Auslegung von 1Mose 48, 1 - 22 von Michael Strauch


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Inhalt:

  1. Zwei Brüder begegnen dem alten Jakob (V.1-7)
  2. Zwei Brüder werden ungleich gesegnet (V.8-22)

Exegese:

Zu 1: Zwei Brüder begegnen dem alten Jakob (V.1-27)

Jakob spürt, dass er bald von Gott abberufen wird. Er liegt im Bett, das Aufstehen macht ihm Mühe. Seine Augen sind nahezu erblindet. Erinnern wir uns an diese Situation? In Kapitel 27,1 heißt es: „Und es begab sich, als Isaak alt geworden war und seine Augen zu schwach zum Sehen wurden, rief er Esau, seinen älteren Sohn, und sprach zu ihm: Mein Sohn!" Die Geschichte wiederholt sich. Gleich seinem Vater ist auch er nun alt, dieselben Symptome und ruft seinen Sohn, der ihm wiederum zwei Enkelkinder zum Segnen gegenüberstellt. Und Jakob segnet die Kinder ungleich, nicht nach Alter. So wie er „zu Unrecht" nach der Erbrecht den Segen des Vaters erhielt, so wie auch einst Abraham sich zwischen dem erstgeborenen Ismael und Isaak entscheiden mußte.

Die Worte, die Jakob seinem Sohn nun sagt, sind sehr bedeutsam. Sie handeln vom großen Plan Gottes, der nach dem Ableben Jakobs unbedingt in Erinnerung gehalten werden muß. Im Grunde gibt Jakob die Fackel weiter.

  1. Gott ist dem Jakob erschienen im Lande Kanaan. Und Gott hat Jakob gesegnet. Gott ist dem Jakob nicht in Bildern erschienen, sondern er hat konkret mit Jakob gesprochen und in Gestalt eines Engels sogar mit ihm gerungen. Gott zeichnet den Jakob als einen Auserwählten aus!
  2. Das alte Erbe wird erneut weitergegeben. Kanaan soll einmal ein Land Gottes werden. Das verheißene Land. In diesem Land sollen Jakobs Nachkommen ein großes Volk werden. Und zwar für „alle Zeit!"
  3. Die Söhne Josefs, Efraim und Manasse sollen aufgenommen werden als Jakobs leibhaftige Söhne. Ja, er stellt sie sogar mit Ruben und Simeon gleich. Die Kinder, die danach von Josef gezeugt werden, sollen diesen beiden Brüdern unterstellt werden und keinen eigenen Stamm bilden. (siehe 4.Mose 26,28ff)

Am Ende seiner Tage gedenkt Jakob noch einmal an seine geliebte Rahel, diese unglückliche Frau und Mutter. Jakob ehrt sie, indem er Josef den Standort erklärt, wo ihr Grab liegt. Dort ist eine Siedlung mit Namen „Brothaus" (Beth-lehem). In diesem Ort soll einmal der Retter der Welt geboren werden. Wie fein, wie literarisch gedazu bombastisch Gott alles ineinander verknüpft. Wenn das ein Mensch geschrieben hat, von der ersten bis zu letzten Zeile, hätte man von einem Geniestreich eines Menschen gesprochen. So haben aber viele in Jahrtausenden an der Bibel geschrieben, und trotzdem ist sie eine wundervolle Einheit.

2. Zwei Brüder werden ungleich gesegnet (V.8-22)

Jakob kämpfte mit dem Engel am Jabbok. Der Engel, der zu Jakob sagte: Du sollst Israel heißen, denn er habe mit Gott und den Menschen gekämpft (K. 32, 23ff). Um was hat Jakob gekämpft? Um den Segen. Er wollte über Isaaks Segen hinaus den Segen von Gott direkt. „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!" Diesen Segen will Jakob weiterfließen lassen. Aus seinen Händen strömt der göttliche Segen auf die Nachkommen über. Isaak segnete einst den Jakob und und sprach ihm zu, dass Völker ihm dienen sollen, dass sein Felder ertragreich sein sollen u.s.w. All das kommt bei Jakobs Segen nicht vor. Ihm steht nur der eine Gedanken vor Augen: „sie sollen zahlreich werden wie der Sand am Meer". Gott will sich ein Volk erschaffen, dazu rüstet Jakob seine Nachkommen aus mit dem göttlichen Segen. Und nocheinmal betont er gleich einem Glaubensbekenntis die wichtigen Personen, deren Gott sich bedient hat: Abraham, den Gott aus Ur geführt hat, der als Erster die große Verheißung empfing. Dann sein Sohn Isaak, der in Kanaan als Fremder lebte, als Nomade. Sie alle sind vor Gott gewandelt. In ihrer Reihe steht Jakob. In diese Reihe gliedert er Josef und seine Söhne ganz bewußt ein.

