Bibelarbeiten: Bibelarbeit zu 1. Timotheus 1

erstellt von Michael Strauch


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A: 1. Timotheus Kapitel 1

1. Kurze Gliederung

a.. Einleitung (V.1-2)

b.. Wesen und Inhalt der Irrlehre (V.3-11)

c.. Erfahrungen des Paulus (V.12-17)

d.. Beauftragung des Timotheus mit der Botschaft (V.18-20)

2. Exegetische Bemerkungen

2.1. Kapitel 1, 1-11

2.1.1. Einleitung (V.1-2)

Am Beginn eines jeden apostolischen Schreibens steht die Frage: ich welchem Auftrag handelst Du? Aus welcher Kraft wirkst Du? Wer gibt Dir das Recht, die ersten christlichen Gemeinden zu prägen? Wer bist Du, Paulus? Lehrst Du, weil Du dein Theologiestudium bei dem berühmten Gamaliel absolviert hast? Nein! Paulus macht es in den ersten Sätzen überdeutlich. Ich, Paulus, Verfasser dieser Schrift, rede und handle nicht aus mir selbst heraus. Ich bin gesandt (A-post-olos) vom Herrn Jesus Christus, habe klare Anweisung und Auftrag von höchster Stelle, von Gott (epitagän - im Auftrag von). Gott redet, Gott beauftragt, Gott gibt Anweisung für die christliche Gemeinde. Gott spricht durch seine Beauftragten, seine Diener, seine Boten. Dieser göttliche Auftrag ist der Boten Würde und Amt. Nicht mehr und nicht weniger. Es geht nicht um Paulus, nicht um den Gründer der griechischen Kirche, es geht um Gott. Es muss um ihn gehen. Denn Paulus kann nicht retten. Christus ist der Retter, der Heiland (griech. Sotär-Retter). Gott hat in seinem Sohn Jesus Christus am Kreuz die Sünde besiegt. Das ist das große Evangelium.

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Erinnern wir uns an die große Schlacht der Griechen gegen die Perser bei Marathon. Der Grieche Miltiades, den Sieg vorausschauend, sendet einen Boten nach Athen. Von Marathon bis Athen sind es etwas mehr als 40 km. Der Bote läuft, er erreicht die Stadt und schreit: Euangelion - gute Botschaft. Der Sieg ist unser.

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Christus hat die Sünde besiegt. Darum können die Menschen hoffen. Jesus, der Christus ist unsere Hoffnung, Gott unser Retter. Diese Botschaft wird durch den Apostel Paulus in die antike Welt getragen. Er hält die Fackel des Evangeliums in der Hand und läuft von einer Stadt in die andere. Diese Hoffnung beruht nicht auf der bangen Frage, ob der Kampf sich doch noch wenden könnte, sondern diese Hoffnung ist Gewissheit, weil der Sieg am Kreuz schon vollbracht ist. Sie bleibt aber Hoffnung, weil die Herrschaft des Christus nach dem Gericht über alle Menschen noch aussteht.

Paulus bezeichnet den Timotheus als sein wahrhaftiges Kind (gnäsion teknon). Timotheus ist durch Paulus zum lebendigen Glauben gekommen. Sowie durch die Liebe zweier Menschen ein Mensch entsteht und geboren wird und der Mann der Vater des Kindes ist, so sieht sich auch Paulus in gleicher Weise als "echter, geistlicher Vater" des Timotheus.

