Bibelarbeiten: Bibelarbeit zu Psalm 40

erstellt von Michael Strauch


home





Ein Wort zuvor:

Ich werde diesen Psalm Vers für Vers interpretieren. Weiter versuche ich, eine eigene Übersetzung/Übertragung aus dem hebräischen Text.

Ein Wort zur künstlerischen Linienführung des Psalms:

Der Psalm beginnt unten in Orten des Schreckens und des Leidens. Die Linie steigt dann steil an, wie Gott den Gefangenen herausführt und ihn auf einen hohen Felsen stellt. Von dort weitet sich die Linie kreisförmig nach allen Seiten. Der Fels wird zum Podest, von wo die Liebe Gottes allen Menschen verkündigt wird.

Unterteilung:

  1. Überschrift. Selbstzeugnis einer wunderbaren Errettung (V.1-4)
  2. Predigt an die Gemeinde (Verse 5+6)
  3. Die messianischen Verse (Verse 7-9)
  4. Das Wort Gottes muß in die Welt (Verse 10-12)
  5. Ein Gebet in der Not (Verse 13-18)

1. Überschrift. Die Verse 2+3:

Überschrift:

Vers 1: Dem Chefdirigenten (zum gesegneten Gebrauch). Von David. Ein Chorlied mit Instrumentalbegleitung.

Vers 2: Innerlich völlig gesammelt habe ich auf Gott gewartet. Und er streckte sich nach mir aus und hörte (ungeteilt) meinem Rufen zu.

Vers 3: Er führte mich heraus aus dem Verlies des Schreckens, aus fauligem Dreck und stellte meine Füße auf den höchsten Felsen und richtete mich aufrecht.

Auslegung:

Die Überschrift im hebräischen und in deutschen Bibeln macht mir zu schaffen. Wie gibt man wieder, was gemeint ist? Zum einen: der Psalm. Gemeint ist ein Instrumentalstück, dem ein Gedicht zugrunde liegt mit Noten. In modernen Liedern steht es auch oft als Überschrift: Text von...Melodie von...Der Text ist von König David. Das Gedicht wurde vertont, für Chor und Instrumente. Aufgrund der hebr.Grammatik habe ich hinzugefügt: zum gesegneten Gebrauch. Das steht nicht da. Aber die Zeitform gibt an, dass das Werk beständig gespielt werden soll mit einem Ziel: Gott zu ehren.

Was aber ist der Inhalt der Lyrik? Würde man noch die Töne hören, dann begönne das Musikstück sicher mit einer klagenden Oboe. Die Töne beginnen tief, langsam, ohne große Variationen.

Wir hören von einem Beter. Vers 1 beginnt eigentlich zweimal mit dem Wort 62;warten". Gemeint ist: Ausschau halten. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes meint 62;zusammenbinden", darum erlaube ich mir, zu sagen: der Beter wartet mit großer Geduld, mit großer meditativer Sammlung auf Gott. Die Grammatik gibt Auskunft darüber, dass das Warten auf Gott sich lohnt. Hier ist ein Beter, der lange und intensiv und ohne Ablenkung auf Gott wartet, nach ihm späht, ihn hören will, von ihm angehört werden will. Hier erleben wir einen Beter, der der Gemeinde bezeugt, dass Gott nicht im 62;Vorbeihuschen" angesprochen werden will. Er hat auf Gott gewartet und macht die gigantische Erfahrung, dass der große Gott sich niederbeugt und ganz Ohr ist für die Anliegen des Beters.

Für 62;sich niederbeugen" kann man auch 62;sich ausstrecken nach" übersetzen. Das Hören (schama) meint ein ungeteiltes Zuhören. Im Altenpflegeheim Lindenfirst (Schwäbisch Gmünd) steht im Eingangsportal eine Bronzestatue, wo sehr schön dargestellt ist, was schama ist. Ein Mann, der auf Knien seinen Kopf halb abgewandt, halb nach oben gerichtet, ganz Ohr ist.

