Johannes 15, 9-12 (13-17)

 

 

‚Gleichwie’

Das kleine Woertchen „gleichwie“ in 15,9 hat es in sich. Es wird in der Konkordanz von Schmoller nicht aufgeführt. Wenn man das Woertchen in den anderen neutestamentlichen Schriften vergleicht, merkt man, dass Johannes eine Sonderstellung einnimmt. Warum ist dieses „gleichwie“ so wichtig fuer ihn? Es taucht meistens dort auf bei Johannes, wenn etwas Gutes, das in Gott seinen Ursprung hat, weitergehen soll ueber verschiedene Stationen des Guten:

 

Stationen des Guten

1. Gott, 2. Jesus, 3. diejenigen, die glauben an Jesus 4. die Welt.

Keine dieser Stationen darf ausgelassen oder uebergangen werden, damit der gute Wille Gottes fuer alle zum Ziel kommt. Ich moechte einige solcher Stationen des Guten nach dem Johannesevangelium kurz darstellen und befinde mich damit dann schon in der weiteren Ausdeutung des Predigttextes.

 

Die „Ehre“:

1.Joh 17,22 Sie gebuehrt Gott, ist bei Gott, geht von ihm aus. 2. Jesus ehrt seinen Vater. 3. Die Juenger empfangen die Ehre und sollen dadurch eins sein, wie Jesus mit Gott eins ist. 4. Die Welt sieht das und kann erkennen.(Joh 5,23)

 

Die „Tat“:

1. Joh 5,20 Der Vater zeigt dem Sohn die Werke. 2.Joh 5,36: Der Vater hat dem Sohn die Werke gegeben zur Vollendung.(Joh 14,31) 3. Joh 14,12: Wer an Jesus glaubt, wird groessere Werke tun.(Joh 13,15) 4. Joh 14,11:Die Welt soll um der Werke willen Jesus glauben.

 

Die „Liebe“:

1. Joh 15,9:Der Vater liebt den Sohn. 2. Joh 15,9: Der Sohn liebt die, die glauben. Er bleibt in der Liebe des Vaters. 3. Joh 15,12: Die Glaubenden sollen sich untereinander lieben und in der Liebe Jesu bleiben. 4. Joh 3,14-16: Die Liebe Gottes gilt in Christus der Welt.

 

Wir: Zwischen Ausgang bei Gott und Ziel bei Gott

Das „gleichwie“ weist also darauf hin, dass wir eingebunden sind in das Geschehen, das in Gott seinen Ausgang nimmt, in Christus uns betrifft und auch durch uns die Welt als Ziel hat. Die individuelle Liebe ist also immer zugleich als „kosmisches“ Geschehen wirksam.

 

‚Euer Gesetz’

Die johanneische Gemeinde musste nicht nur den juedischen Festen ein neues Verstaendnis als Christus-Festen geben, sondern auch dem Gesetz, in dem die Synagogen-Juden forschten. Dieses Gesetz wird einmal zu „eurem Gesetz“ und zeigt die Distanz zur rabbinischen Schriftforschung. Es wird verwandelt zum Gesetz der aus der Synagoge ausgestossenen Christen, indem es auf die wirkliche Grundlage, die Liebe, zurueckgefuehrt wird und dadurch „neues Gesetz“ (Johannes: ein Gesetz, das das Leben mit sich bringt (Joh 12,50) und mit dem Einsatz des Lebens Jesu (Joh 10,18) einhergeht. Das Gesetz wird auf das Gesetz der Liebe reduziert, bzw. zum Gesetz der Liebe bis zum Aeussersten ausgeweitet.

 

Bleiben – und nicht weggehen!

Ein existentielles Problem fuer die diffamierte und aus der Synagoge ausgestossene johanneische Gemeinde war der „Kirchenaustritt“. Es ist das Problem, mit dem auch der Hebraeerbrief ringt. Das Gegenstueck ist, dass man bleibt (Joh 15,10) und nicht weggeht. Jesus ist doch auch in der Liebe seines Vaters geblieben und nicht weggegangen.

 

Vervollkommnung der Freude

Die grosse Zusage im vorliegenden Text ist die ‚Freude’. Welch eine Notwendigkeit fuer eine verfolgte, bedrueckte und traurige Gemeinde, aus der viele weggegangen sind und die von den Freudenfesten der Synagogen-Gemeinde ausgeschlossen war! Diese verheissene Freude ist nicht auf Reduktion hin angelegt, sondern auf Vervollkommnung (Joh 15,11).

 

Zweite Hinführung

 

Johannes knüpft in einer zweiten Einheit von Joh 15 an das alte Jesuswort vom Fruchtbringen (s. Hinführung zu 15,1-8) an. Diese zweite Einheit enthaelt nichts mehr vom Gericht. Die grosse Moeglichkeit einer christlichen Gemeinde wird angesprochen:

*   dass sie von der Liebe untereinander bestimmt wird, die von Gott ihren Ausgang genommen hat und die in Christus der Gemeinde begegnet ist.

*   dass sie sich nicht von der Bedrückung bestimmen laesst, sondern von der Freude, die sie in Christus erfahren hat und die auf Vollendung zustrebt.

*   dass sie eine Gemeinschaft von Freunden ist, an deren Anfang Freundschaft definiert ist durch die Hingabe des Lebens Jesu für seine Freunde

*   dass sie nicht, wie in der Synagoge, mit 613 Geboten und Verboten lebt, sondern mit dem einen, dem weltweit gültigen, Liebe untereinander zu üben, bis hin zur Hingabe des Lebens, wie von Jesus für sich selbst angekündigt.

*   dass sie jeglicher ‚Sklaverei durch Jesus entkommen ist, der aegyptischen und jeder anderen, indem sie weiss, wie Zukunft aussieht: Auf dem Weg zum Vater zu sein (14,6), indem sie weiss, dass eine gerade Linie von Gott über Leben und Wort Jesu zur Gemeinde und von ihr zu Gott führt. Da gibt es grundsaetzlich keine Unsicherheit mehr des Hin- und Hergeschobenwerdens, wie bei Sklaven üblich, keine Rechtsunsicherheit und keine Unkenntnis der Zukunft und des Lebenssinnes.

*   dass sie sich nicht unsicher ist über die richtige oder falsche Wahl, die sie für ihr Leben trifft, weil sie erwaehlt ist von dem, der sie nicht missbraucht, sondern sein Leben für sie einsetzt.

*   dass diese Erwaehlung durch Jesus Folgen hat: Frucht, die nicht der Vergaenglichkeit von irdischen Erfolgen und Gewinnen unterliegt, sondern krisenfest in jeder Hinsicht und jeder Zeit ist.

*   dass die Gemeinde im Hinblick auf diese Frucht beten kann und der Erhoerung sicher sein kann, weil die Bitte um Frucht bringen Ausdruck der Liebe, des einzigen Gebotes, ist.

 

Erkenntnis der grossen Moeglichkeit führt zur Freude

In der Erkenntnis dieser grossen Moeglichkeit kann die Gemeinde die aktuelle Situation aeusserster Gefaehrdung durchschauen und durchschreiten und auch im Leide sich vervollkommnende Freude empfinden.

 

Diese Abhandlung ist hier entnommen:

http://www.erlangen-evangelisch.de/johannesevangelium/index.htm