Apostelgeschichte 20, 17-38 Bibelarbeiten und Andachten von A. Christlieb und Anderen

 

Aus: http://www.life-is-more.at/life/predigten/bibel_ap.php

 

Apg 20,20 A.Christlieb Die vorbildliche Wortverkündigung des Paulus in Ephesus. Apostelgeschichte 20, 20. 21.

Nach dem Rückblick des Paulus auf seinen Wandel folgt ein Rückblick auf seine Wortverkündigung. Derselbe läßt uns erkennen, wo, wie und was er damals öffentlich gepredigt hat.

1. Wo Paulus predigte.

W o er das Wort verkündigte, zeigt uns der Ausdruck: ,,öffentlich und in den Häusern" (wörtliche Übersetzung). Unter der ,,öffentlichen" Verkündigung haben wir in erster Linie seine Versammlungen in der Synagoge von Ephesus (Kap. 19, 8) und nachher seine Reden in dem Lehrsaal des Tyrannus (19, 9) zu verstehen. Bei der ,,sonderlichen" Verkündigung (Luthers Übersetzung) haben wir sowohl an die kleinen Versammlungen in den Privathäusern (Römer 16, 5; 1. Korinther 16, 19; Kolosser 4, 15; Philemon 2; Apostelgeschichte 2, 46), wie auch an die Einzelseelsorge zu denken.

Was sagt uns diese reichliche Verkündigung? Sie ruft uns zu: Laßt uns den Samen des Wortes überall ausstreuen, wo Gott uns Gelegenheit gibt und Türen öffnet (2. Timotheus 4. 2).

Laßt uns auch zweierlei Einseitigkeit meiden: Man trifft öfters Menschen, welche nur die öffentliche Verkündigung etwa in Kirche und Gottesdienst gelten lassen und alles andere als unnüchtern und schwärmerisch verwerfen. Andererseits begegnet man solchen, welche die öffentliche Verkündigung verachten und nur diejenige hin und her in den Häusern als richtig ansehen. Demgegenüber laßt uns mit Paulus sowohl das eine wie auch das andere anerkennen und dankbar benutzen.

2. Wie Paulus predigte.

Nicht umsonst braucht der Text hier drei verschiedene Ausdrücke für die Predigtart des Paulus: Er verkündigte, er lehrte, er bezeugte.

1. In dem ersten Wort (verkündigen) steht Paulus, wie der Grundtext dies andeutet, a l s e i n B o t e vor seinen Zuhörern, der ihnen genaue Meldung überbringt und darauf bedacht ist, ja nichts auszulassen von dem, was er in einem höheren Auftrag zu sagen hat. ,,Wie lieblich sind die Füße solcher Boten", Jesaja 52, 7. Gott mehre ihre Zahl!

2. In dem zweiten Ausdruck (lehren) sehen wir Paulus als L e h r e r vor den Ephesern, der in klarer Ordnung der Gedanken den Seelen zeigt, worum es sich handelt und sie in das Verständnis des göttlichen Heilsrates hineinführt. Solche Lehrer tun auch unserer Zeit not. Wie werden sie einst ,,leuchten wie des Himmels Glanz" (Daniel 12, 3).

3. In dem dritten Wort (bezeugen) schauen wir den Apostel als Z e u g e n , der den Inhalt seines Wortes feierlich und dringlich ins Herz legt als einer, der das, was er redet, am eigenen Leben erfahren hat. Wie dringt dieses Bezeugen tief in die Herzen der Hörer hinein und erschüttert ihre falsche Sicherheit! Alle noch so schöne Verkündigung und lichtvolle Belehrung hilft nicht, wenn dieses Bezeugen fehlt (2. Timotheus 2, 14).

Wer als Botschafter, Lehrer und Zeuge das Wort verkündigt, der wandelt in Paulus Fußstapfen.

3. Was Paulus predigte.

Paulus ließ sich weder durch Menschenfurcht noch durch Menschengunst bewegen, irgendetwas zu verschweigen, was den Seelen heilsam war. Vor allen Dingen hatte seine Predigt zwei Brennpunkte: Buße und Glaube. Er predigte Buße. Den Wünschen des natürlichen Menschen paßte er sich nicht an. Dieser liebt eine Predigtweise, die das Gute in ihm anerkennt und nur weiter vervollkommnet wissen möchte. Ermahnungen zur Buße und Heiligung läßt er sich allenfalls gefallen. Wenn aber jemand die Notwendigkeit einer vollständigen Änderung der innersten Gesinnung predigt, so entsteht Widerspruch, oft Zorn und Wut. Aber gerade diese Sinnesänderung oder Buße bezeugte Paulus. Solcher Mut tut allen Knechten Gottes not (Jesaja 58, 1; Jeremia 4, 3).

Zugleich zeigte er die Kraftquelle, durch welche die innere Erneuerung des Herzens zustande kommt. Nicht auf ihre eigene Kraft und Anstrengung wies er seine Hörer hin, sondern auf ,,den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus". Während die eigene Bemühung in menschlicher Willenskraft uns in Verzweiflung führen müßte, bringt der Glaubensblick auf den Heiland und die Glaubensgemeinschaft mit ihm Frieden und Hilfe (17, 31). Deshalb gilt es auch heute noch, Buße und Glaube zu bezeugen, und zwar beides vereinigt.

Unsere Verkündigung sei wie die des Paulus.

 

Apg 20,22 A.Christlieb Des Paulus Reiseprogramm. Apostelgeschichte 20, 22 - 24.

Laßt uns bei dem Reiseprogramm des Apostels auf den Grund, das Licht und das Ziel seiner Reise achten.

1. Der G r u n d seiner Reise ist die innere Nötigung durch den heiligen Geist. ,,Gebunden im Geist" reist er nach Jerusalem. Eine zweifellose Gewißheit des göttlichen Willens ist und bleibt der sicherste Grund jeder Reise in diesem Leben (Kap. 16, 10; Galater 2, 1. 2 a).

2. Das L i c h t und der Führer seiner Reise ist wiederum der Heilige Geist (,,der Heilige Geist bezeugt und spricht").

Dieser treibt ihn nicht nur zu dieser Reise an, sondern erleuchtet ihn auch, und gibt ihm diejenige Kenntnis über seinen Weg, die ihm vonnöten ist. Dieser Führer gibt ihm auch für dunkle und schwere Wege große Kraft und Freudigkeit, so daß er nicht zu erschrecken braucht, sondern ,,mit Freuden" seinen Lauf fortsetzt. Es gibt keinen besseren Führer und kein besseres Licht für all unser Reisen, als das Licht des Geistes Gottes (Psalm 143, 10).

3. Das Z i e l und der Zweck seiner Reise ist die Ausrichtung der ihm von Jesus übertragenen Aufgabe (,,auf daß ich vollende meinen Lauf und das Amt, das ich empfangen habe von dem Herrn Jesus".) Ihm war der Dienst der Verkündigung des Evangeliums unter den Heiden anvertraut. Er war berufener Missionar und wollte diesen Beruf treu ausfüllen. Auch wir haben eine Aufgabe in unserem Leben bekommen, die wir aus Gottes Hand annehmen dürfen. Wohl uns, wenn unser ganzer Eifer darauf gerichtet ist, diese unsere Aufgabe recht zu erfüllen (Johannes 17, 4).

