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Bibelarbeit zu 2. Mose 5
von Michael Strauch


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Gliederung:


1.Let my people go!
(Lass mein Volk ziehen) (Vers 1)
2.Wer Wind sät, wird Sturm ernten (Vers 2-12)
3.Doppelte Schneide (Vers 13-22)


1: Let my people go!
Immer wenn ich diesen Vers lese, muss ich an die Negersklaven in Amerika denken. Die vielen Menschen, die man zu Frondiensten zwang und auf den Baumwollfeldern Amerikas schufteten, entwickelten aus einer Mischung ihrer afrikanischen Kultur und ihrem christ lichen Glauben die unvergesslichen Spirituals und Gospellieder. Im Rhythmus dieser Lieder wie „Go, down, Moses...!“ liess es sich leichter arbeiten. Und es ist nicht von ungefär, dass die Kinder Israel in Ägypten Pate standen für die Lieder. Denn auch die Afrikaner empfanden sich als Fremdlinge im fremden Land, geknechtet und verstoßen. Und doch besiegten ihre Lieder, ihre waffenlosen, einfachen Lieder die Unterdrücker und prägten Amerikas Kultur bedeutend mit. So schlecht wie damals den Sklaven, vielleicht noch schlechter erging es Israel im „Fronhaus Ägypten!“ Doch Gott startet die Operation „Sinai“ und sendet schon seine ersten Offiziere als militärische Mittler zum Pharao. Nur, dass diese Offiziere keine Armee irgendwo in den Bergen bereit stehen haben. Ihre Armee steht unter der Knute des ägyptischen Herrschers. Sie kommen, ganz allein, ohne Waffen und ohne Diplomatie und fordern wie zwei Lebensmüde die „Beurlaubung“ des Volkes Israel für die Anbetung des hebräischen Gottes.
Mose und Aaron sprechen in den Formeln der Botschafter „So spricht der Herr, der Gott Israels!“ Dieser Satz ist eine nicht gering zu achtende Provokation für Pharao. Denn ein Botschafter wird von einem König gesandt. Und dieser König ist Herr über das Volk der Juden. Es ist, als würde ein Abgesandter der Kurden zur politischen Spitze in der Türkei gehen und sagen: gebt dem Volk der Kurden Land! Die Reaktion der Türkei auf solches Ansinnen ist uns bekannt. Oder, ich schreibe diese Bibelarbeit im März 2003, w ie wenn der amerikanische Präsident George Busch dem irakischen Diktator Hussein ein Ultimatum stellt, sein Land zu verlassen, weil Amerika dem Irak die Demokratie bringen will. Die Ergebnisse solcher Forderungen kennen wir und lernen sie in diesen schwer en Tagen kennen. Umso unvorstellbarer ist es, wenn Mose und Aaron völlig ohne Armee vor Pharao stehen. Sie gleichen dem späteren David vor Goliath: ich aber komme im Namen des Herrn!
Für mich bleibt die Frage, warum Gott den Pharao nicht dem Erdboden gleich macht und Israel selbst hinausführt. Die Antwort liegt wohl darin, dass Gott den Glauben will. Gott macht es Israel nicht einfach. Sie bekommen die Rettung nicht auf dem Tablett ser viert. Der Glaube, dass in der scheinbaren Schwäche die eigentliche Stärke liegt, muss erst erfahren werden.
Im ersten Vers des 5.Kapitels macht Gott deutlich:
1.Das Volk Israel gehört mir. Ich bin sein König und Gott!
2.Dieses Volk ist dazu bestimmt, mir, dem Gott Jahwe, dem Bundesgott, zu dienen.
3.Dieses Volk will ich herausnehmen aus der heidnischen Umgebung und der Herrschaft Ägyptens.
4.Zugleich geschieht die Forderung Gottes auf diplomatischem Wege, ohne Gewalt.


Zu 2: Wer Wind sät, wird Sturm ernten (Verse 2-12)

Ich habe gerade eine Dokumentarsendung gesehen „Krieg in Bagdad“. Folgende Szenen geben Einsicht, dass zwischen einem orientalischen Herrscher von damals und heute sich nichts unterscheidet:
Im Irak gibt es eine große, schiitische Minderheit. Während des Golfkrieges haben schiitische Milizen Gebiete des Iraks besetzt. Als die USA abzog, nahm Saddam Hussein blutige Rache und tötete 30000 Menschen. Ein schiitischer Dolmetscher ließ es zu, dass d er Kameramann Augenzeuge wurde, wie ein junger Mann auf schiitischem Heiligtum öffentlich von Geheimndiensten ergriffen und abgeführt wurde. Grund: er sei ein Oppositioneller. Er habe öffentlich gegen Hussein „gemotzt!“
Zum anderen waren die Journalisten zu Besuch des christlichen Patriarchen von Bagdad, Emmanuel Delli. Er befürchtet, wenn Hussein fällt, dass kurdisch moslemische Fundamentalisten die Kirchen ausrauben werden. Was mit den Waisenmädchen passieren wird, die katholische Nonnen von der Straße holten und versorgen, läßt sich nur ahnen.
