Bibelarbeit über 4.Mose 20, 1-13, 22-19
von Michael Strauch
Auch in dieser Bibelarbeit lohnt es sich, wie in den vorhergehenden Bibelarbeiten sich den Text durch Fragen zu erschließen.
A. Miriams Tod (Verse 1-13)
1. Orte:
Wüste Zin
Kadesch
Hat man den Sinai vor Augen, so bildet die Wüste Zin den oberen östlichen Teil, nördlich des roten Meeres und an der Grenze zu Edom, dem heutigen Jordanien. Israel befand sich demnach kurz vor dem verheißenen Land.
Mittig zwischen dem toten Meer und dem roten Meer liegt im Westen des Sinai Kadesch Barnea. Kadesch ist ein relativ wasserreicher Ort, einer der wichtigsten und langen Ruhepunkte für das ziehende Israel.
Also allein von den Örtlichkeiten lässt sich eine gewisse Spannung ablesen. Das Volk steht kurz vor dem Ziel. In der Oase von Kadesch-Barnea haben sie einen Vorgeschmack dessen, was sie erwartet.
2. Miriams Tod
In einem Vers, ohne große Worte, wird der Tod dieser großen Frau beschrieben. Sie starb mitten in der Gemeinde Israel. Sie starb kurz vor dem Ziel. Sie durfte das verheißene Land nicht mehr erleben. Es heißt: sie starb dort und sie wurde begraben dort.
Miriam. Bei einer Beerdigung würde man sich ihrer Lebensdaten erinnern. Welche Entwicklung hat sie genommen? Wie begann alles und wie endete es? Ein kurzer Rückblick:
Miriam wird in Ägypten geboren und wächst als die ältere Schwester von Aaron und Mose dort auf.
Einer der entscheidenden Erlebnisse war der Massenmord an kleinen Kindern durch Pharao und die wunderbare Rettungsaktion ihrer Mutter und darauf durch die ägyptische Prinzessin.
Das Kind wurde einer Amme zum Stillen gegeben - das war Jochebed, Moses eigene Mutter. Miriam erfährt also Gottes gnädiges Handeln inmitten aussichtslos scheinender Momente.
Der Durchzug Israels und das Sterben der Feinde Israel ließ Miriam prophetische Lieder und Klänge mit dem Tamburin anklingen. Der Auszug aus Ägypten und der Beginn der Wüstenwanderung ist geistlich Miriams schönste Zeit.
Dann erfahren wir lange nichts von ihr. Wohl blieb sie ein Leben lang an des Mose Seite. Irgendwann kam eine Wende in ihrer Persönlichkeit. Sie wollte ihren Bruder als Auserwählten Gottes nicht allein akzeptieren, sondern selbst die Würde haben.
Miriam wird vom Herrn mit Aussatz bestraft. Aussatz heißt: unrein, verstoßen, selbst Opfer des Frevels.
Durch die Fürbitte ihres Bruders wird sie aber nach 7 Tagen wieder geheilt vom Herrn und darf wieder unter Menschen.
Kurz vor dem verheißenen Land starb sie. Starb sie verbittert, allein und traurig? Wir werden es nie erfahren auf dieser Welt. Aber ein kleiner Hinweis findet sich im Propheten Micha 6,4: danach hat sie mit Anteil gehabt an der Leitung.
Für Israel war Miriam ganz bestimmt eine große Frau. Sie machte dieselben Entwicklungen durch wie die Mutter Jesu. Ein tiefer, geistlich reifer Beginn und dann eine Zeit der Anfechtung, des Fallens und dann wieder das Neuhineinfinden in den Willen und den Weg Gottes.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass Israel Miriam verehrte und aufrichtig um sie trauerte.
3. Miriams Erbe?
Miriam hatte sich seinerzeit gegen Mose aufgelehnt. Sie reihte sich hierin ein in die Kette der vielen, die gegen Moses rebellierten. Nun ist Miriam tot, doch der rebellische Trieb geblieben. Trostlos und mühsam sickern die Worte hindurch:
"Und Miriam starb dort und wurde dort begraben. Und die Gemeinde hatte kein Wasser, und sie versammelten sich Mose und Aaron!"