 

Apg 20,23 A.Christlieb Wichtige Tätigkeiten des Gottesgeistes Apostelgeschichte 20, 22 f. u. 28

»Und nun siehe, ich, im Geist gebunden, fahre hin gen Jerusalem, weiß nicht, was mir daselbst begegnen wird, nur daß der Heilige Geist in allen Städten bezeugt und spricht, Bande und Trübsale warten mein daselbst. . . So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, unter welche euch der Heilige Geist gesetzt hat zu Bischöfen

In der Abschiedsrede des Paulus in Milet vor den Ältesten von Ephesus ist dreimal vom Heiligen Geist die Rede. Jedesmal wird uns eine wichtige Tätigkeit des Gottesgeistes gezeigt.

1.

Zuerst sehen wir, daß der Heilige Geist eine bindende Machtwirkung ausüben kann. Paulus sagt, daß er, »im Geist gebunden«, nach Jerusalem reist. Das ist ein starker Ausdruck. Er will sagen: »Der Heilige Geist treibt mich mit solcher Macht und Klarheit nach Jerusalem hin, daß es mir einfach ganz unmöglich ist, einen andern Weg zu gehen. Ich bin wie von himmlischen Ketten gebunden und gezwungen, dorthin zu reisen Auch wenn es in diesem Fall ein schwerer Weg war, den der Apostel gehen mußte - es ist selig, durch den Geist Gottes gebunden zu sein!

Wir alle wissen, daß die Sünde einen Menschen binden kann. Es ist etwas Unheimliches um die bindende Macht des Geizes, der Trunksucht, der Unreinigkeit usw. Aber herrlich und köstlich ist es, von dem Geist Gottes gebunden und so in den Wegen des Herrn geübt zu werden, daß wir sein klares Führen von andern gefährlichen Einflüssen deutlich unterscheiden können.

2.

Sodann sehen wir, wie der Heilige Geist dem Paulus Licht und Klarheit über die Zukunft gibt: »Der Heilige Geist in allen Städten bezeugt und spricht: Bande und Trübsale warten mein daselbst

Es gibt viele Menschen, die auf verbotenem Weg durch Zauberei, Spiritismus, Wahrsagerei und dergleichen Licht über die Zukunft suchen. Fliehen wir solches wie die Pest! Wahres, gesundes Licht kommt von oben herab durch den Heiligen Geist. Wenn es nötig ist, kann er uns auch über die Zukunft Licht geben zu unserer eigenen Vorbereitung. Wie manchmal hat der Herr gläubigen Menschen Licht über nahe Gefahren oder über bevorstehenden Abschied aus diesem Leben gegeben (2. Petr. 1, 14)! Und wo dies nicht geschieht, will der Heilige Geist uns das Wichtigste offenbaren, nämlich unsern Herzenszustand und Jesu Rettermacht. In diesem Licht können wir in unsere persönliche Zukunft hineingehen, wie hell oder dunkel sie auch sein mag. Es tröstet uns auch das Licht, das aus dem prophetischen Wort der Bibel auf den Weg der ganzen Weltgeschichte bis zu ihrem Ende und dem Kommen des Herrn fällt.

3.

Endlich sehen wir noch eine wichtige Tätigkeit des Geistes: Er will den einzelnen Jüngern ihren Platz und ihre Tätigkeit anweisen. Paulus sagt zu den Ältesten, der Heilige Geist habe sie zu Bischöfen (Aufsehern) in der Gemeinde Gottes gemacht.

Was gibt einem Jünger Jesu Kraft und Freudigkeit, an einem Platz mit Geduld auszuharren und das Werk des Herrn zu treiben? Nur das bestimmte Bewußtsein: Der Herr hat mich für diesen Platz bestimmt, der Heilige Geist hat mich dazu gesetzt, dieses Werk zu treiben.

Die Ältesten von Ephesus durften diese Gewißheit haben, weil Paulus sie unter göttlicher Leitung für diesen Dienst bestimmt hatte. Es ist etwas überaus Trauriges, wenn man sich in allerlei wichtige und einflußreiche Aufgaben im Reich Gottes hinein drängt. Aber köstlich ist es, wenn ein Mensch vor dem Herrn stille wird, bis dieser ihn über die ihm bestimmte Aufgabe gewiß machen kann. Der geringste Dienst im Reich Gottes, zu dem uns der Heilige Geist bestimmt hat, ist tausendmal besser und für die Ewigkeit fruchtbarer als alle hohen, großen Aufgaben, die wir uns selbst erkoren haben.

 

Apg 20,24 A.Christlieb Der Gesamtinhalt aller evangelischen Predigt Apostelgeschichte 20, 24. 25. 27

wird hier in drei verschiedenen Ausdrücken zusammengefaßt:

1. In der B e z e u g u n g der Gnade Gottes bestand die ganze Aufgabe des Paulus (Vers 24). Einst war er Gesetzesprediger und Gesetzeseiferer. Aber seitdem Gott ihm das rechte Licht gegeben hatte, trieb er nichts als Gnade. Gnade bot er dem verkommensten Sünder unter den Heiden wie auch dem gesetzesstrengen Juden an. Diese Gnade konnte er bezeugen, weil er ihre Kraft selbst erfahren hatte und es ihm ein Herzensanliegen war, daß auch andere ihrer teilhaftig würden.

Alle, die das Wort verkündigen, haben darauf zu achten, daß der Hauptinhalt ihrer Predigt Gnade sei (Kap. 14, 3).

2. Zurückschauend auf all seine bisherige Wortverkündigung sagt Paulus: ,,Ich habe g e p r e d i g t das Reich Gottes" (Vers 25). Der Apostel zeigte im Evangelium seinen Hörern. wie Gott in der Person Jesu ein ewiges, unvergängliches Königreich aufgerichtet habe. Er forderte sie gleichsam wie ein Herold auf, in dieses Reich einzugehen und dem König desselben untertan zu werden (Kap. 8, 12; 19, 8; 28, 23; Markus 1, 14; Lukas 9, 2. 60). Nicht für eine menschliche Partei oder Kirche warb Paulus, sondern für das Reich Gottes, dessen Ausbreitung ihm allein am Herzen lag.

3. Endlich faßte Paulus seine Predigt in dem Ausdruck zusammen: ,,Ich habe allen Rat Gottes v e r k ü n d i g t " (V. 27). Hier betont Paulus, der ganze göttliche Heilsratschluß sei Gegenstand seiner Verkündigung gewesen. Nichts von dem Willen Gottes hat er verschwiegen (1. Timotheus 2, 4 - 6).

Alle drei Ausdrücke beziehen sich auf den Gesamtinhalt aller evangelischen Predigt, jeder hebt eine besondere Seite derselben hervor. Ein rechter Prediger wird immer die Gnade Gottes bezeugen, das Reich Gottes predigen und allen Rat Gottes verkündigen (2. Timotheus 4, 5 b).

 

Apg 20,26 A.Christlieb Die feierliche Bezeugung der Unschuld. Apostelgeschichte 20, 26. 27.

1. Aus der Bergpredigt (Matthäus 5, 34 - 37) und dem Jakobusbrief (Jakobus 5, 12) wissen wir, daß feierliche Beteuerungen sich für einen Christen in der Regel nicht geziemen. Bei Handelsgeschäften usw. sollen wir niemals wie die Welt besondere Versicherungen aussprechen, die unser Wort dem andern recht glaubhaft machen sollen. Wer das tut, macht auf einen biblisch denkenden Menschen immer einen ungünstigen Eindruck, weil Leute, die aus der Wahrheit sind, solche Beteuerungen nicht nötig haben.