Es wird deutlich, wie ein einzelner Mann, ein einzige Mensch Tausende und Abertausende von Menschen unterschiedlichster Glaubensrichtung tyrannisieren kann und es wird deutlich, dass der „Kreuzzug“ Amerikas wiederum der islamischen Macht in die Hände spiel en kann. Eine Nonne sagte: „Hussein sei ein Tyrann, aber islamischen Fundamentalismus duldete er nicht!“ Die christlichen Kirchen, so mein Eindruck, sind die eigentlichen „Verlierer“ in dieser Schlacht. Doch der Patriarch sagte, er vertraue fest auf Gott, dass er seinem Volk beistehen wird. Auch wenn seine Gebäude in der Nähe von Regierungsgebäuden stehen. Am Tage der Bombadierung, so der Patriarch, werden die Türen der Kirchen offen stehen für die flüchtenden Glaubensbrüder.
Ein Oppositioneller wurde sofort abgeführt. Sein Schicksal läßt sich erahnen: Folter, Schläge, grausame Hinrichtung. Oppositionelle waren auch Moses und Aaron. Ihr Kampf gegen den „Hussein Ägyptens“ wirkt ungleich. Ihre Macht ist kein Supermacht überm groß en Teich, sondern ihre Macht gründet allein, im besten Sinn des Wortes allein auf Gott, dem Herrn.
Der Pharao wiederum stellt die Frage, die Mose befürchtet hat, dass es sein Volk fragen könnte (Kapitel 3,13): „Wer ist der Herr, dass ich ihm gehorchen müsse?“ In Gedanken sehe ich einen ägyptischen König mit der Doppelkrone mit spöttisch herunter gezogen en Mundwinkeln diese Worte sprechen. Vielleicht warf er einen kurzen Blick auf seine Großen, die verhalten schmunzelten und kicherten. Zwei Witzfiguren im Sandkasten bauen sich vor Supermann auf. Wie ein Vater seine beiden Kinder spöttisch begegnet: Mose u nd Aaron, habt ihr wirklich vergessen, dass ich der Größte bin? Pharao weiß nichts von einem Gott. Und wenn er von einem Größeren nichts weiß, kann es ihn auch nicht geben, weil Pharao alles zu wissen meint.
Es ist die Urfrage an die Menschen auch heute, besonders in den Tagen von ProChrist. Pharao heißt heute „Egozentrik“. Gott meldet seinen Herrschaftsanspruch über das Leben des Einzelnen an und sagt: Komm, ich will dich erlösen, damit die Sünde dich nicht d as Leben kostet.
Pharao fährt fort in seinem beißenden Spott. Er läßt Israel wie Schüler „nachsitzen!“ Wenn die noch Luft und Zeit haben, über Politik nachzudenken, dann geht`s ihnen zu gut. Gewiss, dass ist nicht der eigentliche Grund. Israel proklamiert einen eigenen Got t und Gott proklamiert seinen Herrschafts-anspruch, darin liegt die Dynamik, dessen sich auch Pharao sofort bewußt ist. Wer die ägyptischen Götter nicht akzeptiert, akzeptiert auch Pharao nicht. Und einen Gott zu proklamieren bedeutet das, was tausende von Jahren später Petrus den Schriftgelehrten sagte: man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Oder noch später Martin Luther auf dem Wormser Reichstag, wo er darauf hinwies, dass das christliche Gewissen vor Gott von keinem Herrscher beschlagnahmt werde n darf. Aber ein Volk, dass eine höhere Macht über sich akzeptiert, wird sich seiner Macht bewußt. Das kann Pharao nicht dulden und sät Angst und Tyrannei. Beschäftigungstherapie, Unterdrückung und Angst sind die Waffen des Despoten. Ganz anders klingen di e Worte Gottes: Lass ziehen...feiern...frei.
Der Spott Pharaos überbietet sich im teuflischen Nachäffen der Heroldssprüche Moses und Aarons. Wo Letztere sagen: So spricht der Herr...(V.1), so hält Pharao dagegen und läßt durch seine Boten sagen: „So spricht der Pharao...!“ Und zu zeigen, wie groß sei ne Macht ist, nimmt er Israel gleich einem Spielball in die Hand und läßt sie unsinnige Forderungen erfüllen.