Kein Wasser, und das an einem Ort, wo es reichlich davon geben müsste. Nichts. Das ist erneut eine schwere Prüfung. Es gibt im Leben vielleicht selten was schlimmeres als Ungewissheit. So fragt sich der schwer Erkrankte, ob er mit dem Leben davon kommt oder nicht. So fragen sich Millionen von Menschen, ob sie eine Arbeit bald haben oder ob sie sie verlieren. Solange man Haus, Familie und Beruf hat, ist es - wie ich finde - einfach zu sagen: "ich vertraue auf den Herrn." Was aber, wenn mir das genommen wird. Wenn jemand weggeht, den ich brauchte und nun mir man das Wasser "abgegraben" hat?
Die erste Wutreaktion geht für mich verständlich oder besser ausgedrückt - nachvollzieh-bar - an Mose und Aaron. Die Argumente sind stets diesselben. Grundsätzlich zieht sich der Klageton des Todes durch. Sie empfinden den gegenwärtigen Zustand nicht als lebenswert! Sie sagen: es wäre besser, wenn wir mit dem Gericht über die Leute Korahs umgekommen wären. Bei denen ging es wenigstens schnell. Und die Knechtschaft in Ägypten wurde ebenfalls als attraktiver empfunden. Wie ist das möglich? Vergessen die Peitschenhiebe, vergessen die schreckliche Drangsal, vergessen das Bitten des Volkes um Erlösung? "Ich habe das Schreien meines Volkes gehört..." - damit leitete der Herr seine große Rettungsaktion ein. Doch die Frage, ist sie nicht berechtigt? Warum zieht sich alles so elendiglich? Ich kann mir einen besonderen Grund nur denken:
Israel ist noch nicht bereit für Gottes Gabe. Ich persönlich glaube und erlebe es so: wenn der Herr mir etwas beibringen will, wenn ich verändert werden soll - das muss nicht immer das Schleifen einer negativen Eigenart sein, dass kann auch die Vorbereitung auf eine Aufgabe sein - dann lässt er mich solange quasi lebensthematisch im Kreis mich bewegen, bis ich die Lektion begriffen und verinnerlicht habe. Das ist weise, alles andere würde mich überfordern.
B. Aarons Tod (Verse 22-29)
Kurze Erklärung: der Berg Hor. Jeder kennt heute in Jordanien das in den Felsen gehauene Tempelmonument "Petra" im heutigen Jordanien, meines Wissens von den Nabatäern erschaffen. In der Nähe dieses Komplexes ist der knapp 1400 m hohe Berg Hor. Wobei es wissenschaftlich nicht 100 % gesichert ist.
Miriam ist tot. Ob Israel um sie trauerte, kann ich nur erahnen. Aber es ist nichts erwähnt. Von Aaron wird es explizit gesagt. Einen ganzen Monat lang trauern sie um einen großartigen Menschen, einem geistlichen Führer und um den Bruder des Mose. Was wissen wir von Aaron? Wie war sein Werdegang? Wie bei Miriam wollen wir einen kurzen Rückblick halten:
Aaron ist ein direkter Nachkomme Levis, Sohn des Amram und der Jochebed. Er war jünger als seine Schwester Miriam, allerdings drei Jahre älter als Mose. Aaron heiratete eine Frau namens Eliseba aus dem Stamm Juda, die ihm vier Söhne schenkte: Nadab und Abihu, Eleasar und Ithamar.
Mit 83 Jahren bekommt Aaron den Auftrag Gottes, für seinen Bruder Mose öffentlich zu sprechen.
Aaron gebraucht in den Anfängen in Ägypten sogar hie und da den Stab des Mose. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass er schon in Ägypten unter den Kindern Israels eine anerkannte, priesterliche Stellung innehatte.
Mit Mose erlebt Aaron die Plagen, den glorreichen Auszug und stets an der Seite seines Bruders.
Aaron hebt die müden Arme des Mose bei der Schlacht der Amalekiter. Er scheint keinen Neid zu kennen und stellt sich demütig unter die Rolle, die Gott ihm zugewiesen hat.
Wir finden ihn ebenfalls bei der feierlichen Bundschließung mit dem HERRN.
