern Umschreibung für ein vollkommenes Gebilde. Es entsteht, wenn ein Dreieck aus 17 Punkten einer Grundlinie und je 17 Punkten der beiden Seitenlinien gebildet wird (9 mal 17 = 153). So steht diese Zahl in Parallele zu der Aussage von der einen Herde und dem einen Hirten in Joh 10.

Durch den Geist wird die Gemeinde heute an die Fischfanggeschichte erinnert, an Erfahrung von Erfolg, von Gemeinschaft im Mahl und von Aussendung. Die Geschichte wird zu einer Erzaehlung von Zukunft inmitten von Erfahrung von Frustration. Für diese Zukunft werden Nachfolger/innen Jesu durch den bereit gemacht, den man nicht wagt zu fragen, wer er ist, wenn er begegnet. Wir wissen es, nachdem uns wie dem Jünger, den Jesus lieb hatte, wie Maria Magdalena, wie Thomas und all den anderen nach ihnen aufgegangen ist, dass es der Herr ist. Das Jesusgeschehen geht auch in uns nach dem Tode Jesu weiter, weil er durch den Geist bei uns ist.

 

Grundannahme für vorliegende Auslegung ist: Joh 21 ist nicht – wie von den meisten Exegeten angenommen – ein ‚Nachtrag’! Ich bin überzeugt, dass Johannes mit Joh 21 Texte anführt, die er aus der Tradition erhalten hat und die schon in einer vorjohanneischen Gemeinde im Hinblick auf bestimmte Gemeindeinteressen überarbeitet worden sind. Diese Gemeinde wird sich auf ‚ihren Jünger’, den Zebedaeiden Johannes, als Zeugen gestützt haben, obwohl er nicht Maertyrer geworden ist. Andere Gemeinden verwiesen wohl mit Stolz auf ihren Traditionstraeger Petrus, der das Martyrium erlitten hatte. Die Gemeinde mit ihrem Traditionstraeger, dem Zebedaeiden Johannes, verwies darauf, dass das Martyrium des Petrus Führung und Fügung Jesu war – und nicht eigene Entscheidung. Ihr eigener Traditionstraeger ist von Jesus anders geführt worden und sehr alt geworden.

 

Joh 21,15-19        vgl Joh 21,1-14

 

 

Textabgrenzung nicht akzeptierbar!

Die Abgrenzung des Predigttextes entspricht nicht dem, was Joh 21 eigentlich sagen will. Nimmt man nur die Verse 15-19, dann fehlt zum Verstaendnis dieser Verse u.a. der wunderbare Fischfang mit der Erkenntnis des ‚“Lieblingsjüngers“ „Es ist der Herr“. Ohne Fischfang auch kein Essen mit dem Herrn, der das wichtige Gespraech mit Petrus vor den anderen Jüngern führt in V.15-19. Ohne beharrende Fragen Jesu, ohne Beauftragung des Petrus und Martyriumsankündigung in 21,15-19 für einen alten Petrus kein fragender Seitenblick dieses Jüngers wegen des nicht das Martyrium erleidenden, sehr alt werdenden „Lieblingsjüngers“ in 21,20ff. In diesem Kapitel 21 haengt alles miteinander zusammen und muss darüber hinaus auch noch mit den anderen Petrus- und Lieblingsjüngerstellen in den Abschiedsreden und in Joh 20,1ff zusammengesehen werden.

 

Was also tun, wenn man predigt?

Petrus repraesentiert eine Gemeinde und eine Glaubenshaltung, die das Martyrium wohl eher erstrebt als es als Führung eines alten Mannes zu sehen, der seine Haende ausstreckt zum Angezogenwerden und Geführtwerden durch Jesus. Und auch der andere Jünger, den Jesus lieb hatte und der eine wichtige Rolle im Leben Jesu und schliesslich beim Grabbesuch und dem Fischfang gespielt hatte, repraesentiert wohl eine Gemeinde und eine Glaubenshaltung, die Nachfolge nicht notwendigerweise mit Martyrium verbindet und deshalb von einer „Petrus-Gemeinde“ nicht herabgesetzt werden soll.

 

z.B. Predigt über verschiedene Glaubens- und Lebensformen von Gemeinden

Warum also nicht – als eine von mehreren Moeglichkeiten – eine Predigt über verschiedene Glaubens- und Lebensformen von Gemeinden heute mit der Reflexion über den eigenen Standpunkt? Am Tisch Jesu von Joh 21 essen Jesusjünger mit verschiedenstem Hintergrund (Petrus, Thomas, Nathanael...) und verschiedenen Jesuserfahrungen und nehmen so teil an einer Mahlzeit, die auf Vollkommenes hindeutet:

 

Die Zahl 153

Die Zahl 153 deute ich von einem Dreieck her, das als Grundlinie 17 Punkte und als Seitenlinien je 9 Punkte hat. (9 mal 17 = 153)

 

Verkündigung braucht nicht nur Maertyrer

Verkündigung braucht manchmal auch Maertyrer

Es ist wohl nicht von ungefaehr, dass Joh 21 (für mich kein „Nachtrag einer Redaktion“, sondern vom Evangelisten als Traditionsgut ans Ende seines Evangeliums gesetzt, s. die Hinführung Joh 21,1-14) in einem Evangelium steht, das das Heil Jesu für den gesamten Kosmos sieht. Verkündigung braucht also nicht nur Maertyrer, sondern auch in der Verkündigung alt werdende und normal sterbende Zeugen wie den „Lieblingsjünger“. Die Kirche soll nicht durch Maertyrer aussterben und sie soll nicht ohne Maertyrer im Schweigen enden.

 

Diese Abhandlung ist hier entnommen:

http://www.erlangen-evangelisch.de/johannesevangelium/index.htm