Bibelarbeit über 2.Mose 23, 1-18

gehalten von Michael Strauch


Gliederung:


  1. Privates und öffentliches Recht (Verse 1-9)

  2. Die juristische Vorbeuge des Sabbaths (V.10-13)

  3. Das Recht zu feiern (V.14-19)


  1. Privates und öffentliches Recht

    Versuch einer inhaltlichen Wiedergabe nach Stichworten


  1. Vers 1: Falsche Gerüchte in die Welt setzen; Beistand eines Schuldigen und bewußte Falschaussagen

  2. Vers 2: Falscher Herdendrang, falscher Gruppendruck, fehlende Zivilcourage

  3. Vers 3.6: Gerechtigkeit vor Reich und Arm, keine Begünstigung aufgrund des Besitzstandes, kein Ansehen der Person

  4. Vers 4: Trennen von Person und Sache, Fairness auch dem Feind gegenüber

  5. Vers 5: Jede Gelegenheit nutzen, eine Feindschaft durch barmherzige Hilfe zu verringern

  6. Vers 7: Justizmord

  7. Vers 8: Bestechung, Geldschiebereien, Schmiermittel

  8. Vers 9: Gleiches Recht für alle, auch für Ausländer.


    1. Welche Begriffe tauchen oft vor? In welchen Bereich des Lebens sind sie einzuordnen?


  1. Falsches Gerücht (V.1), falscher Zeuge (V.1), Lüge (V.7) – Gebot: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. Gott läßt es die Ausrede auch nicht gelten, dass es alle getan hätten oder der Druck der Gesellschaft so groß war etc.

  2. Schuldiger (V.1+7). Unschuldige, denen die im Recht sind (V.7.8). In diesem Zusammenhang ist von offener Korruption die Rede. Dem „Schuldigen“ nicht Beistand leisten. Die Sache der Unschuldigen durch Bestechung nicht schmälern. Dabei gilt gleiches Recht für alle. Ein Armer wird nicht aufgrund seines sozialen Statusses begünstigt im Sinne einer falschen Barmherzigkeit. Offenbar waren die Schuldigen oft wohlhabende Leute und ich vermute, dass sie sich Besitz von Ärmeren aneignen wollten. In diesem Fall gälte das Gebot: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Besitz, Weib...

  3. Feind (V.4), Widersacher (V.5). Die Feindesliebe ist daraus noch nicht abzuleiten, aber eine persönliche Feindschaft und Recht bzw. Hilfeleistung in der Not soll sauber getrennt werden. Der Zwist soll auf sachlicher Ebene ausgeführt werden und sich nicht ausweiten auf das Umfeld.


So fallen bis auf die Verse 4 und 5 alle Aussagen in den Bereich der Justiz, also des juristischen Bereichs. Der zweite Bereich fällt in den praktischen Alltag, wo Gerichte nicht eingreifen. Es ist der Bereich des Privatrechts, wo die Justiz eine unterlassene Hilfeleistung zwar nicht verurteilt, aber der Anstand und der Gehorsam gegenüber Gott es notwendig machen, barmherzig zu sein.


Gott unterscheidet also zweierlei Justizbereiche: das öffentliche Recht, das gewahrt wird durch gerichtliche Instanzen. Und einen kleineren Bereich, wo keine Rechtsverletzung im Sinne des Gerichts vorliegt, aber im Sinne Gottes. Das ist der Bereich des täglichen Umgangs.

In der Justiz gilt das eiserne Prinzip der Chancengleichheit, des Nichtansehens der Person und der Gerechtigkeit, die Recht und Unrecht unbarmherzig ahndet. Hier gilt das Prinzip „Zahn um Zahn“, dass auch so in unserer Gesellschaft angewandt werden muss.