Und doch gibt es Gelegenheiten, wo eine feierliche Bezeugung am Platz ist. Wenn Paulus hier in dieser wichtigen Stunde feierlich seine Unschuld bezeugte, so mußte dies auf alle Vertreter der Gemeinde von Ephesus einen unauslöschlichen Eindruck machen und vielen zum Segen werden. Hier war es berechtigt (vergleiche 1. Mose 50, 5; 31, 44 - 54; 50, 24 - 26; 24, 3).

2. Paulus hob besonders den Tag hervor, an welchem er sich rein wußte. Es war der letzte Tag ihres Zusammenseins (,,an dem heutigen Tage"). Laßt uns daran denken, daß für jeden von uns ein solcher ,,heutiger Tag" kommen wird, wo wir unsere Umgebung zum letzten Mal sehen. Laßt uns so zu leben suchen, daß wir an jenem Tag das Zeugnis eines guten Gewissens haben und rein von dem Blut unserer Mitmenschen von ihnen scheiden können.

Der Inhalt dieser Beteuerung beweist uns die Größe der Verantwortung, welche Prediger und Hörer des göttlichen Wortes haben. Das Leben, und zwar das ewige Leben der Zuhörer steht dabei auf dem Spiel. Wer dies bedenkt, kann unmöglich leichtfertig predigen oder gleichgültig und schläfrig zuhören. Der Prediger gleicht dem Wächter, der den Einwohnern einer Stadt eine herannahende Gefahr anzukündigen hat. Tut er dies, so trägt er keine Schuld an dem Untergang seines Ortes (Hesekiel 33, 1 - 9; 3, 16 - 21).

Wie furchtbar muß es für Prediger sein, wenn das Blut ihrer Zuhörer an ihnen klebt, weil sie den Rat Gottes nicht voll und ganz mit Wort und Wandel bezeugten.

 

Apg 20,28 A.Christlieb I. Habt acht auf euch selbst. Apostelgeschichte 20, 28.

1. Es gibt ein falsches Achthaben auf sich selbst. Wenn jemand sich beständig den Puls fühlen und sein inneres Wachstum merken möchte; wenn ein Christ beständig auf seine Schwachheit anstatt auf den Herrn schaut, so befolgt er nicht des Apostels Mahnung: ,,Habt acht auf euch selbst". Paulus will vielmehr die Ältesten anspornen, ein wachsames Auge auf die eigene Herzensstellung und den Wandel vor Gott zu richten, um nicht in Abwege und Sünden hineinzugeraten. Bei der Wichtigkeit ihrer Stellung sollen sie einen geschärften Blick behalten, um die Anfänge eines Irrweges und die Entstehung von Entgleisungen bei sich selbst zu erkennen und so bewahrt zu bleiben. (Epheser 5, 15; Psalm 101, 2; 1. Timotheus 3, 2 - 7; Titus 1, 7).

2. Die Tatsache, daß diese Mahnung an Älteste und Gemeindeleiter gerichtet ist, hat uns etwas zu sagen. Wir sehen leicht an älteren, erfahrenen Christen so hoch hinauf, daß wir dieselben über alle Gefahren erhaben wähnen. Das ist ein Irrtum. Hier werden diejenigen, welchen der Heilige Geist eine führende Stellung in der Gemeinde Gottes gegeben hat, zur Wachsamkeit über sich selbst ermahnt. Demnach sind auch für solche Männer noch Gefahren vorhanden. Auch sie sind nicht sicher vor Abwegen und Fehltritten. Schrift und Erfahrung bestätigen dies. Welch ein Triumph ist es für die Hölle, wenn ein leitender Bruder zu Fall kommt und in Sünde verstrickt wird. Ja auch Älteste und Gemeindeleiter, alle an der Spitze stehenden Brüder bedürfen der Mahnung: ,,Habt acht auf euch selbst" (2. Korinther 2, 11).

3. Paulus stellt den Satz: ,,Habt acht auf euch selbst" an die Spitze seiner Ermahnungen zu treuer Amtsführung. Erst an zweiter Stelle folgt die Aufforderung, über die Herde zu wachen. Was sagt uns diese Reihenfolge? Was bedeutet die Voranstellung des Achtens auf sich selbst? Sie ruft uns zu: Bei allen, die an andern arbeiten wollen, ist die eigene richtige Stellung und das persönliche Vorbild im Wandel das erste. was im Auge behalten werden muß. Erst dann kommt ihr übriges Wirken. Die Arbeit an sich selbst darf also nie über der Arbeit an anderen vergessen werden und zu kurz kommen. Nicht die Leistungen, nicht der Dienst der Knechte Jesu ist vor Gott die Hauptsache, sondern ihre Person, ihr eigenes inneres Wachstum, ihre persönliche Heiligung. Die eifrigste und vielseitigste Arbeit im Weinberg des Herrn kann zum abstoßenden Zerrbild werden, wenn der Wirkende sich in seinem Leben und Wandel allerlei Blößen gibt. Darum hat Hudson Taylor recht, als er einer Schar ausziehender Missionare als einzigen Rat zurief: ,,Nehmt euch Zeit, geheiligt zu werden".

Wenn wir auf uns selbst acht haben, so wird auch unser Wirken an der Herde nicht vergeblich sein. Wo wir aber uns selbst nicht in Zucht nehmen, so werden andere von uns nichts annehmen (Psalm 50, 16. 17; 1. Timotheus 4, 12; Titus 2, 7).

Unter allen Hinweisen für eine gesegnete Amtsführung soll die Mahnung: ,,Habt acht auf euch selbst" die erste Stelle behalten.



siehe auch Habt acht auf euch, wenn ihr Erfolg habt. -> Lukas 10, 17 - 20. Habt acht auf euch, wenn eine wichtige Arbeit glücklich vollendet ist. -> 1. Könige 13, 11 - 22. Habt acht auf euch, wenn euch die Welt Ehre erweist. -> 2. Könige 20, 12 - 19. Habt acht auf euch, wenn euer Name bekannt wird. -> 2. Chronika 26, 14 - 20. Habt acht auf euch, wenn euch besondere Gnade zuteil wird. -> Daniel 2, 19 - 23. Habt acht auf euch, wenn Gott andere Wege als bisher einschlägt. -> 4. Mose 20, 2 - 13. Habt acht auf euch, wenn ihr von anderen gereizt werdet. -> Psalm 106, 32. 33. Habt acht auf euch, wenn Glaubensproben kommen. -> 4. Mose 20, 2 - 13. Habt acht auf euch, wenn etwas Unangenehmes euch trifft. -> 1. Samuel 8, 5. Habt acht auf euch, daß ihr wahr bleibt. -> Galater 2, 11 - 14. Habt acht auf euch im Blick auf die besonderen Gefahren für ,,Älteste". -> 1. Petrus 5, 2. 3.





A.Christlieb Das Bischofsamt. Apostelgeschichte 20, 28.

1. Wer verleiht dieses Amt?

Es gibt weltliche Ämter, welche von menschlichen Behörden verliehen werden. Anders ist es mit diesem Amt. Wohl ist es möglich, daß man durch Schliche und Bemühungen einen Posten in Kirche oder Gemeinschaft erlangt. Aber ein wahrer Aufseher und Leiter der Gemeinde ist nur der, welcher vom heiligen Geist dazu gesetzt ist (1. Timotheus 3, 1 - 7; Psalm 84, 11).

2. Die Hauptpflicht eines Gemeindeleiters

besteht nicht in äußerer Verwaltungsarbeit, sondern im Weiden der Herde. Er hat die schöne Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die unsterblichen Seelen Nahrung bekommen, durch die sie innere Kraft erhalten, wachsen und zunehmen können. Er muß sie auf die Weide des göttlichen Wortes führen, sie mit dem herrlichen Inhalt der nie zu ergründenden heiligen Schrift tiefer bekanntmachen. Er hat nicht seine eigene Weisheit, sondern die göttliche Weisheit der Bibel zu predigen.

