Apostelgeschichte 17, 16-34 Bibelarbeiten und Andachten von A. Christlieb und Anderen

 

Aus: http://www.life-is-more.at/life/predigten/bibel_ap.php

 

Apg 17,17 A.Christlieb Heiliges Ergrimmen - sündlicher Zorn. Apostelgeschichte 17, 16. 17.

Erstes Kennzeichen: Das heilige Ergrimmen eifert nicht für das eigene, sondern für Gottes Interesse. (Johannes 2, 17).

Weil wir uns so leicht über uns selbst täuschen und unseren sündlichen Grimm für heiligen Zorn halten können, deshalb tut es dringend not, nach bestimmten biblischen Kennzeichen zu forschen, durch die man ein heiliges Ergrimmen von dem sündlichen Zorn unterscheiden kann.

Das erste Kennzeichen eines heiligen Ergrimmens besteht darin, daß es niemals für eigenes, persönliches, sondern nur für göttliches Interesse eifert. Wenn im Herzen des Paulus grimmige Gefühle aufgestiegen wären im Rückblick auf die neidischen Gegner, die ihn von Beröa vertrieben hatten, so wäre dies kein heiliger Zorn, sondern eine Anwandlung von Rachsucht gewesen. Oder wenn ihn der Unmut darüber erfaßt hätte, daß die sehnlichst erwartete Ankunft von Silas und Timotheus sich so lange verzögerte, so hätte dies Gefühl in der menschlichen Ungeduld seinen Ursprung gehabt. Oder wenn er einige Tage später darüber erregt worden wäre, daß man ihn auf offenem Marktplatz in Gegenwart anderer Leute einen Lotterbuben nannte, so wäre dies eher gekränkte Eigenliebe als göttlicher Zorn gewesen.

Aber Paulus ergrimmt weder über alte noch über neue persönliche Kränkungen, auch nicht über Geduldsproben, sondern über die große Zahl der Götzenaltäre, welche G o t t e s Ehre schädigten. Das war heiliger Grimm.

Wenn heute bei uns einer darüber ergrimmt, daß der Nachbar über seinen Acker fährt, oder ein anderer Böses über ihn plaudert und dergleichen, so können wir gewiß sein, daß dies solcher Zorn ist, von dem das Apostelwort gilt: ,,Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn sei ferne von euch" (Epheser 4, 31). Wenn aber ein bewährter Christ darüber entrüstet ist, daß von einflußreichen Personen unserem Heiland die Krone geraubt wird, die ihm gebührt, so ist solches Ergrimmen ganz anders zu bewerten. Wollen wir Nachfolger dessen sein, der in heiligem Grimm den Tempel reinigte, so laßt uns sorgfältig darauf acht haben, daß auch ,,der Eifer um s e i n Haus" und n i c h t d e r u m u n s e r e i g e n e s uns ,,fresse" und fortreiße.



Zweites Kennzeichen: Das heilige Erbarmen ist nicht mit Haß, sondern mit erbarmender Liebe verbunden. (2. Mose 32, 7 - 29).

Ein zweites Kennzeichen des heiligen Ergrimmens ist dieses, daß es nicht mit Haß gegen den Fehlenden, sondern mit erbarmender Liebe gegen ihn verbunden ist.

Das Beispiel von dem Ergrimmen des Mose bei dem goldenen Kalb kann uns dies besonders deutlich zeigen. Als dieser Knecht Gottes von dem Berg herabstieg und das Volk bei seiner Gesetzesübertretung in lustigem Tanz sah, erfaßte ihn ein heiliger Ingrimm (,,Er ergrimmte mit Zorn", V. 19), so daß er die Gesetzestafeln zerbrach, das Kalb mit Feuer zerschmolz und strenges Gericht übte.

Wollen wir diesen Grimm des Mose recht verstehen, und ist es uns darum zu tun, daß unser Ergrimmen über alle heutige Abgötterei so rein und heilig sei wie das seinige, so dürfen wir einen Zug in jener Geschichte nicht vergessen: Bevor Mose im Grimm das goldene Kalb zu Pulver zermalmte, hat er vorher auf einsamer Bergeshöhe zu Gott um Erbarmen für die verirrten Tänzer gefleht.

Mancher Grimm würde wohl anders aussehen oder gänzlich erlöschen, wenn solche Fürbitte einer Zornesäußerung vorausginge. Mose trat wohl zornig auf gegen die leichtfertigen und frechen Übertreter des göttlichen Gesetzes, aber sein innerster Herzensgrund war mit erbarmender Liebe zu diesem verirrten Volk erfüllt, wie auch die nachfolgende Fürbitte so herrlich zeigt (V. 32). Er haßte den Frevel, aber er suchte das Beste der Frevler.

So handelt der heilige Grimm. Er stammt von dem, der die Liebe ist und verleugnet diesen Ursprung nicht, wenn er echt ist. Auch Paulus hegte bei seinem Ergrimmen in Athen keinerlei Haß im Herzen, wie sein treues Bemühen um das Heil der Athener zur Genüge beweist.



Drittes Kennzeichen: Das heilige Ergrimmen raubt nie die ruhige Überlegung, sondern treibt zu weisem und besonnenem Handeln.

Noch ein drittes Kennzeichen des heiligen Ergrimmens soll uns beschäftigen. Man erkennt es an der Klarheit des Geistes, an der Ruhe, Besonnenheit und Weisheit der Handlungen, zu denen es antreibt.

Der falsche, sündliche Zorn macht die Menschen blind und unweise (Sprüche 29, 22). Wie töricht wollte doch David in seinem menschlichen Ingrimm gegen Nabal handeln (1. Samuel 25, 13 und 22)! Wieviel Fehler werden durch übereiltes Ergrimmen gemacht im Gebiet der Erziehung, der Seelsorge, des Strafens bei der Wortverkündigung und anderswo! Immer wieder erfährt man: ,,Das Gesetz richtet nur Zorn an" (Römer 4, 15).

Wie weise und besonnen handelt dagegen der in heiligen Ingrimm geratene Paulus zu Athen! Wäre sein Grimm ein fleischlicher gewesen, so hätte er vielleicht einige Götzenaltäre jener Stadt beschädigt oder zerstört. Aber wie er später in Ephesus ,,kein Lästerer der Göttin Diana" war (Apostelgeschichte 19, 37), so vermied er auch hier eine derartige Kampfesart gegen das Heidentum. Der Ingrimm des heiligen Geistes gab ihm die beste Waffe der klaren, besonnenen und entschiedenen Wortverkündigung in die Hand und auf die Lippen.

So laßt uns denn vorsichtig sein im Gebiet unserer Gefühlswallungen und sie nach Gottes Wort prüfen. Der Herr aber reinige unsere Herzen von jedem sündlichen Grimm und erfülle uns zur rechten Stunde mit dem göttlichen Feuer, das in Paulus beim Anblick der Götzenaltäre entbrannte.





A.Christlieb Nutzbringende Wartezeit. Apostelgeschichte 17, 16 und 17.

I.

Paulus sammelt in der Wartezeit Kenntnisse, die dem Bau des Reiches Gottes zugute kommen.

Im Leben der einzelnen Christen kommen bisweilen Zeiten und Umstände vor, wo man in besonderer Weise auf Warten angewiesen ist. Wenn man in der Fremde durch Verkehrsstörungen nicht weiterreisen oder in der Heimat wegen der Witterung seinem Beruf nicht nachkommen kann, wenn man durch einen allgemeinen Streik gezwungen ist, mit seiner Arbeit aufzuhören, so muß man auf den Zeitpunkt warten, wo sich diese Umstände ändern.

Da kann für manche die Frage entstehen: Was fange ich mit dieser Wartezeit an?

Viele sind mit der Beantwortung dieser Frage schnell fertig. Sie verträumen oder vertrödeln solche Stunden oder Tage auf allerlei Weise, wenn sie nicht gar dieselben noch schlimmer verwerten.

Wie aber beantwortet ein Nachfolger Jesu diese Frage? Er glaubt doch in allen Lagen an eine göttliche Vorsehung. Kein Zuganschluß geht verloren, keine Arbeitsmöglichkeit wird ihm genommen ohne den Willen seines himmlischen Vaters. Er nimmt also auch im Gegensatz zur ungläubigen Welt solche oft recht unangenehm oder langweilig erscheinende Wartezeit aus Gottes Hand an und prüft nach der Schrift, wie solche nutzbringend angewandt werden kann.

Des Paulus Aufenthalt in Athen kann uns eine Antwort auf diese Frage geben. Dort sahen wir den Apostel ebenfalls warten. Er wartet auf seine beiden Mitarbeiter Silas und Timotheus. Offenbar wollte er ursprünglich seine Missionsarbeit erst nach deren Ankunft beginnen. Was machte er nun in der Zwischenzeit, ,,da er zu Athen wartete"? Er vertrieb sich die Zeit nicht durch ziel- und zweckloses Umherwandern. Er zerstreute sich nicht durch unnützes Besehen von allen möglichen äußeren Sachen, deren es in Athen genug gab. Vielmehr sehen wir ihn, wie er aufmerksam die mannigfachen Altäre betrachtet, ihre Inschrift liest und auf diese Weise Kenntnisse sammelt, die nicht nur der Vermehrung seiner allgemeinen Welt- und Menschenkenntnis, sondern ganz besonders der darauf folgenden Arbeit im Reiche Gottes dienen.

