Bibelarbeit über Apostelgeschichte 9, 19-43

von Michael Strauch

 

Gliederung:

 

1.       Vertrauen verloren ist schnell, gewinnen sehr langsam (Verse 19b-31)

2.       Der „Petrus-Dienst“ (Verse 32-43)

 

 

zu 1: Vertrauen verloren ist schnell, gewinnen sehr langsam (Verse 19b-31)

 

Vers: 19b+20

Saulus ist umgewandelt, umgestaltet und völlig verändert. Er, der die Jünger des Herrn in Ketten nach Jerusalem führen wollte, der „blieb“ nun bei eben diesen. Was mag in dieser Zeit geschehen sein, als er mit den ersten Christen sprach und vermutlich seine Geschichte immer und immer wieder erzählen mußte und die Christen aus dem Staunen nicht mehr entlassen wurden. Ganz nach Art des Saulus, der niemals halbe Sachen macht und sich immer ganz in das stürzt, was er als richtig und wahr erkannt hat, heißt es von ihm schon bald: „und sofort predigte er in den Synagogen von Jesus, das dieser Gottes Sohn sei!“ Ein gefährliches Unterfangen. Statt Empfehlungsschreiben weiter zu geben empfangen die Synagogen in Damaskus Empfehlungen, nämlich den Christus als Herrn und Messias anzuerkennen.

Nocheinmal: Gott hat alles ins Gegenteil verkehrt. Saulus wollte die Gemeinde verfolgen, nun gehört er selbst zu den Verfolgten. Saulus wollte sie auf den rechten Weg zerren, nun lehrt er vom Weg zu Jesus. Saulus wollte die Christen von Damaskus wegbringen nach Jerusalem, nun bleibt er bei ihnen. Saulus verwirft das Empfehlungsschreiben von Kaiphas und macht sich selbst zum Brief Christi für seinen neuerkannten Herrn.

 

Gedanke:

Wir sehen hier einen wichtigen Aspekt für das Urkonzept der Gemeindearbeit.

1.       Die Gemeinde geht hinaus zu den Menschen zu predigt ihnen von Jesus (Ananias zu Saulus)

2.       Die Gemeinde rechnet bei einer Bekehrung, dass der Neubekehrte den Heiligen Geist empfängt.

3.       Die Gemeinde tauft den Neubekehrten.

4.       Die Gemeinde nimmt den Neubekehrten bewußt in ihre Mitte auf (V.19).

5.       Die Gemeinde setzt den Neubekehrten sofort in den Dienst (V.20)

 

Ich möchte das nicht als zwingende Reihenfolge verstehen, aber die 5 Bestandteile halte ich für biblisch und unaufgebbar.

 

Vers 21-23:

 

Saulus ist trotz der Aufnahme in die Gemeinde von vertändlichem Misstrauen, Erschrecken und offener Feindschaft umgeben:

 

·         Die Christen sehen in ihm immer noch einen „Großinquisitor“, einen Handlanger der jerusalemer Justiz. (V.21)

·         Die Juden, die theologisch dem Saulus nicht das Wasser reichen können und unter den Diskussionen und theologischen Debatten den kürzeren ziehen. Sie werden Saulus spinnefeind und schon bald wird Saulus selbst konfrontiert, was zuvor von ihm ausging: Morddrohung und Mordanschläge.

 

In der Praxis erkennt Saulus seine Begabung und seine Bestimmung. In der Praxis „gewinnt Saulus an Kraft!“(V.27). Hier offenbart sich sein ungleich scharfer Verstand, seine Furchlosigkeit und sein unermüdlicher Eifer. Alles diese Fähigkeiten wollte er nutzen, um alle zu „vernichten, die diesen Namen anrufen“ (V.21), nun aber gebraucht Gott die Energie seines Zorns, der strebende Eifer seines Lern-und Lehrwillens, seine Entschlusskraft und Furchtlosigkeit, seinen Verstand – alles, um ihn zum größten Völkerapostel aller Zeiten zu machen. Dieser Saulus wird nicht nur zum größten Missionar, der das Evangelium in große Teile der alten Welt tragen wird, dieser Saulus baut auch theologisch eines der großen Fundamente der Christenheit auf.

