Predigt über 1Johannes 5, 1-4:Thema: Gottesdienst anders – Das Geheimnis echten Glaubens

Sonntag, den 2.Mai 2004


Einleitung:


Kürzlich sagte mir jemand: „Weißt Du, Michael, die Leute kommen schon seit vielen Jahren regelmäßig zum Gottesdienst. Die sind alle schon gläubig. Wenn Du dann kommst und predigst von der Bekehrung, dann wirkt das etwas eigenartig!“ Ich denke mir: unsere Vorstellung von Glauben ist sehr unterschiedlich. Bin ich in seinen Augen etwa das, was man „streng gläubig“ nennt? Sind Sie auch streng gläubig? Was ist eigentlich das Gegenteil davon, locker gläubig? Oder gar „leichtgläubig“? Man sagt ja auch manchmal von Geistlichen, sie seien ungläubig, obwohl sie kraft ihres Amtes einen Glauben haben sollten. Und dann sind da die sogenannten Fernstehenden, die man nicht als Ungläubige bezeichnet. Das klingt zu stark nach Islam. Manche bezeichnen sich auch als „Rechtgläubige“, wobei dieses Wort auch wieder einen sehr negativen Beigeschmack hat. Und überhaupt: die ganz strengen Rechtgläubigen sind ja Fundamentalisten. Und die wirft die renomierte Zeitung „Die Zeit“ in einen Topf mit Alkaida. Es wird Zeit für eine Inventur. Wir wollen heute hören, was Glaube meint und was unbedingt dazugehört.


Text lesen 1Johannes 5,1-4


  1. Standbein des Glaubens


Wenn Johannes über den Glauben spricht, dann gebraucht er Worte, die wir alle kennen. Viermal gebraucht er das Wort „Geburt“ und fünfmal das Wort „lieben“. Weiter spricht er von Gott im Bild eines Elternteils und er spricht von Kindern.

So seltsam es erscheinen mag: der Glaube an Gott hängt eng mit einem harmonischen, intakten Familienleben zusammen. Jeder von uns ist in eine Familie hineingeboren worden. Und jeder von uns hat es hoffentlich erfahren, dass er geliebt wird und dass er selbst lieben kann. Für einen Säugling ist besonders die Mutter die erste ganz große Bezugsperson. Von ihr erfährt sie Geborgenheit, Schutz und Versorgung. Ich weiß, dass es in der Geschichte des Menschen immer wieder auch vorkommt, dass eine Mutter ihr Kind nicht lieben will oder kann. Aber ich vermute, dass es noch nie passiert ist, dass ein Säugling seine Mutter nicht liebt.

Johannes bezieht nun das Ganze auf den Glauben. Wenn heute ein Kind geboren wird, dann sprechen viele auch heute noch von einem Wunder. Solch ein Wunder geschieht auch, wenn aus einem Menschen ein Kind Gottes wird. Von Gott geboren zu werden ist ein Geheimnis, dass ich nicht erklären kann. Aber ich habe es in meinem Leben erfahren. Ich kann allerdings nicht sagen, wann genau diese Neugeburt stattgefunden hat. Ich kann nur sagen, dass ich danach glauben konnte, was vorher mir nicht möglich war. Ich glaubte zwar, dass es einen Gott geben muss. So wie Albert Einstein an einen unpersönlichen Gott glaubte. Einstein sagte, an einen Gott zu glauben bedeute, die Naturgesetze zu kennen. Glaube ist aber nicht allein, etwas für richtig oder wahr halten. Der Glaube ist etwas, was einem Menschen geschenkt wird, der von ganzem Herzen ein Kind Gottes werden will. Wem dieses Geschenk zuteil wird, der erfährt ein Wunder: er kann Gott lieben. Obwohl er ihn nicht sieht, nicht berühren kann und auch akustisch nicht hört. Also Dinge, die für einen Säugling lebenswichtig sind. Der Geist Gottes führt den Glaubenden in eine für ihn unsichtbare und doch zugleich zutiefst erfahrbare Familie ein. Glauben heißt: ich kann Gott von Herzen lieb haben. All das kann ich nicht bewirken. Das alles ist ein Geschenk, dass jeder bekommt, der es von Gott möchte. Leider hat das Ganze einen Haken. Die Familie besteht nicht nur aus dem geliebten himmlischen Vater und seinem Sohn Jesus Christus. Es gibt auch äußerst greifbare, sichtbare und erfahrbare Geschwister. Wie steht`s mit denen?