Dann erwähnt er, was er Pharao gegenüber nicht gesagt hat. Zu Pharao sagte er: sein Leben war wenig und böse und an Jahren reicher er nicht an die Zahl der Väter heran. Zu Josef sagt er, vorwegnehmend den Psalm 23: Gott war ein Leben lang mein Hirte! Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Sehr wohl gab es die vielen dunklen Täler, aber der Stab Gottes vertrieb Wölfe und Löwen. Am Ende kann Jakob sagen: Gott hat für mich gesorgt. Er hat mir ein Ziel für`s Leben gegeben. Mein Leben hat sich gelohnt. Gott ist mein treuer, fürsorgender Hirte. Später wird der Herr Jesus sagen: Ich bin der gute Hirte, der sein Leben läßt für die Schafe!

Nun erwähnt Jakob vermutlich den Engel am Jabbok. Oder meint er die Engel der Himmelsleiter? Wohl nicht, weil er von dem Engel spricht. Nun meint das Wort ja Bote. Ein göttlicher Gesandter. Nun kommt das Attribut: „...der mich erlöst hat von allem Übel!" Das erinnert an die Bitte im Vater unser: „...und erlöse uns von allem Übel!" Die Bitte geht an Gott. Wird Gott hier als „Engel" bezeichnet? Oder hat Jakob erfahren, dass es neben dem einen Gott noch jemanden gibt, der nicht ein separater Gott, aber separat agieren kann? Kommt zum Vater, der die Welt ins Leben rief, zum Geist, der über den Wassern schwebte nun auch „der Engel", den Jakob nicht beim Namen kennt? Für mich ein klarer Hinweis auf Christus. Christus, der die Welt am Kreuz „von allem Übel" erlösen wird und jeder hat an dieser Erlösung teil, der an ihn glaubt, der es erfahren hat und sagen kann: dieser Engel hat mich erlöst. Und Jakob segnet die beiden Kinder in erbrechtlich umgekehrter Reihenfolge mit dem einen Segen: dass sie sich mehren.

Auch Josefs Versuch, die gekreuzten Armen zu verändern, gelingt nicht. Jakob wird trotz seiner Blindheit von göttlicher Weisung gelenkt. Es wiederholt sich: Gott gefällt es, das Schwache zu erwählen, den Jüngeren, den Letzen vor den Ersten etc. Das, was vor der Welt was gilt, ist nichtig bei Gott.

Jakob schließt seine Worte damit, dass sein Tod nicht fern ist und betont, dass Gott seine Nachkommen, das Volk Israels, nach Kanaan zurückkehren werden. Bis dahin sollten noch viele, viele Jahre vergehen.

An diesen Segenshandlungen wird deutlich, in welchen Zeiträumen Gott arbeitet. Ein kleiner Samen, im Glauben auf Gottes Verheißung gelegt, kann Früchte tragen, wenn die Säenden längst nicht mehr unter den Lebenden weilen. Wichtig ist nicht, ob wir in diesem Leben bei all unseren Aktivitäten in Kirche und Gemeinschaft Erfolg haben. Wichtig ist, ob wir - und wenn auch im ganz kleinen Rahmen - den richtigen Samen legen, mit den richtigen Leuten arbeiten und uns auch nicht scheuen, scheinbar weniger wichtige Leute mit großen Aufgaben zu betrauen. Wichtig ist: bin ich mir sicher, dass das, was ich tue, der Verheißung Gottes entspricht? Denn ich muß wissen, dass der Same, den ich lege, aufgehen wird - zum Guten oder zum Fatalen. Der Same ist das Wort Gottes. Das gilt es zu verbreiten. Doch das allein genügt nicht. Wir brauchen die richtigen Herzen, in der Same gelegt wird. Paulus wird dem Timotheus mal sagen, er solle sich dazu treue Leute aussuchen. Das hat Zukunft.