 

Gedanke:

 

Wir achten immer gerne auf die angenehmen Seiten unserer Person. Den Hang zum Zorn, den Hang zum Übereifer und was auch immer wir als schlechte Charaktereigenschaften bei uns wahrnehmen, kann Gott läutern und gebrauchen. Wenn ich nur zum Herrn komme und sage wie Ananias (V.10): „Hier bin ich, Herr!“ Gott kann dich gebrauchen und will es auch. Nichts mußt du vor ihm verstecken. Der Herr kann dich ganz und gar gebrauchen, wenn nur jeder Hang geläutert in seinen Dienst weist. Läutern aber tut der Herr in der Praxis. Wenn z.b. ein Mensch unter Geiz leidet, so soll er in der Praxis durch bewußtes Hergeben den Geiz überwinden. Aber er kann „geizig“ sein, wenn es darum geht, die Wahrheit in seiner Reinheit nicht einfach preiszugeben, nicht verschwenderisch zu liberalisieren. Ist jemand ehrsüchtig, so soll er praktisch bewußt „niedere Dienste“ tun, um das zu überwinden. Aber er kann umgewandelt werden, dass er sich sagt: Herr, ich möchte, dass Du zu mir sagen kannst: ei, du guter Knecht, du warst über weniges treu gewesen!“ Warum nicht wie ein kleines Kind eine Sehnsucht im Herzen haben, vom Herrn gelobt zu werden? Dem Herrn zu gefallen? Ist jemand in sexueller Hinsicht in Schuld gefallen, so kann er das tiefe Bedürfnis nach Nähe und seine Sehnsucht nach Erfüllung durch bewußten Einsatz in der Gemeinde kompensieren. Er kann auch eine tiefe Nähe erfahren im Gebet. Ist jemand das, was man ein Energiebündel nennt, so kann er seine Energie in Kinder-und Jungschararbeit zum Einsatz bringen. Neigt jemand zum Zorn wie Saulus, so kann er seine Energie bündeln in Verkündigung und vielerlei mehr. Neigt jemand zur Trauer, so kann er mitweinen mit den Betrübten in Hausbesuchen. Der Herr teilt uns nicht auf, wie man einen Fisch ausnimmt, indem man seine ungenießbaren Innereien fortwirft. Der Herr will unser „Ganzopfer!“

 

Verse 24-26:

 

Die Jünger Jesu werden sich an des Herrn Worte über das Verhalten in Verfolgung erinnert haben (Mk 13,14ff). Sie sollen ohne große Umschweife fliehen. Die Wahrheit soll sie nicht fliehen, zu ihr sollen sie stehen, und wenn es das Leben kostet. Aber sie sollen nicht ihr Leben riskieren, wenn es die Möglichkeit der Flucht gibt. Die Juden in Damaskus werden indes aktiv. Saulus wird vom einstigen Fischer erstmal zum Fisch. Die Netze sind ausgebreitet, die Schwachstellen des Netzes – die Stadttore – werden von jüdischen Männer bewacht. Nun muss Saulus eine der ersten Lektionen erfahren, wie der Herr zu Ananias gesagt hatte, dass Saulus leiden müsse für den Herrn. Und das erste, was er erfährt ist die Bedrängnis, in der er zuvor andere gebracht hat. Diese Situationen, diese Flucht wird Saulus ein Leben lang begleiten.

Die Tore sind versperrt, Spione vermutlich unterwegs, falsche Brüder unter den echten. Alles sucht nach dem Hochverräter. Vielleicht fiel einem in diesem Moment eine ähnlich Situation aus der Bibel ein: In Josua 2 wird die Geschichte einer Dirne aus Jericho erzählt, die den Kundschaftern Schutz und Hilfe gewährt. Sie tut das, weil sie zur Einsicht gekommen ist, dass der Gott Israels auf der Seite dieser Kundschafter steht. Rahab läßt die Männer an der Mauer herab, weil die Stadttore geschlossen sind (Josua 2,15). Die Jünger des Herrn haben erkannt, dass Saulus „ein Kundschafter“ Jesu ist und der Herr ihn gesandt hat. Sie lassen ihn an der Mauer runter wie einst Rahab die Kundschafter, damit die Wahrheit ihren Siegesweg weiter fortführen kann.