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Welch ein schönes Bild, und wie sehr ist uns heute dies abhanden gekommen. Wo sind sie, die geistlichen Väter in Christus? Ich habe das Vorrecht, einen älteren Bruder zu haben, der wesentlich dazu beitrug, dass ich zum Glauben an Jesus kam. Er nennt mich seinen Sohn. Seine Tür ist für mich immer offen, seine Gebete gelten mir jeden Tag. Die geistliche Vater-und Mutterschaft muss wieder entdeckt werden. Aber wie kann sie entstehen, wenn Jüngere und Ältere separat sich zusammenfinden? Wenn Jüngere kein Interesse haben an dem, was den Alten wichtig ist. Und wenn Ältere festhalten und nicht loslassen, um der Welt der Jüngeren entgegen zu kommen. Wo seid ihr, ihr geistlichen Väter und Mütter? Ich meine nicht die, die mit strengen Blicken die Jüngeren belasten. Sondern die ein Herz haben, die geistlich sich verantwortlich wissen für einen Menschen, dass er starke Schritte tut im Glauben. Was tut ein Vater? Er gibt den Kindern weiter, was ihm wichtig ist. Die Kinder erben, was die Eltern bauten. So erbt auch Timotheus die Erkenntnisse des Paulus. Welch ein unverlierbarer Reichtum.

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Im Kindschaftsverhältnis des Paulus wird deutlich, was Glaube bedeutet. Nicht ein Für-Richtig-Halten von Glaubenssätzen. Sondern der Glaube ist das Leben! Wer glaubt an Christus, hat erst begonnen, zu leben.

Und nun wünscht nicht Paulus, sondern spricht es zu. Dem Timotheus, der Gemeinde, der Christenheit spricht er die Wesenszüge des geliebten himmlischen Vaters zu: Gnade, Barmherzigkeit und Friede von dem, den wir durch das Erlösungswerk Christi V A T E R nennen dürfen. Dass Gott unser Vater ist, unser physischer und geistlicher Vater ist Krönung des paulinischen Grußes. Gott, unser Vater, wir, seine Kinder, seine Erben, seine Geliebten. Uns gilt nicht Drohungen, Feuer und Niederlage. Uns gilt Gottes Barmherzigkeit, Gottes Gnade und sein Friede.

2.1.2. Wesen und Inhalt der Irrlehre (V.3-11)

Timotheus blieb in Ephesus zurück, Paulus fuhr weiter nach Makedonien. In den ersten Sätzen wird Timotheus deutlich, dass er so schnell dem Paulus nicht nachfolgen könne. Sein Auftrag in Ephesus hält an und Paulus gibt ihm Anweisungen über das, auf was zu achten und was zu tun ist. Das setzt voraus, dass Paulus und Timotheus beide in Ephesus waren und Paulus ohne Timotheus weiter reiste. Oder, was nicht unwahrscheinlich ist (siehe Einleitung zu den Timotheusbriefen), Paulus war noch in römischer Haft, während Timotheus in Ephesus sich aufhielt. Möglicherweise kam er aus der römischen Gefangenschaft frei und ging daraufhin in Richtung Makedonien (61/62 n.Chr). Wir wissen, dass er Timotheus baldmöglichst auch nach Philippi senden wollte (Phil 2,19-24).

Was ist nun einer der primären Anlässe des Briefes? Zum einen gab es in Ephesus Männer, die ein christlich gefärbtes, jüdisches Rabbinat aufrichten wollten. In Vers 3 kommt ein entscheidender Ausdruck zum Tragen: "heterodidaskalein" - was soviel bedeutet wie: "etwas anderes lehren". Nämlich etwas anderes als das, was Paulus gelehrt hat. Es standen also Männer in der Gemeinde auf, die Anspruch erhoben, die Gemeinde verbindlich zu lehren. Diese Lehren standen im Widerspruch zu den Lehren des Apostels. (Zum Wesen und Inhalt der Irrlehre vgl. Kapitel 4). Nur soviel: den Lehrern ging es darum, Christus von seinem Status zu verdrängen, sondern diese andersartigen Lehren bezogen sich auf die Ethik. Die Falschlehrer wollten den Christen vorgeben, wie sie ihr Leben als Christ zu führen hätten. Besonders Fanatismus findet schnell geistigen Raum. Vollkommene Reinheit hieße dann, nicht verheiratet zu sein. Gesunder Körper bedeutete Gymnastik und Sport etc. Diese Lehren sind nicht neu, wir kennen sie aus den Korintherbriefen. Begriffe wie "endlose Geschlechtsregister" und "Fabeln/Sagen/Mythen (griech. mytheus) lassen erahnen, dass diese Irrlehrer brillante Rhetoriker waren, die in die Sprache und den Verästelungen endloser Gedankenknoten verliebter waren als in die reine Botschaft Jesu Christi.