Auch wir können oft durch aufmerksames Beobachten und nützliches Lesen eine Wartezeit fruchtbringend ausfüllen. (Vergleiche Epheser 5, 16).

II.

Paulus gab in der Wartezeit solchen Gedanken im Herzen Raum, die dem Bau des Reiches Gottes zugute kamen.

Welch falsche und verkehrte Gedanken und Gemütsbewegungen dringen oft gerade in Wartezeiten in unser Inneres ein! Bald reißt uns die Ungeduld mit sich fort, die nicht warten kann, bis das Erwartete endlich eintrifft; bald faßt uns der Ärger über die, welche vielleicht die Wartezeit verschuldet haben.

Wie manche Gefahr des Mißmutes, des Neides oder der Lüsternheit entsteht auch dadurch, daß man in solcher Zeit mehr als sonst in der Umgebung Beobachtungen anstellt. Wir nehmen oft gerade im Umherblicken unbewußt allerlei schlimme Einflüsse in unser Seelenleben auf, die schlecht wieder zu vertreiben sind.

Auch das Gedanken- und Gemütsleben des wartenden Paulus war vielen Versuchungen ausgesetzt. Der Rückblick auf die bisherigen Erfolge konnte hochmütige Gefühle in ihm wecken; der Gedanke an seine Verfolger konnte den Sorgengeist wachrufen; der Anblick der Hindernisse für das Reich Gottes legte ihm die Verzagtheit nahe, und die Begegnungen mit geachteten Philosophen konnten ihn neidisch machen, wenn er ihr Ansehen mit seiner eigenen Verachtung verglich.

Hätte er solchen Gedanken Raum gegeben, so würden diese ihn innerlich geschwächt und zur Arbeit für Gott untüchtig gemacht haben. Aber stattdessen öffnete er sein Herz für jene göttliche Betrübnis und heilige Entrüstung über all die Gottentfremdung, die er vorfand. Das gereichte seiner Missionsarbeit zur Förderung.

Laßt uns gerade in Wartezeiten über unser Gemüts- und Gedankenleben wachen und beten, daß wir nicht geschwächt, sondern gestärkt werden für den wichtigsten Dienst, der unsere Aufgabe bildet. (Matthäus 26, 41; Psalm 119, 148; Jeremia 4, 14).

III.

Paulus knüpfte solche Gespräche an, die dem Bau des Reiches Gottes zugute kamen.

Nicht nur durch Sammeln nützlicher Kenntnisse und durch das Bewegen guter Gedanken, sondern auch durch richtige Gespräche und Unterhaltungen hat Paulus die Wartezeit in Athen trefflich ausgenutzt. Er redete mit Juden und Griechen vom Heiland (vergleiche Vers 18 b).

Wie lieblich solche Ausnutzung einer Wartezeit ist, dafür ein Beispiel: Dem heimgegangenen Missionar Nommensen war einst auf der Heimreise nach Europa ein Schiff fortgefahren, das er benutzen wollte. Er sah eine unangenehme Wartezeit am Hafen vor sich und erwog, wie er sie auskaufen solle. Da fiel ihm ein, daß nach einer Zeitungsmeldung dort eine schlimme Mordtat vorgekommen war und der Mörder an diesem Ort seiner Hinrichtung entgegensehe. Er beschloß, diese Wartezeit zu einem Besuch bei diesem Mörder zu benutzen und mit ihm von Jesus zu reden. Als er die Erlaubnis hierzu erlangt hatte, ging er zu diesem Mann, der zwar anfangs völlig unzugänglich schien, aber allmählich dem Einfluß Nommensens und dem des guten Hirten sich erschloß und zu einer wirklichen Herzenserneuerung kam. Die Gespräche mit diesem Mörder waren die beste Ausnutzung einer Wartezeit am Hafenplatz. Dort erfüllte sich in lieblicher Weise das Wort: ,,Des Gerechten Mund ist ein Brunnen des Lebens" (Sprüche 10, 11). (Vergleiche Kolosser 4, 6; Sprüche 16, 24).





A.Christlieb Drei Zuhörerkreise des Paulus in Athen. Apostelgeschichte 17, 17 - 21.

Der erste, engste Zuhörerkreis: Die Besucher der Judenschule. Wenn wir die Arbeit des Paulus in Athen überblicken, so finden wir, daß er dort drei Zuhörerkreisen mit dem Wort Gottes dienen durfte. Der erste und engste Kreis war zunächst die in der Synagoge (,,Judenschule") versammelte Zuhörerschar, aus Juden und Proselyten (Anhängern des jüdischen Gottesdienstes aus dem Heidentum) bestehend. Dort begann Paulus, wie auch früher, mit seiner Arbeit zuerst.

Diese stets wiederholte Anknüpfung an den Gottesdienst seines Volkes ruft uns aufs neue zu: Laßt uns doch ohne klare göttliche Leitung niemals ein Band lösen, das Gott uns durch unsere Lebensführung in die Hand gegeben hat. Immer wieder gelingt es dem Feind, da und dort eine Seele in dieser Hinsicht aus den göttlichen Linien heraus auf ein unfruchtbares Seitengeleis zu bringen. Üble Erfahrungen und persönlich erlittene Kränkungen bilden oft die Ursache, weshalb mancher dem Kreise den Rücken kehrt, in den Gott ihn hineingestellt hat.

Wenn solche Gründe dem Apostel maßgebend gewesen wären, so hätte er schon längst keine Judenschule mehr betreten. Aber ihn leitete weder eine gekränkte Empfindlichkeit, noch ein nachtragender Zorn, sondern die Liebe Christi. Ehe der Herr ihn aus der Synagoge herausführte oder seine Landsleute ihn aus derselben ausstießen, tat er selbst keinen Schritt, dieses Band zu zerreißen. (Vergleiche Sprüche 14, 29; Hebräer 10, 36).

Der zweite, weitere Zuhörerkreis: Die sich herzufanden auf dem Markt.

Die Tätigkeit des Paulus in Athen beschränkte sich aber nicht auf die Besucher der Judenschule. Sein Missionseifer trieb ihn auch zur Arbeit auf dem Marktplatz.

Hier haben wir den zweiten, weiteren Zuhörerkreis des Apostels. Er bestand aus denen, ,,die sich herzufanden auf dem Markt". Mit diesen knüpfte er Gespräche an, die auf das Eine, was not ist, hinausliefen, auf das Evangelium vom Sünderheiland.

Diese Arbeit des Paulus auf dem Marktplatz beweist uns die Treue und den Eifer des Apostels, der jede Gelegenheit wahrnahm, um das Wort Gottes auszubreiten. An Sabbattagen und Werktagen, an gottesdienstlichen Plätzen und auf dem Marktplatz verfolgt er sein Ziel, Seelen für das Lamm zu werben. Der täglich auf dem Markt redende Paulus erinnert uns an das Wort: ,,Handelt, bis daß ich komme" (Lukas 19, 13; vergleiche Johannes 9, 4).

Wenn Paulus die Athener, mit denen er auf dem Markt zusammentraf, für das Himmelreich zu gewinnen suchte, so dürfen wir dieses Ziel bei denen, die Gott uns da oder dort zuführt, ebenfalls im Auge behalten. Sollten wir bei solchem Bemühen auch einmal Spott ernten, so brauchen wir davor nicht zu erschrecken. Dann sind wir in der Gesellschaft dessen, der sich bei seinen Gesprächen über Jesus einst Lotterbube nennen ließ.

Der dritte und weiteste Zuhörerkreis: Die große Versammlung auf dem Areopag.

Von den beiden ersten, verhältnismäßig eng begrenzten Zuhörerkreisen wurde Paulus weiter in eine große Versammlung auf dem berühmtesten Platz Athens geführt. Wir sehen ihn auf dem Areopag zum Volk reden, wo hoch und niedrig, arm und reich, Einheimische und Ausländer seinem Worte lauschen. Das war der dritte und weiteste Zuhörerkreis.

Paulus hatte sich nicht selbst dazu gedrängt und darum bemüht, an diesem Ort, wo sonst große Staatsmänner und Gelehrte ihre Vorträge hielten, reden zu dürfen. Er hatte still seine von Gott ihm gegebene Kleinarbeit unter mancherlei Spott und Verachtung getrieben und kaum daran gedacht, daß er an diesem Platz von Christus zeugen dürfen werde. Als aber seine Zuhörer auf dem Marktplatz diesen öffentlichen Vortrag auf dem Richtplatz veranlaßten und Paulus zu einer öffentlichen Darlegung seiner Lehre drängten, hat er sich nicht geweigert, sondern ging darauf ein.

Was sagt uns dieser dritte, weiteste Zuhörerkreis des Apostels in Athen? Er sagt uns: Gott kann seinen Knechten Bahn machen für das Zeugnis von Christus. Er kann die Herzen lenken und Wege ebnen, daß viele unter den Schall seines Wortes kommen und das Himmelreichsnetz weit ausgeworfen wird (Offenbarung 3, 8).

 

Apg 17,18 A.Christlieb Drei Bildungsstufen in Athen. Apostelgeschichte 17, 18. 22. 28.

Die Stadt Athen war zur Zeit des Paulus eine Stätte hoher Bildung. Man würde sie heute Universitätsstadt nennen. Die vornehmen Römer schickten ihre Söhne zur feineren Ausbildung in Kunst und Wissenschaft dorthin.