Gott hört zu. Gott hört mir zu. Er hört meine Anliegen mit vollem Interesse.

Gott hört dem zu, der hörend auf ihn wartet.

Man möchte meinen, wir haben hier einen Beter, der in seiner Kammer ist und auf Gott sich konzentriert. Einem Mönch gleich. Doch Vers 2 wird deutlich, warum Gott einem 62;schreienden" Beter zuhört. Die menschliche Stimme kommt aus einem Kerker!

Ich habe hier mit 62;Verlies" übersetzt. Gemeint ist, dass in der Antike Zisternen, also Brunnenschächte als eine Art Gefängnis benutzt wurde. Unten fault der Schlamm. Es ist kalt. Winzige Tiere krabbeln an den Wänden hoch. Es stinkt, fault und 62;dunkelt". Ganz zu schweigen von dem Getier unterhalb des Schlamms. Für den Dichter ein Ort des Schreckens, des Horrors, ein Alptraum. Er ruft um Hilfe. Er wendet sich an Gott. Im hebr. wird hier ein Wort gebraucht, dass für`s Bergsteigen gebraucht wird. Der Dichter erfährt Rettung. Gott selbst zieht ihn aus seiner schrecklichen Lage heraus. Von oben streckt sich Gott nach unten und zieht den Dichter von unten nach oben.

Der einst Gefangene ist schwach, unsicher auf den Füßen, unsicher in seiner Psyche. Das Grauen kann er nicht abschütteln. Auch hier braucht er die Hilfe Gottes, um zu gesunden. So werden wunderschöne Bilder gebraucht. Gott stellt den Wankenden auf die Füße, erhebt ihn auf einen Felsen, gibt ihm Stärke und richtet ihn auf. Vom hebr. ist gemeint, dass Gott seine Füße wieder so herstellt, dass er wieder gehen kann.

Ob David jemals in einer Zisterne war, ist mir nicht bekannt. Ich weiß es nur von Jeremia. Aber David weiß um diesen schrecklichen Zustand. Er erlebt an sich Momente, wo das, was ihm Angst macht, wie hohe Wände erscheinen. Jeder Versuch, an den glitschigen Mauern hinaufzusteigen, läßt ihn nur tiefer fallen. Einsamkeit, Schuldgefühle, Dunkelheit machen sich breit. Tiefste Not. Was tut David? Er schreit. Er wartet auf Hilfe. Hilfe von Gott. Er redet nicht schön, tut nicht so, als ob. Er wartet auf Gott. Weil er weiß, dass Gott ihm zuhört. Und weil er weiß, dass Gott eingreifen wird zu seiner Zeit.

Die Verse 4-6

Vers 4: Und er legte mir ein neues Freudenlied für unseren Gott in den Mund. Vieltausend werden es sehen und sich fürchten und an Jahwe glauben.

Vers 5: Glücklich ist der (starke) Mann, der sich aufmacht und Jahwe sein (ganzes) Vertrauen schenkt und sich nicht den Stolzen zuwendet noch denen, die zu den Lügengötzen abweichen.

Vers 6: Zahlreich und wundervoll ist, was Du, Jahwe, Höchster, geschaffen hast, sowie Deine Gedanken (Pläne) für uns. Niemals kann man sie Dir nacheinander vorführen, wollte ich es offenbaren, davon reden, darüber berichten, so sprengt es mein Vorstellungsvermögen.

