Bibelarbeit über 2.Mose 33, 1-11
gehalten von Michael Strauch
Gottes Weg gehen ohne Gott? (V.1-6)
Gottes Weg gehen mit Gott (V.7-11)
Dieser Text enthält ein mutmachendes, ursprüngliches und tröstendes Element und zugleich ein befremdendes und trauriges. Gott wiederholt seine Zusage, die er Abraham, Isaak und Jakob geschworen hat. Israel wird das Land besitzen und Gott will seine Feinde vor ihnen vertreiben und so den Weg ebnen. Gott hält an seine Zusage fest, trotz der Sünde des Volkes. Und Gott schickt dem Volk auch geistliche Führerpersönlichkeiten, die sie anleiten und vorausgehen. Auch verspricht der Herr einen Engel, der sie begleitet und bewahrt.
Und nun geschieht das Unfassbare: Das alles bleibt bestehen. Ein Aufatmen wird durch das Volk gegangen sein. Doch dann sagt der Herr: das alles dürft ihr haben, aber ohne mich!
Einschub:
Das ist ein harter Schlag. Und doch trifft es irgendwie ein Grundgefühl, das viele Christen gerade heute empfinden. Es wird so vieles gemacht an christlichen Aktionen, und ganz bestimmt ist viel Engagement dahinter. Viele Christen setzen sich ein in vielen Projekten und die Angebote, die neuen Ideen, was man denn noch Neues machen könnte, überschlagen sich. Und manches ist von Erfolg gekrönt, vieles bleibt leer. Manche reißen sich ein Bein aus und ernten Hunderte von Besuchern, andere reißen sich zwei Beine aus und es bleibt bei der gleichen Zahl. Die einen sagen, dieses Konzept gefällt dem Herrn, weil die Besucherzahlen stimmen und jenes verwirft der Herr. Doch selten bis nie erlebe ich eine andere, ganz ursprüngliche Aktion: eine Bußbewegung. Bei all den Aktivitäten erlebe ich so wenig geistliche Momente. Nicht allein, dass Menschen sich bekehren, sondern auch, dass sie zu geistlichen Persönlichkeiten heranreifen. Es gibt Bewegungen mit hohen Mitgliederzahlen und viel Bibelarbeit, aber es erwachsen keine geistliche Persönlichkeiten daraus. Ist es möglich, dass der Herr all die Arbeit segnet, jeden Einsatz belohnt, er aber selbst gar nicht anwesend ist? Es wirkt dann so, als wäre die Kirche, der Gemeinschaftsraum etc. ein Ferienhaus Gottes. Wir spüren, dass er hier ab und zu wohnt, dass er die Einrichtung gestaltet hat, auch dürfen wir alles benützen, aber Gott selbst ist nicht da.
Wenn der Hausherr nicht da ist, dann ist das die Gelegenheit, sich selbst zu verwirklichen. Man kann sich aus dem christlichen Markt das heraussuchen, was das Gewissen als gut und christlich erkennt und was einem selbst Spass macht. Hauptsache, das Haus wird gut geführt. Wir kennen das ja, wenn der Hausherr da ist, kann man sich nicht so entspannt verhalten. Aber ist das das echte Leben in Gott?
Es ist ein bedenkenswertes Wort in dieser Zeit: „Die Verheißungen nehme ich Dir nicht weg. Alles sollst du bekommen, was ich Dir versprach. Nur, ich selbst werde nicht anwesend sein. Denn Du machst eh, was Du für richtig hälst und fragst mich nicht!“ So könnte man die Worte Gottes auffassen.
