Johannes 12, 12-19

 

Materialien von zwei Gemeindegruppen werden verzahnt

Johannes hatte wahrscheinlich aus zwei verschiedenen Gemeindegruppen Material für sein Evangelium erhalten: eine Sammlung von Wundern, die er kommentierte und ein kleines Evangelium mit dem Schwerpunkt Passion und Auferstehung. In 12,9-11 und 12,17f wird eine Verzahnung der beiden Traditionen sichtbar: Lazarus-Wunder und Einzug in Jerusalem.

 

Elia und Sacharja

Waren im Wunderevangelium Anspielungen auf die Wunder wirkenden Elia und Elisa aus dem Alten Testament zu finden, so werden im Evangelium mit Schwerpunkt Passion und Ostern Anspielungen aus dem Propheten Sacharja sichtbar, d.h., dass eine christliche Gemeindegruppe besonderen Wert auf Sacharja-Texte gelegt hat, die in Jesus als erfüllt sichtbar wurden. Da im Talmud diskutiert wird, ob der Messias in Hoheit oder in Niedrigkeit kommen wird und die Erwartung in Niedrigkeit mit Sach. 9,9 begründet wird, wird man damit rechnen müssen, dass die christliche Gruppe hinter unserem Predigttext von diesem jüdischen Hintergrund herkommt.

 

Der kommende Koenig in Niedrigkeit

Es geht also in unserem Predigtwort zuerst um den kommenden Koenig Israels, der vom Volk begrüsst wird und so auch proklamiert wird, der aber in der Niedrigkeit kommt. Genau diese Niedrigkeit, die in der Kreuzigung ihren staerksten Ausdruck findet, wird in johanneischer Zeit Grund sein für staerkste Auseinandersetzung zwischen christlichen Juden und anderen, die einen herrlichen Messias erwarten. Auch im Dialog zwischen dem christlichen Philosophen Justin und dem Juden Trypho kann man dieses unterschiedliche Verstaendnis des Messias nachlesen. Der Hinweis in 12,16, dass die Jünger diesen wichtigen Hintergrund aus Sach 9,9 zuerst nicht verstanden, weist auf ein grundsaetzliches Problem zum Verstaendnis Jesu bis in unsere Zeit und in unser Herz hin:

 

Niedrigkeit Jesu als bleibendes Problem

Von Jesus stark angezogen, erwarten viele von ihm eindeutige Machtbeweise in ihrem persoenlichen Leben und auch in der grossen Politik. Da diese Machtbeweise ausbleiben, kommt es bei manchen zur Aufgabe ihres Glaubens und bei einigen zum Verrat Jesu und/oder seiner Anhaenger.

 

Verherrlichung Jesu inmitten groesster Niedrigkeit

Es gibt aber auch den anderen Weg, auf dem Jesu Verherrlichung in seiner Niedrigkeit mit Hilfe der Bibel (z.B. Sach 9,9; Jes 52,13) und des Weiterwirkens Jesu erkannt werden.

Für die verfolgte und aus der Synagoge ausgestossenen christlichen Gemeinde des Johannes aber klingen die Worte in 12,19 wie eine Weissagung, eine Staerkung und Verpflichtung: „Die Pharisaeer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt laeuft ihm nach!“ Das heisst für diese christliche Gemeinde: auch die Ausstossung aus der Synagoge wird schliesslich der Verbreitung des Evangeliums in der Welt zutraeglich sein.

 

Weg Jesu in die Welt der Griechen

12,20ff wird dann den wichtigen Schritt in die Welt der Griechen zeigen und gleichzeitig aufweisen, dass der Koenig Israels zum Koenig für die ganze Welt wird.

Natürlich wird die Predigt dann auch politische Predigt sein im Sinne der ersten Barmer These und im Sinne des z.B. in Leipzig mit Kerzen gegen die gepanzerte Gewalt demonstrierenden Volkes: Seht, dass ihr nichts ausrichtet...“.

 

Diese Abhandlung ist hier entnommen:

http://www.erlangen-evangelisch.de/johannesevangelium/index.htm