Dann aber gibt es das „ungeschriebene Gesetz“. Die Menschen würden heute sagen: das gebietet der Anstand. Hier gilt eben nicht Zahn um Zahn, sondern das Prinzip der Willfährigkeit. Im Grunde klingt hier Jesu Bergpredigt an, wenn er davon spricht, dass man seinem Widersacher willfährig sein soll. Das bedeutet nicht, dass man Unrecht billigen muss, das bedeutet aber, dass man „feurige Kohlen“ auf dem Haupt des Feindes sammelt. Das wiederum meint, eine Gelegenheit, die Gott einem schickt, beim Schopfe zu packen und seinem Widersacher etwas Gutes zu tun. Menschen denken dabei an Zivilcourage, positive Bürgerinitiativen, Toleranz und das Prinzip, dass „eine Hand die andere wäscht!“

    1. Was aber heißt das heute für den Christen und das Gemeindeleben?


Das wäre sicher eine eigene Ausarbeitung wert. Aber hier einige „juristische Blickpunkte im NT“:


  1. Im „privaten Bereich“ gilt: Jesus verschärft sogar das Recht. Wer z.B. seinen Bruder denunziert, muss vor Gericht (Mt 5,22). Im Umgang mit seinen Feinden soll man nicht nur jede Gelegenheit nutzen, ihm Gutes zu tun, ja man soll sich offen mit versöhnen (Mt 5, 23.24).

  2. Im gesellschaftlich juristischen Bereich gilt ebenfalls keine Entwarnung: in Mt 5,25.26 gilt, was heute auch gängige Praxis ist, nämlich das man versucht, vor der Gerichtsverhandlung den Fall durch ein gutes Einvernehmen beider Kontrahenten so beizulegen. Bezüglich des falschen Zeugnisses, von der Feindesliebe etc. wird das öffentliche Recht nicht ausgehebelt, aber in den privaten Bereich geltend gemacht. Wo also Grauzonen waren, gilt jetzt Jesu klares Wort: nicht nur vor Gericht nicht lügen, auch im Alltag nicht. Das galt im AT genauso, aber Jesus verurteilt beides mit gleicher juristischer Härte. Er sagt bezügl.einer Denunziation sogar, dass man des höllischen Feuers schuldig sei (V.22).


Auch im Bereich „Zahn und Zahn“ hebelt Jesus diese Aussage nicht auf! Er erweitert ihn. Das Prinzip „Zahn um Zahn“ muss im öffentlichen Recht angewandt werden. Das meint für mich nicht, dass jemand, der getötet hat, wiederum getötet werden muss. Aber das meint, dass jemand, der ein gesellschaftlich schwerwiegendes Unrecht getan hat, bestraft werden muss. Ein Beispiel ist für mich das Beispiel Stuttgart als eine der sichersten Städte Deutschlands. Ein Geheimnis des Erfolgs liegt lt. Aussage der Polizei in der neugegründeten Einrichtung „Haus des Jugendrechts“. Dort befindet sich Polizei, Justiz- und sozialpädagogische Kräfte in einem Haus. Menschen, die das Recht gebrochen haben, werden schnell verurteilt, damit sie – so die Aussage in einem Interview des SWR3 am 04.Mai 04 „merken, was sie getan haben!“ Dabei wird allerdings verstärkt auch versucht, das soziale Umfeld des Schuldigen aufzusuchen. Öffentliches Recht kann mit der Regel, die andere Backe auch noch hinzuhalten, nicht durchgeführt werden. Es löst aber auch die Probleme der Kriminalität nie völlig auf. Das es zu Gewalt und Verbrechen erst gar nicht kommt hängt auch davon ab, wie Menschen privat miteinander umgehen. Jesus ruft dazu auf, auf sein Recht auch zu verzichten. Wenn also mir jemand die Vorfahrt nimmt, dann zu verzichten auf ein lautes Hupkonzert. Wenn ich „über`s Ohr gehauen“ wurde, die Sache sachlich und nicht aggressiv durchzu fechten. Großzügigkeit im Umgang mit meinem Recht schafft eine entspanntere Atmosphäre. Wobei gilt, dass Unrecht Unrecht bleibt und es auch so benannt werden muss.