Wenn der Führer einer Gemeinde oder Gemeinschaft allerlei treibt, vielleicht soziale Notstände bekämpft, aber nicht wahrhaft auf die Weide des Wortes führt; wenn er keine Zeit hat, die Nahrungskräfte der Bibel für sich und andere hervorzuholen, so hat er seinen wichtigsten Beruf verfehlt. Wiederum, wenn er noch so schlicht und einfach ohne glänzende Begabung und hohe Beredsamkeit den Seelen die Gedanken, die im Wort Gottes liegen, klarmacht, so erfüllt er die ihm zustehende Aufgabe, auch wenn er gar nichts besonders in die Augen Fallendes leistet und vor der Welt keiner besonderen Ehre gewürdigt wird. (Johannes 21, 15 - 17; Sprüche 10, 21; Jeremia 3, 15; Hesekiel 34, 2 - 10).

3. Welches Recht bringt dieses Amt mit sich?

Nicht von äußeren Rechten ist hier die Rede, nicht von Gewändern, die man tragen oder von Rangstufen, die man in menschlicher Gesellschaft bekleiden darf. Wer nach solchen Dingen trachtet, der suche auf anderem Weg sein Ziel zu erreichen.

Und doch verleiht dies Amt ein hohes Recht. Das Recht der Aufsicht, des Achthabens auf andere wird hier klar ausgesprochen (,,Habt acht auf die ganze Herde"). Von einem Hirten, den Gott eingesetzt hat, der seine Pflicht des Weidens treu erfüllt, sollen sich die Christen auch eine Leitung und Aufsicht gern gefallen lassen (1. Thessalonicher 5, 12. 13). Sie sollen sich von einem solchen ermahnen, auf Fehler und Irrwege aufmerksam machen lassen, ihn als von Gott gesetzten Lehrer dankbar anerkennen.

Wer sein Wort verachtet, der verachtet eine in Gottes Wort gegründete Einrichtung und damit Gott selbst. Wer ihn dankbar anerkennt, der folgt damit dem Hirten und Bischof der Seelen im Himmel (Lukas 10, 16; Matthäus 10, 40).





S.Keller Apostelgesch. 20, 28: «So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde.»

Ja, wie verhalten sich diese zwei Ermahnungen zueinander? Wird nicht das Interesse geteilt, wenn man auf seine eigene Seele acht haben soll und zu gleicher Zeit auf die andern, unter die uns Gott gesetzt hat? Zugeben will ich, daß ich nicht immer diese Arbeitsteilung verstanden und noch weniger diese Mahnung erfüllt habe. Acht haben auf uns selbst ist so wichtig, daß wir das ohne Schaden an unserer Seele zu nehmen, doch gar nicht aufgeben dürfen. Der Herr gibt dir Stunden und Zeiten, wo es ganz klar sein Wille ist, daß du an andern arbeiten und für andere da sein sollst. Je treuer du für deine eigene Seele sorgtest, desto mehr wirst du nun andern helfen können, und je selbstloser du Gottes Willen an andern erfüllst, desto mehr Segen wird von dorther zurückfluten auf dich. Es gibt Krankheiten und Gefahren des eifrigen Arbeitens in Gottes Reich - gewiß, aber sind die Krankheiten und Gefahren des Müßiggangs nicht zehnmal größer! Einmal segnet der Herr meine stillen Stunden, daß ich da etwas finde, womit ich andern helfen kann, und dann wieder lohnt er mir meine Arbeit an andern durch einen Fortschritt oder eine Schenkung der Kraft, die ich allein nie erfahren hätte!

Herr, unser Gott, wir bitten dich, gib uns beides: offene Augen, auf uns selbst zu sehen, und treue Liebe in der Arbeit an andern. Laß mich nicht selbstsüchtig wachsen wollen für mich und segne mich durch das, was ich in deinem Namen an andern tun soll! Amen.

 

 

Apg 20,29 A.Christlieb Falsche Führer. Apostelgeschichte 20, 29.

Neben den wahren Hirten (Vers 28) sieht Paulus auch verderbliche Führer in der Gemeinde Christi voraus.

1. Wir sehen hier die p r o p h e t i s c h e G a b e des Apostels. Er hatte Gewißheit über das Eindringen jener Männer und sagte dasselbe mit voller Bestimmtheit voraus (,,Ich weiß, daß kommen werden"). Gott hat dann und wann in der Geschichte der Kirche einzelne seiner Knechte mit einem weit in die Zukunft hinaussehenden Blick begabt. Auch heute noch kann er dies tun. Schon Bodelschwingh, Schrenk und andere haben vorausgesagt, daß Gerichte über unser Volk nicht fern sein könnten. Die Stimmen solcher Männer, die unser Volk kannten und in Gottes Wort zu Hause waren, haben mit den Prophezeiungen leichtfertiger Schwärmer nichts zu tun.

2. Laßt uns die Zeit beachten, wann die verderblichen Führer auftreten. (,,Nach meinem Abschied"). Die Gemeinde Ephesus hatte durch Paulus' dreijährige Arbeit eine einzigartige Segenszeit erlebt, in der sie Gottes Wort aufs reichlichste gegenießen durfte. Nun soll diese Gemeinde, nachdem der Einfluß von Paulus aufhört, eine Zeit ganz besonderer Nöte und Schwierigkeiten durchmachen. So ist Gottes Weg vielfach. Auf Zeiten herrlicher Heimsuchung folgen Zeiten mannigfacher Verirrung und Drangsal, wo Spreu abfällt und Echtes offenbar wird, Wohl denen, die sich darauf gefaßt machen und beim Eintreten solcher Nöte nicht irre werden.

3. Die falschen Führer werden mit ,,greulichen Wölfen" verglichen, ,,die der Herde nicht verschonen werden". Sie sind genau das Gegenteil von einem wahren Hirten. Sie haben kein väterliches und mütterliches Herz für die Gläubigen (1. Thessalonicher 2, 7). Statt sie auf die Weide zu führen, haben sie ihre Freude daran, unbarmherzig auf sie loszuschlagen. Sie zerreißen dieselben gleichsam wie ein Wolf. Es fehlt ihnen die Durchdringung mit dem Lammessinn Jesu. Sie stehen wie einst Saulus in ihrer alten Raubtiernatur den Schafen Jesu gegenüber (Apostelgeschichte 9, 1).

Gott bewahre unsere Kirchen und Versammlungshäuser vor solch ,,greulichen Wölfen". (Johannes 10, 12; 3. Johannes 10; Jeremia 23, 1. 2; Hesekiel 34, 2. 10).

 

Apg 20,30 A.Christlieb Weiteres Licht über die falschen Führer. Apostelgeschichte 20, 30.

Laßt uns ihre Herkunft, ihre Lehre und ihr Ziel anschauen.

1. Sie kommen zum Teil aus den Reihen führender, gläubiger Christen. (,,Auch aus euch selbst werden aufstehen Männer.") Es konnte vorkommen, daß Männer eine Zeitlang so wandelten, daß man sie unter die Ältesten aufnahm, welche die Aufsicht führten. Nachher aber wurden sie vielleicht durch Hochmut und andere Sünden als ,,greuliche Wölfe" offenbar. Die frühere Zugehörigkeit zu einem Kreis gesegneter Brüder ist demnach nicht immer ein Beweis von der Echtheit eines Arbeiters im Reich Gottes. Man kann in solchem Kreis gelebt und gewirkt haben und dennoch kein Vertrauen verdienen. Woran kann man sie erkennen und womit entlarven? Das zeigen uns die zwei folgenden Kennzeichen.