Nun folgt etwas sehr eigenartiges, was aber zur kunstvoll ausgearbeiteten Darstellung (siehe Verse 1-19) gut passt. Saulus kehrt zurück nach Jerusalem. Er kehrt zurück „mit Empfehlungsschreiben von der Gemeinde Jesu“. Ich vermute, dass er verkleidet in Jerusalem ankam, denn seine Rückkehr und Entdeckung hätte ohne Zweifel das zur Folge, was Saulus mit den Christen ursprünglich vor hatte. Saulus zieht es ins Zentrum. Er will diejenigen kennen lernen, die einst Jünger Jesu waren und nun Apostel genannt werden. Er sucht fieberhaft nach den tiefsten Gründen der neuen Lehre. Kein Weg ist ihm zu gefährlich, keine Hindernis zu groß. Doch in Jerusalem stößt er auf große Angst seitens der Christen. Klar, sie mußten davon ausgehen, dass Saulus ein „falscher Bruder“ war. Eine Art „Undercover-Agent“. Wie soll Saulus sich erklären? Wie beweisen, dass er nicht mehr der ist, für den sie ihn halten mußten? In die Synagoge zu gehen und von Jesus zu predigen, den Zorn der jüdischen Kurie auf sich zu ziehen wie in Damaskus wäre einem Todesurteil gleichgekommen.

 

Vers 27:

 

Hier begegnet ihm ein Mann, der ihn ein Leben lang Freund und Wegbegleiter sein sollte. Ein Mann mit den Eigenschaften eines Stephanus, den er mithalf, zu steinigen. Jesus führt den Saulus einem Mann zu, der von Typ und Charakter ganz anders ist als er und Saulus lernt solche Brüder zu schätzen. Barnabas war ein Seelsorger. Ein Mann für`s Feine mit einem tiefen Gefühl und einer tiefen Einsicht in die Innenwelt des Andern. Barnabas hört Saulus zu, hörte seine Geschichte und glaubt ihm. Interessant: Ananias und Saulus brauchten eine Vision vom Herrn, damit sie beiderseits sich vertrauen konnten. Sie sind vom Typ her Menschen mit einem prüfenden und vielleicht auch misstrauischen Verstand. Der Herr begegnet ihnen durch handfeste „Beweise“. Barnabas braucht keine Visionen, er hört und fühlt im Herzen, dass Saulus die Wahrheit sagt. Weil dem Saulus diese Größe der Sensibilität fehlt, wird Barnabas zum wichtigen Begleiter und zur wichtigen Ergänzung, auch zur Ermahnung.

 

Gedanke:

Barnabas werden interessante Verben zugeordnet. Ich liste auf:

·         Barnabas aber nahm ihn zu sich (Gastfreundschaft und Wärme)

·         Barnabas führte Saulus zu den Aposteln (Vertrauen, „lebendiger Empfehlungsbrief“)

·         Barnabas ergreift geistliche Partei für Saulus und bringt entscheidende theologische Punkte auf den Punkt: Paulus hat den auferstandenen, erhöhten Herrn gesehen; Paulus hat mit dem Herrn direkt geredet, nicht im Gebet, sondern von Angesicht zu Angesicht; Paulus ist vom Herrn in den Dienst gestellt und er hat sofort offen den Namen Jesu bezeugt.

In der Gemeinde muss es beide Menschen geben. Den strebsamen, starken Verkündiger, der vorantreibt, der mutig Dinge in den Griff bekommt und das Wort Gottes mit großer Energie in die Welt treibt. Und dann muss es die seelsorgerlichen Menschen geben, die zutiefst emphatisch empfinden und denken können. Die im anderen hören und lesen, was er nicht aussprechen kann. Der dem anderen glaubt, auch ohne Beweise. Der den anderen an-und aufnimmt um seiner selbst willen. Ich empfehle hierzu dringend das Buch von Georg Büchner mit dem Titel „Lenz“. Es ist die Geschichte des berühmten Dichters Jakob Michael R.Lenz, der „übers Gebirg“ zum französischen Pfarrer Oberlin gelangt. Von Oberlin heißt es, er hatte Lenz nicht gefragt, woher er käme, was er sei und wohin er wolle. Er gehörte einfach dazu und war aus der Familie nicht wegzudenken. Für Lenz war Oberlin goldwert. Dort fühlte er sich wohl und angenommen. Doch es braucht beide. Gott hat nicht Barnabas erwählt, die Welt theologisch zu prägen, sondern Paulus. Ein Freund sagte mir einmal: „Seelsorge weicht die Ethik auf!“ Er meinte damit, dass der Seelsorger aufgrund vieler Erfahrungen und Schicksale dazu neigt, theologischen Standbeine ins Wanken geraten zu lassen, weil man „ja barmherzig sein muss“ und weil doch „die Liebe das Größte ist!“ Hier hat Paulus unverzichtbare Meilensteine geschaffen, die der Seelsorger in der Praxis nach Gewissen einsetzen kann, aber er sollte nicht Masstäbe schaffen.