Im KZ gab es ähnliche Szenen. So mußten z.b. homosexuelle Menschen schwere Steine von einem Standort zum anderen tragen und, wenn dies getan, wieder umgekehrt zurück. So wie in der griechischen Göttergeschichten der von den Göttern verfluchte Sysiphus den Stein einen Berg hochrollte und, kurz vor dem Gipfel, ihm wieder herabrollte. Pharao demonstriert seine Macht, indem er seine Untergebenen in den Staub drückt.
Für die Gemeinde Israel ein schwerer Schlag. Das Sklaventum, der Verlust ihrer Freiheit und ihres Wohlstand war hart genug. Nun kommen tägliche Schikanen, unglaubliche Gemeinheiten und Erniedrigungen. Und das wiegt schwer. Ich erinnere mich an meinen Sohn, der im Bus auf der Fahrt zur Schule ausgelacht wurde mit den Worten: „Dein Vater ist doch Prediger, du darfst ja nichts!“ Kinder frommer Eltern lachten ihn aus, weil er nicht so ein Fahrrad hatte wie die anderen. Eine Religionslehrerin behauptete öffentli ch, die Altpietisten seien eine Sekte. Erwachsene haben Rückzugsmöglichkeiten, Kinder haben darunter sehr zu leiden. Ausgebootet werden, bloßgestellt werden, diffamiert und blamiert zu werden - selbst im kleinen Kreis, ist für Kinder eine kleine Katastroph e. Pharao erniedrigt die Kinder Israel und höhnt, was später die Spötter am Kreuz höhnen: Wo ist dein Gott? Warum hilft er nicht? Du hast doch als Christ nur Nachteile? Weder wirtschaftliche Vorteile noch politisch. Was nützt Dir der Glaube? Pharao macht d ie Gemeinde zum Gespött vor den anderen. Und diese Waffe ist, so scheint es mir, wirksamer als Verfolgung. Ist es nicht auch heute so, dass der Gedanke, unangenehm aufzufallen in der Gesellschaft, vielen den Mund verschließt? Ich weiß noch gut, wie ich mit Christen redete und um eine klarere Position kämpfte. Einer sagte mir dann etwas, was ich bisher noch nicht gesehen hatte: „weißt Du, du wirst durch deinen Beruf irgendwann wegziehen. Wir müssen leben mit dem, was ist!“

zu 3. Doppelte Schneide (V.13-22)
Und Pharao schafft es: er (Vers 12) zerstreute die Gemeinde. Zerstreuung, dass will Satan. Einheit, dass will Gott. Worin kommt die Zerstreuung aber zum Ausdruck? Darin, dass sie Moses und Aaron angreifen, sie beschuldigen. Die Einheit des Volkes Gottes be steht nicht darin, dass alle Kirchen, Gemeinden und Gemeinschaften zusammenarbeiten auf Kosten ihrer Überzeugung. Einheit im Sinne von „Einheitsbrei“, im Sinne von „alle Augen zudrücken“ ist nicht die Einheit, von der Gott spricht. Und diese Einheit hat es in der Geschichte der Kirche bis auf wenige Jahre nie gegeben. Eins ist die Kirche im Sohn Gottes. Eins ist die Kirche in ihrem Bekenntnis zum Sohn und zu Gottes Wort. In dieser Einheit darf es Vielfalt geben. Einheit besteht in der Übereinstimmung des Wi llens Gottes. Darum können viele Gemeinden unterschiedlicher Couleur bei ProChrist zusammenabeiten, weil das eine Ziel, Menschen zu Christus zu führen, die gemeinsame Arbeit verbindet. Der Angriff Satans auf die Einheit wird nicht darin stattfinden, dass d ie Gemeinden mehr zusammenrücken. Sie findet statt im Angriff auf die Überzeugung und deren theologischen Vertreter. Nicht umsonst hat das römische Imperium versucht, den Apostel Johannes in „die Wüste“ zu schicken. Fällt der Kopf, so fällt auch der Leib. Nicht der Widerstand Pharaos machen Mose und Aaron zu schaffen, sondern der geschlossene Widerstand der Gemeinde gegen die Boten Gottes treiben die Beiden ins verzweifelte Gebet. Hellmuth Frey drückt es treffend aus, wenn er sagt: „Angesichts der Verschlos senheit der Gemeinde im Leib erlebt der Gesandte in neuer Größe die Anfechtung, in die sein Botenamt gestellt ist, indem er wie zwischen drei Mühlsteinen zerrieben wird: zwischen der eigenen Unreinheit oder Unbeschnittenheit der Lippen, und der Verschlosse nheit der Gemeinde und der Feindschaft der Weltmacht!“
Aber in diesem Zwispalt steht auch die Gemeinde. Einerseits der Gott der Hebräer, der sich ihnen offenbart hat und seine Herrschaft proklamiert. Und dagegen die für so reale Macht Ägyptens, die ihnen hautnah das Leben schwer machen kann. Die Sichtbarkeit u nd die Realität des sichtbaren Potentaten und die Unsichtbarkeit und das unsichtbare Handeln Gottes sind für Israel eine große Herausforderung, die nur zu bestehen ist im Glauben.