Auch in unserem Text merken wir etwas von dieser höheren Bildung. Paulus kommt in Berührung mit Anhängern verschiedener philosophischer Schulen, die sich mit ihm ins Gespräch einlassen. Dies Zusammentreffen interessiert uns. Wir beobachten es näher und lauschen den Worten, die wir dabei vernehmen.

I.

Die niedrigste Bildungsstufe der hochmütigen Spötter. Indem wir dies tun, treten uns drei Bildungsstufen entgegen. Die niedrigste Bildungsstufe sehen wir in den Philosophen, welche in ihrem Hochmut Paulus als einen ,,Lotterbuben" verspotten. Diese sich sehr ungebildet benehmenden Gelehrten glaubten auf Grund ihrer Bildung gleichsam vom hohen Roß auf Paulus heruntersehen und ihn ihre Verachtung fühlen lassen zu dürfen. Dabei haben sie ihn überhaupt nicht verstanden. Paulus war durchaus kein Mann, der Brocken fremder Weisheit unverstanden nachschwätzte und zum besten gab, wie das Schimpfwort (,,Saatkrähe" wörtlich) bedeutete. Er brachte originale (ursprüngliche), eigene Gedanken, die sein innerster Besitz waren. Nicht bei ihm, sondern bei seinen Spöttern war die Unklarheit und das leere Geschwätz. Sie verurteilten das, was sie nicht kannten, als ob es außer ihrer Philosophie nichts Vernünftiges auf der Welt gäbe. Ihr Urteil über Paulus zeichnet sich durch Oberflächlichkeit und Hochmut aus. Ihr Bildungsstolz hat sie verblendet. Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden (Römer 1, 22).

Vom Hochmut pflegt niemals etwas Gutes zu kommen, auch nicht an wahrer Bildung. Welch ein trauriges Denkmal setzten sich diese stolzen Spötter bei ihrer Begegnung mit Paulus! Wie sie ihn verachteten, werden sie nun wieder verachtet. Ihren Namen kennt niemand, ihre Philosophie ist veraltet. Aber der Name des vermeintlichen Lotterbuben und seine Weisheit glänzt jetzt noch und wird bis in die Ewigkeit leuchten.

Wohl denen, die sich durch die Scheinbildung des Hochmuts niemals verblenden lassen. Wehe aber den Nachfolgern jener athenischen Spötter, die das wahre Christentum verurteilen, ohne es in Wahrheit verstanden zu haben (Psalm 119, 51).

II.

Die höhere Bildungsstufe der vorsichtiger Urteilenden. Eine etwas höhere Bildungsstufe dürfen wir wohl in der zweiten Gruppe von Philosophen erkennen, welche sagten: ,,Es sieht aus, als wollte er neue Götter verkündigen". Schauen wir diese Gruppe etwas näher an.

Sie merkten offenbar aus dem Gehörten, daß Paulus eine andere Anschauung über Gott und göttliche Dinge habe als die Athener. In diesem Empfinden lag etwas Richtiges. Wie stellten sie sich nun zu dem, was Paulus lehrte? Sie stimmten ihm zwar durchaus nicht zu. (Es ist sogar möglich, daß eine Beimischung von Spott in ihren Worten lag.) Aber dennoch ist ihr Urteil über Paulus wenigstens vorsichtiger, zurückhaltender und maßvoller als das der ersten. Jene Spötter bekundeten mit ihrem höhnischen Sich-abwenden von Paulus, daß sie mit ihrem Urteil über ihn fertig waren. Sie erklärten mit Bestimmtheit: Das ist ein Schwätzer (,,Lotterbube"). Diese aber waren behutsamer. Sie sprachen ihre Ansicht nur als Vermutung aus. (,,Es sieht so aus", oder es scheint so, ,,als wollte er"). Sie gaben sich also nicht den Anschein, als ob sie die Gedanken des Paulus schon so genau durchschaut und so gründlich verstanden hätten, daß sie über Richtigkeit oder Unrichtigkeit derselben endgültig urteilen könnten. Sie zeigen etwas mehr Bescheidenheit als die ersten. Sie waren der Wahrheit wesentlich näher gekommen als jene.

Auch heute noch pflegt man richtigeres Urteil, tieferes Verständnis und echte Bildung bei ihnen zu finden, die behutsamer, vorsichtiger und bescheidener im Urteil sind, als bei solchen, welche schnell und leichtfertig den Stab über andere brechen und wegwerfend urteilen (Sprüche 15, 14).

III.

Die höchste Bildungsstufe des Paulus. (Psalm 119, 98 - 100).

Die höchste Bildungsstufe sehen wir bei Paulus. Er war äußerlich und innerlich wahrhaft gebildet. Zuerst in äußeren Kenntnissen. Man hätte erwarten können. daß er der griechischen Weltweisheit ganz fremd gegenübergestanden hätte.

Aber das war nicht der Fall. Sein Eingehen auf die wichtigsten Fragen ihrer Philosophie (Ursprung und Ziel des Menschen), seine Erwähnung hervorragender griechischer Dichter in seinem Vortrag (V. 28) beweisen, daß er auch auf diesem Gebiet wohl bewandert war. Aber seine wichtigste Bildung bestand nicht in der Kenntnis griechischer Gelehrsamkeit. Sie ruhte in der Kenntnis dessen, der allein Herz, Gemüt und Geist recht bilden kann. Äußerlich gebildet war Paulus schon als Christenverfolger (Apostelgeschichte 22, 3). Seine beste Bildung aber fing in Damaskus an. Als all seine eigene Weisheit zusammenbrach, als er dort sein eigenes Herz recht kennen lernte und mit Jesus bekannt wurde; als er in sein Bild umgestaltet wurde und seine Demut und Sanftmut bekam, da wurde er in höchstem Sinn gebildet.

Wahre Jünger Jesu können in äußeren Dingen nicht immer die höchste Bildung empfangen. Aber die höchste Bildung in göttlicher Schule darf jeder genießen. Durch sie findet dann auch etwaige äußere Bildung ihre richtige Stellung und Bewertung.

 

Apg 17,21 A.Christlieb Drei Hindernisse für das Evangelium in Athen. Apostelgeschichte 17, 13. 18. 21. 32 a.

Die Missionsarbeit des Paulus brachte in Athen nicht in dem Maße Frucht wie an manchen anderen Orten. Während in Thessalonich ,,eine große Menge" (Vers 4) und in Beröa ,,viele" (Vers 12) zum Glauben kamen, waren es in Athen nur ,,etliche" (Vers 34).

Woran lag das? Sicherlich nicht an Paulus! Sein Wirken und Zeugen war hier nicht schlechter als anderswo. Aber das geistliche Ackerfeld war nicht dasselbe.

Unser Text läßt uns drei Hindernisse erkennen, die gerade in Athen dem Wort Gottes in besonderer Weise im Wege standen.

Erstes Hindernis: Der falsche Gottesdienst. Die Stadt Athen übertraf viele andere Orte an religiösem Eifer. Prächtige Tempel und Altäre, Meisterstücke der schönsten Baukunst zierten die Stadt. Aber gerade diese äußerlich herrliche und prunkvolle Verehrung der Gottheit mußte die Herzen von der wahren Gottesgemeinschaft abziehen. Diese arme Stadt! Sie war voll von ,,Religion", und gerade deshalb konnte die rechte und wahre Religion bei ihr besonders schwer Eingang finden.

Gibt es nicht bisweilen mitten in der Christenheit Orte und Herzen, wo es ähnlich aussieht? (Vergleiche Galater 4, 8; Römer 10, 2; Jeremia 8, 5 b).

Das zweite Hindernis: Die fleischliche Weisheit. (Vergleiche: 1. Korinther 1, 20 - 23; 3, 18 - 20).

Ein zweites Hindernis, das gerade in Athen dem Wort Gottes im Weg stand, war die eigene Klugheit oder fleischliche Weisheit. Athen war ja die Bildungsstätte für die halbe Welt. Die Athener waren stolz auf diesen Ruhm. Aber gerade diese fleischliche Weisheit bildete ein Hindernis für die göttliche, ,,törichte" Predigt vom Kreuz Christi. Die Weisheit dieser Welt begriff Gott in seiner Weisheit nicht (1. Korinther 1, 20 - 23).

Auch heute noch kann es vorkommen, daß die sogenannten ,,gebildeten" Kreise" dem Evangelium mehr fern bleiben als andere. Wenn das Wissen ,,aufbläht" (1. Korinther 8, 1), wenn es stolz macht, so daß man herabsieht auf alle, welche nicht die gleiche äußere Bildung erlangt haben, dann fügt Gottes Weisheit es so, daß solche ,,Kluge" in der wichtigsten Klugheit dahinten bleiben und zuschanden werden. Denn er widersteht den Hoffärtigen (1 Petrus 5, 5). ,,Er erhascht die Weisen in ihrer Klugheit" (1. Korinther 3, 18 bis 20). Das war in Athen der Fall und kann auch heute noch vorkommen.

Drittes Hindernis: Die geistige Genußsucht.