 

Verse 28-31

 

Saulus hat es durch den Beistand des Barnabas und durch seine Fürsprache das Vertrauen der Brüder und Apostel gewonnen. Sofort und erst dann (!) setzt er sich ein in der Verkündigung des Evangeliums. Wieder kommt sein theologisches Bedürfnis zu disputieren hervor. In Damaskus hat er mit den Juden anhand der Schrift diskutiert. Hier muss Saulus felsenfest im AT sitzen und gekonnt die altt. Bezüge und Inhalte auf Christum anwenden. Mit den griechischen Juden verhält es sich anders. Sie sind das philosophische Denken gewohnt. Ihnen reicht es vermutlich nicht, wenn man anhand des AT Bezüge zum NT stellt. Saulus muss geradezu eine sprachlich mathematische Gleichung vorführen. Für den Griechen muss das, was Paulus sagt „logisch“ klingen. So heißt es auch: Saulus „stritt“ mit den griechischen Juden. Denn die Philosophie hat immerwährend offene Hintertüren in Denk-und Sprachweise und es führt zu keinem Ende. Doch in einem sind sich griechische wie hebräische Juden einig: dieser Mann kann zu einer globalen Gefahr für die Wahrheit werden. Er muss sterben. Und es fehlte wohl nicht an Versuchen („sie stellten ihm nach...V.29“).

Wieder muss Saulus fliehen. Sein Weg führt ihn von Damaskus nach Jerusalem, von dort nach Cäsarea (diese Stadt am See Genezareth galt den Juden als entweiht, weil sie auf jüdischen Gräbern erbaut und im Namen an die römische Denkvorstellung erinnert. Nur wenige Juden lebten dort.). Dort war er kurze Zeit sicher. Doch bald darauf führt man Saulus in die heutige Ost-Türkei außer Landes, in seine Heimatstadt Tarsos.

Da es keinen Saulus mehr gab, der sich Emfehlungsschreiben von der Synagoge einholte, um die Christen zu vernichten, kehrte bald ein angenehmer, Gott geschenkter Friede auch für die christliche Gemeinde ein. In der Zeit des Friedens wuchs die Gemeinde zahlenmäßig und auch „in der Furcht des Herrn“. Denn das eine Gemeinde mit beiden Komponenten gleich wächst, tritt man nicht so oft.

 

Zu 2: (Verse 32-43)

 

Der Petrus-Dienst (Verse 32-35)

 

In Kapitel 6 hörten wir zuletzt von Petrus: Die Wahl der sieben Diakone. Dazwischen liegt nun der Tod des Stephanus, die Bekehrung des Saulus und der Beginn seines neuen Lebens. Nun taucht Petrus wieder auf. Nach der Verfolgung in Jerusalem hören wir, dass viele Christen die Stadt verließen, „außer den Aposteln“ (Kap.8,1). Sie agieren im Hintergrund, nun taucht Petrus wieder auf. Wir stellen nebenbei fest, dass Lukas seine Apostelgeschichte besonders diesen zwei Männern widmet: Petrus und Paulus. Wir haben gehört, das Paulus sich sofort einsetzte in der Lehre und in der Verkündigung. Was aber macht Petrus?

 

Vers 32: Petrus zog „überall im Land“ umher. Während Saulus schon die Grenzen Israels übertreten hat (Damaskus, Tarsus), bleibt Petrus bewußt in Israel. Es ist mit dem Judentum stark verankert und reist wie einst sein Herr durch`s Land. Vielleicht auch in Gegenden, wo sie als Meister mit Jüngern entweder kurz oder gar nicht da waren. So führt ihn seine Wanderung nach Lydda und Umgebung. Lydda, das heutige Lod liegt zwischen dem heutigen Tel Aviv und Jerusalem, ca 18 km südöstlich von Tel Aviv, landeinwärts.

