Andacht 20.10.99 BTS


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Ich möchte die Andacht mit der Bitte beginnen, dass Sie mal kurz für sich versuchen zu formulieren, wie das 1. Gebot lautet.


Haben Sie's?

Die meisten von Ihnen werden jetzt sagen: Ich bin der Herr, Dein Gott, Du sollst keine anderen Götter neben mir haben." Ich finde es sehr interessant, dass wir aus unserem Bewusstsein sehr häufig einen Teil dieses Gebotes gestrichen haben. Es heißt nämlich: "Ich bin der Herr, Dein Gott, der Dich aus der Sklaverei in Ägyptenland herausgeführt hat. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben." Scheint uns das so widersprüchlich zu sein, dass - ausgerechnet am Anfang der Zehn Gebote - Gott sich vorstellt als der Gott, der aus der Sklaverei in die Freiheit führt? Erleben wir die Gebote nicht oft als eine Einengung, die unsere Freiheiten nimmt, vielleicht sogar manchmal in eine Art Sklaverei führt? Ich denke, Gott stellt sich vor im 1 * Gebot und sagt damit: "Das ist mein Programm: ich führe in die Freiheit! "


5. Mose 4, 9 + 10.

Seht zu, dass ihr nie vergesst, was ihr mit eigenen Augen gesehen habt! Haltet die Erinnerung daran euer Leben lang lebendig, und erzählt es euren Kindern und Enkeln weiter. Denkt an den Tag, als ihr am Berg Horeb vor dem Herrn, eurem Gott, gestanden habt! Der Herr hatte zu mir gesagt: "Rufe das ganze Volk zusammen! Sie sollen hören, was ich ihnen zu sagen habe, und sollen lernen, mich und meine Weisungen ernst zu nehmen, die ganze Zeit, die sie in ihrem Land leben. Sie sollen auch ihre Kinder dazu anhalten. "



Das Gesetz Gottes, die Gebote, werden als ein kostbarer Besitz gesehen: "denkt an den Tag, erzählt euren Kindern und Enkeln." Vielleicht erleben wir die Gebote Gottes nicht als einen solchen kostbaren Besitz, weil wir den Zusammenhang zwischen Freiheit (Gott führt aus der Sklaverei) und Begrenzung verloren haben. Ich denke, dabei gilt es zu bedenken: es gibt kein Leben ohne Herrschaft. Die Herrscher dieser Welt sind ungleich strenger. Denken Sie nur an den Wettbewerb: Schöner-Jünger- Reicher. Entweder Gott - mit Geboten, die in die Freiheit führen - oder Ägypten und seine Sklaverei, das ist die Wahl. Und doch, dieser Zusammenhang ist nicht offensichtlich und zwar ganz besonders nicht für Kinder: Lesen wir weiter. 5. Mose 6, 4-7 und 20-25.



Hört, ihr Israeliten! Der Herr ist unser Gott, der Herr und sonst keiner Darum liebt ihn von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit aller Kraft. Vergesst nie seine Gebote, die ich euch heute verkünde. Schärft sie euren Kindern ein und sagt sie euch immer wieder vor - zuhause und auf Reisen, wenn ihr euch schlafen legt und wenn ihr erwacht.



Wenn eure Kinder später fragen, wozu all die Weisungen, Gebote und Rechtsbestimmungen gut sind, die ihr vom Herrn, eurem Gott, bekommen habt, dann gebt ihnen zur Antwort: 'Als Sklaven mussten wir dem König von Ägypten dienen, doch der Herr befreite uns mit seinem starken Arm. Wir haben mit eigenen Augen gesehen, wie er durch seine großen Wundertaten Verderben über den Pharao und seine Familie und über alle Ägypter brachte. Uns aber hat er aus Ägypten herausgeführt und in dieses Land gebracht, das er unseren Vätern versprochen hatte. Er will auch in Zukunft dafür sorgen, dass wir am Leben bleiben und es uns gutgeht. Aber dafür verlangt er von uns, dass wir ihn ernst nehmen und nach den Geboten leben, die er uns gegeben hat. Wenn wir alles genau befolgen, was der Herr, unser Gott, uns befohlen hat, dann können wir vor ihm bestehen. "



"Schärft euren Kindern ein": Das führt zu Fragen. Wenn Eure Kinder fragen, so heißt es in diesem Bibeltext, dann berichtet von der Sklaverei und der Freiheit, zeigt ihnen den Gott, der aus der Sklaverei befreit.


Und mit diesem Auftrag haben wir Probleme.

Problem Nr. 1: Oft haben wir selber diesen Gott nicht so als Kontrastprogramm erlebt. Aufgewachsen in christlichen Familien - zumindest aber in einer Gesellschaft, die sich ihrer Ethik und Rechtssprechung im Großen und Ganzen auf die Zehn Gebote gründet - haben wir selten erlebt, was für eine Sklaverei ein Leben ohne Gottes Weisungen und Zielsetzungen ist. Es kann also sein, dass wir die Freiheit der Gebote oft wenig zu schätzen wissen, weil wir die Sklaverei der Orientierungslosigkeit eines Lebens ohne Regeln gar nicht wirklich kennen. jugendliche fragen nach Normen, z. B. im Bereich der Sexualität: Schaffe ich es, zu vermitteln, dass eine unbeherrschte Sexualität mich beherrschen wird? Oder: jugendliche haben Fragen nach dauerhaften Beziehungen: kann ich ihnen vermitteln, dass überdauernde Beziehungen nur möglich sind durch den Verzicht auf Außenbeziehungen? Also, dass Ehe nur ohne Zerbruch möglich ist, wenn man die Ehe nicht bricht?



