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1. Einleitende Bemerkungen
2. Kurze Gliederung
3. Exegetische Bemerkungen
Babel ist gefallen. Die neuen Regenten sind die Perser. Sie verfolgen eine kluge Politik: sie entlassen die vertriebenen Völker wieder in ihren Heimatländer, belassen ihnen Religion und eine bedingte Autonomie. Der Vasallenstatus bleibt, Abgaben sind zu entrichten und die Treue zu Persien ist Bedingung. Von dieser Neuerung profitiert auch Israel. Unter dem Priester Esra gelangt ein von mehreren Rückwanderer-Trecks nach Israel zurück. Sie beginnen mit dem Bau des Tempels als das Heiligtum Gottes und versuchen dort wieder anzusetzen, wo sie ursprünglich am tiefsten gefallen sind: der Ablehnung Jahwes.
Doch in Palästina sind die Samaritaner. Heiden, die von Babel nach Israel ebenfalls zwangsumgesiedelt wurden. Sie haben sich mit den wenigen Juden, die im Lande geblieben waren, vermischt. Sie wollen mit bauen am Tempel des Herrn. Doch Esra wehrt es ihnen. Israel muß in gerade in dieser Phase frei sein von allem heidnischen Einfluß. Die beleidigten Samaritaner bringen einen Beschwerdebrief zustande und denunzieren die Rückkehrer auf politischer Ebene. Mit Erfolg wird der Bau eingestellt (Esra 4, 6-23).
Wir zählen das Jahr 445 v.Chr.im Monat Dezember (Kislew) im 20 Regierungsjahr Artaxerxes I). Nehemia, ein Jude, hat am persischen Hof es bis zum Mundschenk geschafft. Eine vertrauenswürdige und äußerst angesehene Stellung am Hofe des persischen Königs Artaxerxes (465-425 v.Chr.).
In dieser Zeit ist der Tempel in Jerusalem schon längst aufgebaut (515 v.Chr). Aber auch nach 70 Jahren ist der Bau der Mauer keinen Meter fortgeschritten. Ohne Mauer ist Jerusalem nackt und ohne Schutz. Nehemia wußte von dem offenbar nichts. Sein leiblicher Bruder Hanani will dem offenbar eine Wende geben. Aber wie den Erlaß eines persischen Königs widerrufen? Hanani spricht mit dem einflußreichsten Mann, seinem eigenen Bruder und breitet ihm die Sache aus.
2.1. Zwei Hauptteile
Weitere Reformen (K. 8-13)
2.2. Kapitel 1
Nehemias erschütterndes Buß-und Glaubensgebet
Verse 1-3
Das erste Kapitel liest sich fast wie ein Lied. Es beginnt mit einer Einleitung, geht über zum Hauptteil und schließt wiederum. Die Einleitung beginnt geradezu heiter und man spürt den fähigen Politiker und späteren Statthalter (Satrapen): Zuerst fragt Nehemia: wie geht es den Menschen in Jerusalem, und zwar ausschließlich den aus Babel zurückgekehrten Juden. Danach erkundigt sich Nehemia nicht weniger warm nach dem Befin-den der Stadt, sodaß man geradezu den Eindruck bekommt, als personifiziere Nehemia Jerusalem.
Nach diesem liebevollen, warmherzigen Fragen in scheinbarer Fröhlichkeit drönt die Antwort wie Donner-grollen und Paukenschläge: Die Entronnenen, genau die, die Du meinst, Nehemia - erfahren ein großes Un-glück und erleiden schmachvolle Momente. Dann, wieder fast auf gleicher Ebene, als würde Volk und Stadt in engster Symbiose miteinander stehen, erfährt Nehemia, daß der Schutz Jerusalems nicht gewährleistet ist. Die Mauern liegen seit Jahrzehnten zerbrochen, die Tore sind noch immer mit Feuer verbrannt. "Unglück", "Schmach", "zerbrochen", "verbrannt". Die "Entronnenen", die "aus der Gefangenschaft" kamen vom Regen in die Traufe.
Verse 4-11
Nehemia wirkt sprichwörtlich wie "vom Donner gerührt!" Es ist, als würde die Schmach, das Unglück, das "verbrannt und zerbrochen sein" sich auf ihn legen. Und Nehemia läßt es zu. Er hört nicht mit der inneren Distanz zu, mit der heute das Management bewerkstelligt werden muß. Er läßt diese Botschaft mit voller Wucht auf sich fallen. Er "hörte diese Worte". Er muß sich "nieder setzen". Tränen steigen ihm in die Augen - er beginnt "zu weinen" und setzt sich tagelang "diesem Mitleiden" ganz bewußt aus.
Wann haben ich es wohl das letzte Mal erlebt, daß ich einem Menschen mein Leiden darlegen und dieser dieses fremde Leiden an sich zuläßt? Wann habe ich geweint, Leid getragen, wann mußte ich mich setzen, weil es dem Volke Gottes irgendwo auf dieser Welt schlecht ergeht? Geschweige denn meinem Nächsten? Wie konnte Nehemia das ertragen? Er hat es getragen für ein paar Tage, dann hat er es genauso bewußt abgegeben - an Gott. Durch Fasten und Gebet. Dieses Gebet will ich mir näher anschauen:
a: Einleitende Gebetsworte:
Bitte um volle Aufmerksamkeit: Laß deine Ohren aufmerken/Augen offen sein
b: Hauptteil: Buße und Fürbitte
Ganz am Schluß kommt Nehemias eigentliche Bitte (V.11): Gib Gelingen, wenn ich zum König gehe und ihn bitte, daß der Beschluß seines Vorgängers revidiert wird.
Das Kapitel schließt mit dem Hinweis, daß Nehemia Einfluß hatte nicht nur beim HERRN aller HERREN, sondern auch beim weltlichen Herrscher. So schließt das Kapitel geradezu organisch. Das beispielhafte Hören Nehemias auf seine Brüder, das Mitleiden, Mittragen im Gebet, das Abgeben und sich Wenden an Gott, den Herrn und aus dieser Beziehung heraus das Zuwenden zum persischen König ist aus einem Guß. Anwendung: Mir imponiert am meisten das Mitleiden und Mittragen, das Einflußnehmen und die Art und Weise, wie Nehemia betet. Bei Nehemia bekommt man den Eindruck nicht los, als wäre er permanent im Gebet. Er lebt ganz in und aus Gott heraus.