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Bildmeditation zu einer Ikone
von Michael Strauch
An was denken Sie, wenn Sie das
Wort „Ikone" hören? An irgend eine hölzerne
Heiligendarstellung? Oder vielleicht hören Sie das Wort zum erstenmal. Oder sie
haben das Wort schon mal gehört, wissen aber nicht, wo sie es einordnen sollen.
Die Kunst der Ikonenmalerei ist in der orthodox-christlichen Kirche ein
wichtiger Bestandteil. Wer sich der Bedeutung der Ikonenmalerei widmet wird
bald feststellen, daß in ihr eine große Tiefe und
Schönheit verborgen liegt, die auf den ersten Blick nicht gleich erkennbar ist.
Eine wichtige Verständnishilfe ist sicher,
daß Ikonen nicht um der Schönheit willen
gemalt wurden, sondern sie wollen dem Christen helfen auf seinem Weg, ihm
im Gebet eine Stütze bilden und sie wollen geistliche Geheimnisse bildhaft
darstellen.
Auf unserem Bild sehen wir zwei
Personen. Es sind zwei Kundschafter auf dem Rückweg aus dem gelobten Land. Die
Gemeinde Israel steht noch vor der Grenze. Wir können das in der Bibel
nachlesen im 4 Buch Mose
Kapitel 13 und 14.
Das Kapitel 13 beginnt mit dem
Reden Gottes und mit seinem Auftrag an Mose: „Sende
Männer aus, die das Land Kanaan erkunden, daß ich den
Kindern Israel geben will!"
Der Auftrag Gottes an die Männer war:
Seht euch das Land an, seid mutig, bringt von
den Früchten des Landes.
Der Werdegang der
Kundschafter:
„Sie gingen und sahen und
brachten Frucht!“
Die Rückkehr:
*Sie berichteten von der Schönheit des Landes,
aber auch von den Feinden.
*Die einen verzagten,
ließen die Angst herrschen und übertrugen sie auf die Gemeinde Gottes
(Kap 14,1)
Doch Leute wie Kaleb rufen aus:
Es ist ihr Schutz von
ihnen gewichen, der Herr aber ist mit uns. Fürchtet euch nicht vor ihnen.
Mit dieser Geschichte im Hintergrund wenden
wir uns dem Bild zu!
Bei der Ikone ist es wichtig, auf
die Botschaft der Farben, der Gestik und der Gesamtdarstellung einzugehen.
Wir wollen es kurz ergänzen:
Wir sehen zwei Männer. Beide tragen
sie eine Last, eine große grüne Weintraube. Grün ist das Leben schlechthin. Sie
ist so schwer, daß der dicke Stab in der Mitte
durchhängt. Leben die Fülle. Beide ließen sich senden, beide brachten viel
Frucht. Beide tragen an dem einen braunen, fast schwarzen Joch. Braun bis
schwarz ist die Farbe der Anfechtung und der Trauer!
Der hintere Mann bedarf unserer
genauen Beobachtung: Schauen wir auf seine Arme: Sie tragen schwer an der Last,
beide Hände verkrampfen sich um den Schaft. Sein Rücken ist gebeugt, das
vordere Bein abgewinkelt. Sein Gesicht verrät viel von dem, was in ihm vorgeht:
Wohl ist der Kopf zum Himmel gewandt. Doch seine Pupille blickt starr von Gott
weg und scheint, dich anzuschauen. Dunkle Ränder von sorgenschweren,
schlaflosen Nächten. Der Mundwinkel hängt herab. Die Haare kleben Schweiß
verschmiert am blassen Kopf: Das Land ist schön, aber der Feind ist groß. Wie
Heuschrecken sind wir vor ihm. Ich habe Angst. Doch trägt er ein leuchtend
rotes Gewand. Rot ist die Farbe des Blutes Christi. „Gott spricht die Vergebung
zu!" Doch die Folge bleibt: die Angst des Hirten hat sich der ganzen
Gemeinde bemächtigt.
Und da ist der vordere Mann, der
vorausgeht. Er wirkt nicht stärker als der andere, und dennoch scheint
er die Last mit einer gewissen Leichtigkeit zu tragen. Die Arme sind zum Kreuz
geschlagen. Auch er sieht zum Himmel hoch. Sein Gesicht ist aber voller Freude,
die Wangen rot, das Haar ist voll und die Augen blicken beständig auf Gott.
Auch er muß die Last tragen, auch sein Rücken ist
leicht gebeugt. Aber in der Kraft Gottes
läuft es sich leichter. Er
trägt ein weißes Gewand: weiß ist die Farbe des Lichtes, der Verklärung und der
Auferstehung. Darunter trägt er blau. Es ist die Farbe des Jenseitigen. Er
sieht mit dem Auge des Glaubens,
was dem körperlichen Auge
verschlossen bleibt. Wo das natürliche Auge das Übermächtige wahrnimmt, vor dem
es verzagen will, sieht das Auge des Glaubens den großen Gott über allem und
weiß um seine Kraft.
Beide laufen auf dem
Goldgrund. Gold ist an sich keine Farbe, sondern unmittelbarer Ausdruck der
ewigen Herrlichkeit Gottes. Als Christen sind wir sicher mal der oder jener
„Kundschaftertyp". Bei alledem darf ich wissen:
wenn ich auf dem Goldgrund laufe, ist mir Vergebung gewiß. Ich darf gläubig Gott um Vergebung bitten für Versagen und Schuld. Wichtig ist auch, ob ich einmal dieser oder jener bin, Gott vermag durch mich Frucht zu bringen. Das ist ein reicher Trost. Und das Bild macht deutlich, wer Gott vertraut, ist auf einem guten Weg in die ewige Herrlichkeit Gottes. Aber das Bild mahnt uns auch: Unsere Zweifel, unser Unglaube und unsere Fehler können vergeben werden, oft aber haben sie Folgen für unser Mitmenschen. Nach 40 Tagen der Kundschaft folgten 40 Jahre Wüste. Es gilt der Aufruf: Die Stärke liegt bei Gott. Verzage nicht.