Auslegung:

Bleiben wir bei dem Bild, dass David auf einem hohen Felsen steht. Unter sich, über sich, um sich herum die gewaltige Schöpfung. Es scheint, als würde er seine Stimme erheben und Gott laut preisen und loben. Sein Lob und Dank dringt durch die Welt. Der Mikro-und Makrokosmos wird gepriesen. Wie schön ist Gottes Welt. Kürzlich las ich in einer Ausgabe des Geographiemagazins National Geographic (Ausgabe 01/02), dass in jeder Minute 100 Billionen Insekten auf der Erde sich regen und tummeln. Von 100 Millionen Arten kennen wir 1,4 Millionen. Viele werden wir u.U. nie kennen lernen. Gott ist gewaltig. Der Dichter, der erlebt hat, dass Gott Leid über ihm zuließ, erfährt nun auch, dass Gott ihn wieder herausholt, ihm die Füße, seine Seele wieder festigt. Ja, er muß sich noch nicht einmal zum Lob bemühen. Auch das gibt ihm der Herr und legt es ihm in den Mund. Und der Dichter begreift und erlebt es: Gottes Pläne sind gut und wunderbar. Menschliche Instantlösungen helfen nicht wirklich weiter. Glücklich auch der Mann, der in Versuchung ist, sich selbst und seinen Möglichkeiten zu vertrauen. Es ist am Ende nur Lug und Trug. Der Herr, das wird durch das Passiv immer wieder deutlich, tut alles.

Kurze Bemerkungen zu einzelnen Begriffen:

Das Wort 62;sich fürchten" kann zweierlei Bedeutungen haben. Zum einen sich Fürchten im Sinne von Ehrfurcht vor Gott. Eine Art positive Furcht, die dazu führt, dass man Gott anbetet und ihm gehorcht. Es kann aber auch das Gegenteil bedeuten. Sich fürchten vor etwas, vor dem es einem graut. So schwingt beides mit: das sich fürchten vor Gott im guten Sinne. Und das sich fürchten vor Gott, wenn man ihm als Richter gegenübersteht.

Das Wort glauben wird häufiger übersetzt mit vertrauen, sich sicher fühlen.

Das Wort für Gedanken kann auch 62;Pläne" heißen.

Ein Wort habe ich mit 62;offenbaren" übersetzt. Es heißt wörtlich: eine Sache aufhellen. Gemeint ist, dass das Verständnis durch göttliche Fügung geschehen muß. Der menschliche Verstand faßt es nicht.

Etwas frei habe ich das Wort azam übersetzt. Je nach Zusammenhang kann es heißen: gewaltig, die Knochen zerbrechend, groß im Sinne von: es sprengt menschliches Verstehen.

In Vers 5 wird der hebr. Ausdruck 62;hageber" mit Mann übersetzt. Gedacht ist an einen gewappneten Mann, einem starken Mann, einem Helden und einen Mann in der Blüte seiner Kraft. Hier wird deutlich, dass gerade solch ein Mann sein Vertrauen auf Gottes Kraft setzen sollte.

Der Gott zu sein ganzes Vertrauen schenkt...Dieser Vers ist für mich schwer übertragbar. Es schwingen Wörter und Gedanken mit wie: einen geradlinigen Weg einschlagen. Also glücklich der Mann, der seine Schritte in den Geboten Gottes führt. Weiter hat ein Verb die Bedeutung, eine Sache von der einen Seite auf eine andere zu stellen. Gemeint ist wohl, dass der Dichter seine bisherige Vorstellung von Gelingen des Lebens beiseite stellt und beginnt, Gott sein Leben anzuvertrauen.

Wo ich mit 62;Höchster" übersetzt habe, steht 62;Elohim". Gemeint ist, dass Gott der höchste Gott ist über alle Götter. Weil es aber keine Götter gibt, beließ ich es mit 62;Höchster".

Wo ich mit 62;Lügengötzen" übersetzt habe, steht eigentlich nur 62;Lüge!" Gemeint ist mit dem hebr. Wort aber die Höchstform von Lüge und steht oft im Zusammenhang mit der Verkörperung dieser hohen Lüge: einem Götzenbild.

Die Verse 7-9 - gehören zu den 62;Messianischen Psalmversen"

Vers 7: An Schlachtopfern und Beigaben hast Du keinen Gefallen. Meine Ohren (zum Hören) hast Du geöffnet. Du hast weder Brand-noch Sündopfer gefordert.