Und darin wird der Begriff der Einheit der Kirche, um die Paulus letztendlich kämpft, definiert, wie von Luther auch wieder aufgenommen. Die Einheit der Gemeinde Jesu besteht besonders in der einheitlichen Lehre, die ihren Grund hat in den biblischen Propheten und den Aposteln und in den Worten Jesu Christi. Sola Scriptura, allein die Schrift ist Maßstab und Grundlage des Glaubens. Wer die Schrift schriftgemäß verkündet und auslegt, gehört mit Recht der Kirche Jesu Christi an. Wo dagegen andere Lehren, Nebensächlichkeiten zu Hauptsächlichkeiten, und biblische Hauptsächlichkeiten zu Nichtigkeiten deklariert werden, muss diese Kirche sich fragen, ob sie noch Kirche Jesu Christi sich nennen kann. Paulus ist mit Leuten wir Hymenäus oder Alexander dem Schmied (2Tim4,14) entschieden und klar vorgegangen. Gewiss, Timotheus soll sich nicht gewalttätiger Mittel bedienen. Er kann allein eines tun: lehren, mahnen, unterweisen. Verhindert hat es Paulus nicht, dass Leute wie eben dieser Alexander neben der christlichen Kirche ihre eigene Kirche aufgebaut haben.



An was haben wir aber zu denken, wenn von den "Mythen die Rede ist? Es ist an jüdische Fabeln zu denken. Zum Beispiel glaubten viele Juden an einen androgynen Adam, also einen doppeltgeschlechtlichen Menschen nach dem Sündenfall. Daher erklärt sich der Widerwille gegen die Ehe. Denn die Ehe Adams mit Evas hat ihm "keinen Segen gebracht". Oder: Gott habe in den menschlichen Körper separat eine Seele hinzugefügt. Die Schöpfung an sich ist nach dem Sündenfall vom Satan umgestaltet worden. Folglich kann man zu dieser Natur nicht guten Gewissens einen Bezug haben, man muss sie ablehnen. Der Gedanke ist verständlich, dass diese Gnostiker auch nicht an einen Christus glauben können, der einen natürlichen Körper annimmt, der also ganz Mensch wird. In 1Joh 4,2.3 ist es ein Kennzeichen echten Glaubens, wenn jemand den Christus bezeugt, der im Fleisch gekommen sei..





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Diese Judenchristen erhofften sich mit der Beschäftigung dieser Bücher weitere Erkenntnisse und geistliche Zugänge, tatsächlich bewegten sie sich auf Nebengleisen und irrten ab. Bei den Fackelträgern pflegte ein Dozent immer zu sagen: "Benutzt doch stets die erste Quellen!" Er kritisierte damit indirekt die Flut christlicher Literatur, die alle meinen, sie müssen das Leben des Christen beeinflussen, in die wahre Richtung lenken. Es geschieht, dass man sich von dieser Literatur, die nur eine kleine Hilfe darstellen kann und darf, mehr beeinflussen lässt als von Gottes Wort.



