Auslegung von 1Mose 50, 1 - 26 von Michael Strauch


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Inhalt:

  1. Staatsbegräbnis eines großen Mannes (V.1-14)
  2. Letzte Jahre und Tod eines großen Sohnes (V.15-26)

Exegese:

zu 1) Staatsbegräbnis eines großen Mannes (V.1-14)

Ein langes, sattes Leben geht nach irdischer Weise zu Ende. Jakob schließt nach seinem Segen die Augen, für immer. Vermutlich standen die Brüder wie angewurzelt stehen. Da lag er, der große, mächtige Vater Jakob. Rahel starb, Lea starb und nun auch Jakob. Ob wohl Esau noch am Leben war? Jakob lag da, alt und grau und vieles, was noch hätte gesagt werden können, ist unmöglich geworden. Hat Jakob seinen Söhnen je verziehen? In seinem Segen hat er nichts von der Geschichte mit Josef erwähnt. Die Söhne Jakobs hätten wohl genug Gelegenheit gehabt, den Vater um Vergebung zu bitten, vielleicht haben sie es auch getan. Tatsache ist: solange der Vater am Leben war, hatten die Brüder nichts zu befürchten. Nun ist Jakob tot. Und über dem Leichnam fällt Josef nieder. Er küsst den Toten, bedeckt ihn mit seinen Tränen, vergräbt sein Gesicht in Jakobs Brust. Der geliebte Vater, der ihm den schönen Rock nähen ließ. Der geliebte Vater, den er solange entbehren mußte. Überhäuft hat Josef den Vater mit allem, was in seiner Macht stand. Nun muß Josef erneut sich trennen von Jakob. An Josefs Reaktion sieht man, wie sehr er an seinem Vater hing.

Im alten Ägypten wurden die Pharaonen und - sofern Macht und Einfluss, besonders aber die Finanzen reichten - auch Edelleute einbalsamiert. Es gab ein ganze Gilde dieser „Handwerker" die den Toten vorbereiteten für das zukünftige Leben. Der Leichnam wurde mehrere Tage in Natronlauge gelegt, danach einer komplizierten Behandlung unterzogen und dann in weißen Leinenbinden eingewickelt. Die Binden waren getränkt in einer Stoffzusammensetzung, die die Verwesung „verhindert". Meines Wissens ist diese Kunst bis heute ein Geheimnis. Der Leichnam wurde dann in einer großen Prozession zu seinem Grabmahl getragen. Ein langer Zug mit Klageweiber, Ehrenmänner, Priester und sonstige Amtsträger. Das Grab Tut-Anch- Amuns im Tal der Könige ist ein beredtes Beispiel dieser Praxis. In der Balsamierung, sprich der Erhaltung des Körpers geht der ägyptische Glaube einher, dass der Tote unversehrt in die neue Welt eintreten könne. Denn auch die Ägypter glaubten an eine neue Welt, in der der Totengott Anubis die „Ka", die Seele eines Menschen auf einer Waage wog. Das Gegengewicht zu seinem Leben war eine Feder. Wog sein Leben, spricht seine Untaten weniger als die Feder, durfte er in das neue Leben einschreiten.

Dass Josef seinen Vater einbalsamieren ließ, ist kein Hinweis, dass er von der ägyptischen Religion etwas übernommen hat. Die Bibel selbst gibt dazu keinen Kommentar. Ich vermute, dass Josef seinen Vater mit der Einbalsamierung seinen Vater auch vor ägyptischen Augen ehren wollte. Jakob ist auch nach agyptischer Vorstellung eine Ehrenmann, wert an ihn zu gedenken. Dieser Prozess der Einbalsamierung dauerte fast 6 Wochen (40 Tage). 70 Tage lang, also fast 21/2 Monate dauerte der „Volkstrauertag" um Jakob. Die Zeitangaben decken sich auch mit den Angaben historischer Geschichtsschreiber wie Herodot oder Diodorus.

Es war Jakobs letzter Wille - Josef mußte diesen Willen unter Eid dem Sterbenden abnehmen - dass sein Leichnam zu den Vätern gelegt werden: in die Familiengruft Abrahams.

Josef war in der Zeit der Trauer unrasiert, das war Sitte. Wir erinnern uns, wie man Josef zurecht gemacht hatte, als er frisch aus dem Gefängnis kam und vor Pharao erschien. Darum kann Josef nicht selbst vor Pharao erscheinen, sondern „redete mit den Leuten des Pharao" (V.4). Josef brauchte die Zustimmung Pharaos nicht allein für den Trauerzug, sondern auch, weil er mit dem Tross ins Ausland ging: nach Kanaan.

