Auslegung von 1Mose 47,
1 - 31 von Michael Strauch
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Inhalt:
Exegese:
Zu 1: Ein kleiner
Abglanz von Gottes großer Verheißung: Israel (V.1-27)
Zwei große Männer stehen
sich gegenüber, nicht ahnend, wie Millionen von Menschen in späteren
Geschlechtern bis heute diese Situation verfolgen. Auf goldenem Thron prunkt
Pharao mit seinen beiden Reichsinsignien in den Händen und vor ihm ein alter,
gebeugter Mann. Pharao begegnet Jakob mit Respekt. Was ihn besonders
beeindruckt, ist Jakobs offenbar patriachalische Erscheinung. Vermutlich stütze
er sich auf einen Hirtenstab, vielleicht hatte er einen langen, weißen Bart -
ich weiß es nicht. Aber an irgendetwas erkannte Pharao: diese Sorte von
Menschen werden erstaunlich alt. Und tatsächlich: Abraham wurde 175 Jahre alt,
sein Sohn Isaak 180 Jahre. Er brachte es auf 130 Jahre. Auf Pharaos Frage
antwortet Jakob aber noch mehr: Er sieht sich - nun in Ägypten nur noch mehr -
als Pilgrim, als Wanderer, als einer, der die Verheißung nicht voll erlangt
hat. In Hebr.11, 13-16 wird etwas deutlich von der Sehnsucht, die diese Männer
erfüllte. Die Sehnsucht, Gottes Verheißungen im eigenen Leben zu erfahren. Wir
sein Vater Isaak und Großvater Abraham erlebten die Patriarchen die
Landeinnahme Kanaan nicht. Rückblickend empfindet Jakob sein Leben als „wenig
und böse!" Bedenkt man die Flucht vom Bruder Esau, die Betrügereien des
Laban, der Tod seiner geliebten Frau Rahel, später Lea, das Gemetzel seiner
Söhne an anderen, die Vergewaltung seiner Tochter Dina, der Verlust Josefs und
beinahe Benjamins und all das Theater, was damit verbunden ist, so kann Jakob
sagen: mein Leben war im Vergleich zu Abraham und Isaak „wenig und böse!"
Schwer hat Jakob tragen müssen, und trotzdem vermag er Pharao zu segnen. All
das Leid, das Jakob erfahren hat, hat aber die Sehnsucht nach dem verheißenen
Land nur stärker werden lassen. Darum will er wenigstens im Tode dort begraben
sein, wo seine Väter liegen.
Pharao gibt Josefs Brüdern
und seinem Vater das beste Weideland in Ägypten, das Nildelta Goschen. Dort
grasten die königlichen Viehherden und Josef bekam den Auftrag, auch von seinen
Brüdern tüchtige Männer zu erwählen, die diese Herden beaufsichtigten. Josefs
Rechnung geht auf. In Goschen versorgt Josef seine Leute mit allem Nötigen, was
sie brauchen.
2. Josefs Management -
Güte auf den zweiten Blick (V.13-26)
Bei all dem Segen und dem
Schönen, was die vergangenen Kapitel beschrieben haben, dürfen wir nicht
vergessen, dass die Hungersnot gewaltig im Lande drückt. Dies wird in den
nächsten Versen aufgegriffen. Hier wird sich zeigen, ob Josefs Politik aufgeht.
Wie arbeitet nun Josef?
Am Ende ist
Pharao sprichwörtlicher Eigentümer des ganzen Volkes, des Viehbestandes und des
ägyptischen Bodens, ausgenommen des Eigentums der Priesterschaft.
Es drängt sich die Frage
auf, ob Josef Pharao nicht zu einer Art Feudalherren gemacht hat. Und ist es
nicht hart, wenn die Notsituation eines Volkes ausgenutzt wird? Hinzu kommt,
dass die Angehörigen Josefs mit Brot versorgt werden, während die Ägypter
zahlen müssen. Muss Josef nicht damit rechnen, dass „Fremdenhass" und Neid
sich breit machen?
Ich bin kein
Volkswirtschaftler, doch versuchen wir mal, uns eine andere Situation
durchzudenken. Was wäre, wenn Josef das Korn an das Volk verteilt hätte?