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Was haben wir aber von den Stammbäumen zu halten? Vermutlich stellten sie eine Art Beglaubigung auf. So wie bei den jüdischen Leviten das priesterliche Erbe innerhalb dieses Stammes weiterfolgte, so glaubten vermutlich jüdische Christen, dass sie sich auf Amt und Funktion ihrer Ahnen und Urahnen berufen können. Das würde heißen: weil ich (scheinbar) beweisen kann, dass mein Großvater und mein Urgroßvater bis hin zu..schon Pfarrer waren, macht mich das ebenfalls zu einer geistlichen Größe, der man Gehör geben muss. Der "fromme Vätergedanke" ist auch bis heute nicht ganz ohne mythischen Begleiterscheinungen. Da heißt es auch immer wieder: er ist der Sohn vom Pfarrer soundso. Und schon ist der Sohn heiliger, geistlicher und man hört ihm eher zu. Diese Vorstellungen lehnt Paulus ab. Warum? Worin liegt die Gefahr, wenn doch Christus in seiner Position nicht verrückt wird? Paulus sagt: es wirft unnötig Fragen auf, die nach Antworten schreien. Und dann wird aus der Gemeinde ganz schnell ein beschaulicher Club, der sich nur um sich selber dreht und die verlorene Außenwelt nicht mehr beachtet. Der Christenheit ist einzig und allein das geoffenbarte Wort Gottes gegeben, das uns der Heilige Geist erschließt. Alle Werke darüber hinaus müssen sich an der Schrift messen lassen. Die Bibel hat keine zusätzlichen, geistlichen Worterben empfangen. Es ist uns gesagt, was gut ist. Nun soll die Gemeinde über dem Wort Gottes meditieren und es leben. Denn Gottes Wort baut auf. Alles andere sind Krücken und Gehilfen, die den Finger auf Gottes Wort hinweisen, es nicht ersetzen oder in gleicher Qualität ergänzen.





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Was hat die Anzweiflung der Schrift als göttliche Autorität der Gemeinde Christi gebracht? Inwiefern haben Aussagen des Marburger Theologieprofessors Bultmann wie: was wir von Jesus wissen, passt auf eine Briefmarke, der Gemeinde genützt? Tonnenschwer ruhen die theologischen Werke, die sich mit Wortklaubereien befassen. Gewiss: ein theologisches Ringen um Verfasserschaft, rechtes Verstehen unter zu Hilfenahme der Grundtexte sind der ehrliche und gesegnete Ansatz, Gottes Wort ernst zu nehmen, und zwar so und in der Gestalt, wie es uns gegeben wurde. Die Bibel ist nun mal nicht als Ganzes vom Himmel gefallen, der Herr Jesus hatte keinen Sekretär, der immer alles sofort aufschrieb. Es gab eine mündliche Überlieferung der Worte Jesu, es gab eine Festlegung des Kanons, der erst viele Jahre später zum Abschluss kam, wir haben den Urtext nicht, sondern der griechische Grundtext ist eine Auswahl von Fundstücken. All das kann nicht geleugnet werden und rechtfertigt theologisches Schaffen. Aber der Grundhaltung muss diese sein: zuerst war der Text, dann kommt meine Auslegung. Und nicht: was meinem Verstand zuwider läuft, kann auch in der Geschichte nicht geschehen sein. Wie viele junge Theologen gingen gläubig in die Universität und kamen verstört und verändert wieder heraus. Ich empfehle, die Biographie des schweizer Theologen Adolf Schlatter, gerade bezüglich dieses Kampfes.

Genauso kritisierungswürdig ist jede Art weltferner Beschaulichkeit. Zirkel und Kreise, die das Wort Gottes regelmäßig reflektieren, aber nicht im Alltag umsetzen, eigentlich auch kein Interesse haben an ihren Mitmenschen, beweisen auch eine Art Liberalität. Abschließend sei das Bild der Knechte mit den anvertrauten Pfunden genannt. Hier wird deutlich, dass uns das Wort geschenkt ist und dass wir es nicht vergraben sollen - weder durch vernichtende Kritik noch durch weltabgewandter Frömmigkeit - sondern es gehört "unters Volk!"