Das dritte Hindernis in Athen war die geistige Genußsucht. Auf dem Platz, wo Paulus seine Rede hielt, hatten schon manche Volksversammlungen stattgefunden. Bedeutende Staatsmänner und berühmte Gelehrte hatten dort Reden an das Volk gehalten. Die Athener waren also gewohnt, daß ihnen hier etwas Besonderes geboten wurde. Wie sie früher gern Redner von Ruf und Begabung gehört hatten, so dachten sie auch jetzt beim Auftreten des Paulus einen ähnlichen geistigen Genuß zu bekommen und ,,etwas Neues zu hören". Die mannigfache innere Kost hatte ihnen einen etwas verwöhnten Gaumen gegeben. Dieser wollte auch jetzt wieder befriedigt werden.

Wie einst Hesekiels Wort von vielen nur als Ohrenschmaus benutzt wurden (Hesekiel 33, 30 - 33), so erging es der Predigt des Paulus in Athen auch. Es mochte manchem interessant sein, diesen neuen Lehrer mit den bisher gehörten Rednern zu vergleichen. Ihre Neugier war eine feinere Genußsucht. Diese geistige Genußsucht steht in scharfem Gegensatz zur Heilsbegierde und bildete das dritte Hindernis für den Segen des Evangeliums in Athen.

Gegen diese Gefahr, wählerisch zu sein und ein Feinschmecker zu werden, wollen auch wir ein wachsames Auge behalten. Sie liegt dort besonders nahe, wo in der Wortverkündigung Hervorragendes und Mannigfaltiges geboten wird. Nicht wie die Athener wollen wir dem Worte Gottes zuhören, sondern wie die Hausgemeinde des Kornelius (,,Nun sind wir alle hier gegenwärtig vor Gott, zu hören alles, was dir v o n G o t t befohlen ist" (Apostelgeschichte 10, 33).

Nicht Genuß, sondern Kraft und Segen wollen wir suchen.

 

Apg 17,22 A.Christlieb Die Verbindung von Schlangenklugheit und Taubeneinfalt in der Predigt des Paulus. Apostelgeschichte 17, 22 - 31.

I.

Schlangenklugheit und Taubeneinfalt in der Einleitung der Rede.

In der Predigt des Apostels Paulus in Athen findet sich eine wunderbare Verbindung von Schlangenklugheit und Taubeneinfalt (Matthäus 10, 16). Dies beweist schon der erste Satz seiner Rede. In demselben ruft er den Athenern ein freundliches Wort zu, das zu einer Brücke zwischen ihm und den Zuhörern werden konnte. Er sagt: ,,Ihr Männer von Athen, ich sehe an allem, daß ihr mehr als andere auf die Verehrung der Götter gebt!" (Wörtliche Übersetzung.) Paulus erkennt an, daß die Athener sich um die Gottheit bekümmerten.

Diese Tatsache, daß sie in ihrer Art ein religiöses Interesse bekunden, nutzt er als Anknüpfungspunkt und verschafft sich dadurch Eingang in die Herzen. Das war Schlangenklugheit.

Mit ihr verband er aber die rechte Lauterkeit und Taubeneinfalt. Denn das freundliche Entgegenkommen seines ersten Satzes ging nur soweit, als die Wahrhaftigkeit es zuließ. Daß die Athener sich um die Verehrung der Gottheit bemühten, war Wahrheit. Damit sagte er nicht zuviel. Hätte er aber die Art und Weise, wie sie die Gottheit verehrten, irgendwie anerkannt, so wäre er nicht in der Wahrheit geblieben. Aber er beschränkte sich auf die Erwähnung des vorhandenen religiösen Eifers, ohne ihn weiter zu beurteilen. Dieses durch und durch lautere Einhalten der Wahrheitsgrenze beweist die Taubeneinfalt.

Wie leicht kann es vorkommen, daß ein Redner in der Absicht, die Hörer zu gewinnen, schmeichelhafte Worte gebraucht, die über die zarten Grenzen der inneren Wahrhaftigkeit hinausgehen. Damit verläßt er den Boden der Taubeneinfalt, die nicht minder wichtig ist als die Schlangenklugheit. (Philipper 4, 8; 2. Korinther 7, 14 b).

II.

Schlangenklugheit und Taubeneinfalt in dem Thema der Rede. Als Paulus zur Darlegung seiner ,,neuen Lehre" (Vers 19) auf den Areopag geführt wurde, befand er sich in einer heiklen Lage. Die Verkündigung neuer Gottheiten war in Athen durch ein Gesetz verboten. Was sollte er da tun? Brachte er ohne weiteres die Lehre des Evangeliums, so übertrat er jenes Gesetz. Verschwieg er dieselbe, so war er unwahr, und die göttliche Botschaft blieb unausgerichtet.

Hier war Schlangenklugheit nötig. Dies bewies Paulus durch die Anknüpfung an die Inschrift des Altars. Diese bot ihm einen Ausweg aus seiner Schwierigkeit. Indem Paulus diese Inschrift zum Thema seiner Rede machte, sagte er gleichsam: Ich möchte einer bei euch bereits vorhandenen und ausgeübten Gottesverehrung zur nötigen Klarheit verhelfen. ,,Ich verkündige euch den Gott, dem ihr bereits unwissend Gottesdienst tut". So war Paulus gegen eine etwaige Beschuldigung einer Gesetzesübertretung gedeckt. Obwohl der wahre Gott, den er verkündigte, nichts mit den Göttern Griechenlands zu tun hatte, obwohl er im Grunde doch eine andere Gottheit verkündigte, so war doch die Form, in der er es tat, so weise gewählt, daß man ihn nicht fassen konnte.

Der Apostel war aber in der Aufstellung dieses Themas nicht nur sehr klug, sondern auch durch und durch wahr. Es war nicht ein Scheinthema, das er nur zur eigenen Sicherheit als Aushängeschild benutzte. Es war sein wirkliches Thema, das er durchführte, so daß alle Philosophen Athens ihm nicht den Vorwurf innerer Unwahrhaftigkeit machen konnten. Er verkündigte in Wahrheit den auf dem Altar gemeinten, unbekannten Gott.

So verband er in der Wahl dieses Themas unter göttlicher Leitung die Schlangenklugheit mit der Taubeneinfalt (Matthäus 10, 19; 1. Samuel 18, 14).

III.

Schlangenklugheit und Taubeneinfalt in der Durchführung der Rede.

Auch in der weiteren Rede zeigt sich diese Verbindung. Er paßte sich einerseits den Athenern ganz an. Er wurde gleichsam den Athenern ein Athener, den Philosophen ein Philosoph (1. Korinther 9, 19 - 22). Ihrem Forschen nach richtiger Weltanschauung kam er entgegen und wies es in die richtige Bahn. In dieser Anpassung bewies er eine gottgewollte Schlangenklugheit.

Aber auch die andere Eigenschaft vergaß er nicht. Wie leicht kann es vorkommen, daß ein Redner sich deshalb seinen Zuhörern anpaßt, weil er Ehre und Anerkennung bei ihnen sucht. Auch Paulus hätte auf dem Areopag nach dem Beifall der Menge trachten können. Die Versuchung lag nahe. Aber er blieb vor dieser Versuchung bewahrt durch die lauterste Einfalt. Mochten andere Redner auf diesem Platz es darauf ablegen, daß der ganze Richtplatz vom Beifall der Volksmasse wiederhallte. Er blieb bei seinem gottgewollten Ziel, Seelen zur Bekehrung und zur Erkenntnis der Wahrheit zu führen. In dieser Lauterkeit verschwieg und umging er auch die Dinge nicht, welche den Athenern unangenehm und ärgerlich zu hören waren. Er sprach von Buße. Er bekannte sich frei zum Auferstandenen, wenn auch noch soviel ,,Gebildete" sich daran stießen. Er suchte keine Anerkennung von seiten der griechischen Modeweisheit.

So verband er beides: Indem er sich der Lage anpaßte, zeigte er Schlangenklugheit. Indem er nichts im Auge hatte als die Ehre Gottes, bewies er Taubeneinfalt und verband so beides unter göttlicher Leitung. (Matthäus 10, 19; 1. Samuel 18, 14).

 

Apg 17,23 A.Christlieb Ein dreifaches Geständnis der Athener in der Inschrift ihres Altars. Apostelgeschichte 17, 23.

Erstes Geständnis: Wir wissen nicht, von wem unser Leiden kommt. (Hosea 5, 14 - 6, 1).

Über die Entstehung der Inschrift jenes Altars gibt es eine Überlieferung. In Athen soll einst eine große Pest geherrscht haben. Die Athener wußten nicht, welcher Gott über sie erzürnt sei und diese Seuche gesandt habe. Sie opferten deshalb den verschiedenen Göttern. Dazu bauten sie diesen Altar, falls eine fremde, ihnen unbekannte Gottheit die Pest verursacht haben sollte.

Mag diese Überlieferung zuverlässig sein oder nicht, jedenfalls beweisen die Athener in dieser Inschrift eine dreifache Unwissenheit, die auch heute noch mitten in der Christenheit vielfach vorhanden ist.

Zuerst wußten die Athener nicht, von wem alles Leid und alles Elend ihres Lebens stamme. Sie merkten und glaubten wohl, daß eine Heimsuchung, wie z. B. eine Pest, von einer höheren, göttlichen Hand komme. (In dieser Beziehung standen sie trotz all ihrer heidnischen Finsternis doch noch höher als viele Namenchristen, die bei all den furchtbarsten göttlichen Zuchtruten überhaupt keine höhere himmlische Gewalt anerkennen wollen. Gott bewahre uns vor solcher Blindheit, die unter das Heidentum herabsinkt.) Aber doch kannten die Athener diese höhere Gotteshand nicht. Sie hatten nicht das Licht eines Jeremia, der sprach: ,,Der Herr hat mich also zugerichtet" (Klagelieder 1, 14; vergleiche Hiob 1, 21).