2. Standbein des Glaubens


Johannes sagt: alle, die Gott zum Vater haben und Jesus als ihren Erlöser angenommen haben, die gehören zur großen, weltweiten Familie Gottes. Und so normal es ist, dass Kinder ihre Eltern lieben, so selbstverständlich ist es, dass auch Geschwister sich lieben. Ein alter Kirchenvater, der Johannes im hohen Alter erlebt hat, berichtet aber auch, dass man den Apostel hochbetagt in den Gottesdienst trug. Und Johannes sprach gegen Ende stets dieselben Worte: Kinder, liebt euch! Also wußte er, dass die Liebe unter Christen oft sehr rar gesät ist. Nun stehen wir ja vor einem Problem, nämlich dass meine erfahrbare Wirklichkeit sich nicht deckt mit dem, was Johannes sagt. Und ich kenne einige, die im Glauben Schiffbruch erlitten haben, weil sie die Erfahrung machten, wie gering die Liebe unter den Heiligen oft sein kann. Manche trösten sich dem Gedanken: „Es menschelt halt!“ Oder: „Wir sind nicht besser als andere, aber besser dran!“ Ich finde das alles ein Ausweichen und irgendwie ein schwacher Trost. Und mögen uns solche Gedankenkrücken helfen, einem Nichtchristen hilft das wenig. Jesus sagt, dass unsere guten Taten Menschen dazu bringen können, dass sie den Vater im Himmel preisen! Das Problem bleibt: Christen lieben oft wenig. Wenn also die Wiedergeburt, das Heilsgeschehen am Kreuz alles wahr sein soll, wieso ist das bei Christen so wenig erfahrbar? Wir kennen alle den Spruch des Nihilisten Nitzsche: wenn Gott existiert, dann müßten die Christen erlöster aussehen! Lieber Johannes, was hast Du dazu zu sagen?


3.Standbein des Glaubens


Johannes gibt eine Antwort. Und die wirkt im ersten Moment wie ein Hammer auf dem Kopf. Er sagt: Die Liebe zu Gott und damit die Liebe zu seinen Kindern hängt ganz eng zusammen mit dem Halten der Gebote. Da Johannes noch keine Bibel hatte wie wir heute, so würde er sagen: der Gehorsam dem Wort Gottes gegenüber. Noch einmal: Der Gehorsam dem Wort Gottes gegenüber ist der praktische Ausdruck für die Liebe zum himmlischen Vater. Und die Liebe zum Vater Triebfeder für die Liebe zu meinen Glaubensgeschwistern. Dieser Gedanke gilt es, zu prüfen. Wie oft geschieht es, dass ich mit einem Mitchristen Schwierigkeiten habe? Oder wie oft passiert es, dass Christen andere Christen respekt-und achtlos, und wenn nicht das, so doch gleichgültig behandeln? Der Weg, damit sich das ändert ist eben nicht ein „Liebe-Lern-Kurs“. Es ist eben nicht ein verbissenes und nicht selten geheucheltes Nettsein zum anderen. Der Schlüssel dazu liegt im richtigen Umgang mit der Schrift. Der Apostel Paulus sagt zurecht: lasset das Wort Gottes reichlich unter euch wohnen. Aber halt: das würde bedeuten, das dort, wo viel die Bibel gelesen wird, auch die Liebe reichlich vorhanden sein müßte. Wir wissen, dass auch das oft nicht zutrifft.

Im griechischen steht für Halten eigentlich „bewahren, schützen!“ Schon in den ersten Kapiteln kommt das Wort vor. Adam sollte die Schöpfung „bewahren“. Und das war nichts passives, sondern etwas sehr aktives. Für den Landwirt Adam hieß das ganz konkret, sich zunehmend mehr Fachwissen anzueignen und es konkret anzuwenden. Mit der Bibel verhält es sich nicht anders. In der Bibel gibt uns Gott Anweisungen für ein Leben mit ihm und ein Leben in dieser Welt. Die Heilige Schrift will ganz intensiv gehört werden, dann aber auch angewandt werden. Alle großen Männer und Frauen des Glaubens entnahmen aus der Schrift ihre Gedanken und im Gebet bewegten sie es vor Gott. Jesus selbst wird als das Wort Gottes bezeichnet und er sagte einmal, dass es sogar seine Speise sei, den Willen des Vaters zu erfüllen.


Schluss:


Der Glaube ist also vergleichbar mit einem Stuhl mit mehren Stuhlbeinen. Wer glaubt, dass Jesus existiert, der sitzt auf einem Bein und fällt um. Wer aber aus Gott geboren ist, für den ist der Glaube der Eintritt in eine große Familie. Glaube heißt hier konkret, bewußt und mit dem himmlischen Vater und seiner Gemeinde zu leben. Wer aber meint, er liebt Gott und verachtet seine Geschwister, der sitzt vielleicht auf zwei Beinen, aber er fällt irgendwann um. Sicher sitze ich, wenn die Liebe mich erfüllt. Die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Christen ist nicht voneinander zu trennen. Die Liebe aber zu Gott hat wenig zu tun mit frommen Gefühlen, schönen Freizeitstimmungen oder der Stimmung, die beim Singen schöner Balladen entsteht. Gott lieben heißt ganz konkret, einen reichen Umgang mit Gottes Wort zu haben. Das Wort Gottes zu bewahren heißt: bewußtes Hören und bewußtes Anwenden. Der Glaube kommt aus der Predigt. Die Predigt aus dem Wort Gottes. Der Kreis schließt sich. Das Geheimnis des Glaubens erschließt sich nur dem, der sich auf das Wort einläßt.