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Die wirkliche Erbauung, auf die das Wort Gottes abzielt, ist nicht in erster Linie die Anreicherung biblischen Wissens oder zusätzlicher Erkenntnisse, sondern das - so wörtlich - Endziel (telos) ist die Liebe! Diese Liebe entspringt einem reinen Herzen, einem ungeheuchelten Glauben und einem guten Gewissen! Hehre Ziele. Für den Menschen nicht erreichbar. Es ist die Tat Gottes durch das Wirken des Heiligen Geistes. Es ist das Ziel des Geistes Gottes, dass wir frei werden von aller Eigensucht und in Christus unseren Halt und unser Fundament haben. Christus möchte für uns alles werden, die bestimmende Mitte unseres Lebens. Er hat am Kreuz unsere Schuld besiegt. Wer dies im Glauben fasst, empfängt ein gereinigtes Herz. Das Herz, Sitz des Wollens, Denkens und Wünschens wird gereinigt durch Gottes Wort. ("Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe.). Das Wort Gottes sagt uns zu: unsere Schuld und Sünde ist vergeben, unser Leben bei Gott in guter Hand. Sein Geist, der in den Gläubigen wohnt, lässt die Frucht der Gottesliebe (agapä) in uns reifen und befähigt uns, anderen zu dienen. Wer mit Gott im Frieden steht, dessen Gewissen ist rein und gut. Diesen Frieden eines guten Gewissens und einer befreienden Selbstlosigkeit und dieser tiefen Liebe zu Gott, dem Vater, das ist das Ziel der Heiligung in Christus Jesus. Wer dagegen nur an sich denkt, sein Leben zum eigenen Ruhm verwendet, dessen Glaube muss sich die Frage gefallen lassen, ob er echt sei oder nur "geheuchelt!" Was ist damit gemeint?

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Im Reich der Fische gibt es eine ganz bestimmte Sorte, die auf ihrer Kopfpartie eine organische Veranlagung haben, womit sie sich an Wale oder Haie festsaugen können. Wenn der Hai oder der Wal auf seinen Wanderungen Nahrung zu sich nimmt, profitieren diese "schmarotzenden" Fische von ihrem Wirt. Irgendwann lösen sie sich von ihm und suchen sich andere "Wirte", die sie mit Nahrung bedienen. So ähnlich sind Menschen, die sich an eine Gemeinde dranhängen, aber nie wirklich den Bezug zu Christus suchen. Sie wollen die Gemeinschaft, die gemeinsamen Aktivitäten, die Freundschaft, die Nestwärme der christlichen Gruppe, aber sie wollen Christus nicht - zumindest nicht ganz. Sie laufen mit, schnappen diesen oder jenen Happen auf und suchen - je nach Bedarf - sich irgendwann eine andere Gruppe aus. Es ist nicht Aufgabe der Christen, diese Menschen ausfindig zu machen. Sie wissen es in der Regel selbst, denn "ihr Gewissen verklagt sie". Es ist, um im Bild Luthers zu sprechen, die immer währende Spannung zwischen sichtbarer und unsichtbarer Gemeinde. In Vers 6 steht astochäsantes, was soviel meint, wie wenn ein Pfeil sein Ziel verfehlt. Er ist zwar abgeschossen, auch in Nähe des richtigen Zieles, aber doch vorbei.

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Was diese Mitläufer zur Zeit des Paulus angehen, was haben sie statt der befreienden Lehre Jesu Christi gefunden? Christianisiertes Gesetz. Ihre Lehrer sind "Meister des Gesetzes" geworden, aber nicht Prediger des Evangeliums. Ohne die eingangs erwähnte Gnade, Barmherzigkeit und den Frieden Gottes, die man nur erlangt, wenn man ein Kind Gottes wird, wird der Glaube zum Gesetz, zum Einhalter frommer Pflichten, die das eigene Ego loben, aber Gott die Ehre verweigern.

Dabei haben diese Lehren oft die gleichen christlichen Vokabeln. Sie reden von den Erzvätern, von der Erlösung am Kreuz etc. Ich habe einmal eine Frau kennen gelernt, die einer pseudochristlichen Sekte angehörte (Universelles Leben). Die Vokabeln waren alle gleich. Nur dass das Wort Gottes nicht genügte. Eine Frau warf sich als Prophetin auf und erteilte der Gemeinde noch mehr allgemein gültige Satzungen, die dazu führten, dass das Heilswerk Christi einen völlig verdrehten Sinn bekam. Diese Erkenntnisse waren unterm Strich Müll, Fabeln und im Grunde satanisches Beiwerk. Dank Gottes Wirken kam diese Frau zum lebendigen Glauben an Christus und hat ihren Heiland am Kreuz erkennen dürfen.