Dies Licht fehlt auch uns oft. Wir haben im Weltkrieg bisweilen die Grausamkeit der Feinde oder die Torheit einiger Machthaber gesehen, aber nicht die Hand des Herrn, der einst Israel sagen ließ: ,,Ich, Ich zerreiße sie" (Hosea 5, 14). Auf vielen Herzensaltären steht immer das Wort: ,,Dem unbekannten Gott", weil so wenige die allmächtige, gerechte Hand Gottes in dem Erdenleid erkennen und sich darunter beugen.

Zweites Geständnis: Wir wissen nicht, wen wir erzürnt haben.

Die Frage: ,,Woher stammt unser Leid?", hing bei den Athenern aufs engste zusammen mit der anderen Frage: ,,Welche Gottheit haben wir erzürnt, und wodurch haben wir dies getan?" Daß sie irgendeinen Gott beleidigt hätten oder beleidigen könnten, glaubten sie wohl. Nur fehlte ihnen die Erkenntnis desselben. Deshalb dieser Altarbau.

Auch diese Unwissenheit findet sich mitten in der Christenheit. Wie selten findet sich doch die Erkenntnis eines David: ,,A n d i r a l l e i n habe ich gesündigt" (Psalm 51, 6). Wie wenige wissen und bedenken, daß sie mit jeder Sünde sich an Gott selbst verfehlen! Die Verdammten im Jüngsten Gericht sind ganz erstaunt darüber, daß sie mit ihrer Kaltherzigkeit gegen die Jünger Jesu den Herrn der Herrlichkeit mißachtet haben (Matthäus 25, 44). Jener stolze Heide Sanherib ahnte nicht, daß er mit seinen Hohn- und Lästerworten gegen Hiskia ,,den Heiligen in Israel" verspottete (2. Könige 19, 22). Goliath bedachte nicht, daß er mit seinen prahlerischen, an das Volk Israel gerichteten Worten den Herrn Zebaoth verhöhne (1. Samuel 17, 45). Korahs Rotte glaubte sich nur gegen Mose zu erheben. Aber ihr Aufruhr ging ,,wider den Herrn" (4. Mose 16, 11).

So geht es auch vielen Christen. Wer kein göttliches Licht über seine Sünde hat, wer nicht weiß, gegen wen er sich verfehlt, der gleicht den Erbauern jenes Altares ,,für den unbekannten Gott".

Drittes Geständnis: Wir wissen nicht, wie wir mit der Gottheit versöhnt werden können. (2. Korinther 5, 19 und 20).

Was wollten die Athener mit dem Bau des Altares? Sie wollten mit dem unbekannten Gott versöhnt werden. Sie wollten ihn günstig für sich stimmen. Aber sie tasteten unsicher nach der richtigen Weise, dieses Ziel zu erreichen.

Auch diese dritte Unwissenheit herrscht vielfach in der Christenheit. Trotz Bibel und Katechismus weiß mancher im praktischen Leben nicht, wie man mit Gott versöhnt wird. Es bedarf eines göttlichen Lichtstrahles zur rechten Beantwortung dieser Frage. Die Heiden quälen sich oft selbst, opfern Tiere, ja sogar Menschen, um Gott zu versöhnen. Und in der Christenheit will der eine durch äußere Ehrbarkeit, der andere durch tote Rechtgläubigkeit usw. Gott versöhnen. Paulus selbst hatte auch lange Zeit kein Licht über diese Frage, obwohl er ein Schriftgelehrter war, bis er in Damaskus zur Klarheit darüber kam. Jetzt konnte er anderen, auch den Athenern, den Weg der Versöhnung zeigen.

Wohl allen, die so die Versöhnung mit Gott im eigenen Leben erfahren haben. Wohl allen Christenherzen, in denen der Altar für den unbekannten Gott vertauscht worden ist mit dem Gebets- und Dankesaltar für den in Christus bekanntgewordenen Gott, der uns mit sich selbst versöhnt hat.

 

Apg 17,24 A.Christlieb Drei Fragen, die Paulus in seiner Predigt beantwortet. Apostelgeschichte 17, 24 - 31.

Erste Frage: Wer ist der unbekannte Gott?

Drei Fragen lagen in der Inschrift jenes Altars. Drei Antworten gibt Paulus in seiner Predigt. Die erste Frage lautete: Von wem stammt unser Leiden? Wer ist es, der es über uns verhängt und Macht hat, es hinwegzunehmen? An welchen Gott müssen wir uns deshalb wenden?

Paulus zeigt ihnen den, von dem alles herkommt, von dem wir ganz abhängig sind. Während die Griechen in ihren falschen heidnischen Vorstellungen immer an mancherlei besondere Götter der einzelnen Länder und Gegenden dachten, zeigt ihnen Paulus den Einen Gott, der die ganze Welt geschaffen hat, der alle Menschengeschlechter in seiner Gewalt hat. Damit führt er sie aus ihren engen, beschränkten und falschen Vorstellungen heraus zu einer herrlichen Weite und Klarheit des Blickes. Der wahre Gott ist nicht der Gott e i n e s Landes und Geschlechtes, sondern aller Länder. Jedem Volk wird Ziel und Grenze von ihm bestimmt.

Das hat auch uns etwas zu sagen. Wenn wir auch alle von der heidnischen Anschauung der Vielgötterei frei sind, so haben wir doch gerade durch den furchtbaren Weltkrieg oft zu sehr vergessen, daß Gott nicht der Gott eines Volkes, sondern aller Völker der Erde ist. Gott hat sie alle geschaffen und waltet über ihnen allen. Wenn unser Vaterland verkleinert und beschnitten wurde, wenn andere uns Länderstrecken wegnahmen, so wollen wir nicht über Menschen zürnen, sondern an dem Wort festhalten: Gott, der ein Herr ist Himmels und der Erde, hat Ziel gesetzt und zuvor versehen, wie lang und wie weit die einzelnen Völker wohnen sollen. Von ihm kommt auch unser Leid. Er hat es verhängt und hat Macht, es wegzunehmen.

Dieser Schöpfer der ganzen Welt und Leiter aller ihrer Geschicke, das ist ,,der unbekannte Gott", an den wir glauben. Zweite Frage: Was will der unbekannte Gott?

Die Athener hatten durch jenen Altarbau auch bewiesen, daß sie sich in völliger Unwissenheit über den Willen Gottes befanden. Deshalb entspricht Paulus einem Bedürfnis seiner Zuhörer, wenn er ihnen Licht darüber gibt, was der unbekannte Gott wolle. Er faßt den ganzen Willen Gottes für die Menschen in dem einen Wort zusammen: ,,...daß sie den Herrn suchen sollten".

Es ist von allergrößter Bedeutung für uns, daß wir die Absicht verstehen, auf die Gott bei uns hinzielt. Bekommen wir Licht über dieselbe und gehen darauf ein, so werden wir glückliche und gesegnete Menschen. Verstehen wir sie nicht und handeln ihr entgegen, so werden wir unbefriedigte und unglückliche Leute.

Hier wird uns Licht über das Ziel gegeben, welches Gott bei uns verfolgt. Bei allen seinen Taten in Schöpfung und Weltregierung arbeitet der Herr darauf hin, daß er selbst von uns gesucht wird. Die Leute, welche ihn suchen, sind auf der richtigen Fährte. Von dem König Josia heißt es: ,,Als er noch ein Knabe war fing er an, den Gott seines Vaters David zu suchen". Er ging den gottgewollten Weg.

Wenn das Suchen unseres innersten Herzens auf andere Ziele, z. B. Geld, Lust, Ehre und dergleichen gerichtet ist, so erzürnen wir Gott und handeln seinem Willen entgegen. Suchen wir aber ihn, so dürfen wir uns freuen, denn wir sind auf dem göttlichen Pfad. ,,Es freue sich das Herz derer, die den Herrn suchen" (Psalm 105, 4). (Vergleiche Jesaja 55, 6; Amos 5, 4-6).

Dritte Frage: Wie finde ich den unbekannten Gott?

Unter den bisherigen Worten des Paulus mochte es wohl manchem aufrichtigen Zuhörer bange zumute geworden sein. Der Apostel hatte die Torheit ihres Götzendienstes dargelegt. Damit war das Leben der Athener als ein verirrtes hingestellt und ihr Gottesdienst als ein falscher und vergeblicher verurteilt. Es mußte die Frage in den Herzen entstehen: Wie können wir das Verfehlte gut machen? Wie können wir die Gunst dieses wahren Gottes erlangen und mit ihm in die rechte Gemeinschaft kommen? Hierauf geht nun Paulus ein und beantwortet auch jene dritte Frage: Wie kann man mit der Gottheit versöhnt werden?