Der Zug setzt sich in Bewegung. Alle Staatsmänner, jeder mit Rang und Namen - und das will im Alten Ägypten was heißen - zog mit Josef: die Schreiber, Minister, Priester, Edelleute etc. Ägyptens. Es gingen mit alle, die zum Haus Josefs gehörten, dazu seine Brüder - sprich: alles, was irgendwie mit Josef verwandt war, schloss sich dem Begräbnis an. Nur die Kinder (wegen der Strapazen) und das Vieh ließen sie in Gosen. Die ganze Menge wurde eskortiert von der königlichen Kavallerie, so dass man sagen konnte: es war für damalige Verhältnisse eine große Menge Menschen. Er einmal die Beerdigung Mahatma Gandhis gesehen hat oder Martin Luther Kings, der hat eine leise Vorstellung von dem Begräbnis Jakobs. Jakob war der letzte, große Patriarch. Er gehört zu den großen Drei: Abraham, Isaak und Jakob.

Die Trauergruppe nimmt nicht den direkten Weg zur Höhle Machpela, welcher durch das Gebiet der Philister verlaufen wäre, sondern bewegt sich ostwärts am Toten Meer vorbei. Womöglich hätte solch eine mit Militär eskortierte Gruppe Argwohn geweckt und man hätte darin einen Überfall sehen können. Man weiß heute nicht, wo Goren-Atad lag, aber es muß im Osten Israels gelegen sein, östlich des Jordans. Dort nämlich hält der Trupp inne und Josef läßt eine Trauerklage anstimmen, sieben Tage lang. Dies blieb nicht unbemerkt. Die Kanaaniter bekommen das mit und geben der Örtlichkeit einen weiteren Namen.

In Machpela angekommen, wird der Leichnam in die Familiegruft gesenkt. Es gilt nun Abschied zu nehmen. Wie lange mögen die Söhne Israels vor dem Grab gestanden sein und still Abschied genommen haben vom Vater Jakob, dem Israel, dem Gotteskämpfer.

zu 2.) Letzte Jahre und Tod eines großen Sohnes (V.15-26)

Ob Jakob das wirklich zu seinen Söhnen noch gesagt hat (V.17)? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie den Bruder noch einmal belügen. Es ist also die Wahrheit. Noch vor seinem Sterben gehört es zu den letzten Anweisungen Jakobs, dass Josef ihnen all das Leid vergeben möchte. Wie weise diese Mahnung an die Söhne war, zeigt sich nach seinem Tod. Die Brüder sehen in Josef schon lange nicht mehr den kleinen Hirtenjungen, sondern er ist ein Staatsmann im vollen Ornat, dem Respekt und Achtung allein seine Erscheinung abverlangt.

Vermutlich sandten sie einen der Brüder zu Josef (ich denke Benjamin) und ließen ihm sagen, was Jakob`s Wunsch war: Vergebung. Die Bitte Jakobs macht auch deutlich, dass er verziehen hat, nun möge es auch Josef tun. Nun kamen die Brüder noch dazu und warfen sich erneut vor Josef nieder. Und Josef? Er reagiert wie bei seiner ersten Offenbarung. Er muss weinen. Weinen darüber, dass die Brüder so übel von ihm denken. Rache und Vergeltung sind ihm fremd. Rache und Vergeltung obliegen Gott. Und Gott hat durch all die Fährnisse, durch all die verschlungenen Wege gezeigt: Er ist voller Barmherzigkeit und vergilt uns nicht nach unseren Taten. Denn wer könnte vor Gott bestehen? Gott hat es gut gemeint, sagt Josef. Und Gott will, dass die Brüder leben und Nachkommen bekommen und zu einem großen Volk werden.

Mehrmals spricht Josef das große „Fürchtet euch nicht!" aus. Er tröstete sie, er redete freundlich mit ihnen, er versorgt sie. Ein herrliches Beispiel dafür, dass Gottes Liebe und die Macht der Vergebung große Menschen zu großen Taten führen kann.

Josef sollte 110 Jahre alt werden und sah viele Enkel. Bedenkt man, dass Josef ca. 37 Jahre alt, als er Vater wurde, so müßte er im Alter von 56-60 Jahren Großvater geworden sein. Die Söhne waren über 20 und bestimmt verheiratet und hatten wieder Kinder. Wenn diese Kinder erneut mit 20 Kinder bekommen haben, dann war Josef ca. 80 Jahre alt. Dann hat er also seine Urenkel erlebt. Und dann ist es gut möglich, dass die Urenkel wiederum erwachsen wurden und wieder Kinder bekamen. Josef sah, wie der Zuspruch Gottes an Abraham, dass seine Nachkommen so zahlreich wie die Sterne sein sollten, sich zunehmend erfüllte. Mit 110 Jahren war auch Josef so weit. Wie sein Vater war auch sein letzter Wunsch, dass eine Gebeine beim Auszug (der noch 360 Jahre dauern sollte), nach Kanaan mitgenommen werden sollten. Man tat Josef nach ägyptischer Sitte und Einbalsamierung in einen Sarkophag aus Holz. Dort blieb sein Körper bis auf den Tag, wo Gott erneut einen Hebräer gleich Josef in Ägypten groß werden lassen sollte.Doch diesmal wird die Größe dieses Mannes anders sein. Er wird Fürsten mit Vollmacht gegenüberstehen, doch ohne Ornat. Er wird einen großen Zug aus Ägypten führen, doch einen Zug der Freude. Er wird Ägypten ins Elend stürzen und wird dem Pharao ins Angesicht widerstehen: Moses und Ramses.