Joh 1,43-51 s. Joh 1,35-42
Woher kommt der Messias
Die
Frage, woher der Messias kommt, spielt im Johannesevangelium und in jüdischer
Erwartung eine wichtige Rolle. Folgende Antworten wurden gegeben:
1. Er kommt – nach der messianischen Erwartung von Juden und Samaritanern in Gen 49,8-12 – aus Juda
(vgl. Joh 4,22)
2. Er kommt nicht aus Galilaea, aus
Nazareth (1,48; 6,42; 7,27; 7,41; 7,52)
3. Er kommt aus dem Verborgenen, niemand weiss,
woher er kommt (7,27)
4. Er kommt aus Bethlehem (7,42)
5. Er kommt von Gott (9,16)
Ohne
alle Belege hier aufzuzaehlen, ist es doch wichtig
für das Verstaendnis von Joh
1,43-51 zu wissen, wo sich Philippus und Nathanael
mit ihren Hoffnungen einordnen lassen und was Jesus selbst sagt.
Theorie über den Kommenden – und Begegnung
Nathanael
kann nach seinen Kriterien (s. oben Nr. 1, 2 und 4) rein theoretisch Jesus aus
Nazareth nicht als Messias anerkennen. Er befindet sich da in Gemeinschaft mit
den Juden, die in 6,42; 7,27; 7,41; 7,52 ... genannt werden.
Nach
der Theorie also keine Anerkennung Jesu, aber in der Praxis: „Rabbi, du bist
der Sohn Gottes, du bist der Koenig Israels.“ (1,49) In dem Raum zwischen
Nicht-Anerkennung und Anerkennung muss also etwas Wesentliches geschehen sein.
Die Begegnung mit Jesus ist dieses Wesentliche, das, wozu Jesus in 1,39
auffordert: „Kommt und seht!“
Die Moeglichkeit der Predigt
Es ist
die Moeglichkeit der Predigt, durch den verheissenen Geist die Kluft zwischen Nicht-Anerkennung und
Anerkennung Jesu, die sich in jedem Hoerer immer
wieder auftut, zu überbrücken. Dabei spielt dann auch Argumentieren eine Rolle:
Johannes
zeigt im Evangelium, dass das Kommen Jesu von Gott wichtiger ist als das Kommen
aus einem bestimmten Ort oder von bestimmten Eltern. Aber wenn Jesus, ehe er in
Galilaea wirkt (1,43), in Juda
(1,19ff) durch Johannes den Taeufer oeffentlich gemacht wird und selbst seine erste Wirksamkeit
in Juda hat (1,38-51), erfüllt sich ja die Erwartung
aus Gen 49,8-12 vom Heil aus Juda (vgl 4,22 „...das Heil kommt von den Juden“) – und der
Einwand des Nathanael „was kann aus Nazareth Gutes kommen?“ ist hinfaellig geworden. Nicht ganz hinfaellig!
Denn Nathanael hatte ja – wenn auch unbetont – das wesentliche Kriterium für
eine Anerkennung genannt: Das Gute.
Das Gute
Nathanael
verlaesst durch die Begegnung mit Jesus seine eigenen
Ablehnungskriterien und proklamiert Jesus, den er als den Guten kennen gelernt
hatte als Sohn Gottes und Koenig von Israel. Was war geschehen? Jesus hatte den
ablehnenden Nathanael als „wahren Israeliten, in dem kein Falsch ist“ erkannt
und bezeichnet. Er hatte also dessen Zweifel ernst genommen und ist dann mit
dem Zweifler ein Stück Wegs gegangen. Der hatte sich naemlich
erkannt gefühlt und das erlebt, was er von dem Messias erwarten konnte. Es war
das Gute in dem Sinn: „Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das
Herz an.“
Der zerbrochene Massstab
Nathanael
laesst also das „aus Nazareth“ als der Beurteilung
Jesu nicht angemessen, fallen und betont durch seine Proklamationen Jesu als
‚Sohn Gottes und Koenig Israels’ das Gute, das er erwartet. Beide
Proklamationen werden dann durch das ganze Johannesevangelium hindurch bis zum
Ende immer wieder aufleuchten und in ihrer Bedeutungsbreite klarer werden. Die
Predigt koennte einem der beiden Begriffe nachgehen
oder beiden und so zeigen, was Jesus als „Sohn Gottes“ oder als „Koenig von
Israel“ für uns heute bedeutet.
Der gültige Massstab
Jesus
wird für Nathanael das Gute, ganz egal, woher er, irdisch gesehen,
kommt. Dieses Kriterium will der Evangelist Johannes bei der Beurteilung Jesu
angewendet wissen. Dafür zwei Beispiele: In Joh
7,45ff sollen die „Knechte“ Jesus zu den Hohepriestern
und Pharisaeern gefangen bringen. Die Knechte, die
das Kriterium „aus Nazareth“ nicht anlegen, wie es ihre Auftraggeber im Sinn
hatten, sagen auf die Frage: „Warum habt ihr ihn nicht gebracht?“ als Antwort:
„Es hat nie ein Mensch so geredet wie dieser Mensch!“ Beispiel 2: Der
Blindgeborene, der nach der Erwartung von Pharisaeern
Jesus verleugnen soll, weil der ein Sünder sei, antwortet 9,25 jenen: „Ist er
ein Sünder? Das weiss ich nicht; eines aber weiss ich: dass ich blind war und bin nun sehend....Waere dieser nicht von Gott,
er koennte nichts tun“ (9,33).
Unser undogmatischer Zugang zu Jesus
Die
Predigt wird also uns selbst und andere nach den Massstaeben
fragen, die in unserer Zeit an Jesus angelegt werden, damit wir einen
undogmatischen Zugang zu Jesus finden, der dieser Welt als „das Gute...“
begegnet. Wie muss ich sein, damit ich das Gute als Gutes erkenne und es nicht
verkenne?
Der
Mensch aus Nazareth – vor ihm kann man ausrufen: „Sehet, welch ein Mensch!“ –
und es kann das Bekenntnis sein.
Diese Abhandlung ist hier entnommen:
http://www.erlangen-evangelisch.de/johannesevangelium/index.htm