Johannes 12. 20-26

 

 

Vorbemerkung:

Waehrend des Meditierens über diesem Text erreichte mich die Nachricht, dass bei meinem lieben Freund und Kollegen ein Hirntumor am Sprachzentrum entdeckt worden ist. So ist mir persoenlich bei diesem Text das Wort der Griechen: „Wir moechten Jesus gerne sehen!“ auf besondere Weise wichtig geworden.

 

Die Welt laeuft Jesus hinterher

(12,19: „Seht, dass ihr nichts ausrichtet. Siehe, die Welt laeuft Jesus hinterher!“)

Das, was Pharisaeer zusammen mit dem Hohenpriester Kaiphas verhindern wollten (11,47ff), geschieht beim Einzug in Jerusalem (12,12ff): Viele Juden jubeln Jesus zu.

 

Durchbruch: Griechen wollen Jesus sehen

Unser Predigttext geht noch einen wesentlichen Schritt weiter: Vertreter der griechischen Welt, Nichtjuden, wollen Jesus sehen. Ihretwegen ist das Johannesevangelium (und das Neue Testament) schliesslich auf Griechisch geschrieben!

 

Entwicklung des Weges in die Welt

Und so hatte sich der Weg des Evangeliums als Ereignis fuer den Kosmos entwickelt:

Joh 1 kommen einzelne Juden zu Jesus. Joh 4 ist es eine grosse Gruppe von Samaritanern jenseits der jüdischen Grenze, die an Jesus zu glauben lernt. Joh 8 glauben viele Juden an ihn. Joh 12,20ff wird das Tor in die Griechenwelt und damit letzten Endes zu uns geoeffnet. Am Kreuz wird dann in den drei Sprachen Hebraeisch, Griechisch und Lateinisch (unwissend!) die Bedeutung des Evangeliums von Jesus Christus fuer die gesamte Welt deklariert.

(An dieser Stelle erhielt ich die schwere Nachricht.)

 

griechisch Sprechende Christen werden angesprochen

Philippus und Andreas tragen griechische Namen. Sie werden zu Führern zu Jesus. Wie der Evangelist diesen Augenblick versteht, als Griechen nach Jesus fragen und das Evangelium beginnt, Weltreligion zu werden, zeigt Joh 12,23:

„Die Stunde ist gekommen, da der Menschensohn verherrlicht wird.“

 

Die Weltbedeutung des Menschensohnes: Heil

In der Tradition vor Johannes wird der Menschensohn aus Dan 7 meist mit dem Weltgericht verbunden. Für Johannes beginnt jetzt, geschichtlich gesehen, die Weltbedeutung, und sie ist in erster Linie mit dem Heil verbunden.

 

Jes 52,13 erfüllt

Verherrlichung geschieht immer dann, wenn Menschen sich Jesus und durch ihn dem Vater zuwenden. Für Johannes erfüllt sich damit Jes 52,13 („Siehe, meinem Knecht wird’s gelingen, er wird erhoeht und sehr hoch erhaben = verherrlicht sein“) und gleichzeitig sehen Menschen Jesus mit der Herrlichkeit Gottes zusammen, wie sie in Jes 6 beschrieben ist: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Herrlichkeit voll!“

 

Kreuzigung und Verrherrlichung

Weil aber in Jes 52,13 fuer Johannes im Wort „erhoehen“ auch die Kreuzigung angesprochen wird (vgl. Joh 3,14), zeigt der Predigttext nicht nur Verherrlichung, sondern auch die Naehe der Kreuzigung an. Deswegen fügt der Evangelist in V.24-26 synoptikeraehnliche Sprüche an, die er aus der Tradition hat und von denen sich im Johannesevangelium noch mehr finden. Auch sie zeigen die Doppelheit von Erhoehung (am Kreuz) und Verherrlichung: V.24: Sterben und Frucht bringen, V. 25: sein irdisches Leben hassen und es nicht in den Mittelpunkt der Selbstliebe stellen und auf der anderen Seite sein Leben zum ewigen Leben bewahren. V. 26: im Dienen Jesus folgen und: im Dienen vom Vater geehrt werden, also die hoechste Form der Lebenserfüllung erfahren.

 

Sich in einen besonderen Dienst nehmen lassen: Niedrigkeit und Ehre

„Wir moechten Jesus gern sehen“ wird also durch Jesu Worte mit Inhalt gefüllt. Es bedeutet, sich in einen besonderen Dienst nehmen zu lassen, fuer den Jesus das Vorbild gibt, und der durch Gott zu einer Einheit von Niedrigkeit und Geehrtwerden gestaltet wird.

 

Diese Abhandlung ist hier entnommen:

http://www.erlangen-evangelisch.de/johannesevangelium/index.htm