Er zeigt zuerst das, was auf göttlicher Seite nötig ist, damit dies Ziel zustande komme, und sodann das, was auf menschlicher Seite erforderlich ist. Von Gottes Seite wird ein großer Gnadenerlaß angeboten. Er kommt den Menschen mit wunderbarer Huld entgegen. Die ganze Zeit der Unwissenheit soll übersehen werden! Des bisherigen Lebens mit seinen Irrungen, Sünden und dunkelsten Flecken soll nicht gedacht werden! Welch eine Barmherzigkeit Gottes! Auf seiten des Menschen ist nur eines not: ,,Gott gebietet allen Menschen an allen Enden, Buße zu tun." Buße heißt Sinnesänderung. Nicht Religionsformen, nicht Mienen oder Worte, sondern Herz und Leben müssen geändert werden, indem man nicht mehr seinen eigenen, sondern Gottes Willen zur Richtschnur nimmt.

Der Weg der Buße ist nicht nur für die Athener, sondern für alle Menschen der Weg zu Gott. Wer von Buße und Bekehrung nichts wissen will, der behält in seinem Herzen den Altar: ,,Dem unbekannten Gott".

 

Apg 17,28 A.Christlieb Drei Hilfsmittel zu fruchtbarer Wortverkündigung. Apostelgeschichte 17, 17. 18. 23. 28.

Das wichtigste Hilfsmittel zu fruchtbarer Wortverkündigung ist die Salbung mit dem heiligen Geist, das Gebet um Erleuchtung und Kraft aus der Höhe. Ohne dies wird die beste Vorbereitung wenig helfen. Jedoch schließt diese wichtigste Voraussetzung die Verwertung guter menschlicher Hilfsmittel durchaus nicht aus. Gerade bei dem Vortrag des Paulus in Athen können wir dies beobachten.

Bei diesem Meisterstück einer wohldurchdachten und zielbewußten Predigt können wir drei Hilfsmittel erkennen, die dem Apostel dienen mußten, und die auch heute noch bei dem göttlichen Zeugendienst treffliche Dienste tun können.

Erstes Hilfsmittel: Unterredung mit Menschen über göttliche Dinge.

Paulus ließ sich auf dem Marktplatz Athens zuerst mit einer größeren Anzahl von Personen ins Gespräch über den Weg zur Seligkeit ein. Bei diesen Gesprächen hörte er auch, was für Gedanken und Fragen die Athener beschäftigten. Er lernte ihre Anschauungen kennen. Nachher sprach er in seiner öffentlichen Rede gerade über die Dinge, welche die Athener, auch die zahlreichen Philosophen unter ihnen, bewegten. Er predigte nicht über Dinge, die ihnen ganz fern lagen. Man hörte es seiner Rede an, daß er die richtige Fühlung mit seinen Zuhörern vorher gewonnen hatte. Er hatte gelernt, seine Zuhörer zu verstehen. Deshalb verstanden seine Zuhörer auch ihn. Auch heute noch können die Unterredungen über göttliche Dinge, die seelsorgerlichen Gespräche, allen Zeugen des Evangeliums ein treffliches Hilfsmittel zu verständlicher und praktischer Wortverkündigung werden. (Matthäus 10, 42).

Zweites Hilfsmittel: Aufmerksames Beobachten dessen, was im Leben angetroffen wird.

Ein weiteres wichtiges Hilfsmittel zu fruchtbarer Wortverkündigung wurde für Paulus die aufmerksame Beobachtung dessen, was er im Leben antraf. Gewiß war sein Inneres bei seinen Gängen vor allen Dingen auf den Herrn selbst gerichtet. Aber diese treu-innige Gemeinschaft mit Gott ließ ihn nicht etwa einseitig nur tief in sich gekehrt durch die Straßen Athens dahinwandern, sondern machte ihn zugleich in gutem Sinne weltoffen. Er beobachtete das, was am Weg lag. Aber nicht so, daß er dadurch zerstreut und von Gott abgezogen wurde, sondern so, daß er göttliche Fingerzeige für seinen Dienst entdeckte.

Es gibt eine falsche Weltoffenheit, die uns schädigt und schwächt. Aber die Weltoffenheit des Paulus ist gesund und wird zum Hilfsmittel für die Arbeit im Reich Gottes. Der Anblick jenes Altars gab ihm Ausgangspunkt und Thema für seine Rede. So haben die Gottesknechte oft durch das, was sie auf ihren Wegen sahen oder hörten, Stoff für ihre Wortverkündigung erhalten.

Spurgeon erzählt, wie einst der Anblick eines gesprenkelten Vogels, der von andersfarbigen Vögeln gepickt wurde, ihm Licht über den rechten Gegenstand seiner Predigt gab. Er sprach darüber, wie die Jünger Jesu von den andersgearteten Weltmenschen gehaßt und verfolgt werden müßten. Ein anderes Mal bot ihm der Gang einer Gerichtsverhandlung, an der er während eines Sonnabends als Zeuge teilnehmen mußte, Thema und Teile, um am folgenden Tag von dem künftigen Gericht, dem Ankläger, Verteidiger und Richter usw. zu reden.

Samuel Zeller fand durch das Schild auf einem Bahnhof: ,,Vor Taschendieben wird gewarnt!" ein Thema und sprach längere Zeit über die Dinge, die uns innerlich den wichtigsten Besitz rauben können.

Wie hat Jesus selbst alle Beobachtungen in der Natur und im Menschenleben zu fruchtbarer Wortverkündigung verwertet, z. B. die Küchlein, die Schafe und Böcke, den Weinstock, die Lilie, die Bauarbeit usw.

Laßt uns mit offenen Augen durchs Leben gehen und alles in den Dienst des himmlischen Meisters und seiner Sache stellen (Matthäus 6, 26 - 30; Sprüche 30, 24 ff.)

Drittes Hilfsmittel: Worte großer Denker und Dichter.

Auf ein drittes Hilfsmittel macht uns obiger Vers aufmerksam. Paulus verschmäht es nicht, auch aus dem Schatz der griechischen Dichter und Denker ein Wort zu entnehmen, um seine Zuhörer der Wahrheit näher zu bringen. Mochten jene Dichter im übrigen zur göttlichen Wahrheit stehen, wie sie wollten, eines war gewiß: Es lag in ihren Worten ein Ahnen von einem höheren göttlichen Ursprung der Menschen. Daran konnte Paulus anknüpfen, und er tat es. Diese griechischen Dichter mußten mithelfen, die Seelen zu Jesus zu führen. Wenn Paulus solche Hilfsmittel nicht verwirft, brauchen wir dies auch nicht zu tun. Nur laßt uns dabei auf eines achten: Die Worte menschlicher Dichter nehmen in Paulus' Rede eine dienende und nicht eine herrschende Stellung ein. Es gibt geistliche Reden, in denen sehr viel von Dichtern und Denkern, aber sehr wenig von Gott und dem Himmelreich die Rede ist. Die Verfasser solcher Reden haben kein Recht, sich auf die Predigt des Paulus in Athen zu berufen. Nie sollen unsere Predigten Menschen verherrlichen, auch nicht Poeten, sondern allein den Herrn. Wo aber das Wort eines anerkannten Dichters dazu geeignet ist, Seelen zum Heil zu locken, wollen wir es an der rechten Stelle gern benutzen.

Laßt uns jedes gottgewollte und biblisch berechtigte Hilfsmittel zur Wortverkündigung dankbar gebrauchen und dazu Paulus als Vorbild benutzen. (Vergleiche Titus 1, 12).

 

Apg 17,30 A.Christlieb Die Forderung der Buße. Apostelgeschichte 17, 30 und 31.

I.

Von wem sie stammt.

Bei dem entscheidenden Punkt, wo Gottes Wort von dem Menschen Buße verlangt, regt sich der Widerstand des natürlichen Menschen. Er wehrt sich gegen diese Forderung. Dabei pflegt ihm ein dreifacher Irrtum zu unterlaufen, den unser Text widerlegt.

Zuerst denkt er oft: Dieser Prediger verlangt Buße von mir. Dazu hat er kein Recht. Andere tun es auch nicht. Hier liegt der erste Irrtum. Nicht der Prediger, sondern Gott ist es, der die Buße fordert: ,,Nun g e b i e t e t G o t t !"

Wir sind in dieser wichtigsten Frage nicht auf willkürliche Meinungen verschiedener Menschen oder theologischer Richtungen angewiesen, sondern haben es mit einem göttlichen Befehl zu tun (Lukas 24, 47; Joel 2, 12 und 13). Zu ihm gilt es Stellung zu nehmen, nicht zu Gedanken irrender Menschen.

Das hat seine praktische Folgerung. Je höher ein Befehlender steht, um so bedenklicher und strafbarer ist es, seine Befehle zu mißachten. Wer diese göttliche Forderung von sich weist, kann solches nicht ohne die ernstesten Folgen tun.

II.

An wen sie sich richtet.

Eine zweite irrige Meinung, hinter die sich mancher verschanzt, ist diese: Buße ist nur für besonders schlechte Menschen erforderlich, nicht aber für solche, die anständig und ehrbar wandeln. Auch diesen Irrtum widerlegt unser Text, denn er sagt: ,,Gott gebietet a l l e n Menschen an allen Enden Buße zu tun".