Einschubende
Nun könnte man auf den Gedanken kommen, Gott sei beleidigt, ja nachtragend. Doch das ist nicht der Fall. Es folgt ein weiteres, hartes Detail: „Ihr seid ein halsstarriges Volk. Wenn ich nur einen Augenblick mit euch hinaufzöge, würde ich dich vertilgen!“ Das wirft auf alles ein anderes Licht. Es liegt an dem Herrn, dass er nicht liebend gerne mitgingen, sondern es liegt an der Gemeinde Israel. „Ihr seid ein halsstarriges Volk!“ Das deutsche Wort ist vielleicht sehr passend, meint es doch, dass der Hals sich nicht mehr bewegen läßt. Er ist starr und läßt den Blick nur in eine Richtung zu. Gott macht offenbar damit deutlich, wenn ich es recht verstehe, dass es dem Volk zwar mit dem Stierbild leid tat, im Herzen aber eine wirkliche Umkehr nicht stattgefunden hat. Demnach schwingt das Damoklesschwert immer noch über dem Volk. Weil Gott aber der Fürbitte des Mose gedenkt, sucht er nach einem Weg, der allerdings für beide Seiten unbefriedigend ist. Und nun geschieht das, was vielleich schon längst hätte stattfinden sollen. Zwar lebten die Israeliten äußerlich nach dem Gesetz, aber die innere Haltung verriet nur der Schmuck, denn sie wie zum Fest noch anhatten. Es ist so, als würde man mit Partykleidern auf ein Begräbnis gehen. Es heißt:
Sie trugen Leid (V.4)
Niemand legte seinen Schmuck mehr an (V.4)
Gott wiederholt es: legt euren Schmuck ab (V.5)
Ich glaube, nun folgt eine echte Reue, ein echtes Trauern um das, was sie dem Herrn angetan haben. Sie haben ihn zutiefst verletzt. Sie haben ihr Bild auf ihn projiziert. Man sagt, der sichere Untergang einer Ehe sei, wenn man ständig seine Vorstellung auf seinen Ehepartner projiziert und verlangt. Ein entscheidendes Moment in der Ehe ist es doch, dass man lernt, den Ehepartner nicht verändern zu wollen. Viel besser ist es, durch die Liebe ihn dazu zu bringen, dass er selbst einsieht, dass Veränderung nötig ist. Gott ist Gott. Und es ein lebenslanger Prozess zu lernen, mit Gott zu leben, wie er ist, nicht, wie ich ihn haben will. Es ist eine Schwäche des Menschen, vielleicht auch eine gewisse Trägheit des Herzens, dass man Gott und seinen Willen in ein Schema verbannen will. Mitunter war es die charismatische Bewegung, dieses Schematadenken durchstieß und mit der Bedeutung der Charismata deutlich machte, dass ein Leben mit Gott etwas sehr dynamisches ist, nichts starres. Hier wäre meines Erachtens ein „Leidtragen“ vor Gott angesagt. Diese Tat des Herzens bewirkt tatsächlich auch etwas bei Gott, denn er sagt: „...dann will ich sehen, was ich dir tue!“
Das erste, was nun geschieht ist, dass Gott wieder unter seinem Volk wohnt: „Mose aber nahm das Zelt und schlug es draußen auf, fern von dem Lager, und nannte es Stiftshütte!“
Das zweite, was nun geschieht ist der „dynamische Umgang mit Gott!“ Wer mit Gott leben will, der muss ihn kennenlernen und wird ihn nie ganz kennen. Wer mit Gott leben will, muss seine Bilder verwerfen und sich ihm immer neu nähern. Es heißt im Text: „...wer den HERRN befragen wollte, mußte hinausgehen zur Stiftshütte vor das Lager!“
Hier landen wir wieder bei dem, was Mose schon lange verstanden hatte und was Gott in den vielen Wochen und Monaten auf dem Berge ihm beigebracht hat: „die Stille vor Gott, das Gebet, das Hören auf Gott, das Fragen nach seinem Willen!“ So ist das Gebet in all seinen Facetten ein wichtiger Moment in diesen Abschnitten. Dort, wo das Gebet einschläft, wird das Leben mit Gott starr. Das muss nicht leblos bedeuten, es kann mit viel äußerlichem Erfolg aufwarten, aber es bleibt starr. Viel los, und doch irgendwie leer. Dieses „Gott ist gegenwärtig, alles in uns schweige!“ bringt das Grundanliegen Gottes an uns zum Ausdruck.
Wir haben in Kapitel 32,30-35 vom Respekt gesprochen und es besser mit Ehrfurcht übersetzt. Der Respekt geht nun weiter auch zum Diener Gottes, den der Herr klar berufen hat. Dabei hatte das Volk Israel nicht Respekt vor Mose als Mensch, sondern vor Gott und dem, was er durch Mose tat. Es ist also keine Buckelei vor Geistlichen, wenn alles Volk aufsteht, als Mose zur Stiftshütte geht, sondern es ist Respekt vor Gott. Ein tiefer Unterschied. Aber Gott und seine Boten sind auch nicht einfach zu trennen. Was muss das für ein Erlebnis gewesen sein, wenn Mose den langen Weg durch die Zeltlager ging und jeder im Zelt erschien und ehrfürchtig vor der Zelttüre stehen blieb. Und welch eine Freude muss es gewesen sein, als die sichtbare Gegenwart Gottes in der Wolke über der Stiftshütte erschien und das Volk wieder miterleben durfte, was Mose vom Berg allein schon kannte: Gott redet mit ihm. Und es folgt eine tiefe Anbetung. So ist die Fürbitte, die Bußhaltung des Herzens, das Hören und Fragen und nun zuletzt die Anbetung Gottes wichtige Bestandteile des dynamsichen Umgangs mit Gott. Und Mose durfte erleben, was erst der erlösten Gemeinde so erlaubt war: „Der Herr redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet!“
Darin gipfelt der Wille Gottes. Das will uns der Herr ans Herz legen. Ich will mit dir reden, ganz normal, ganz schlicht und zugleich innig und liebevoll. Der Respekt muss nicht weichen, wenn ich mit Gott wie mit einem Freunde reden darf. Wieviel geistliches Geschwätz, wieviel Worthülsen sind in der Gemeinde zu gange. Wieviel frommes Reden und wie wenig echtes Reden – von Angesicht zu Angesicht, wie man mit einem Freund spricht, ist heute spürbar. Hier gilt es zu lernen und die Gemeinde anzuleiten, so mit Gott reden zu dürfen.