Auslegung von 1Mose 47, 1 - 31 von Michael Strauch


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Inhalt:

  1. Der Mächtige wird klein, der Kleine groß: Pharao vor Jakob (V.1-12)
  2. Josefs Management - Güte auf den zweiten Blick (V.13-26)
  3. Gottes Gaben sind köstlicher als alle Reichtümer Ägyptens

Exegese:

Zu 1: Ein kleiner Abglanz von Gottes großer Verheißung: Israel (V.1-27)

Zwei große Männer stehen sich gegenüber, nicht ahnend, wie Millionen von Menschen in späteren Geschlechtern bis heute diese Situation verfolgen. Auf goldenem Thron prunkt Pharao mit seinen beiden Reichsinsignien in den Händen und vor ihm ein alter, gebeugter Mann. Pharao begegnet Jakob mit Respekt. Was ihn besonders beeindruckt, ist Jakobs offenbar patriachalische Erscheinung. Vermutlich stütze er sich auf einen Hirtenstab, vielleicht hatte er einen langen, weißen Bart - ich weiß es nicht. Aber an irgendetwas erkannte Pharao: diese Sorte von Menschen werden erstaunlich alt. Und tatsächlich: Abraham wurde 175 Jahre alt, sein Sohn Isaak 180 Jahre. Er brachte es auf 130 Jahre. Auf Pharaos Frage antwortet Jakob aber noch mehr: Er sieht sich - nun in Ägypten nur noch mehr - als Pilgrim, als Wanderer, als einer, der die Verheißung nicht voll erlangt hat. In Hebr.11, 13-16 wird etwas deutlich von der Sehnsucht, die diese Männer erfüllte. Die Sehnsucht, Gottes Verheißungen im eigenen Leben zu erfahren. Wir sein Vater Isaak und Großvater Abraham erlebten die Patriarchen die Landeinnahme Kanaan nicht. Rückblickend empfindet Jakob sein Leben als „wenig und böse!" Bedenkt man die Flucht vom Bruder Esau, die Betrügereien des Laban, der Tod seiner geliebten Frau Rahel, später Lea, das Gemetzel seiner Söhne an anderen, die Vergewaltung seiner Tochter Dina, der Verlust Josefs und beinahe Benjamins und all das Theater, was damit verbunden ist, so kann Jakob sagen: mein Leben war im Vergleich zu Abraham und Isaak „wenig und böse!" Schwer hat Jakob tragen müssen, und trotzdem vermag er Pharao zu segnen. All das Leid, das Jakob erfahren hat, hat aber die Sehnsucht nach dem verheißenen Land nur stärker werden lassen. Darum will er wenigstens im Tode dort begraben sein, wo seine Väter liegen.

Pharao gibt Josefs Brüdern und seinem Vater das beste Weideland in Ägypten, das Nildelta Goschen. Dort grasten die königlichen Viehherden und Josef bekam den Auftrag, auch von seinen Brüdern tüchtige Männer zu erwählen, die diese Herden beaufsichtigten. Josefs Rechnung geht auf. In Goschen versorgt Josef seine Leute mit allem Nötigen, was sie brauchen.

2. Josefs Management - Güte auf den zweiten Blick (V.13-26)

Bei all dem Segen und dem Schönen, was die vergangenen Kapitel beschrieben haben, dürfen wir nicht vergessen, dass die Hungersnot gewaltig im Lande drückt. Dies wird in den nächsten Versen aufgegriffen. Hier wird sich zeigen, ob Josefs Politik aufgeht. Wie arbeitet nun Josef?

  1.  
  2. Die Ägypter mußten zu Josef kommen und mit Geld sich Getreide kaufen. Die Staatskasse füllte sich und die Agypter und Kanaaniter bekamen Brot. Solange, bis die Leute schlichtweg kein Geld mehr hatten.
  3. Nun schlägt Josef vor, dass die Ägypter ihre Viehherden als Tauschobjekte gegen Brot eintauschen sollten. Was sie auch tun. Bald ist der gesamte Besitz der Viehherden in Staatsbesitz übergegangen.
  4. Als nun die Leute auch kein Vieh mehr hatten, schlug Josef vor, sie sollten ihr Land (Grundstücke) an Pharao verkaufen gegen Brot. Nun schlagen die Ägypter vor, sich selbst zu verkaufen.

Am Ende ist Pharao sprichwörtlicher Eigentümer des ganzen Volkes, des Viehbestandes und des ägyptischen Bodens, ausgenommen des Eigentums der Priesterschaft.