Dabei entsteht die Frage, wie denn Paulus zum Gesetz stehe? Er sagt es unmissverständlich. Das Gesetz ist gut (V.8), es dient zur Erbauung, weist auf Christus hin. Aber wirksam als verdammende Kraft ist es nicht für den Gerechten, sondern nur für den Ungerechten. Der Christ kommt von Golgatha her. Seine Schuld ist bezahlt. Es ist, wie Luther es formulierte: ein frommer Christ tut gute Werke. Gute Werke machen noch keinen frommen Christen.

An der Sündenaufzählung merken wir, dass Paulus besonders an den Dekalog denkt. Das erste Gebot verlangt die Anbetung und den unbedingten Gehorsam Gott gegenüber. An diesem Gebot stoßen sich die "Ungehorsamen" und "Gott-losen". Das Volk Gottes sollte Gott gehören, ihm allein dienen, eben "heilig" sein. Daran stoßen sich die "Unheiligen". Der Dekalog verlangt die Ehrung der Eltern, diese werden aber gemordet. Der Dekalog verbietet das Töten, aber genau das wird getan (Totschlägern). Der Dekalog fordert, dass man nicht die Ehe brechen solle oder andere Frauen begehren solle, die Unzüchtigen und Knabenschänder kümmert das nicht. Und so geht es weiter mit denen, die falsch schwören, lügen oder sonst Gottes Willen widerstehen. Für sie ist das Gesetz. Sie werden einst nicht sagen können, sie hätten nichts gewusst. Das Gesetz richtet ihre Taten.

Diesem Gesetz, dass - erst einmal gefordert und aufgestellt - reizt, es zu brechen und die Sündhaftigkeit des Menschen offenbart, ist das Evangelium dazu gestellt. Das Gesetz macht offenbar, dass wir "allzumal Sünder sind" (Rö 3,23). Nur die Gnade Gottes kann uns befreien, damit wir den Frieden erlangen, der durch das Erlösungswerk Christi geschaffen wurde.

2. Kapitel 1, 12-20

2.1. Die Erfahrungen des Paulus (V.12-17)

Wer nun glauben mag, daß Paulus diese genannten Menschen verachtet, irrt. Zu sehr erinnert sich Paulus an seine eigene Vergangenheit. Auch wenn ihm seine früheren Taten nicht mehr verklagen können, sie sind doch ein Makel seiner Biographie. Paulus kann damit leben, weil es nicht um ihn geht, sondern um Christus. Im Gegenteil, sein schlechter Lebenswandel wird zum Anlass, Gott zu loben. Der Herr, der einen gemeinen Christenverfolger zum größten Missionar machen kann. Im griechischen Grundtext leuchten die Worte hervor, die wir auch im deutschen heute gebrauchen: blasphämon (Blasphemie) - sprich: ein Lästerer; hybristän - (Hybris)-einer, der völlig von sich überzeugt, sich in den Mittelpunkt stellt und darum zum Verfolger wurde aller, die seiner Linie nicht entsprachen. Diesen Saulus hat Gott erwählt zur diakonian (Diakonie) - zum dienenden Amt am Menschen im Auftrag Gottes. Was bewegt Gott, den Herrn, solch einen Menschen zu gebrauchen und zu erwählen? Es ist Gottes Gnade und Weisheit. Paulus hat Gott nichts gebracht als seinen Unglauben, seine Schuld und seine Vergehen. Selbst die Kraft zum Dienst kommt von Gott. Das einzige, was erwähnt ist: Paulus ist von Gott als "treu" erfunden worden. Paulus ruft es fröhlich aus: ich habe es erlebt. All meine Vergehen hat Christus am Kreuz getilgt. Er muß seine Vergangenheit nicht verschweigen, sondern kann dazu stehen. Die Schuld ist getilgt. Paulus ist frei geworden von seinem Ego, er ist befreit von der Macht der Sünde und ist hineingestellt in den Dienst Christi. Das alles ist nicht verstehbar, nur im Glauben zu erfassen und ausgedrückt im Phänomen der Gnade Gottes. Diese Gnade Gottes ist nicht größer und reicher geworden durch den Glauben und die Liebe des Paulus. Paulus benutzt nicht das griech.Wort "dia" (durch), sondern "meta" (mit). Die Gnade Gottes hat ihre Größe darin, daß ein Saulus sich bekehrt, ein Paulus "in Christus ist" und ein aus einem Ungläubigen, Lästerer und Verfolger ein gläubiger, dienender und liebender Mensch wird. Das können Menschen nicht bewirken, keine Tricks der Welt verändern den Menschen in seinem Wesen. Das kann Gott allein.