Es ist gar kein Zweifel, daß unter den Zuhörern zu Athen ganz anständige Menschen waren. Die im Text erwähnten stoischen Philosophen waren tugendstolze Leute, die sich in Gerechtigkeit, Besonnenheit und Tapferkeit übten. Im sittlichen Lebenswandel standen sie viel höher als die ebenfalls genannten Epikuräer, die Genußmenschen waren. Ebenso waren die Mitglieder des obersten athenischen Gerichtshofes, die sogenannten ,,Areopagiten" oder Ratsherren (Vers 34) sicherlich nicht die schlechtesten Menschen, denn diese Behörde genoß wegen ihrer strengen Unparteilichkeit und Gerechtigkeit hohes Ansehen im ganzen Lande. Nun macht Paulus nicht etwa einen Unterschied zwischen diesen verschiedenartigen Hörern. Er weist nicht die völlig ungläubigen, leichtfertigen und genußsüchtigen Epikuräer zur Buße und spart diese Forderung den Stoikern, Ratsherren und anderen besseren Leuten. Vielmehr ruft sein Wort alle ohne Unterschied zur Buße.

So macht es auch Jesus bei denen, die nicht Heiden waren (Matthäus 4, 17). Wo Gottes Wort keinen Unterschied macht, da wollen auch wir dies nicht tun. Wo es an alle diese Aufforderung richtet, so wollen wir uns auch nicht ausnehmen, auch wenn wir andere an Gerechtigkeit übertreffen sollten.

III.

Weshalb sie ernst und wichtig ist.

Der natürliche Mensch nimmt die ernsten, ewigen, göttlichen Fragen gern auf die leichte Achsel. Wenn er auch irgendwo einmal einen tieferen Eindruck von der göttlichen Wahrheit empfängt, so möchte er doch in seinem bisherigen Leben gern fortfahren. Deshalb tröstet er sich über die in ihm erwachte Unruhe selbst hinweg und denkt, eine Ablehnung des Rufes zur Buße sei nicht so schlimm.

Auch diesen Irrtum entkräftet und widerlegt Paulus. Wie ernst und wichtig der Ruf zur Buße und wie gefährlich seine Ablehnung ist, das macht der Hinweis auf das künftige Gericht klar. Der weise Seelsorger Paulus war gewiß kein Mann, der seine Zuhörer in eine Angstbuße treiben wollte. Er wußte wohl: ,,Kein Herze zerbricht durch gesetzliches Wettern - die Botschaft vom Kreuz nur kann Herzen zerschmettern". Aber gerade bei der Leichtfertigkeit der Athener, die nur auf interessante Neuigkeiten bedacht waren, durfte auch dieses Moment des erschütternden Ernstes nicht fehlen, wenn sie aus ihrem Sünden- und Todesschlaf geweckt und zum Fragen nach dem ewigen Heil willig gemacht werden sollten. Wie es dem ungerechten Statthalter Felix sehr heilsam war, daß er von dem künftigen Gericht hörte (Apostelgeschichte 24, 25), so war es auch für die Athener gut. Der Hinweis auf diesen Tag konnte manchen davor bewahren, die Mahnung zur Buße leichtsinnig in den Wind zu schlagen. (Matthäus 11, 22 - 24; 12, 36. 41; 2. Petrus 2, 9. 10).

 

Apg 17,31 A.Christlieb Paulus gibt den Athenern Licht über ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Apostelgeschichte 17, 30. 31.

I.

Paulus gibt den Athenern Licht über ihre Vergangenheit.

In Vers 30 und 31 läßt Paulus einen Lichtstrahl fallen in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Athener.

Ihre Vergangenheit beleuchtet er mit dem Ausdruck: ,,Zeit der Unwissenheit". Dieses Wort hat eine demütigende und eine ermutigende Seite für die Athener. Demütigend war es deshalb, weil gerade diese Stadt wegen ihres Wissens so berühmt war. Aus fernen Ländern kamen Leute herbeigezogen, um in Athen Kenntnisse zu sammeln und Wissenschaft zu lernen. Und nun nennt Paulus die hinter ihnen liegenden Jahre eine in Unwissenheit verbrachte Zeit! Trotz all ihres Wissens hatte es ihnen in der wichtigsten Frage über Gott und die Ewigkeit völlig an richtigem Licht gefehlt. Das war demütigend.

Aber es war auch ermutigend, denn es zeigte die Milde des göttlichen Urteils über die Vergangenheit an. Gott wollte die im Götzendienst durchlebte Zeit nicht als absichtlichen Frevel gegen ihn ansehen, sondern mit Rücksicht auf ihre Unkenntnis entschuldigen. Das konnte den Hörern Mut machen, sich diesem Gott zuzuwenden.

So sprach auch Petrus einst zu seinen Volksgenossen, denen er die Sünde der Kreuzigung Jesu vorhielt: ,,Nun, liebe Brüder, ich weiß, daß ihr es durch Unwissenheit getan habt" (Apostelgeschichte 3, 17).

Wie leben doch heute noch - bei Licht besehen - Tausende von Menschen, die sich ihres Wissens rühmen und sich für viel klüger als alle gläubigen Christen halten, in einer ,,Zeit der Unwissenheit", bis der Geist Gottes sie erleuchtet und ihnen zum rechten Wissen verhilft (1. Petrus 1, 14; 1. Timotheus 1, 13).

II.

Paulus gibt den Athenern Licht über ihre Gegenwart.

Nachdem Paulus den Athenern ihre Vergangenheit als ,,Zeit der Unwissenheit" beleuchtet hat, gibt er ihnen auch für ihre Gegenwart ein Licht, das sie brauchen. Er zeigt ihnen, daß sie die jetzige Zeit ansehen und benutzen sollen als eine Zeit der B u ß e .

Was hinter ihnen liegt, können sie nicht ungeschehen machen. Aber nun gilt es einen neuen Weg einzuschlagen. Bis jetzt sahen die Athener die Gegenwart am liebsten als eine Zeit geistigen Genusses an, wo sie immer etwas Neues sagen oder hören wollten (Vers 21). Paulus belehrt sie eines Besseren. Er zeigt ihnen, daß die Gegenwart in erster Linie dazu da ist, mit dem ,,unbekannten Gott", der ihnen jetzt verkündigt wurde, in die rechte Gemeinschaft zu kommen, aus allem Irrweg des Götzendienstes in den Dienst des wahren, lebendigen Gottes hineinzukommen.

Wenn jemand durch das Wort Gottes erkannt hat, daß er in seiner Vergangenheit ,,in Unwissenheit nach seinen Lüsten lebte" (1. Petrus 1, 14) und dem Willen Gottes entgegenhandelte, so weiß er auch, daß die Gegenwart eine Zeit der Umkehr und Sinnesänderung sein muß. Wohl allen, welche die Gegenwart in solchem Licht ansehen lernten (Lukas 15, 18).

III.

Paulus gibt den Athenern Licht über ihre Zukunft.

Wie verschieden schauen doch die Menschen in die Zukunft! Der reiche Kornbauer glaubte eine Zeit voll Ruhe, Behaglichkeit und Vergnügen vor sich zu haben. Aber in der nächsten Nacht mußte er sterben (Lukas 12, 20). Viele gleichen ihm im Bau von Zukunftsschlössern, die sich nicht verwirklichen (1. Samuel 23, 17; Jakobus 4, 13 - 15).

Demgegenüber ist der Zukunftsblick, den Paulus den Athenern hier gibt, ein untrüglicher, der nicht täuschen wird. Er malt ihnen in kurzen Strichen einen großen Gerichtstag, dem wir entgegengehen, vor die Augen. Laßt uns beim Anblick dieses Gerichtstages achten auf sein gewisses Eintreffen, auf seine näheren Umstände und auf das Rettungsmittel für denselben.

1. Das erste, was Paulus von diesem Tage mitteilt, ist dies: ,,Gott hat ihn gesetzt", d. h. festgesetzt. Das künftige Gericht ist also eine bei Gott beschlossene Sache, an der niemand rütteln und die keiner ändern kann. Vieles ist in unserer Zeit ungewiß. Aber unumstößlich gewiß ist, daß dieser Tag kommen wird. Laßt uns weniger den Zeitpunkt desselben berechnen wollen, als vielmehr die einfache Tatsache erwägen, daß er kommen wird. Das mahnt uns zur Bereitschaft auf denselben.

2. Über die näheren Umstände dieses Gerichtstages erfahren wir zunächst, wer vor jenem Gericht erscheinen wird, nämlich: ,,der ganze Kreis des Erdbodens". Es werden, wie auch Jesus selbst sagt, versammelt werden alle Völker der Erde (Matthäus 25, 32). Welch ein gewaltiger Tag muß dies sein!

Wir hören auch, wer der Richter ist, nämlich der ,,von den Toten auferweckte" Osterfürst (Johannes 5, 22). Diesen Richter und seine Grundsätze können wir im Wort kennenlernen. Wohl uns, wenn er unser Freund und Bruder geworden ist. Wir vernehmen endlich, wie gerichtet wird, nämlich ,,mit Gerechtigkeit". Während hier auf der Erde manches ungerechte Urteil gefällt wird, herrscht dort unparteiische, unbestechliche, strenge Gerechtigkeit.

Das ist der Zukunftsblick, den Paulus den Athenern eröffnet. An dieses Zukunftsbild zu denken ist besser, als allerlei Trugbildern nachzujagen, die sich nicht verwirklichen.

3. Der Anblick des künftigen Gerichts weckt in uns die Frage: Wie wird man in demselben bestehen können? Welches ist das Rettungsmittel, durch das man an jenem Tag völlig gesichert ist?