Es drängt sich die Frage auf, ob Josef Pharao nicht zu einer Art Feudalherren gemacht hat. Und ist es nicht hart, wenn die Notsituation eines Volkes ausgenutzt wird? Hinzu kommt, dass die Angehörigen Josefs mit Brot versorgt werden, während die Ägypter zahlen müssen. Muss Josef nicht damit rechnen, dass „Fremdenhass" und Neid sich breit machen?

Ich bin kein Volkswirtschaftler, doch versuchen wir mal, uns eine andere Situation durchzudenken. Was wäre, wenn Josef das Korn an das Volk verteilt hätte? Gratis? Welchen Effekt hätte es gehabt?

Also ist Josefs Handeln nicht niederträchtig, vielmehr ein psychologischer Trick. Die Wirtschaft konzentriert sich im Staat. Der Staat wird zum Garant für das Weiterbestehen des Volkes Ägypten. Am Ende werden die Ägypter sagen: „(V.25) Du hast uns am Leben erhalten!" Zugleich führt Josef Wirtschaftsgesetze ein. Er verlangt für die Zukunft, dass die Bauern ein Fünftel ihres Ertrages an den Staat abgeben. Ein Art „Riesnerrente" für schwere Zeiten. Vers 26 legt übrigens den Gedanken sehr nahe, dass das Prinzip der Leibeigenschaft nur für den Zeitraum der 7 Jahre dauerte. Danach hatten die Ägypter wohl wieder ihr Land und Vieh, denn nur so können sie ja ein Fünftel abgeben. Würde alles weiterhin Pharao gehören, so fiele der abzugebenden Teil weiter höher aus. Anders gesagt: es gehört alles dem Staat und die Leibeigenen haben ein Bett und Brot. So erweist sich Josefs Weisheit erst auf den zweiten Blick.

3. Gottes Gaben sind köstlicher als alle Reichtümer Ägyptens

Jakob sollte noch 17 Jahre lang leben (Vers 28) in Ägypten. Gottes Verheißung greift zunehmend mehr. Aus den ca. 100 Personen entwickelt sich recht schnell ein ansehnliche Volksmenge und Jakobs Augen sehen noch viele Enkel, Urenkel und UrUrenkel. Was müssen das für Augenblicke gewesen sein, wenn die Eltern mit den Kleinen bei Jakob zu Besuch kamen. Wie müssen die Kinder gestaunt haben über den alten Greis mit seinen über 140 Jahren. Und wie oft mußte Jakob die Geschichten erzählen von seiner Mutter Rebekka, von Esau und Laban, dann von Abraham bis hin zur Schöpfung. Irgendwann, im 147 Lebensjahr spürt Jakob, dass sein Ende gekommen ist. In diesem Moment ruft er seinen Sohn zu sich: Josef. Man möchte bedenken, dass Josef die 50 Jahresgrenze auch schon überschritten hat und seine Söhne auch erwachsen waren. Jakob hat in Ägypten ganz bestimmt eine ruhige und gesegnete Zeit erfahren. Doch in Ägypten blieb er ein Fremdling. Darum bittet er seinen Sohn, dass er ihm schwöre, dass sein Leichnam bei den Vätern versammelt wird. Josef schwört es und Jakob weiß, dass der Ehrlichste seiner Söhne diesen Schwur niemals brechen würde. So wird Jakobs Wille: „du sollst mich aus Ägypten führen" zur Ahnung dessen, was auch mit den anderen geschehen würde. Gewiss, diese Generationen würden es nicht mehr erleben. Man muss sich das Ganze so vorstellen, dass Jakob auf seinem Bett saß und Josef mit der Hand an Jakobs Hüfte (offenbar in Gedenken an den Kampf mit dem Engel am Jabbok), wo Jakob den neuen Namen bekam: Israel! Als Josef schwor, drehte sich Jakob zum Bett hin und betete mit dem Gesicht nach unten Gott an.

Jakob blieb Gott treu. All der Reichtum Ägyptens, das schöne, ruhige Leben wollte Jakob eintauschen gegen das wasserarme, staubige Kanaan. Es ist Gottes Land, das Land der Verheißung. Lieber bei Gott ein armes, wehes Leben führen als im heidnischen Ägypten. Für Mose wird das eine Lebenshaltung. Im Hebräerbrief wird es über Mose heißen, dass er die Reichtümer Ägyptens verließ und vielmehr mit dem Volk Gottes Ungemach erlitt. Denn der Lohn Gottes ist größer als alles, was die Welt zu bieten vermag.