  1. Die juristische Vorbeuge des Sabbaths

Ich kann mich noch gut erinnern, wie ein Prediger aus Ostdeutschland zu mir folgendes sagte: Weißt du, wir haben im Osten nicht viel verdient. Aber das machte uns nichts aus, weil viele Menschen um uns herum nicht viel hatten. Die Probleme treten dann auf, wenn Du wenig hast und alles um dich herum hat Überfluss!“

Ich finde, dieser Gedanke hat einiges für sich. Ich habe im vorigen Abschnitt Stuttgart erwähnt als eine Vorzeigestadt in Sachen geringer Kriminalität. Der Polizeibeamte im Interview räumte aber auch ein, dass es mit auch daran läge, dass viele Menschen Arbeit haben und recht gut verdienen. So steigt die Kriminalität in sozialen Ballungszentren wie z.B. Mannheim, wo Wohlhabende und arme Schichten aufeinanderprallen. In armen Gebieten gibt es auch viel Justizfälle, ich denke aber, dass es sich besonders auf Gewaltdelikte focussiert wegen fehlender Zukunftsperspektive. Es war je her die Stärke des Christentums, sich gerade sozial zu engagieren. Was wäre die Welt ohne die Gründung des roten Kreuzes, ohne die Gründung von Kranken-und Waisenhäusern? Was wäre die Welt ohne Hilfseinrichtung für Alte und Bedürftige? Ohne Heime für Obdachlose? Vieles davon ist von Christen gegründet worden. Und es gab auch immer wieder reiche Christen, die von ihrem Überfluss gaben und solche Projekte ermöglichten. Man denke z.B. an den Großindustriellen Carl Mez, der die Werke von Chr.Spittler finanziell förderte.

Wer wohlhabend ist, bekommt von Gott die große Chance eingeräumt, vielen viel Gutes zu tun. Im alten Israel wurde es sogar zu einem Recht des Mittellosen. Das sah folgendermaßen aus:

Der Landwirt konnte guten Gewissens 6 Jahre lang sein Feld bestellen und von den Früchten ernten. Er hatte dadurch Überfluss und der Herr gönnt es ihm. Er soll aber mit seinem Überfluss so wirtschaften, dass er alle 7 Jahren sät, aber nicht erntet. Das hieße, dass der Landwirt ein Jahr lang nicht arbeiten läßt, sondern dass er zum Brotgeber für die Armen wird. Die Armen durften dann auf die Felder und es abernten. Was übrig blieb (offenbar sollten sie nicht Getreide horten), sollte den Tieren auf dem Felde zugute kommen. Das gilt auch für die Weinberge und Ölbäume.


Weiter greift das Sabbathgebot auch auf die Woche. Gott fordert die 6 Tage Woche. Am siebenten Tag ist Ruhe von der Arbeit. Interessant ist, dass hier nicht steht, dass man still den freien Tag genießen soll, sondern man soll „feiern“. Wer arbeitet, hat auch das Recht auf Feste. Knechte und Fremdlinge sollen sich „erquicken“.


Einschub:

Wie wunderbar hat der Herr hier alles geregelt. Wenn der Mensch arbeitet, dann soll er so tun, dass er ausgelastet ist. Aber er soll nicht überlastet werden. Es gibt Zeiten der Arbeit und Zeiten des Feierns und der Erholung. Wer mehr hat, soll dem Gutes tun, der weniger hat. Auch zuviel „Feier-Abendzeit“ ist schlecht. Diese Regelung Gottes würde unsere Gesellschaft juristisch gut tun. Demnach dürften es keine Spitzenmanager geben, die eine Riesenabfindung bekommen, obwohl sie nichts mehr tun. Demnach müßte die teuerbezahlte Leistung weniger sich günstig auswirken auf das Allgemeinwohl. Demnach müßten Mütter, die oft nie einen freien Tag haben, das Recht der Ruhe bekommen und die 35-Stundenwoche wäre als solche verkehrt, weil zuviel Freizeit dem Menschen nicht gut tut.


In Vers 13 erwähnt Gott, dass alles Gesagte eng verbunden ist mit dem ersten Gebot: Gott ist einer. Er allein soll angebetet werden. Ihm soll man gehorchen. Ein Gott mit solch klaren Rechtsgeboten und Anordnungen war besonders in der Antike einmalig. Eine Abkehr von Gott bedeutet eine Abkehr vom Recht, eine Abkehr von der Menschlichkeit und eine Abkehr der Objektivität.