2. S i e v e r l a s s e n d i e R i c h t s c h n u r d e s W o r t e s G o t t e s . Falsche Führer können unmöglich ganz bei dem geschriebenen Wort bleiben. Dieses läßt für solches Wolfswesen in der Gemeinde Jesu keinen Raum. Es straft und offenbart dasselbe vielmehr. Darum müssen sie von der einfältigen Lehre des Wortes Gottes abweichen. Sie ,,reden verkehrte Lehren". In dem Bleiben bei dem geschriebenen Wort, bei ,,der Lehre der Apostel" (Kap. 2, 42), liegt eine bewahrende Macht. Bei dem Abweichen von Gottes Wort gerät man in die furchtbarsten Irrungen. Welch eine Mahnung, sich unverbrüchlich fest an das Wort zu halten! (Psalm 119, 9. 104. 133. 165).

3. Ein zweites Hauptkennzeichen der falschen Führer ist das Ziel, welches sie verfolgen. Sie wollen ,,die Jünger an s i c h z i e h e n ". Wahre Hirten wollen die Seelen nur in Verbindung mit Jesus bringen und darin erhalten. Dies ist der einzige Zweck ihrer Arbeit (Johannes 1, 29; Apostelgeschichte 14, 14. 15). Die falschen Führer aber suchen etwas für sich selbst. Sie trachten nach Anhang. Sie legen es darauf an, daß sich die Gläubigen an ihre Person hängen (2. Samuel 15, 2 - 6).

Deshalb ,,wollen sie sich angenehm machen nach dem Fleisch" (Galater 6, 12), schmeicheln diesem und jenem, werden neidisch und eifersüchtig, wenn ein anderer Anerkennung findet und dergleichen.

Gott helfe, daß keiner von uns in den Reihen dieser Männer erfunden werde.

 

Apg 20,31 A.Christlieb Wie wappnet man sich gegen die hereinbrechenden Gefahren? Apostelgeschichte 20, 31.

Die Ältesten von Ephesus sollten durch die Schilderung der kommenden Gefahren nicht etwa mutlos und verzagt, sondern ,,wachsam" werden (,,Darum seid wach").

1. Der Ausblick auf große Schwierigkeiten kann leicht entmutigen. Niemals aber dürfen wir dem Volk Israel gleichen, welches durch die Kundschafter den Ernst der Lage erfuhr und allen Mut verlor (4. Mose 13, 27 - 14, 3). Wohl aber soll eine von Gottes Wort uns angekündigte Gefahr uns vor falscher Sicherheit und sorgloser Schläfrigkeit bewahren. Weil der Feind sich aufmachen wird, deshalb gilt es mit Eifer zu wachen und zu beten, daß seine Pläne zuschanden werden, wie bei Nehemias Mauerbau alle Anschläge der Gegner an der Wachsamkeit Nehemias scheiterten.

2. Wie kann man denn recht wachsam und wacker sein? Unser Text gibt uns ein Hilfsmittel zur Wachsamkeit an: ,,Denkt daran, daß ich nicht abgelassen ..." Fleißiges Gedenken an die treue Arbeit gesegneter Gottesmänner kann uns aufmuntern und wacker machen. Es gibt allerlei zerstreuendes Denken, welches schwächt. Aber solches Gedenken stärkt. Laßt uns recht denken an die Arbeit, welche Gott in unseren Gegenden durch bewährte Zeugen treiben ließ. Laßt uns ihr Bild oft vor uns stellen und dadurch angespornt werden. Vor allen Dingen laßt uns an den Einen gedenken, der drei Jahre als ,,Knecht des Herrn" (Jesaja 42. 19) auf dieser Erde wirkte und ,,nicht abließ, Tag und Nacht" für unser Heil geschäftig zu sein. Laßt uns diesen immer wieder vor unsere Seele stellen. So werden wir wacker.

3. Wenn die Ältesten das Auftreten jener ,,greulichen Wölfe" mit der selbstlosen Arbeit des Paulus verglichen, so war ihnen bald klar, welches die rechte und welches die falsche Arbeit war. Wollen wir Prüfgeist bekommen, so gilt es sich immer wieder in das Leben und die Arbeit solcher Männer zu versenken, die Gott als wahre Führer uns gesetzt und beglaubigt hat.

 

Apg 20,32 A.Christlieb Ein dreifacher Trost bei dem Scheiden des Führers Apostelgeschichte 20, 32.

liegt in diesem Abschiedswort, in dem er die Ältesten Gott anbefiehlt.

1. Wenn er auch weggeht, so bleibt doch der himmlische Führer, in dessen Hand er nun alle übergibt (,,Ich befehle euch Gott.") Das ist ein Trost für den Scheidenden und für die Zurückbleibenden. Menschen gehen und Menschenarbeit hört auf. Gott bleibt und seine Arbeit geht weiter. Gottes Werkzeuge mögen wohl fortgehen, aber das, was Gott durch sie gegeben hat, nämlich ,,Das Wort seiner Gnade", bleibt als unversiegbare Kraftquelle zurück. Bei allen drohenden Gefahren, die entmutigen könnten, bei aller Schwachheit der ,.Ältesten", schaut der Glaube auf den, ,,der da mächtig ist, zu erbauen".

2. Ihre Wege gehen jetzt auseinander und doch gehen sie einem gemeinsamen Ziel entgegen. Es ist ,,das Erbe", auf das er sie hinweist. Wenn Scheidende diesem Ziel gemeinsam entgegenwandern, so bleiben sie vereinigt. (Psalm 122, 3; Offenbarung 7, 9; 1. Petrus 1, 4).

3. Sie bleiben auch in einer bestimmten Gemeinschaft verbunden. Welches ist diese Gemeinschaft? Ist es eine äußere Organisation, die durch menschliche Statuten und Paragraphen vereinigt ist? Nein, eine viel höhere Verbindung umschließt sie. Es gibt eine Schar solcher dem Herrn geweihter Seelen, ,,die geheiligt sind" (wörtlich). Keine Blutsverwandtschaft und keine Interessenverbindung vereinigt so fest wie das Band das ,,unter allen, die geheiligt werden", besteht (Matth. 12, 48 - 50).

 

Apg 20,33 A.Christlieb Pauli Stellung zum Geld. Apostelgeschichte 20, 33.

1. Vom himmlischen Erbe, das alle Geheiligten bekommen (Vers 32 c), geht Paulus auf seine Stellung zum irdischen Besitz über. Wie l e h r r e i c h ist diese Zusammenstellung! Der Ausblick in himmlische Herrlichkeiten und die richtige Stellung zu Gold und Silber gehören für ein nüchternes Christentum zusammen. Die Hoffnung auf das ewige Erbe rückt die praktischen Geldfragen in die rechte Beleuchtung. Wie mancher würde sich in irdischen Vermögensangelegenheiten ganz anders benehmen, wenn sein Auge sich zuerst auf sein Erbteil dort oben richten würde. (1. Petrus 1, 4; Kolosser 1, 12). Wer dort oben ,,goldene Gassen und Perlentore" (Offenbarung 21, 10 - 21) erwartet, ist hier unten nicht mehr auf ,,Gold, Silber und Kleider" erpicht.

