4. Mose 12 Bibelarbeit
aus dem Gemeinschaftsblatt 02/05
Israel in der Wüste: Ein Volk motzt sich um Kopf und Kragen
Israel hatte die „Fleischtöpfe Ägyptens“ verlassen, und zwar im Vertrauen auf
die Zusage Gottes auf ein Land, in dem Milch und Honig fließt. Doch statt des
verheißenen Landes gab es zunächst nur Wüste und Manna, und Ernüchterung machte
sich breit. Das Alte verlassen, das Neue nicht in Sicht, so lebten sie und
verloren jede Perspektive, jede innere Orientierung, statt auf die Wunder der
Befreiung zu schauen: die Plagen über Ägypten, mit denen Gott seine
Souveränität und seine Erwählung bestätigt hat. Statt auf den Durchzug durchs
Schilfmeer zu sehen, mit dem Gott seinem Volk die Freiheit geschenkt hat,
verloren sie jede Perspektive und starrten auf den Mangel der Wüste wie das
Kaninchen auf die Schlange. Sie verloren das Vertrauen darauf, daß Gott sein
Versprechen vom „Einzug in ein gelobtes Land“ wahrmachen würde. Sie begannen,
über den Verlust der Sicherheit der Sklaverei mit Gott zu hadern und
verscherzten sich in ihrem Trotz den Einzug ins versprochene Land. Erst der
folgenden Generation sollte es geschenkt werden.
Vor wenigen Wochen lag ich im Krankenhaus neben einem älteren Herrn. Er
erzählte mir, er habe mit Gott gebrochen, denn seine Frau liege seit zwei
Jahren im Wachkoma. Im Laufe der folgenden Tage entstand vor mir ein bizarres
Lebensbild: Ein Drittel des Jahres war er mit seiner Frau verreist. „Ein Traum
von einem Leben“, fuhr es mir immer wieder durch den Kopf. Und was war
geblieben? Statt Dankbarkeit für das Geschenkte nur Hadern. Doch so sind wir
Menschen offensichtlich: Wir hadern mit Gott über unser kurzes Leben und drohen
uns dabei um die Verheißung der Ewigkeit zu bringen. Das Volk Israel in der
Wüste zwischen dem Land der Sklaverei und dem verheißenen Land befand sich
gleichwohl im Niemandsland. Ähnlich unserer Gesellschaft, nachdem der Traum vom
Glück durch Reichtum und Wohlstand, durch Emanzipation und Selbstverwirklichung
geplatzt ist und die Verheißungen Gottes gänzlich vergessen scheinen. „Das Wort
Gottes ist wie ein fahrender Platzregen. Wo er einmal gewesen, kehrt er
nimmermehr zurück. Darum, mein liebes deutsches Volk, ergreife es!“, mahnt
Martin Luther. Und es scheint wahr zu sein: Das Abendland als „corpus christianum“,
als christliche Gesellschaft ist ihrem Ende nahe. Wie auch die kulturell,
wirtschaftlich und wissenschaftlich führende Rolle Deutschlands und Europas in
der Welt sich neigt. Da wir den Glauben der Väter, der unserem Land Kraft und
Dynamik und eine verläßliche Perspektive in den Wirren der Weltgeschichte
gegeben hat, vergessen haben, wir unsere eigene Vergangenheit schlicht
vergessen haben, fehlt unserem Land auch die Zukunftsperspektive.
Manche von uns hadern nicht minder mit ihrem persönlichen Schicksal. Wir
hadern, nachdem Gott manchen von uns durch Verzicht, Krankheit oder schweren
persönlichen Verlust, durch Verletzungen oder auf andere Weise begonnen hat,
auf eine andere Zukunft vorzubereiten.
Aaron, Mirjam und wir: Probleme bei der Unterscheidung von
Leitungsverantwortung und dienender Mitarbeit
Jeder von uns lebt in verschiedenen Lebensbereichen und Bezügen: Wir sind als
eine Person Väter und Ehemänner, Arbeiter und Bezirksbrüder,
Jungscharmitarbeiter und Mitglied des Gemeinderates - alles und noch viel mehr
in einer Person. Doch die Art ist recht unterschiedlich. Während wir in den
einen Lebensbereichen Verantwortung tragen und andere mitarbeiten, ist es so,
dass in anderen Lebensbereichen andere das Sagen haben und wir nur einfache
Mitarbeiter sind. Der Wunsch, überall nur herrschen und nicht arbeiten, d.h.
dienen zu wollen, ist für Luther eine wahrhaft teuflische Versuchung. Wer
überall nur regieren will und nirgendwo mehr dienen, der stellt jede
Legitimation in Frage. Sollte mir etwa ein Polizist einen Strafzettel anhängen,
so spreche ich ihm das Recht dazu ab, wenn er zu Hause Frau und Kinder schlägt.
