Johannes 16, 16 (17-19)20-23a
Christen leben
und leiden in Analogie zu Jesus
Für die
verfolgte johanneische Gemeinde ist es sehr wichtig,
dass Jesus sein Leiden und seinen Tod vorhergesagt hat (s. die synoptischen
Leidensankündigungen). Für den Evangelisten spielt die Analogie zwischen dem
Schicksal Jesu und dem der Gemeinde eine grosse
Rolle, also: Ihr müsst in Analogie zu mir viel leiden. Aber das ist nur der
eine Teil der johanneischen Verkündigung.
Freude
Der
zweite und wichtigere lautet: Ihr sollt die Relation begreifen lernen zwischen
dem Kreuz, dem Beginn des Nichtsehens Jesu und der Freude, die nicht genommen
werden kann.
Wie lange
noch?
„Die
kleine Zeit“ ist ein apokalyptischer terminus, der
die Leidenszeit im Vergleich zur Zeit der Freude als eine kurze kennzeichnet.
Zum Vergleich: Die lange Hitlerzeit mit ihren angekündigten tausend Jahren wird
in apokalyptischer Sicht zur kurzen Zeit. Mit diesem terminus
wird eine der wichtigsten Fragen der Menschheit und des Einzelnen angesprochen:
Wie lange (noch)? In Jurek Beckers Buch „Jakob der Lügner“ wird dieser Jakob in
der Hitlerzeit als vermeintlicher heimlicher Besitzer eines Radios für seine
leidenden Mitjuden zum wichtigen Verwalter von Laenge
und Kürze, zum Ansager der „kleinen Zeit“. Die Ostererfahrung
der Jünger nach dem Tode Jesu ist notwendig und wichtig für die verfolgte
Gemeinde des Johannesevangeliums, die singt: „Ach, lieber Herr, du machst es
lang mit deinem Jüngsten Tage...“.
Bedeutung des
‚Sehens’ im Johannesevangelium
Nach
der kleinen Zeit wird die Gemeinde Jesus sehen. Dieses „Sehen“ spielt im
Johannesevangelium eine grosse Rolle. Die Gemeinde
diskutiert darüber (16,17-19). Sie hat aber unter sich Menschen, die sagen koennen. „Wir sahen seine Herrlichkeit!“ und die Jesu Tod
nicht als Sterben verstehen, sondern als „hinüberschreiten“
(16,17) zu Gott. Hier geht es nicht um eine euphemistische Umschreibung des
grausamen Sterbens, sondern um eine grundsaetzlich
neue Sicht.
Die harte Gegenwart in Relation
setzen zum Ganzen der Wirklichkeit Gottes
In
16,19 geht es noch einmal um das Vorherwissen. Es
bedeutet für die johanneische Gemeinde auch: Jesus weiss. Er kennt unsere katastrophale Lage als Gehasste
(15,18), als „Ausgestossene“ (16,1f), als solche, die
getoetet werden sollen (16,2).
In der
Erfahrung dieses Textes stehend, ist es die Aufgabe von Christen, sich selbst
und Mitchristen in der Welt zu erinnern an die „kurze Zeit“. Die eigene schwere
Situation darf durch Jesus, der zum Vater hinübergeschritten
ist, unbedingt unter der Langzeitperspektive der Entlastung und der Freude
(16,21) gesehen werden.
16,20
zeigt, dass die Realitaet nicht verharmlost werden
darf, aber sie muss in Relation gesetzt werden mit dem Ganzen der Wirklichkeit
Gottes und der Wirkungsmoeglichkeit Gottes. Es heisst nicht: „Ihr werdet mich nie mehr wieder sehen“,
sondern „Eure Freude wird niemand von euch nehmen“
Diese Abhandlung ist hier entnommen:
http://www.erlangen-evangelisch.de/johannesevangelium/index.htm