Wie die Hure Rahab völlige Sicherheit begehrte für den zweifellos kommenden Tag des Unterganges ihrer Stadt (Josua 2, 12), so brauchen wir ein untrügliches Bewahrungsmittel für jenen Gerichtstag. Paulus nennt dasselbe in seinem letzten Satz noch, indem er sagt: ,,Gott hält jedermann den Glauben vor", d. h. er bietet jedem diesen Glauben an. Er ermöglicht ihn allen Menschen. Das Gericht würde kein gerechtes Gericht sein, (und Paulus hatte doch hervorgehoben: ,,Er wird richten mit Gerechtigkeit"; dieser Satz würde nicht zutreffen), wenn Gott nicht jedem Menschen Gelegenheit geben würde, den richtigen Weg zu finden und zu wandeln. Diese Gelegenheit gibt Gott aber jedem, indem er ihm durch die Predigt des Evangeliums ,,den Glauben darbietet" (wörtliche Übersetzung), so daß der einzelne zugreifen und zum Glauben kommen kann. Dieser von Gott dargebotene und gewirkte Glaube ist das einzige, aber auch zweifellos sichere Rettungsmittel für jenen Gerichtstag. Derselbe wird niemand aufgedrängt und aufgezwungen. Der Ausdruck: ,,Gott bietet jedermann den Glauben an" bezeichnet die denkbar freundlichste, unaufdringlichste und dennoch eindrücklichste und ernsteste Weise, die Menschen zur Annahme des Rettungsmittels zu bewegen.

Wie kann es doch Mut machen, zu hören, daß kein Mensch, auch nicht der unwürdigste, von jenem göttlichen Anerbieten ausgeschlossen ist, denn er bietet es ja ,,j e d e r m a n n" an. Wie ernst aber ist es, diese dargebotene Gottesgabe von sich zu weisen! Das würde die Verurteilung an jenem Gerichtstag zur Folge haben.

 

Apg 17,32 A.Christlieb Dreierlei Zuhörer in Athen. Apostelgeschichte 17, 32 - 34.

Erste Zuhörergruppe: ,,Die Spötter".

Nach der Rede des Paulus auf dem Areopag können wir drei Klassen von Zuhörern beobachten, die sich heute noch bei mancher Wortverkündigung wiederfinden: 1. Zuerst machen sich die S p ö t t e r bemerkbar. An dem Wort ,,Auferstehung der Toten" haben sie sich gestoßen. Das war ja etwas Übernatürliches. Ein Redner, der dem gebildeten Publikum von Athen solchen Glauben zumutete, war in ihren Augen rückständig. Mit dem Augenblick, wo Paulus dieses Wort gebraucht hatte, war ihr Urteil über den ganzen Vortrag fertig. Ein Mann, der einen derartigen Ausdruck brauchen konnte, war bei ihnen abgetan und erledigt. Sie halten es gar nicht für der Mühe wert, den Schluß des Vortrags anzuhören, sondern unterbrechen Paulus mit ihrem beißenden Spott. Es war ihnen unbegreiflich, wie jetzt noch, wo das Licht der griechischen Bildung überall anerkannt war, jemand an eine Auferstehung glauben konnte. Auch heute noch gibt es mitten in der Christenheit ähnliche Zuhörer, die so verstrickt sind in eine ungläubige, materialistische Weltanschauung, daß jede Erwähnung von etwas Übernatürlichem ihren Widerspruch hervorruft. Sie wissen es ganz genau, daß mit dem Tod alles aus ist. Alles, was sie mit ihrem Verstand nicht begreifen können, wird von ihnen ins Lächerliche gezogen. Sie wähnen sich hoch erhaben über solchen ,,Köhlerglauben". (Lies dazu: 1. Korinther 1, 18 - 25; 2. Korinther 4, 3. 4; 2. Timotheus 3, 8. 9 ; Sprüche 21, 24).

Zweite Zuhörergruppe: ,,Die Entscheidung aufschieben!"

Eine zweite Gruppe von Zuhörern ist nicht so taktlos und benimmt sich nicht so ungebildet wie die erste. Sie besteht aus denen, welche die Entscheidung hinausschieben. Sie sagen: ,,Wir wollen dich davon weiter hören."

In dieser zweiten Gruppe mögen solche gewesen sein, die im tiefsten Grunde den Standpunkt der Spötter teilten, aber aus Rücksicht auf Paulus ihre ablehnende Stellung etwas vornehmer bemäntelten und verbargen. Es werden aber auch solche darunter gewesen sein, die einen tieferen Eindruck von dem Zeugnis des Paulus empfangen hatten. Aber es fehlte ihnen die innere Kraft, der Stimme der Wahrheit zu folgen. Jedenfalls stellte diese Gruppe eine weitere Beschäftigung mit der Lehre des Paulus in Aussicht.

W e n n dies Vorhaben verwirklicht wurde, so dürfen wir für diese Leute Hoffnung haben, zumal durch die Unterbrechung jener Spötter der Name Jesus noch gar nicht genannt und die Herrlichkeit seiner Gabe noch nicht gezeigt war. Die köstliche Perle hat ihnen noch gar nicht in ihrem Glanz voll und ganz leuchten können. Ob aber alle diejenigen, die es hier versprechen, wirklich später weiteren Aufschluß über die göttliche Wahrheit bei Paulus suchten und fanden, das bezweifeln wir ernstlich. Wer weiß, ob nicht manche von ihnen später bald durch diese und jene Freunde von der Fährte, die Paulus gezeigt hatte, abgelenkt und in die Bahnen ihres altgewohnten Heidentums zurückgeführt wurden. Jedenfalls ist es ein ernstes Ding um das Aufschieben nach empfangenen Segenseindrücken. (Lies: Apostelgeschichte 24, 35; Psalm 95, 6 - 11).

Dritte Zuhörergruppe: ,,Etliche wurden gläubig".

Wir wenden uns jetzt zur dritten und schönsten Gruppe. Gott sei Dank, es gab in Athen nicht nur Spötter und Schwankende, sondern auch solche, welche die Wahrheit annahmen und gläubig wurden. Wenn es auch nicht ,,eine große Menge" war wie in Ikonion (Kap. 14, 1) oder in Thessalonich (Kap. 17, 4), wenn auch nicht ,,viele" glaubten wie in Beröa (Kap. 17, 12), so waren es doch immerhin ,,etliche", die gläubig wurden. Wir wollen nicht meinen, es müsse überall große Zahlen von Bekehrungen geben, wenn ein Zeuge voll Geist und Leben an einem Ort auftritt.

Laßt uns aus der Verschiedenheit der Erfolge bei Paulus etwas lernen. Wie die Jünger nicht jeden Tag ganze Scharen von Fischen fingen, so daß die Netze zerrissen und Schiffe davon sanken (Lukas 5, 4 - 7), sondern später gewiß auch für geringeren Erfolg dankbar waren, so geht es auch in der Menschenfischerei verschieden zu. Nicht auf die Größe, sondern auf die Echtheit eines Erfolges kommt es an. Laßt uns niemals geringe Zahlen verachten, sondern vielmehr auch für wenige dankbar sein, die das Wort aufnehmen und selig werden (Matthäus 13, 31. 32; Matthäus 11, 25. 26).

 

Apg 17,34 A.Christlieb Dionysius.

Unter der dritten Gruppe in Athen befand sich auch ein Mann, der unsere besondere Aufmerksamkeit verdient. Es ist der Ratsherr Dionysius. Man trifft immer wieder da und dort Menschen an, welche in ihrer gesellschaftlichen Stellung ein geradezu unüberwindliches Hindernis für ihre Bekehrung erblicken.

Solchen Menschen kann gerade der Anblick dieses Mannes einen Dienst tun. Auch für ihn lag in seiner hohen Amtsstellung keine geringe Schwierigkeit, sich für Christus zu entscheiden. In den höheren Ständen pflegt oft die Menschenfurcht und die Menschenrücksicht eine besondere Rolle zu spielen (vergleiche Johannes 12, 42. 43). Dionysius gehörte diesen höheren Ständen an. Die Mitglieder des Rates (die sogenannten Areopagiten), genossen in Athen großes Ansehen. Sie besaßen das Vertrauen des Volkes. Als Glied dieser hohen Behörde war Dionysius mehr als andere den Blicken der ganzen Stadt ausgesetzt. Wenn er Christ wurde, so erregte das nicht geringes Aufsehen bei vielen. Es konnte Tagesgespräch in Athen werden. Auch hatte Dionysius Kollegen in seinem hohen Amt. Er war nur ,,e i n e r aus dem Rat". Die anderen Ratsherren waren Heiden. Er mußte befürchten, daß manche seiner Amtsgenossen ihm den Übertritt zum Christentum verübelten und ihm ihre Achtung entzogen, zumal diese Religion bei vielen maßgebenden Philosophen sehr verachtet war (Vers 18 und 32). Wahrlich, die kollegiale Rücksicht hätte ihm zu einer schweren Fessel werden können.

Wäre ihm seine Ehre als Ratsherr lieber gewesen als seine Seligkeit, so wäre er niemals ein Christ geworden. Nun aber brach Dionysius durch all diese Hindernisse und Schwierigkeiten seines öffentlichen Amtes, seiner hohen Ehre und seines Kollegenkreises hindurch und wurde ein gläubiger Christ. Sein Anblick kann uns Mut machen, den Namen des Herrn ohne Menschenfurcht frei zu bekennen. (Jesaja 51, 7. 8. 12; Matthäus 10, 32. 33; Johannes 19, 38. 39).