Einmal, als Mose erneut auf dem Berg war, fungieren Aaron und Hur als Richter. In dieser Zeit bestimmt der HERR, dass das Geschlecht Aaron das priesterliche Geschlecht der weiter Zukunft sein wird.
Ähnlich wie bei Miriam kommt aber auch bei Aaron die Zeit des Falles, das geistliche Tal. Aaron, ohne seinen Bruder nahezu machtlos, gibt dem Drängen des Volkes nach und erbaut ihnen ein goldenes Stierbild. Ohne die Fürbitte des Mose wäre Aaron dort gestorben.
Dennoch wird Aaron zum Priester gesalbt, zusammen mit Nadab und Abihu.
Der zweite Schlag folgt: die beiden Söhne bringen noch am selben Tag ein Feueropfer, dass der Herr nicht befohlen hat. Sie sterben sofort und Aaron darf nicht trauern. Die Heiligkeit Gottes, das auch über diesem Amt steht, ist nun allen klar vor Augen gerückt.
Der dritte Schlag: Aaron lässt sich von seiner älteren Schwester beeinflussen und glaubt ihren Worten, dass Mose nicht allein erwählt sei und ihnen Beiden die Sonderstellung auch zustünde. Und außerdem sei die kuschitische Frau des Mose wider das Gesetz. Miriam wird dafür schwer bestraft, Aaron verschont. Doch Aaron tritt als Fürbitter für seine Schwester ein und erwirkt ihr Leben.
Bei Aaron gibt es eine positive Wende. Er steht zu Gottes Worten und zur Stellung des Bruders. Bei der Rotte Korahs geht die Rebellion damit auch gegen ihn. Mitten im Sterben der Israeliten taucht Aaron auf mit der Räucherpfanne und erwirkt erneut das Leben von Tausenden. Gott bestätigt das Amt erneut und lässt seinen Stab grünen.
Nun stellt sich Aaron stets auf die scheinbar sichere Seite, die seines Bruders. Doch am Haderwasser sündigt auch Mose, und Aaron mit ihm. Beide verlieren das Recht, das verheißene Land zu betreten.
Mit 123 Jahren stirbt Aaron. Sein Bruder zieht ihm die hohepriesterlichen Kleider aus, Ausdruck für die Begrenztheit der priesterlichen Berufung und sein Sohn Eleasar bekommt sie angezogen.
Im Hebräerbrief wird deutlich darauf hingewiesen, dass das aaronitische Geschlecht begrenzt ist und Christus nach der Weise Melchisedeks das zukünftige darstellt.
Aaron war gewiss ein sensibler, wenig gestandener Mann. Es wundert ohne Ende, dass der Herr solch einen Menschen berufen hat, um ihn zu solch einem großen Amt zu würdigen. Ein Mann, der auf Volk, Schwester und Bruder hört, der kaum eine eigene Meinung zu haben hat. Wohl kann er sehr gut reden oder auch predigen. Wohl setzt er sich selbstlos ein, ist auch mutig und tritt für die Verlorenen in den Riss. Doch er brauchte starke Persönlichkeiten um sich her und ist darum auch von ihrem Werdegang abhängig gewesen.
Ich lerne daraus, dass der Herr einerseits starke Männer benutzt wie z.B. einen Moses - man denke nur an seinen tödlichen Hieb beim Ägypter. Mose war schon immer eine starke Leiterfigur und darum im Richteramt sehr kompetent. Auch als Führer, als Berater, als Sprecher zwischen Gott und Volk. Doch er konnte nicht gut reden. Dazu brauchte er Aaron. Er setzte ihn ein und sie beide harmonierten, solange sie beide auf den Herrn hörten und den Willen des Herrn oberste Priorität gaben.
Eine Gemeindeführung sollte darum nie von einem Mann allein durchgeführt werden. Es sollten auch nicht nur "Managerfiguren" sein, Kriterien, die man ja oft und gerne bei der Wahl auch von geistlichen Ämtern anführt. Eine starke, selbstbewusste Figur hat irgendwo markante Schwächen - nicht selten in der Sensibilität. Hier kann ein anderer aushelfen, zutreffend wirken - aber dies geschieht nur in gegenseitiger Wertschätzung und Beachtung der eigenen Grenzen.
Und wo man aufgrund der Unterschiedlichkeit gesündigt hat, ist Vergebung dran.