Bibelarbeit über 2Mose 22, 20-30

von Michael Strauch

 

 

1.       Übersicht über Kapitel 22

2.       Rechtsschutz für die Schwachen (Verse 20-26)

3.       Ausdruck wirklicher Gottesfurcht (V.27-30)

 

 

zu 1: Übersicht über Kapitel 22

 

a.       Regelung über Diebe (V.1-3,6-7.11). Die Strafe für Diebstahl ist sehr hart. Wird z.B. ein Dieb in der Nacht erschlagen, so liegt keine Blutschuld vor. Anders bei Tage. Der Dieb hat die Möglichkeit, das Gestohlene, allerdings doppelt, zu ersetzen. Kann er es nicht, verliert er seine Freiheit und der Bestohlene erhält den Wert für den Sklaven.

b.       Regelung für Sachbeschädigung (V.4+5). Gemeint ist das bewußte Provozieren und Schädigen eines anderen, indem man z.B. sein Vieh auf Nachbars Garten grasen läßt oder einfach Feuer in Heugarben legt. In diesem Fall soll der Schädiger vollen Ersatz leisten.

c.       Regelung gegen Veruntreuung und Leihgaben (V.8-10,12-14). Gemeint ist hier, dass jemand z.B. sein Vieh für eine gewisse Zeit zur Betreuung gibt. Nun kann es passieren, dass das Tier krank wird, oder stirbt etc., ohne, dass der Betreuer etwas dagegen tun kann, dann muss es der Besitzer hinnehmen. Anders sieht es aus, wenn jemand bewußt sich ein Tier leiht. Wenn es dann zu Schaden kommt, ist es selbstverständlich, dass der Leihende den Schaden ersetzt. Es sei denn, der Besitzer ist gegenwärtig.

d.       Regelung wegen vorehelichen Geschlechtsverkehrs (V.15+16). Geschlechtsakt unter Einwil-ligung beider Beteiligten ist Heiratsgrund. Wenn also ein Paar schon vor der Ehe miteiander sexuellen Verkehr hatten, so soll der Bräutigam den Brautpreis zahlen und die Frau heiraten. Was nun, wenn der Vater der Tochter den Mann nicht akzeptiert? In diesem Fall muss sogar der Vater den jungen Mann ausbezahlen (den Brautpreis).

e.       Regelung gegen Zauberei, Sodomie und Götzendienst (V.17-19). Die Todesstrafe gilt in diesem Fall Frauen, die Zauberei betreiben: also Hexen. Dieser Vers ist im Mittelalter leider schwer missbraucht worden und hat zu vielen unschuldigen Hinrichtungen geführt. Hier aber gilt: Zauberei war vor Gott ein Grund, sein Leben verwirkt zu haben. Genauso todeswürdig ist Sodomie. Gemeint ist der bewußte Geschlechtsverkehr mit Tieren. Beides stellt eine Lästerung Gottes dar. Die einen, die sich der magischen Kräfte des Satans bedienen und damit Götter sein wollen, die anderen, die den von Gott geschaffenen Geschlechtsverkehr in den Schmutz ziehen. Wer über alledem noch fremde Götter anbetet, der verletzt das erste Gebot und verfällt dem Bann.

 

Gott regelt das Miteinander von Mensch zu Mensch (V.1-16) und zwischen Mensch und Gott (V17-19).

 

 

Zu 2: Rechtsschutz für die Schwachen (Verse 20-26)

 

Zu Beginn des Kapitels ging es besonders um Eigentumsfragen, also um sachliche/dingliche Angelegenheiten und um Habe von Tieren. Im zweiten Fall ging es um die Frage echter Gottesfurcht, so wie sie nicht aussieht und sich gestaltet (V.17-19).

Im dritten Abschnitt geht es um perfidere Dinge, die sich rechtlich oft in Grauzonen bewegen und nicht so einfach zu ahnden sind wie Diebstahl oder Sachbeschädigung. Es geht um das, was man heute "Mobbing" nennen würde. Und als vierter Aspekt taucht wieder die Frage nach echter Frömmigkeit auf, so wie sie aussehen muss und sich konkret gestaltet.

 

Wir wollen uns zuerst den Personengruppen zuwenden. Wer ist schützenswert?

 

1.       Ausländer (Fremdlinge)

2.       Witwen und Waisen

3.       Sozial schwach Verdienende/ Mittellose

 

Bei den Ausländern wird wohl besonders an Sklaven gedacht worden sein (Abraham-Hagar). Dieser Gedanke liegt nahe, da die Israeliten ebenfalls Fremdlinge waren - eben auch Sklaven. Die Israeliten sind zur Zwangsarbeit verpflichtet worden. Sie sind geschlagen, gedemütigt und provoziert worden. Gott hat Israel befreit. Nun sollen sie eingedenk dieser eigenen Erfahrung nun auch mit eigenen Sklaven human umgehen. Der rechtlose Sklave bekommt also in Gott, dem Allerhöchsten und Herrn und Richter Israels seinen Anwalt.