Petrus hatte offenbar eine feste Angewohnheit, die sich auch Paulus später zu eigen machte: Er ging auf „Brüderreise“. Das heißt, er besuchte bewußt junge Gemeinden, geisltlich junge Christen und war darauf bedacht, dass ihr Glaube gestärkt würde. Der Gründer vieler Werke A.Spittler sagte einmal sinngemäß, dass es eine Sache sei, Menschen zum Glauben zu führen und eine andere, sie im Glauben zu festigen.

 

Gedanke:

 

Ich traf kürzlich einen jungen Mann anfang dreißig. Ich sagte zu ihm, dass ich in den kommenden Tagen in seinen Hauskreis kommen und einen Bibelabend halten würde. Er sagte mir folgendes, und das war nicht verletzend gemeint, sondern tief ehrlich: „Ach weißt Du, warum willst du kommen? Wir haben jetzt entweder Kinder bekommen oder sind verheiratet. Dann nimmt uns die Arbeitsstelle völlig in Beschlag. Der Rest an Zeit geht zum Bau des Hauses drauf. Es ist für Gemeinde fast keine Luft mehr da. Und dann wirst Du eine Bibelarbeit halten und uns fragen, wie wir das Gehörte praktisch umsetzen sollen, wo wir doch keine Luft zum Atmen mehr haben?“

Diese Antwort gab mir viel Stoff zum Nachdenken. Sovieles überfällt den Christen. Ich muss an die Worte Jesu denken über das vierfache Ackerfeld. Und wie der Same zwar auf guten Boden fällt, er aber von den Sorgen um das tägliche Allerlei erstickt würde. Diesen Christen muss man helfen, aufbauen und Mut machen. Ich sagte ihm dann, dass man doch in einem Hauskreisabend einfach nur Gemeinschaft mit Jesus habe könne. Das man z.b. über Apg 9 einfach nur staunen könne und das es dabei auch bleiben darf. Das tat ihm gut und ich mußte insgeheim daran denken, dass in den 25 Jahren, in denen ich im Glauben stehen darf, mehr Menschen vom Glauben habe abfallen sehen, als das neue dazu gekommen wären. Es gilt wieder neu: den Petrusdienst wahrzunehmen. Das heißt, die Kranken, die Alten, die „Witwen und Weisen zu besuchen (Jakobus) ihrer Trübsal.

 

Petrus geht zu den „Heiligen“. Er trifft dort einen Mann an mit dem griechischen Namen Äneas. Aber anders als der einstige Held von Troja liegt dieser Bruder im Bett. Er ist gelähmt, kann sich nicht bewegen. Petrus geht auf ihn zu und spricht ihn an. Wir hören genau hin auf seine Worte:

 

1.       Äneas (Petrus spricht ihn mit Namen an: du bist gemeint!)

2.       Jesus Christus macht dich gesund (nicht ich, Petrus, sondern Jesus. Er gibt dem Herrn die Ehre)

3.       Steh auf (die Zeit des Leidens ist vorbei. Steh auf und zeige damit, dass du glaubst und vertraust, dass du diese Heilung selber auch bejahst und willst)

4.       Mach dein Bett (setze dich ein, werde aktiv, der Herr befreit dich von der Abhängigkeit).

5.       Und Äneas stand sofort auf!

 

Und dann passierte das, was ich dem Mann aus dem Hauskreis vermitteln wollte. Einfach nur staunen über die Macht des Herrn. Wir müssen unsere Bibelarbeiten und Predigten nicht immer darauf hinauslaufen lassen, dass wir uns nebst Hinterfragen nun auch fragen, wo wir uns verändern sollen. Die letzte unerledigte Predigt noch eingedenk. Manchmal führt das Staunen zur Aktion, weniger der Befehl. Viele bekehrten sich nun, heißt es.