Die hebräischen Aufseher gehen zu Mose und Aaron und sprechen aus, was viele Christen bis heute in Drangsal bringt: „(V.20) Ihr habt uns vor Pharao in Verruf gebracht...!“ Sie sagen sogar, dass eben dieser Gott Israels „seine Augen wider sie richten“ möge. Für Mose ein harter Schlag. Er, den wir kennen gelernt haben als einen Mann, den schnell der Zweifel drückt, wird genau damit konfrontiert. Und ist es nicht so, dass am „Erfolg“, sprich am Gelingen eines Projekts geurteilt wird, ob Gott es gesegnet hat od er nicht? Man spricht schnell von offenen und verschlossenen Türen und vergisst, dass der Wille und der Plan Gottes sich nicht katalogisieren lassen. Im Gegenteil. Der Wille Gottes muss stets neu erfragt werden im Wort Gottes und im Gebet. Erfolg im Sinne von Zahlen und Bewertungen sind aus der Welt der Wirtschaft nicht wegzudenken, aber die Gesetze des Reiches Gottes liegen dem Menschen nicht empirisch vor, sondern müssen erbeten werden.
Mose ist in arger Bedrängnis. Es scheint, als wollte er hoch hinaus, und fällt nun tief. Er hat sich auf Gottes Wort verlassen und scheint nun verlassen zu sein. Schlimmer noch: zuerst lief alles so gut, ganz entgegen seiner Bedenken. Und nun holen ihn sei ne Bedenken doch ein. Ja sie kehren sich gegen ihn selbst. Hat er dem Pharao noch (V.3) Pest und Schwert angedroht, so sagen die Hebräer, dass eben dieses Schwert von Gott in die Hand Pharaos gegeben wurde und dieser nun Gottes Volk schlagen würde. Beschäm ter, erfolgloser und erniedrigter kann man kaum dastehen. Und was tut Mose in dieser Situation? Er betet. Es ist, wie es ein Mann mal den Begriff der Seelsorge definiert hat: „Spuck`s aus, ich sortiere es hinterher!“ Moses „erbricht“ sich geistlich vor Got t. Es kommt heraus, was heraus muss. Seine Zweifel, seine Ängste, seine Anklagen! Und Gott hält das in göttlicher Ruhe aus. Er sortiert die menschlichen Fetzen mit großer Geduld und gibt ihm ihm eine tröstende Zusage in die Hand (Kap 6,1).
Was lernen wir zum Schluss aus diesem Kapitel? Wir lernen, dass der Satan stets bestrebt ist, die christliche Gemeinde in ihrer Überzeugung und damit im Grund ihres Glaubens zu zerstreuen. Diese Zerstreuung findet ihren makabren Ausdruck darin, dass die Ge meinde sich dem Wort Gottes „fromm“ widersetzt. Sie will der Welt nicht gefallen, will sie aber auch nicht unnötig provozieren, damit sie keine wirtschaftlichen oder politischen Nachteile zu befürchten hat. Der Angriff findet dort statt, wo Gott sein Volk ruft, klar Position zu beziehen, auch wenn es Nachteile mit sich bringt. Der Angriff findet auf die Leiter der Gemeinden statt und dieser Angriff wird fromm geführt. Kürzlich sagte eine Frau beim Abschied eines Pfarrers (er wurde „gemobbt), es möge in der Gemeinde in Zukunft weniger Heckenschützen geben! Ein Umstand, den die Psalmdichter schon kannten. Und laut einer Umfrage wird mittlerweile in christlichem Umfeld ärger gestritten als in der Welt. Der Angriff Satans fällt so aus, dass man meint, Gott selbs t schickte ihn. Ein diffizieles Spiel, wo es heute klare Propheten braucht mit einer klar überprüfbaren Botschaft aus der Schrift.
Und wir lernen, dass Gott sein Volk darum nicht verwirft. Er liebt sein Volk. Kein Wort der Anschuldigung. Gott will seinem Volk helfen, ihm gehorsam zu sein. Und Moses, als besonders Betroffener: er betet. Er betet, wie wir es wieder lernen müssen. Nicht in schön geschliffenen Worten, sondern im Sinne eines „geistlichen Erbrechens“ vor Gott. Bei Gott ist Hilfe. Wenn mich einer versteht, dann mein Schöpfer. Wer sonst? Und er weiß zu ermutigen und zu helfen