2. Paulus hätte ein Recht gehabt, anständige Vergütung seiner wahrlich nicht geringen Arbeit (Vers 19 - 21. 31) zu verlangen. Er selbst beweist solches Anrecht. (1. Korinther 9, 7 - 14). Aber er verzichtet darauf aus Liebe um des Evangeliums willen. Auch wir wollen nicht auf unser Recht pochen, besonders dann nicht, wenn es sich um persönliche Entschädigung handelt. Laßt uns vielmehr fragen, was der Sache des Herrn am meisten dient. Gott wird uns dabei nicht zu kurz kommen lassen und wird durch solches Verhalten viele Gegner des Evangeliums mundtot machen.

3. Paulus Dienst war eine Arbeit ohne jede Hintergedanken auf irdische Vorteile. Niemals hatte er solche Nebenhoffnungen wie jener Felix, der ,,daneben hoffte, es werde ihm Geld gegeben". (Kap. 24, 26). Wie leicht können solche Hintergedanken eine Reichsgottesarbeit beflecken und ihren Segen beeinträchtigen! (1. Thessalonicher 2, 5; 1. Samuel 12, 3)!





A.Christlieb Drei Fehler, die zu Vorzügen werden können. Apostelgeschichte 20, 33.

Es gibt drei Laster, die ein rechter Christ bekämpft, die aber zu Vorzügen werden können, wenn sie in der Weise des Paulus sich zeigen:

1. Verwerflich und unter allen Umständen zu bekämpfen ist der S t o l z , der verächtlich auf andere herabsieht. Aber einen anderen, heiligen Stolz möchten wir jedem Christen wünschen, der mit Tersteegen spricht: ,,Werft den Kindern dieser Erde ihren armen Tand zu Fuß". ,,Wir verlachen eure Sachen, stoßen weg, was ihr begehrt." Solchen Stolz zeigte Paulus, als er sprach: ,,Ich habe von niemandem Silber oder Gold oder Kleid begehrt". (2. Könige 5, 16; 1. Mose 14, 21 - 24).

2. Verwerflich ist die fleischliche S e l b s t ä n d i g - k e i t und U n a b h ä n g i g k e i t des natürlichen Menschen, die sich nicht in Verhältnisse fügen und unter andere Menschen stellen kann. Und doch gibt es eine Selbständigkeit und Unabhängigkeit, die ein wahrer Christ haben und zeigen darf: Wer in keiner Weise nach Silber, Gold und Geschenken trachtet, wer des Paulus Stellung zu irdischem Besitz teilt, der ist anderen gegenüber wahrhaft selbständig und unabhängig.

3. Verwerflich ist das R i c h t e n , welches immer wieder andere verdammt (Matthäus 7, 1; 1. Korinther 4, 5). Wer aber durch sein Beispiel und seinen Wandel die Welt richtet und verdammt, wie es schon Noah tat (Hebräer 11, 7), der übt ein gutes Richten. Das tat Paulus, indem er bei treuester Arbeit nie Nutzen für sich begehrte. Solches Beispiel richtet alle selbstsüchtige Arbeit viel mehr als Worte es können.





A.Christlieb Drei Gefahren, die Paulus durch seine Stellung zum Geld vermied. Apostelgeschichte 20, 33.

Indem Paulus während seiner Missionsarbeit nie nach Bereicherung schielte, vermied er eine große Gefahr, welche die Schrift uns unter allen drei Gleichnissen zeigt.

1. Er vermied einen ,, F a l l s t r i c k " (1. Timotheus 6, 9, wörtlich). Jäger legen für das Wild Netze und Fallstricke mit Lockspeise. Viele lassen sich betören und geraten in die Gefahr. Indem Paulus nie nach dem Besitz seiner Zuhörer trachtete, umging er diese gefährliche Falle und wurde bewahrt.

2. Der Reichtum legt denen, die nach ihm jagen, S k l a v e n k e t t e n an. Er macht die Menschen zu seinen Dienern (Matthäus 6, 24). Während sie den Reichtum zu haben glauben, hat der Reichtum der Welt sie. Paulus wehrte sich nicht, als man ihn bei seiner Gefangennahme in Ketten legte (Kap. 21, 33); aber niemals ließ er sich von Mammonsfesseln binden.

3. Der Reichtum ist auch ein B e t r ü g e r (Matthäus 13, 22). Er stellt allerlei Befriedigung und Glück in Aussicht und hält sein Versprechen nicht. Er betrügt seine Opfer, die ihm Vertrauen und Liebe entgegenbringen, wie der ärgste Schwindler. Wie wurden Achan (Josua 7, 21), Gehasi (2. Könige 5, 19), Judas (Matthäus 27, 5) und viele andere von ihm betrogen! Paulus ließ sich mit seinem göttlich erleuchteten Auge nicht in den Betrug des Reichtums hineinziehen.

Wir haben Mitleid mit einem Tier, das in einen Fallstrick gerät, mit einem Sklaven, der in Ketten geführt wird, und mit einem Menschen, der einem Schwindler zum Opfer fällt. Sollten wir nicht vielmehr mit unserer eigenen Seele Mitleid haben und die Gefahren des Reichtums vermeiden, wie Paulus tat! (Prediger 5, 9; 1. Timotheus 6, 6 - 10).

 

Apg 20,34 A.Christlieb Paulus als Handwerker.

II. Die Arbeit am Handwerk schadet der Missionsarbeit des Apostels nicht. Apostelgeschichte 20, 34.

Ein zweites Bedenken, welches sich beim Anblick des Zelte verfertigenden Paulus erheben könnte, ist dies: Leidet nicht die von Gott ihm befohlene Missionsarbeit darunter? Wird nicht dadurch seine Zeit und Kraft einem wichtigeren Dienst entzogen, der nötiger ist als jene mechanische Handarbeit?

Darauf ist zu antworten: Sicherlich gibt es heute viele Arbeiter im Reich Gottes, denen man zurufen müßte: Überlasse diese und jene äußere Arbeit einem anderen, der Gaben und Kräfte dazu hat. Du aber beschränke dich auf die dir zugewiesene Aufgabe und zersplittere dich nicht (Apostelgeschichte 6, 4; 2. Mose 18, 18 - 23).

Aber in diesem Fall lag die Sache anders. Die von Gott geleiteten Umstände machten die äußere Arbeit hier nötig. Sobald Paulus merkte, daß er durch Benutzung des freien Gastrechtes irgend jemand zur Last fallen konnte (und Paulus war zartfühlend genug, dies zu empfinden), so hatte er die Pflicht, für seinen Unterhalt selbst zu sorgen (2. Thessalonicher 3, 8). Wäre er jemand beschwerlich geworden, so wäre der Segen der Missionsarbeit dadurch gehindert worden (1. Thessalonicher 2, 9; 1. Korinther 9, 12 b). Das Reich Gottes, das Werk des Herrn hätte leiden können, wenn er jene Arbeit nicht tat. Deshalb trieb Paulus auch diese Anfertigung von Zelten als einen Gottesdienst genauso wie seine Ansprachen in den Synagogen oder die große Rede auf dem Areopag.

Hätte Paulus sich diese äußere Arbeit nach seiner eigenen Wahl ausgesucht, oder hätte er das Nebenziel seiner eigenen Bereicherung dabei verfolgt, dann freilich würde seine Missionsarbeit darunter gelitten haben (2. Timotheus 2, 4). Das war aber nicht der Fall. So durfte er getrost mit seinen Händen schaffen und die ihm frei bleibende Zeit zum Dienst an anderen Seelen verwenden. Seine Rede in Milet beweist, daß beiderlei Arbeit sich durchaus nicht ausschließt, sondern wohl vereinen läßt (Kap. 20, 18 - 35).



siehe auch I. Die Arbeit am Handwerk schadet der Würde des Apostels nicht. Apostelgeschichte 18, 3. III. Die Arbeit am Handwerk schadet dem Gebetsleben des Apostels nicht. Philipper 1, 3 - 5.