Im altgriech. Sprachgebrauch ist das Subjekt meist im Verb enthalten. Wenn man das Subjekt betonen will, dann setzt man im Falle der Ich-Form zum Verb das Wort "Ego" hinzu. Wenn der Herr Jesus sagt: ich bin das Brot des Lebens, dann müßte man es eigentlich übersetzen mit: Ich, ich bin das das Brot des Lebens. Diese Betonung benutzt hier Paulus, wenn er von sich sagt: ich, ich bin der Erste unter den Sündern. Wer ist mit mir vergleichbar, wenn es darum geht, wieviel Schaden er der Christenheit zugefügt hat vor seiner Bekehrung. Ein Christenhasser, ein Fanatiker, ein gewalttätiger Mensch, der nicht vor Frauen und Kindern Halt machte. Paulus betont in diesem Zusammenhang nicht die Gnade, die er empfangen hat, sondern "die Geduld!" Wie lange hat der Herr diesen Wüterich ertragen. Erinnern wir uns an Christi Worte? "Saul, Saul, warum verfolgst du mich?" Geduld ist Christi Wesensart. Aus dieser Geduld heraus geht er mit den Sündern um. Sie alle haben Gott nichts zu bringen als ihre Widerspenstigkeit und ihren Ungehorsam. Doch Gott liebt, liebt, liebt diese Schöpfung. Barmherzig ist Er, alles aus dem Weg ausgeräumt hat ER. Er will den Menschen schenken, was ihnen einst verloren ging: ewiges Leben. Das ist doch der tiefste Wunsch im Menschen: nicht sterben zu müssen, nicht Abschied nehmen zu müssen. Dazu hat der Herr Jesus Abschied genommen von seinem himmlischen Vater, ist den Weg der Erniedrigung gegangen. Paulus ist ein leuchtendes Beispiel, wie groß Gottes Liebe ist. Er erste unter den Zerstörern machte Christus zum ersten der Bauleute. Wie kann Paulus anders, wie kann die Gemeinde anders als in das Lob einzustimmen. Gott ist allein Gott, Gott ist allein unvergänglich und ewig. Gott ist es wert, daß wir ihn erwählen zum Vater, zum Freund, zum Retter, zu unserem Gott. Amen.

2.2 Beauftragung des Timotheus mit der Botschaft (V.18-20)

Wir dürfen uns die damaligen Gemeinden nicht so vorstellen, als käme der Druck nur von außen. Auch innergemeindlich stellten sich schon früh Kämpfe, Kompetenzgerangel und Irrlehren ein. Timotheus hat damit zu kämpfen, dass viele ihn nicht akzeptierten als leitende, geistliche Person. "Niemand verachte deine Jugend" mahnt Paulus an anderer Stelle. Für jemanden, der in der Gemeinde dienen will, ist es schwer, wenn ihm die Akzeptanz versagt bleibt. Paulus spricht darum auch im Bezug auf die Wirksamkeit des Timotheus vom guten "Kampf"! Und in 1Tim 1,7 hören wir auch vom "Geist der Furcht!" Wie macht nun der geistliche Vater Paulus seinem geliebten Kind Mut? Er verweist auf das Reden und Wirken des Heiligen Geistes.