Einem Politiker spreche ich die Politikfähigkeit ab, wenn sich herausstellen
sollte, daß seine Frau Werbung für Hundefutter macht, und einem Propheten
namens Mose das Recht, Prophet zu sein, weil er den priesterlichen
Reinheitsvorschriften (seine Frau war eine unreine Kuschiterin) nicht genügt. Die
alte Vorstellung, daß jeder Mensch von Gott ein Mandat für seine Tätigkeit
bekommen hat, einen Auftrag, der sich im Muttersein, im Beruf, in einem
politischen Mandat, in der Mitarbeit in der Jungschar, am Brüdertisch oder wo
auch immer im Gehorsam verwirklicht, mutet uns Menschen des 21. Jahrhunderts
fremd an. Jeder möchte überall Bescheid wissen und überall mitreden -
eigenartigerweise jedoch am wenigsten in seinem eigenen Arbeitsbereich. Der
liegt nur allzu oft brach. Dass Aaron und Mirjam die exklusive prophetische
Berufung des Mose in Frage stellen, ist ein Bild für den Zustand unserer
Gesellschaft und ebenso unserer Gemeinschaften und Gemeinden.
Mose tritt nicht für sich ein
Es ist nicht die Autorität des Mose als Berufenen, die infrage gestellt wird,
sondern im Letzten die souveräne Autorität dessen, der beruft. „Sollte sich
Gott in der Berufung des Mose geirrt haben?“ ist die Frage, die durch alle
Kapitel zuvor und danach schimmert. Und diese Frage ruft den Berufenden selbst
auf den Plan. Gott selbst wehrt jeder Infragestellung seiner souveränen
Berufung. Mose hat seine Wange hingehalten, er hat sich nicht gewehrt; ein
anderer ist für Mose eingetreten, ein Stärkerer. Wie ist das in unseren
Gemeinschaften? Ein Christ sollte sich niemals für sich selbst einsetzen
müssen, sondern die Gemeinschaft der Christen tritt für ihn ein. Ein Christ
braucht sich nicht für sich selbst und seine Rechte zu verwenden und zu
verkämpfen, wenn sich jeder von uns für seinen Nächsten einsetzt und dessen
Rechte einklagt. So versteht das Neue Testament die Friedenspflicht der Jünger
Jesu und auch Luther für die Gemeinde.
Fragen zum Gespräch:
· Gibt es Zeiten oder Bereiche in meinem Leben, an die ich nur mit Bitterkeit
denke und das Ziel dieser Zeiten und das Ziel meines Lebens aus den Augen
verliere oder gar ablehne? Versöhnung mit der eigenen Biographie ist für einen
Christen Versöhnung mit dem Weg Gottes in seinem Leben.
· Wo werden Mitarbeiter in unseren Gemeinden und Gemeinschaften noch geistlich
gefördert und berufen? Wer traut sich zu berufen, wer traut sich, sich berufen
zu lassen? Stehen wir dann auch zu den so Berufenen – auch dann, wenn sie
Fehler machen?
· Fragt einer den anderen nach seiner Berufung? Sprechen wir einander die
Berufung Gottes aus? Stehen wir zu dieser Berufung auch in schwierigen Zeiten
(und weisen einander im geschwisterlichen Gespräch zurecht), oder ziehen wir
uns dann von unseren Geschwistern zurück und stellen die Berufung Gottes in
Frage?
Pfarrer Thomas Wingert, Denkingen
Impulse zur Veranschaulichung für Kinder und Erwachsene:
· Anspielszene: Zwei Leute reden über einen anderen und dessen ausländische
Frau Schlechtes, Vorurteile werden deutlich. Plötzlich kommt der andere dazu
und lädt die beiden im Namen seiner Frau zu einem griechischen Essen o.ä. ein …
· Veranschaulichung zu V. 3: Aus Duplo- oder Legosteinen das Wort „ICH“ bauen.
Bei Mose stand etwas anderes im Mittelpunkt. Was? Aufgabe für die Kinder: Die
Legosteine umbauen in „DU“ und „GOTT“.