A.Christlieb Die persönlichen Einkünfte des Paulus. Apostelgeschichte 20, 34.

Es gibt Menschen, die für die Arbeit eines Gottesknechtes wenig Interesse haben, wohl aber für die Frage: Wovon lebt er? Welche Einnahmen bezieht er? Wer bei Paulus so fragt, kann in unserem Text eine Antwort erhalten. Es ist eine beschämende Antwort. Dreierlei wird uns hier über Paulus Einnahmen mitgeteilt.

1. Woher stammten die Einkünfte von Paulus?

Paulus bezog sein Geld weder von gutbemittelten Freunden, noch von den Heimatgemeinden Jerusalem oder Antiochien, sondern durch seine persönliche Arbeit als Zeltmacher (Luther: ,,Teppichweber", Kap. 18, 3). Er konnte auf seine Glieder zeigen und sagen: ,,Diese meine Hände haben mir gedient". Paulus war also nicht arbeitsscheu. Er hätte Gründe genug angeben können, wenn er diese Mühe hätte vermeiden wollen. Aber er schaffte mit seinen Händen, um niemand beschwerlich zu werden (1. Thessalonicher 2, 9), und um dem Evangelium kein Hindernis zu bereiten (1. Korinther 9, 12). Der Botschafter des himmlischen Königs schämte sich der Arbeitsschürze nicht!

Es sollte niemand auf äußere Arbeit verächtlich herabsehen. Sie entwürdigt den größten Gottesmann nicht. Ein echter Knecht Christi im Arbeitskittel ist vor Gott mehr als ein Mietling in herrlicher Amtstracht (1. Korinther 4, 12; 2. Thessalonicher 3, 8 - 10; 1. Korinther 9, 14. 15).

2. Wie verwandte Paulus seine Einkünfte?

Nicht zu einem bequemen oder üppigen Leben, nicht zum Ansammeln eines Reichtums verwandte Paulus seine Einnahmen. Er brauchte sie nur zu seiner N o t d u r f t . Dieser Ausdruck deutet darauf hin, daß er ein einfaches Leben führte. Er war kein Nabal, der sich ,,ein Mahl zurichtete wie eines Königs Mahl" (1. Samuel 25, 36). Er kleidete sich nicht wie der reiche Mann ,,in Purpur und köstliche Leinwand" (Lukas 16, 19). Was zur Nahrung und Kleidung not war (1. Timotheus 6, 8), auch solche Bücher, die für seinen Dienst nützlich waren (2. Timotheus 4, 13), beschaffte er sich. Aber auf viele Dinge, die nicht zur Notdurft gehörten, verzichtete er gern. Auch wir wollen noch besser lernen, die Einnahmen ,,zu unserer Notdurft" zu verwenden und alle Üppigkeit zu vermeiden.

Für einen Zweck aber hatte Paulus Geld übrig: Er übte Gastfreundschaft. Es weilten bei ihm oft kürzere oder längere Zeit Gehilfen am Evangelium. Mit ihnen teilte er gern sein einfaches Mahl, wie der Ausdruck ,,und derer, die mit mir gewesen sind" uns zeigt. Paulus war also nicht geizig. Er herbergte gern (Römer 12, 13). So wollen auch wir für uns selbst einfach leben, aber stets bereit sein, Liebe zu üben und gastfrei zu sein gegen die Brüder (Jesaja 16, 4; Hebräer 13, 1. 2; Sprüche 10, 16; 17, 1; 1. Petrus 4, 9; 2. Könige 4, 10; Hiob 31, 32; Matthäus 25, 35; Apostelgeschichte 28, 14).

3. Es hat immer wieder Leute gegeben, die keinem Menschen Einblick gewähren wollten in ihre persönlichen Einnahmen und Ausgaben. Dadurch entstand oft allerlei Mißtrauen. Bei Paulus war dies anders. Bei ihm lag kein geheimnisvolles Dunkel über dieser Frage. Den Ältesten war genau bekannt, wie Paulus das selbstverdiente Geld zu seinem Unterhalt verwandte. (,,Denn ihr wißt selbst".)

Laßt uns in Geldsachen so wandeln, daß ältere, erfahrene Christen jederzeit in unsere Einnahmen und Ausgaben Einblick erhalten dürfen, weil dieselben einwandfrei sind (Sprüche 16, 8; 15, 16).

 

Apg 20,35 A.Christlieb Geben ist seliger denn Nehmen. Apostelgeschichte 20, 35.

Dies köstliche Heilandswort kann vielen Christen über einen schwierigen Punkt hinweghelfen. Die heikle Stelle ist bei vielen das Geben. Unser natürlicher Sinn ist vielmehr auf das Nehmen gerichtet. Nehmen wollte der verlorene Sohn das ihm zustehende Teil der Güter (Lukas 15, 12). Nehmen wollte Gehasi, als er die Silberzentner Naemans sah (2. Könige 5, 19 - 21). Die Menschen gleichen alle von Natur den hungrigen Einwohnern Samarias nach dem Verschwinden des syrischen Belagerungsheeres: Alle strömten zu den Toren hinaus, um zu nehmen (2. Könige 7, 15 - 17).

Ganz anders sieht es mit dem Geben aus. Als die Leute von Sukkoth dem verfolgenden Gideon ,,etliche Brote" geben sollten, war ihre Vaterlandsliebe bald zu Ende. Sie hatten Bedenken und Ausflüchte (Richter 8, 4 - 9). Das Geben fiel ihnen offenbar schwer. Solche Gesinnung findet man nicht nur in Sukkoth. Sie steckt tief in unserem natürlichen Herzen. Als der reiche Nabal bei seiner Schafschur David eine Gabe geben sollte, glaubte er alles für seine eigenen Knechte nötig zu haben (1. Samuel 25, 11). Solcher Nabalsinn ist in unserer Brust. (Matthäus 19, 21; 1. Mose 31, 41; Apostelgeschichte 5, 1 ff.; 1. Timotheus 6, 10). Nun aber kommt Jesus und ändert unsern Sinn.

Bei w a h r e r S i n n e s ä n d e r u n g kommt ein ganz anderes Nehmen an die Stelle des alten. Man nimmt jetzt ,,Gnade um Gnade" (Johannes 1, 16). Man nimmt aus Gottes Wort und aus der Gemeinschaft mit Jüngern Jesu innere Kraft und himmlisches Licht. Dieses neue Nehmen verdrängt das alte. Es wird uns zum Bedürfnis und zur Freude, geben zu dürfen. Rechte Christen sind immer gebende und darum auch immer selige Leute. Auch wenn sie mit Petrus sprechen: ,,Silber und Gold habe ich nicht" (Kap. 3, 6), so gehören sie doch zu den ,,Armen, die viele reich machen" (2. Korinther 6, 10).

Pastor Engels hatte den Grundsatz: ,,Ich will keinen Tag vorübergehen lassen, wo ich nicht jemand eine Freude mache". Auf seinem Antlitz las man die Bestätigung des Wortes: ,,Geben ist seliger denn Nehmen". (5. Mose 15, 11; Jesaja 58, 7; Johannes 12, 3 - 8; Hebräer 13, 5. 16).

 

Apg 20,36 A.Christlieb Eine rechte Gebetsvereinigung. Apostelgeschichte 20, 36.