Neben Sklaven waren es vor allen Dingen Frauen, die ihre Männer verloren haben und damit der materiellen Versorgung entbehren müssen und Kinder, die ihre Eltern verloren haben (Witwen und Waisen). Letztere haben ebenfalls je nach Alter in der Antike kaum eine Chance, sich zu versorgen. Sie sind u.U.sogar schlimmer dran als der Sklave. Denn dieser hat ein Recht auf Dach und Nahrung. Er wird versorgt. Doch Witwen und Waisen müssen im Extremfall auch das entbehren. Selbst heute können Frauen besonders mit Kindern, die früh ihren Mann verlieren, in soziale Armut geraten. Lebensversicherungen gab es nicht. Nun folgt etwas, was Notleidende zu allem Elend oft noch zusätzlich hinnehmen müssen: die Verachtung und Gängelung ihrer Mitmenschen. Vielleicht hat man diese Menschen als von Gott bestraft angesehen und hat sie beim Wasserschöpfen weggeschubst, bei der Getreidenachlese verjagt oder als billige Arbeitskraft missbraucht. Gott warnt diese Personen: sie haben wie die Sklaven einen mächtigen Verbündeten: es ist der Gott Israels selbst. Und er beteuert: wer Witwen und Waisen misshandelt, dem gilt im Falle des Krieges der Tod und seinen Frauen und Kindern dasselbe Schicksal wie derer, die er bedrückte.

Zuletzt gab es die Praxis, die bis heute ein Prinzip der Wirtschaft darstellt: wenige in der Gesellschaft melken viele. Wenige haben einen Großteil des Kapitals, viele haben wenig. Die Wenigen aber wissen, wie man zu Geld kommt, die Armen sind damit beschäftigt, wie sie den Tag bewältigt bekommen. So werden bis heute den sozial schwächer gestellten Personen mit Tricks, billigen Versprechungen etc. das Geld aus den Taschen gezogen. Ein solcher Trick im damaligen Israel war es wohl, einem Ärmeren etwas Geld zu leihen, damit er damit wirtschaften kann. Als Pfand gibt der Arme das Einzige was er hat: seinen Mantel. Nun kann es passieren, dass der Geldverleiher das Geld zurückfordert zuzüglich einem Wucherzins. Kann der Arme den Zins nicht zahlen, bleibt der Mantel im Besitz des Verleihers. Vor Gott aber ist diese Handlung schlichtweg gemeiner Diebstahl. Gott fordert sogar, dass der Geldverleiher überhaupt keinen Zins fordern soll. Gemeint ist wohl, keinen Zins fordern an einem Armen. Es ist ein Unding, an sozial schwach gestellten Personen noch verdienen zu wollen.

 

In jeder Hinsicht haben die Personen, die das Unrecht erleiden, das Recht, sich zu Gott zu wenden. In Gott haben sie einen mächtigen Herrn, der ihr Schreien wohl hört und die Schuldigen bestraft. Gott ist ein Gott der Witwen und Waisen. Er ist gnädig den Mittellosen gegenüber und verurteilt jede Form des unbarmherzigen Gewinnstrebens.

 

 

Zu 3: Ausdruck wirklicher Gottesfurcht (V.27-30)

 

Nun gibt Gott Anweisungen, wie jeder sich verhalten soll ihm gegenüber.

 

a.       Du sollst Gott nicht lästern

b.       Du sollst einen Obersten des Volkes nicht fluchen

c.       Ein Teil der Ernte gehört dem Herrn

d.       Der erste Sohn und alle Erstlinge des Viehs sind Gott geweiht

e.       Du sollst kein Aas essen.

Im Doppelgebot des Nichtlästerns und der Achtung der Oberen wird deutlich, dass Gott möchte, dass wir Autoritäten, sei es im Himmel, sei es im Staat grundsätzlich achten sollen. Das bedingt gerade im zweiten Fall keinen sklavischen Gehorsam gegen das Gewissen, aber es beinhaltet die grunsätzliche Respektierung. Respekt darum, weil Gott für die Menschen sorgt, Respekt für die Oberen des Volkes, weil auch sie für das Volk sorgen.

Es ist im Umgang untereinander eine gute Regel, wenn wir - wo nötig - kritisch sind, vielleicht müssen wir auch ablehnen. Aber wir sollen den Respekt einer Person, gleich welcher Auffassung er auch ist, nicht fallen lassen. Jeder Mensch hat eine Würde, diese ist nicht antastbar. Weiter wird deutlich, dass wer Gott im Himmel achtet, in der Regel auch die achtet, die in der Welt Verantwortung tragen.

 

Gott zu achten, ja mehr noch, ihn von ganzem Herzen zu lieben ist also der Keimgedanke für alles menschliche Miteinander, wenn es denn gelingen soll. Nun kann jemand leicht sagen, er liebe Gott. Worte dieser Art sind gesprochen, geschrieben und gesungen viel in dieser Welt. Was fehlt, ist die Tat. Darum will Gott, dass der Mensch seine Liebe zu ihm auch immer in Taten zeigt. Taten, wie mit dem barmherzigen Umgang mit seinen nieder gestellten Mitmenschen, Taten im Umgang mit Gott durch Opfer. Indem der Israelit einen Teil seiner Ernteerträge abgab und die Erstlinge seiner Söhne und seines Viehs Gott weihte, machte er damit symbolisch fest: Gott steht an erster Stelle in meinem Leben. Ich bin gewillt und bereit, jederzeit mein Liebstes Gott zu geben. So wie Gott es selbst tat, als er seinen Erstgeborenen, ja Einziggeborenen Jesus Christus zum Opfer gab für diese Welt.

Am Schluss fordert der Herr, dass der Israelit kein Aas essen soll. Denn das von Aas macht kultisch unrein und schafft somit eine Trennung zwischen Gott und Mensch. Gott will aber, dass nichts, weder boshaftes Verhalten, noch Gier, noch Götzendienst, noch irgendwas anderes sich in die Beziehung mischt. Das Gebot der Unreinheit von Aas ist sicher auch aus medizinischer Sicht mehr als sinnvoll.