  1. Das Recht zu feiern

Gott erwähnt drei große Feste im Jahr:


  1. Das Fest der ungesäuerten Brote (V.15)

  2. Das Fest der Ernte (V.16)

  3. Das Feste der Lese (V.16)


Das Fest der ungesäuerten Brote geht eine Woche lang. Dabei soll man sieben Tage ungesäuertes Brot essen. Es ist im Monat Abib (Mitte März bis Mitte April). Am 14.Abib (oder Nissan) war Passahfeier und am 16.Abib der Beginn der Ernte. Dort soll Israel seine Erstlinge der Frucht Gott bringen und am Ende der Ernte das dritte Fest. Weiter gibt Gott Anweisungen über Opfer, Erstlinge und die Erscheinungspflicht der Männer. Siehe dazu Rienecker Lexikon Stichwort „Jahr“ und Feste.

Feste in der Bibel wären ein Thema für sich. Hier will ich nur auf den Gedanken eingehen, warum Gott Feste anordnet. Heute haben Feste, Feiern und „Feten“ einen guten Klang in der Gesellschaft und sie sind wichtig. Schon das alte Rom erkannte den politischen Ventileffekt von Feste in Zeiten der Unzufriedenheit, in Zeiten der Hungersnöte oder in Kriegszeiten. Um Feste feiern zu können, braucht man die nötigen Mittel dazu. In armen Kulturen stürzen sich Menschen oft in große Schulden, um z.B. die Hochzeit ihres Kindes zu finanzieren. In unserer Gesellschaft spielen Feste ein große Rolle. Geburtstagsfeste, Jahrfeiern, Jubiläen, Wein-und Fischfeste, Kirmes, Feuerwehrfeste etc. Aber die meisten Feste sind zu einem Ort der Geselligkeit geworden, was ja auch gut ist. Aber dabei bleibt es. Sie sind ohne weiteren, großen Sinn. Selbst das Osterfest ist vom Osterhasen überrumpelt worden, an Weihnachten kommt der Weihnachtsmann und zusätzlich noch der Kürbis im November. Wenn Feste aber keinen übergeordneten Sinn mehr haben, so haben sie auch nichts bindendes mehr. Die jüdischen Feste haben gerade in ihrem übergeordneten Sinn und Charakter alle Juden auf der ganzen Welt gleich welcher Nation, Hautfarbe und Kultur zusammen-gehalten. Somit gibt Gott nicht nur dem Gläubigen, sondern auch einer Gesellschaft den Gedanken eines Festes mit auf den Weg, der einen übergeordneten Sinn verfolgt.

Bei den erwähnten Festen geht es darum, dass Israel über seine wunderbare Errettung aus Ägypten nachdenkt und darüber Gott stets den ersten Rang zuerkennt. Somit sind Feste Zeiten der Erinnerung an Gottes Heldentaten, an seine Güte und Treue. Verbunden mit dem Fest ist es immer eine positive Erinnerung für Groß-und Klein. Dabei sind die Feste so ausgerichtet, dass jeder, Arm und Reich daran teilnehmen kann. Diese Feste sind:


  1. Räume der Gleichheit. Wenn Arm und Reich eine Woche lang ungesäuerte Brote essen müssen, dann verbindet es sie!!

  2. Räume der Erinnerung. Jeder denkt über die Landesgrenzen hinweg an das, was Gott Gutes getan hat. Es wird von den Alten an die Kinder weitergegeben. Es soll nicht vergessen werden.

  3. Räume der Kultur. Feste, die regelmäßig gefeiert werden und ihren Sinn behalten, werden zur Kultur. Kultur ist wiederum wichtig für die Identifikation eines Volkes.

  4. Räume des Neubeginns: Diese Feste mit ihren positiven Anklängen an Gottes Taten geben die Möglichkeit, mit Gott wieder neu zu beginnen. Ihm das Erste, das Beste, das ganze Leben wieder neu zum Geschenk zu machen. Und das alles ohne saure Miene, sondern mit Freude.