Vers 8: Seit diesem Zeitpunkt sage ich: Siehe, ich komme. In den Schriftrollen (Thora) ist von mir geschrieben.

Vers 9: Deinen Königswillen zu tun, Höchster, ist mir eine Lust. Dein Gesetz (Thora) ist mitten in meinem Herzen.

Auslegung:

Es fällt immer wieder auf, wie aktiv Gott, der Herr am Beter handelt und wie passiv der Mensch selber ist. Gott zieht ihn aus dem Elend, baut ihn wieder auf, gibt ihm ein Loblied in den Mund, und öffnet ihm die Ohren, zu verstehen. Was dem Beter bleibt ist das Staunen über Gottes Werke, das Lieben des göttlichen Willens und sein Verinnerlichen. Der Psalmist wollte Gott Opfer darbringen: Schlachtopfer, Brandopfer, Sündopfer. Alles Opfer, um zum Ausdruck zu bringen, dass der Dichter ganz und gar Gott lieben und ihm dienen will. Doch Gott will keine Opfer. Der Mensch kann ihm nichts geben.

Das Wort für 62;gefallen" kann als Emotion auf Gott wie auf den Menschen angewandt werden und bedeutet: ein ganz starkes, intensives, freudiges Empfinden - vielleicht gut mit 62;Lust" zu übersetzen. Gott will an mir handeln.

Spätestens in diesen Versen hören wir den Sohn Gottes. Das 62;siehe" wird immer dann gebraucht, wenn Gott wunderbar in die Geschicke des Menschen eingreift. Vgl. dazu meine Auslegung zu Jesaja 12,2. Die Thora, gemeint ist die Gesamtheit der göttlichen Gesetze, spricht und atmet vom Kommen des geheimnisvollen 62;Ich". Denn das der Dichter hier nicht mehr von sich spricht, liegt kontextuell auf der Hand. Hier ist ein EGO EMI, ein Ich bin..., von dem die Schriften künden. Und nun bekommt der Psalm eine doppelte Verständniswende. Plötzlich muß man an das Leiden und Sterben Christi denken, wenn in den ersten Versen von den Schrecken des Verlieses berichtet wurde. Man muß an Christi Passion denken, wenn vom 62;Offenbar werden", was doch kein Mensch im Tiefsten ausloten kann, gesprochen wird. Das Gesetz und die Propheten, der Wille (gemeint ist der königliche Wille) Gottes, der nicht seine Antwort in Opfern und schlechten Gewissen findet, hat eine Gestalt, ist personifiziert im Sohn Gottes. Er ist das LOGOS, das Wort, das Gesetz. Das Wort zu lieben heißt, ihn zu lieben. An Christus seine Freude, seine Lust, sein unbändiges Verlangen zu haben. Es findet die Krönung im Ausdruck 62;Herz". Gemeint ist das Zentrum des Menschen, die 62;Lebenspumpe", das physische, geistige, geistliche, zentrale 62;Nervensystem" ist im AT das Herz. Gottes Willen gilt es, im Zentrum zu haben, zu bewegen, zu lieben.

Gottes Willen zu tun, ist dem Psalmisten eine Lust. Wir hören den Herrn Jesus sprechen in Joh 4: das ist meine Speise, das ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat!

Und heute? Ist es eine Lust, Gottes Willen zu tun? Haben wir Gott nicht reduziert auf ein paar 62;Opfer", die zu geben ihn zufriedenstellen soll? Gottes Wort zu tun, zu leben hängt untrennbar mit der Liebe zu Christus zusammen. Um Gottes Willen für sich zu verstehen und zu hören, muß Gott 62;seinem Jünger das Ohr öffnen!" Wie das geht, haben wir in den ersten Versen erfahren.