 

Die Verse 36-43:

 

Sein Weg führt ihn nun weiter in Richtung Joppe. Das heutige Japho liegt westlich von Lydda, direkt am Meer. Diese Stadt hat keinen Hafen, die Schiffe ankerten direkt vor der Küste. Joppe ist bekannt geworden durch den Propheten Jona (Jona 1,1ff), der von dort aus vor dem Auftrag Gottes floh. Die Stadt heißt „die Schöne“ und muss ein malerisches Fischerdorf gewesen sein. Dort lebte eine Frau namens Tabita, was Luther mit Reh übersetzt, genauer eine Gazelle. Von dieser Frau hören wir folgendes:

 

1.       Sie war eine Jüngerin des Herrn

2.       Sie tat viele gute Werke

3.       Sie gab reichlich Almosen

 

Wer war diese Frau? Wir hören von keinem Ehemann! War sie demnach ledig? Ihr Leben tat sich nicht hervor mit der Verkündigung des Evangeliums, sondern sie war diakonisch tätig. Ihr Name „Reh“ oder „Gazelle“ läßt vermutlich darauf schließen, dass sie den Rummel mied und eher scheu und still ihren Dienst tat. Vielleicht haben viele ihren Einsatz geschätzt und genossen. Wie groß aber ihr Dienst war, wurden allen deutlich, als sie nicht mehr unter den Lebenden weilt.

Was erwarteten die Menschen von Petrus, als eine Gesandtschaft bei ihm eintraf und ihn dringend bat, nach Joppe zu kommen? Es wird kein Wort verloren über den Gedanken einer möglichen Totenauferweckung. Der Ablauf zeigt allerdings viele Parallen. Ich denke an Johannes 11, 6+14. Wo Jesus von der Krankheit und dem Tod des Lazarus spricht. Ich denke an Mk 5, 21ff, wo Menschen Jesus bedrängen, der todkranken Talita zu helfen. Spielte vielleicht schon früh der Brauch oder das Bedürfnis der jungen Christenheit eine Rolle, was wir später in der katholischen Kirche schon bald als feste Instanz finden: das Finden und Machen von „Heiligen“? Die Heiligsprechung durch den Papst läuft in dieser Form ab, dass andre Menschen Zeugnis geben über eine Person. Besonders erwähnenswerte Dinge sind eben die Eigenschaften einer Tabitha.

Petrus säumt nicht. Sofort steht er auf und geht hin. Die Eile liegt auch darin geboten, weil im Orient ein Leichnam nicht lange aufgebahrt bleiben durfte. Der Gemeinde aber war es wichtig, dass Petrus diese bedeutende Frau ehrte. Vielleicht haben sich Tabitha und Petrus nie zuvor gesehen. Doch die Gemeinde will es, dass wenigstens ihrer sterblichen Hülle die Ehre durch den Apostel und Oberhaupt der christlichen Gemeinde zuteil würde.

 

Als Petrus ankommt und im Obergemach die Tote aufsucht, kommen „Witwen“ zu ihm. Also jene Frauen, die in der Antike ohne Ehemann besonders hart betroffen waren. Und wir erfahren noch etwas von Tabita. Sie konnte offenbar hervorragend mit Stoffen umgehen. Vielleicht hatte sie ein kleines Stoffunternehmen? Das würde die Handelslage Joppe und das reiche Almosen erklären. Tabitha war eine Frau, die still und leise ihrer Arbeit nachging. Gott segnete das Werk ihrer Hände und ein großer Teil ging unentgeltlich oder besonders günstig an Bedürftige. Wo sind heute die Tabitas? Wo sind heute jene Frauen, die von ihrem Wohlstand denen geben, die weniger haben? Ist es nicht so, dass Christen mit geringem Einkommen sich eher schämen müssen, weil sie auf christliche Freizeiten nicht mitkönnen, weil sie den Urlaub nur schwerlich planen können, weil eben das Geld schlichtweg fehlt? Dann heißt es schnell: „für anderes haben sie auch Geld!“ Oder: „Wir haben auch nicht viel!“ Armut macht nicht nur arm an materiellen Mitteln, es macht auch arm an Kontakten, an geistlichen wie kulturellen Fortbildungsmöglichkeiten etc. Wo sind die Tabitas, die ein Herz haben für Ärmere? Wo sind auch jene ledigen Frauen und Männer, die ihre Zeit nicht nutzen, um das Leben zu genießen. Sie sagen: andre sind verheiratet, dafür gehe ich halt auf Reisen. Und dennoch finden sie keine tiefe Zufriedenheit. Denn vielen hat der Herr vielleicht die Gabe des Ledigseins geschenkt, damit sie zur Tabitha werden und für andre Menschen leben. Ein empfindliches Thema, ich weiß, aber ein wichtiges.

