Bibelarbeit über 2Mose 32, 30-35
gehalten von Michael Strauch
Stiere sind in vielen Kulturen Sinnbild der Kraft und besonders der Fruchtbarkeit. Bis heute haben sich Stierkämpfe wie in Spanien oder im Süden Frankreichs erhalten, die an die Stiertänze der alten Minoer in Kreta erinnern. Einen Stierkopf hat der sagenhafte Minotaurus und einen Stier mußte Herkules bezwingen. Auch im Alten Ägypten war der Stier ein heiliges Tier. So trug die ägyptische Göttin der Fruchtbarkeit eine Sonnenscheibe, eingerahmt von zwei Stierhörnern als Kopftracht. Ein lebendiger Stier wurde in einem ägyptischen Tempel gehalten. Ihm zu Ehren gab es Tempelpros-tituirten. Es gibt heute noch im altägyptischen Memphis die großen Grabmäler, wo man die heiligen Apis-Stiere (so hießen die heiligen Tiere) mumifiziert in großen Grabmälern legte mit einer großen Prozession. Die Israeliten kannten also den Stierritus von Kindesbeinen an. Warum aber nahmen sie nicht den Gott RE oder einen anderen der großen ägyptischen Gottheiten als Vorbild ihrer Statue? Ich vermute, dass der Stier als Zeichen der Fruchtbarkeit einen starken Gegensatz zur Wüste, zur Durst und Hunger darstellte und dass sie sich Gott so vorstellten. In jedem Fall ist dieses Stärke und Fruchtbarkeitssymbol in Gold beredter Ausdruck, wie satt es die Israeliten hatten. Sie wollten nicht mehr auf Hoffnung leben, sondern im Schauen. Sie wollten keine religiösen Priveligierten mehr haben, sie wollten sie selber sein. Sie wollten keine kultischen Reinigungen mehr machen, sondern wollten tanzen und singen. Sie wollten nicht mehr einen Gott auf dem Gipfel, sondern einen Gott in ihrer Mitte. Sie wollten einen Gott für`s Volk, nicht einen für einen frommen Mann, der womöglich vom Berg nie mehr runterkäme.
Wir werden bei Mose Zeuge eines selbstlosen Menschen, der bereit ist, für die Heiligkeit Gottes und für das Wohl des Volkes sein eigenes Leben zu lassen und darüber hinaus. Er wird zum Inbegriff des Fürbitters, des Kämpfers im Gebet und er gibt der Kraft der Fürbitte die Dimension, die ihr zusteht. Und noch etwas: das vornehmste Recht der Fürbitte ist nicht primär die eigene Bereicherung, sondern die Bitte um Vergebung für die Sünden anderer. So verwundert es nicht, dass der HERR Jesus am Kreuz für seine Feinde um Vergebung bat: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“(Lk 23,34). Seine Fürbitte besiegelte er mit seinem Tod. Auch Mose bietet sein Leben an: „Vergib ihnen doch ihre Sünde; wenn nicht, dann tilge mich aus dem Buch des Lebens, das du geschrieben hast (V.32).“ Doch Gott nimmt das Opfer des Mose nicht an. Er tilgt den, der an ihm gesündigt hat. Das erfodert die Gerechigtkeit Gottes. Und der Herr, der keine Sünde begang, genügte aller Gerechtigkeit, indem er durch sein sündloses Opfer uns gerecht machte.
Wir stellen demnach fest, dass in diesen Versen die großen Grundlinien der Bibel sich widerspiegeln. Sie tauchen wie Motive künstlerischer Meister immer wieder auf. Die Bilder sind verschieden, wirken anders und doch tauchen die gleichen Symbole in unterschiedlichem Gewand auf. So spricht Mose nicht mehr von den Sünden des Volkes, sondern von der „Sünde“. Es ist der Abfall aus Genesis 3. Es ist das uralte Schlangenansinnen, entweder selbst Gott zu sein, oder zumindest so zu sein wie Gott und wenn nicht das, sich Gott so zu gestalten, wie man ihn gerne hätte. Diese Sünde ist, wie es Mose ausdrückt: „groß“ (V.33). Diese Sünde wiegt so schwer, dass der Name des Betreffenden vom Buch des Lebens gestrichen werden muss. Gott zun entthronen auf militante oder charmante Weise, es ist im Endergebnis dasselbe. In dieser Situation gibt es nur noch einen Hoffnungsschimmer: dass einen Mittler gäbe, der in die Bresche springt.
Moses tritt in den Riss. Er steigt hinauf zu Gott. Er hat keine Macht, keine Mittel, nur das schreckliche Bewußtsein, dass sein Volk dem Untergang geweiht ist und sein Leben, das er zu geben bereit ist. In seinem Gebet sagt er ohne Schnörkel und ganz offen, was geschehen ist.
„Ach, das Volk hat eine große Sünde getan, und sie haben sich einen Gott aus Gold gemacht!“
Mose weiß, dass dies den Herrn erzürnt. Er wartet auch das Urteil nicht ab, denn er kennt es. Uns so offen und frei, wie er die Sünde bekennt, so offen und frei spricht er auch seine Hoffnung aus:
„Vergib ihnen doch ihre Sünde; wenn nicht, dann tilge mich aus dem Buch des Lebens, das du geschrieben hast!“
Gott vergibt gern. Aber hier ist eine Schuld geschehen, wo ein Tieropfer nicht genügt. Er bietet das Seine als Sühneopfer an.
Was nun folgt, wirkt so, als wäre Gott verbittert und würde die Bitte des Mose nicht annehmen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Auf der begangenen Sünde steht der Tod. Durch die Fürbitte des Mose geht die Geschichte des Volkes Israel weiter, doch Gott erteilt ihnen eine Art „Denkzettel“ Wie ist das zu verstehen?
Wir müssen uns immer wieder die menschliche Schwäche vor Augen führen. Wenn Gott alles vergeben würde und jede Strafe zurückhalten, dann würden viele dieselbe Sünde immer wieder begehen. Das ist die „billige Gnade“, die „Ramschware Gnade“, von der Bonhoeffer sprach. Es gibt Situationen, wo ein Lehrer gegenüber einem Schüler sagen muss, dass zwar die Tat verziehen werden kann, der Schüler aber die Konsequenzen trotzdem erfahren muss. Denn der gute Wille beim Menschen reicht meist nicht aus. So heißt es, dass der Herr „das Volk schlug!“ Ziel ist es, dass derjenige nicht nur das begangene Unrecht einsieht, sondern auch das wieder lernt, was in unserer Zeit weithin fehlt: Respekt. Nicht Angst, sondern Respekt. Respekt vor Gott, dem Allmächtigen und Gewaltigen. Und denken wir auch daran, dass es Mose besonders auch um die Ehre Gottes ging! Zu denken geben uns die Verse aus Kap 32,25, wo es heißt, dass Aaron durch das Gießen des Volkes die ganze Heiligkeit Gottes zum Gespött der Heiden gemacht hat und die nachfolgenden Verse, wo Mose sich nicht scheut, zum Schwert zu greifen und die Uneinsichtigen selbst in den Tod zu führen.
So hängt die Fürbitte eng zusammen mit dem Respekt vor Gott, oder besser ausgedrückt mit der Ehrfurcht. Die Furcht, dass man Gott die Ehre nähme! Wer um Gott weiß, um seine Gerechtigkeit und um das Gericht, der tritt in den Riss für sein Lieben, für seine Gemeinde, ja für seinen Ort und sein Volk. Nicht zuletzt für die Welt.