Die Verse 10-12

Vers 10: Ich habe deine Gerechtigkeit verkündigt vor der großen Gemeinde. Siehe, meine Lippen haben nichts verschwiegen, Jahwe, Du weißt es.

Vers 11: Deine Gerechtigkeit (Recht) habe ich nicht verborgen im Innern meines Herzens. Ich habe gepredigt von deiner Glaubwürdigkeit und Deiner Sehnsucht. Ich habe deine Freundlichkeit und Deine Wahrheit nicht verhehlt vor der großen Gemeinde.

Vers 12: Du, Jahwe, halte nicht zurück von mir deine zarte Liebe und Freundlichkeit. Und deine Wahrheit bewahre mich immerzu.

Auslegung:

Dieser Vers atmet in großen Zügen die ganze Liebe Gottes und ist dazu kunstvoll gestrickt wie ein Reigen zweier Liebender. Hervorstechend ist das Wort 62;Freundlichkeit". Im hebräischen ist das Wort chasad ein schwer zu übersetzendes Wort. Ein Bild erhellt, was mit Freundlichkeit gemeint ist: Als Jonathan starb, hinterließ er seinen kranken Sohn Mephiboshet. David nahm den Hinterbliebenen auf und kümmerte sich um ihn. Zwei wichtige Dinge spielen hier eine Rolle: David hatte eine Beziehung zu Mephiboshets Vater Jonathan und darum übt er eine Tat der Liebe, der Freundlichkeit. Beziehung und daraus folgenernd eine Liebestat ist chasad. Oft hat derjenige etwas Gutes empfangen und vergilt es - und sei es den Nachkommen - ebenfalls mit Gutem. Dieser Reigen wird in den Versen 10-12 deutlich. David scheint um Gottes Liebe zu werben und bringt vor, dass er den Namen Gottes vor der Gemeinde Israel verkündigt hat. Nun möge doch auch der Herr in seiner Art und Größe ihm seine Freundlichkeit behalten.

Weitere Begriffe sind 62;Gerechtigkeit", auch mit Recht übersetzbar. Gemeint ist die Gerechtigkeit eines Abraham und/oder eines Noah. Gerechtigkeit, die aus Glauben geschieht. Gerechtigkeit, die eine Beziehung zu Gott als Voraussetzung hat.

Der Dichter predigt, auch das ist hier vorherrschende Handlung, vor einer großen Versammlung. Gemeint ist, dass sich sehr viele Menschen einfinden und dem Prediger zuhören. Und der Prediger verkündigt die Wahrheit Gottes, besonders aber seine Liebe. Was in vielen Bibeln mit 62;Erlösung" übersetzt ist, meint: sich sehnen nach, sich ausstrecken.

Und hier haben wir reinstes Evangelium: Gott sehnt sich nach dem Menschen. Er will nicht seine Gotteshäuser, Gebetsformeln, Spendengelder und Einsätze. Gott hat keinen Gefallen an Opfer jeglicher Art. Vielmehr sehnt sich Gott, der Vater so sehr nach seinem Geschöpf. Und er drückt sein Sehnen aus, macht es hörbar durch die Predigt des Dichters, den Gesang des Chores und durch erfahrbar durch die Tat der Liebe. Gott kennt den Menschen. Er hat ihn ja geschaffen. Und weil er ihn geschaffen hat, liebt er ihn. Und will ihn erlösen. Der Mensch kann dazu nichts leisten. Es ist eine einzige Freundlichkeit Gottes.

Die Verse 13-18: ein Gebet

Vers 13: Denn es haben mich zahllose Bosheiten (Leiden) umgeben, meine Sünden haben mich festgehalten, sodaß ich nicht imstande bin, zu sehen. Zahlreich sind sie wie die Haare auf meinem Kopf und mein Herz hat mich verlassen.

Vers 14: Habe Gefallen daran, Jahwe, mich zu erretten, Jahwe, eile, um mir zu helfen.

Vers 15: Lass sie sich entsetzen über Ursache ihrer Schande, (all) die zu mir sagen: Ha,ha!