Ich sehe darin eine enorme Herausforderung: dass wir in einer Zeit, in der die Gesellschaft vermittelt: "Du darfst alles", von neuem begreifen, dass gerade dieses "alles Dürfen" ist, welches in die Knechtschaft und in die Sklaverei, in die Sucht und in die Abhängigkeit hinein führt. Aber es gibt noch andere Probleme, Kindern und jugendlichen zu vermitteln, dass es gute Gesetze sind, die Gott gemacht hat.



Problem Nr. 2 scheint mir zu sein, dass wir "Gott" gebrauchen , um unsere eigenen Gesetze und Gebote zu erzwingen. In dem gestrigen Vortrag von Prof. Dr. Michael Dieterich war die Rede von "redundanten Normen'~ Damit ist gemeint, dass wir gar nicht Gottes Gebote vermitteln, sondern unsere eigenen, viel engeren Gesetze - und wir werden es nicht schaffen, diese wirklich biblisch zu begründen. Gott wird dann missbraucht als Erziehungsgehilfe, z. B. im elterlichen Autoritätskonflikt.



Problem Nr. 3: wir haben selber ein enges, gesetzliches Gottesbild, welches wir unseren Kindern automatisch vermitteln. Gottesbilder sind oft so schrecklich einseitig: Zum Beispiel der Gott, der immer durch "fromme" Leistung befriedigt werden muss. Hier ist Gehorsam nicht ein Akt der Geborgenheit bei einem Gott, der es gut meint, sondern eine Demutsgeste, die dem bösen Oberwolf im Himmel die Halsschlagader präsentiert, damit der hoffentlich seine Bisshemmung bekommt. Oder wir haben uns den lieben und verfügbaren Gott gemacht, der in der Hosentasche Platz findet und jederzeit bei Bedarf herausgeholt werden kann. Ich glaube, viel zu oft vermitteln wir einen Gott, der als Vollstreckungsgehilfe unserer Alltagsaufgaben Dienst tun soll. Nicht der großartige Gott, der uns z. B. so geschaffen hat, dass wir mit Disziplin und Hausaufgaben auch Mathematik begreifen können - und dem sich alles verdankt - sondern dessen primäre Aufgabe darin besteht, uns in der Mathematikklausur zu helfen. Oder ein Gott, der für uns alle unsere Gefühle regelt, oder einer, der uns alles verbietet, was Freude macht usw. usw.



Die Bibel stellt uns also vor eine schwierige Aufgabe: Vermittelt Euren Kindern, die Ägypten noch nie erlebt haben, was Leben ohne Ordnungen heißt. Malt dabei nicht die Bösen schwarz und die Guten weiß. Macht nicht das Einhalten des Gesetzes zum Evangelium - Evangelium heißt: Gott selbst hat in Jesus Christus alle Schuld gesühnt. Macht nicht das Gebot zur Schikane eines Gottes, der unser Leben beschränken, einengen und als Spaßverderber auftreten will - und habt zuerst einmal selber eine Liebesbeziehung zu den göttlichen Ordnungen. jemand. der diese göttlichen Ordnungen nicht bewahrt, wird im Grichischen "Ataktos" genannt - ein "Unordentlicher" - ein aus dem Takt gekommener. Unordentliche sind also nicht die, die ihren Schreibtisch nicht aufgeräumt haben, sondern "unordentlich" sind Menschen, die aus dem Rhythmus ihres Lebens herausgefallen sind - oder besser: die sich den Rhythmus ihres Lebens nicht von ihrem eigenen Schöpfer zeigen und setzen lassen. "Ataktos" ist ein Begriff, der auch in der Schlachtsprache vorkommt. In der festgefügten Schlachtordnung des römischen Heeres. gibt es einen Schulterschluss, und so schützt der Schild des Nachbarn auch mich. Ein Ataktos, jemand der aus dieser Schlachtordnung heraustritt, ist also hochgradig gefährdet. Er gefährdet nicht nur sich selbst, sondern auch andere. Die Überlebenswahrscheinlichkeit in einer Schlacht ist gering, wenn man sich aus den Ordnungen der Schlachtreihen löst.



Also, es geht darum, dass wir zuerst einmal selber eine Beziehung zu diesen göttlichen Ordnungen bekommen, die uns zutiefst dankbar macht, dass es diese Ordnungen gibt, die uns seine Gebote als Schatz, als Besitz, als Kostbarkeit begreifen lassen.



Und dann - dann redet mit den Kindern darüber! Immer und immer wieder, zu ganz besonderen Zeiten (siehe z. B. das Passahmahl, (2. Mose 12, 26 + 27» und zu ganz normalen Zeiten. Tut nicht so, als würden Gebote von "guten Menschen" (wie wir es selber sind .... ) gerne gehalten und von "bösen Menschen" gebrochen, sondern erzählt von der eigenen Gebundenheit und Sklaverei. Erzählt von dem jagen nach Ehre, Besitz, Geltung und Status. Erzählt davon wie Gottes Normen und seine Ziele in eine unglaubliche Freiheit führen und - wenn es wirklich für uns wahr ist, werden unsere Kinder es glauben.