Welch ein köstlich Ding ist es um eine rechte Gebetsvereinigung! Hier ist eine solche. Wir freuen uns an den T e i l n e h m e r n , d e r F o r m u n d d e r Z e i t dieser Gebetsvereinigung.

1. Die T e i l n e h m e r sind Paulus und die Ältesten von Ephesus (,,Er betete mit ihnen allen"). Wo Gottes Arbeiter und Jesu Knechte zusammenkommen, da ist es ganz natürlich, daß sie miteinander das Angesicht Gottes suchen und vor dem Gnadenthron sich vereinigen. Wo dies als unnatürlich oder überspannt empfunden wird, da ist man nicht in Pauli Linien. Den Segen des gemeinsamen Gebetes soll sich kein Gläubiger, vornehmlich die Arbeiter im göttlichen Weinberg nicht, rauben lassen.

2. Die äußere F o r m war die des knienden Gebetes. Das Knien bedeutet demütige Unterwerfung. Sklaven fielen vor ihrem Herrn, Untertanen vor ihrem König nieder (1. Mose 42, 6; 43, 26. 28; 44, 14; 50, 18). Auch uns geziemt Gott gegenüber allezeit aufrichtige Beugung und Unterordnung. Wer die Gesinnung Abrahams (1. Mose 18, 27) und des Zöllners (Lukas 18, 13) hat, der beugt die ,,Knie seines Herzens". Dies ist die Hauptsache. Wo die Herzensknie durch rechte Sündenerkenntnis gebeugt sind, da pflegt das äußere Niederknien keine Schwierigkeit zu machen. Doch wollen wir aus der äußeren Form niemals ein Gesetz machen.

3. Z e i t p u n k t und Anlaß dieses Gebetes waren zunächst der Schluß der Rede von Paulus (,,Als er solches gesagt hatte"). Nachdem er die Ältesten ermahnt, betete er noch mit ihnen. Wie manche Ermahnung würde vielleicht noch tiefer eindringen und unvergeßlicher bleiben, wenn der Ermahnende auch mit dem Ermahnten noch beten würde (Johannes 17).

Endlich stand Paulus jetzt unmittelbar vor einem ernsten Abschied. In diesem feierlichen Augenblick beugte er die Knie und betete mit allen. So wollen auch wir gerade die besonders wichtigen und bedeutsamen Stunden unseres Lebens durch Gebet heiligen.

 

Apg 20,37 A.Christlieb Der Abschied von den Ältesten. Apostelgeschichte 20, 37. 38.

Die hier geschilderte Abschiedsszene läßt uns einen Blick tun in die Liebe jener Ältesten zu Paulus und ihre Anhänglichkeit an ihn. Aus zwei Gründen ist uns diese Liebe besonders beachtenswert.

1. Paulus hatte es nie darauf abgelegt, Anhänglichkeit an seine Person zu erzielen. Er gehörte nicht zu den Männern, welche ,,die Jünger an sich ziehen" wollten (Vers 30). Er eiferte nicht, wie die galatischen Irrlehrer um die Seelen, damit diese wieder um ihn eifern sollten (Galater 4, 17). Sein Trachten ging darauf, daß sie an Christus hingen (2. Korinther 11, 2). Und dieser Mann darf die Liebe und Anhänglichkeit, nach der er niemals getrachtet hat, in besonders reicher Weise erfahren. Er kam also bei seiner lauteren, selbstlosen Arbeitsweise nicht zu kurz. Gott schenkte ihm die Liebe und Zuneigung seiner geistlichen Kinder aufs herrlichste.

Daraus sehen wir: Gerade die selbstlosen und uneigennützigen Arbeiter im Reich Gottes, welche die Seelen von sich weg auf Jesus weisen, dürfen die tiefste und bleibende Liebe bei andern ernten. Wer es in Unlauterkeit darauf ablegt, Anhänglichkeit an sich selbst zu erzielen, mag wohl eine Zeitlang Erfolg haben, aber nicht dauernd, denn Gott wendet die Herzen seiner Kinder dem zu, der nur seine göttliche Ehre sucht und seine göttlichen Ziele verfolgt (Jesaja 42, 8; 48, 11).

2. Aber auch im Blick auf die Ältesten ist uns diese innige Liebe wichtig. Hätten jene Ältesten ihr eigenes Ansehen und ihre eigene Ehre im Auge gehabt, so wären sie sicherlich nicht so tief betrübt über den Abschied des Apostels gewesen. Denn so lange dieser in Ephesus (wenn auch nur hin und wieder) persönlich mitarbeitete und die von ihm gegründete Gemeinde leitete, traten sie vielmehr in den Hintergrund. Die Bedeutung des Apostels war so groß und sein Ansehen so mächtig, daß alle anderen gegen ihn zurücktraten. Wären diese Männer stolze Leute gewesen, so würden sie die Abreise des Apostels nicht beweint, sondern im Stillen ersehnt haben, weil sie von jetzt an eine viel größere Rolle spielten und ihr Wort nun maßgebend war. Ihre Tränen beweisen, daß sie nicht in die Art der Mirjam geraten waren, die auf Moses Ansehen neidisch wurde und es schmerzlich empfand, daß ganz Israel immer auf Moses Wort und nicht auf das ihrige hörte (4. Mose 12, 1. 2).

Laßt uns auch dieser Demut, die aus den Tränen der Ältesten herausleuchtet, nachfolgen.

 

Apg 20,38 A.Christlieb Paulus nimmt Abschied von den Ältesten der Gemeinde zu Ephesus. Apostelgeschichte 20, 37 - 21, 1 a.

Unser Text beschreibt eine ernste Trennungsstunde. Sie spielte sich am Strand der Hafenstadt Milet ab. Paulus mit seinen Reisegefährten nahm hier Abschied von den Ältesten der Gemeinde zu Ephesus, die ihn bis zum Schiff begleitet hatten. Die einzelnen Ausdrücke, die den Vorgang des Abschieds beschreiben (Vers 37 und 38), lassen uns die tiefe Gemütsbewegung der voneinander Scheidenden erkennen.

Der Ausdruck ,,von ihnen gewandt" wird in Menges Übersetzung deutlicher, in der es heißt: ,,Als wir uns dann von ihnen g e r i s s e n hatten". Die Trennung war also ein ,,Sichlosreißen". Wir merken es auch diesem Wort an, daß ihnen der Abschied nicht leicht wurde. Dies ist bei der innigen Verbindung, die sich zwischen Paulus und den Ältesten gebildet hatte, recht begreiflich. Von diesen Ältesten war wohl der größte Teil erst durch Paulus zum Glauben geführt worden, so daß sie ihm das Beste verdankten und in ihm ihren geistlichen Vater sahen. Alle hatten jedenfalls drei Jahre hindurch die Segnungen und Drangsale der besonderen Erweckungszeit in Ephesus mit Paulus zusammen durchlebt (Kap. 19, 1; 20, 31). Solche Zeiten und Erfahrungen verbinden sehr untereinander. Nun galt es, für immer Abschied zu nehmen (Kap. 20, 38).

Daß unter solchen Umständen, wo die Herzen so verbunden waren und keine Aussicht auf ein Wiedersehen vorhanden war, die Trennung ein ,,Sichlosreißen" war, verstehen wir gut. Auf solche Trennungen muß sich jedes Gotteskind gefaßt machen. Niemand braucht sich dabei des Schmerzes zu schämen, der hier auch bei den führenden Männern der ersten Christenheit zu sehen ist (Johannes 11, 33 - 35; 1. Samuel 30, 3 - 5; 2. Könige 8, 11 - 13).