Vers 16: Lass alle beschämt und in Schande dastehen, die nach Wegen suchen, mein Leben zu zerstören; lass sie zurückweichen, die Gefallen haben an meinem Unglück.

Vers 17: Laß alle fröhlich sein und jubeln, die dich suchen, die deine Erlösung lieben, lass sie stets sagen: Erhoben sei Jahwe.

Vers 18: Ich aber bin elend und arm, der Herr denkt an mich. Meine Hilfe und mein Erretter bist Du, mein Gott, zögere nicht!

Auslegung:

Nach diesen siegreichen Worten, nach dieser herrlichen 62;Felsenpredigt" wirkt das anschließende Gebet nicht ganz folgerichtig. Wir merken, dass der Beter sich durch die Anrede wieder Gott zuwendet. Der Inhalt seiner Worte wiegt schwer, man spürt die Not, die Kränkung, das Leiden mit all den seelischen Qualen, die damit verbunden sind. Ich neige dazu, anzunehmen, dass das Gebet eine Ausführung von Vers 2 ist. Dort, als der Beter sich wie ein Gefangener vorkam, der im schlammigen Morrast einer Zisterne ausharren muß und zu Gott betet. Es würde gut passen.

Der Psalmdichter leidet unter zwei schwerem Momenten: das Wissen um die eigenen Sünden (Vers 13) und das bange Fragen, ob er aufgrund seiner Sünden all das ertragen muß. Vielleicht ein Moment, den viele erleiden, wenn sie von einem 62;Schicksalsschlag" ereilt werden. Warum ausgerechnet ich? Was habe ich getan, dass mir das passiert? Dem Dichter wiegt die Schuld zentnerschwer, aber er wendet sich an den, der sie nehmen kann und will. (V.14).

Doch der Dichter erfahrt auch, dass es menschliche Gemeinheiten, fiese, korrupte Hände waren, die dieses Elend verursachten. Menschen, die sein Unglück wollen, gegen ihn intervenieren ohne rechten Grund. Vielleicht ist das eines der schlimmsten Erfahrungen, zu Unrecht Unrecht erleiden zu müssen. Denen wünscht der Psalmist, dass sie sich schämen müssen. Er wünscht ihnen nicht 62;den Teufel an den Hals". Vielmehr wäre es ihm genug, wenn sie Einsicht gewinnen mögen. Ich habe manchen Menschen erlebt, der schwer unter dem Unrecht zu leiden hatte, dem andere ihm frivol zugefügt haben. Interessanterweise hätte die Bitte um Verzeihung, das Eingeständnis, falsch gehandelt zu haben seitens der Peiniger dem Gepeinigten genügt. Es hätte die ungerechtfertigten Selbstzweifel zur Ruhe gebracht, die Seele ein Stück gesunden lassen.

Doch der Dichter erfährt und erlebt es: es gibt einen Richter über allen. Nichts bleibt unbearbeitet. Er wendet sich an Gott und erfährt ihn als Retter, Helfer und Erlöser. Was ihm schwer fällt ist, dass die Hilfe nach seinem Emfpinden oft sehr lange ausbleibt (Vers 18).

Es ist zum Schluß zu sagen, dass dieses letzte Gebet auch das Gebet Jesu Christi hätte sein können während der erlittenen Folterungen, Kreuzigung und Auferstehung. Christus erlitt den Spott, erlitt die zu Unrecht verhängte und durchgeführte Strafe und erfuhr Gott als seinen Helfer und Retter. Nur mit dem Unterschied, dass er seinen Feinden verzeiht. Doch das Beschämen bleibt nicht aus. Am Tage des Gerichts werden auch diese Worte Gestalt gewinnen, wenn sie den sehen werden, den sie durchbohrt haben. Sie werden, um es vom hebr. Ausdruck zu sagen: sich über sich selbst entsetzen (Vers 16).