 

Petrus handelt nun genau wie der Herr damals bei dem toten Kind. Er will aus sich keinen Heiligen machen. Er weiß, wie schnell eine Totenauferweckung zum falsch verstandenen Heiligenkult ausarten kann. Es ist so, wie Petrus zu Äneas sprach: „Jesus Christus macht dich gesund!“ Petrus ist nun allein mit der Toten. Auch hier werden Erinnerungen wach an Elia, wie er allein mit dem Toten Sohn von der Witwe zu Zarpath war. Was aber lernen wir vom Petrus-Dienst?

 

1.       Petrus macht Kranken-und Trostbesuche

2.       Petrus weist stets auf den Herrn Jesus.

3.       Petrus nimmt sich Zeit, kniet nieder und betet.

4.       Petrus macht Mut

 

Wir werden vielleicht kaum erleben, dass durch uns ein Toter zum Leben erweckt wird. Bei Petrus geschieht es und es war für den Glauben der Gemeinde sicher auch von wichtiger Bedeutung. Einfach zu erfahren, dass Jesus Christus auch heute lebt und den Apostel Petrus bestätigt in seinem Amt und Auftrag. Petrus nun ruft die Tote und sein Ruf dringt in die jenseitige Welt. Tabitha schlägt die Augen auf, sieht Petrus und steht auf. Petrus nun reicht ihr die Hand und sie kann sich vom Bett erheben. Und kommt es. Nicht Tabitha ist eine Heilige, sondern alle, die mit ihr glauben, werden als „Heilige“ bezeichnet (V.41). Und nun erfahren wir auch, was der Herr vorhatte: „Und das wurde in ganz Joppe bekannt, und viele kamen zum Glauben an den Herrn!“

Petrus aber bleibt in Joppe und dient dieser Gemeinde. Er sucht sich einen Gastgeber aus, dem wohl jeder eher entflohen wäre: Simon, der Gerber. Ein Mann, der Tierhäute verarbeitete. Wer sich darin auskennt weiß um den gräßlichen Gestank von verwesendem Fleisch. Sicher ist Simon etwas abseits seiner Arbeit nachgegangen. Aber gerade diesen sucht Petrus auf und ehrt ihn mit seinem Gastsein.

 

Gedanke:

Das man das Schwache im Auge hat, den finanziell schwachen Menschen stützt, den sozial schwach und abseits stehenden Menschen besonders ehrt, ist heute oft verloren gegangen. Die erste Gemeinde folgt hier eindeutig dem Leben des Herrn, der immer und stets ein Herz eben für diese Menschen hatte. Lassen wir uns uns hinterfragen, von was wir uns geistlich prägen und ausrichten? Rennen wir nur von Freizeit zu Freizeit und kümmern wir uns darum, dass – Hauptsache – unsre Kinder „den Weg gehen?“ Ist unser missionarisches Verständnis nur auf die Verkündigung, auf Veranstaltungen und Einsätze ausgerichtet, die wiederum nur eine bestimmte Schicht erreicht? Wer will sich die Hände schmutzig machen und mit anpacken und abgeben und hineinhorchen in das Leben derer, die nicht mithalten können? Doch Gott sei gelobt. Es gibt noch Tabitas und jene, die den Petrusdienst vollziehen. Ich nenne sie im stillen oft „die Engel der Gemeinde“. Bei jenen, die ständig Einsatz und Präsenz zeigen, wird man sagen, sie waren voll engagiert und haben sich unermüdlich eingesetzt. Bei den anderen, die still ihren Liebesdienst taten, wird man erleben, dass sie um den Verlust dieses Menschen weinen und die Kleider und Stoffe zeigen, die sie zu Lebzeiten anderen gemacht hat. Erstere ernten Ruhm, aber setzten viele durch ihr Leben geistlich unter enormen Druck. Die Tabitas aber tun dem Menschen einfach gut. Und ihr Dienst fehlt wirklich. Stars kann man ersetzen, Tabitas nicht. Von ihnen gibt es viel zu wenige.