Gratis? Welchen Effekt hätte es gehabt?
Also ist Josefs Handeln
nicht niederträchtig, vielmehr ein psychologischer Trick. Die Wirtschaft
konzentriert sich im Staat. Der Staat wird zum Garant für das Weiterbestehen
des Volkes Ägypten. Am Ende werden die Ägypter sagen: „(V.25) Du hast uns am
Leben erhalten!" Zugleich führt Josef Wirtschaftsgesetze ein. Er verlangt
für die Zukunft, dass die Bauern ein Fünftel ihres Ertrages an den Staat
abgeben. Ein Art „Riesnerrente" für schwere Zeiten. Vers 26 legt übrigens
den Gedanken sehr nahe, dass das Prinzip der Leibeigenschaft nur für den Zeitraum
der 7 Jahre dauerte. Danach hatten die Ägypter wohl wieder ihr Land und Vieh,
denn nur so können sie ja ein Fünftel abgeben. Würde alles weiterhin Pharao
gehören, so fiele der abzugebenden Teil weiter höher aus. Anders gesagt: es
gehört alles dem Staat und die Leibeigenen haben ein Bett und Brot. So erweist
sich Josefs Weisheit erst auf den zweiten Blick.
3. Gottes Gaben sind
köstlicher als alle Reichtümer Ägyptens
Jakob sollte noch 17 Jahre
lang leben (Vers 28) in Ägypten. Gottes Verheißung greift zunehmend mehr. Aus
den ca. 100 Personen entwickelt sich recht schnell ein ansehnliche Volksmenge
und Jakobs Augen sehen noch viele Enkel, Urenkel und UrUrenkel. Was müssen das
für Augenblicke gewesen sein, wenn die Eltern mit den Kleinen bei Jakob zu
Besuch kamen. Wie müssen die Kinder gestaunt haben über den alten Greis mit
seinen über 140 Jahren. Und wie oft mußte Jakob die Geschichten erzählen von
seiner Mutter Rebekka, von Esau und Laban, dann von Abraham bis hin zur
Schöpfung. Irgendwann, im 147 Lebensjahr spürt Jakob, dass sein Ende gekommen
ist. In diesem Moment ruft er seinen Sohn zu sich: Josef. Man möchte bedenken,
dass Josef die 50 Jahresgrenze auch schon überschritten hat und seine Söhne
auch erwachsen waren. Jakob hat in Ägypten ganz bestimmt eine ruhige und
gesegnete Zeit erfahren. Doch in Ägypten blieb er ein Fremdling. Darum bittet
er seinen Sohn, dass er ihm schwöre, dass sein Leichnam bei den Vätern
versammelt wird. Josef schwört es und Jakob weiß, dass der Ehrlichste seiner
Söhne diesen Schwur niemals brechen würde. So wird Jakobs Wille: „du sollst
mich aus Ägypten führen" zur Ahnung dessen, was auch mit den anderen
geschehen würde. Gewiss, diese Generationen würden es nicht mehr erleben. Man
muss sich das Ganze so vorstellen, dass Jakob auf seinem Bett saß und Josef mit
der Hand an Jakobs Hüfte (offenbar in Gedenken an den Kampf mit dem Engel am
Jabbok), wo Jakob den neuen Namen bekam: Israel! Als Josef schwor, drehte sich
Jakob zum Bett hin und betete mit dem Gesicht nach unten Gott an.
Jakob blieb Gott treu. All der Reichtum Ägyptens, das schöne, ruhige Leben
wollte Jakob eintauschen gegen das wasserarme, staubige Kanaan. Es ist Gottes
Land, das Land der Verheißung. Lieber bei Gott ein armes, wehes Leben führen
als im heidnischen Ägypten. Für Mose wird das eine Lebenshaltung. Im
Hebräerbrief wird es über Mose heißen, dass er die Reichtümer Ägyptens verließ
und vielmehr mit dem Volk Gottes Ungemach erlitt. Denn der Lohn Gottes ist
größer als alles, was die Welt zu bieten vermag.