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In meiner ersten Zeit nach meiner Bekehrung hatte ich viel Kontakt zu charismatischen Kreisen. Ich denke gerne daran zurück, wie viel Wert dem Reden des Heiligen Geistes beigemessen wurde. Gewiss, es gibt unendlich viel Missbrauch. Aber es gab heilige Momente, wo geistliche Väter und Mütter aus dem Gebet heraus anderen die Hände auflegten und ihnen Worte des Trostes und der Ermutigung sagten. Es wird bei Paulus sehr deutlich, dass nicht Worte von Menschen Gewicht haben und die Geschicke der Gemeinde beeinflussen; sondern die prophetischen Wort Geist begabter Christen.

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Timotheus hat Weissagungen empfangen. Von wem? Durch welchen Mund gesprochen? Unwichtig. Einzig erwähnt Paulus, dass Timotheus ein Charisma empfangen hat unter seiner Handauflegung (2Tim1,6). Dieses Wissen, dass Gottes Geist in der Gemeinde geredet hat (vgl. Apg 13) macht Timotheus Mut. Habe ich Gott auf meiner Seite, was wollen mir Menschen tun? Es gilt, die gute Botschaft, wie sie Paulus lehrt, zu bewahren und zu verteidigen. Timotheus kämpft den guten Kampf des Glaubens. Sein Gewissen ist rein und ruhig. Dieses gute Gewissen habe einige von sich gestoßen, und damit auch den befreienden Glauben. Paulus nennt dem Timotheus zwei Namen: Hymenäus und Alexander. Er hat mit ihnen die Gemeinschaft völlig gebrochen. Gemeint ist nicht unbedingt, dass diese beiden den Paulus angegriffen hätten oder in verspottet hätten. Vielmehr geht es um theologische Aussagen, die Gotteslästerlich sind. Wer die befreiende Botschaft Jesu Christi schmälert, wer eigene Gesetze aufstellt und den Christen dazu verführt, durch eigene Werke heiliger zu werden, kurzum, wer irgend etwas lehrt und tut, was der heilsamen Lehre der Bibel widerspricht, gibt Gott nicht die Ehre, die ihm gebührt. Mit diesen kann Paulus keine Gemeinschaft pflegen. Er übergibt sie dem Einflussbereich Satans. Dies bedeutet nicht, dass Satan Macht hätte, ihr Leben zu beenden. Aber Paulus hofft, dass diese "teuflische Zucht" die beiden Irrlehrer zur Besinnung bringt.

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In den letzten Versen kann eine ganze Reihe von Fragen auftauchen. Wie gehe ich mit geistlichen Lehrern um, bei denen ich den Eindruck gewinne, dass sie Grundaussagen des Glaubens wie z.b. Jesu Sühnetod am Kreuz, Jesu Mensch-und Gottheit, Jesu Auferstehung und Himmelfahrt verneinen? Es sei im Falle von V.20 erwähnt, dass Paulus diese Maßnahme ergriffen hat. Von Timotheus wird solch ein Handeln hier nicht verlangt, wobei klar sein dürfte, dass auch für Timotheus die Gemeinschaft mit den Genannten aufhören muss. Ich glaube, diese Frage muss jeder mit seinem Gewissen vor Gott beantworten.

Habe ich - wenn ich unter der Leitung eines geistlichen Leiters bleibe, von dem ich den Eindruck nicht losbekomme, dass er Christi Wort nicht schriftgemäß ausbreitet - noch ein gutes Gewissen zu bleiben? Es darf bei diesen Fragen nicht um Streit, verdeckte Überheblichkeit oder Besserwisserei gehen. Es geht vielmehr um die Frage: führt mich dieser Hirte auf gute Weide, oder schadet sein Einfluss meinem persönlichen, geistlichen Wachstum. Jeder bete und entscheide, ob sein Gewissen rein ist, ob er den Eindruck behält, den guten Kampf zu führen.

- Einschub Ende -