Auslegung von 1Mose 46, 1 - 34                                                            von Michael Strauch


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Inhalt:

  1. Ein kleiner Abglanz von Gottes großer Verheißung: Israel (V.1-27)
  2. Der Prolog zum werden Volk Israel (V.28-34)

Exegese:

Zu 1: Ein kleiner Abglanz von Gottes großer Verheißung: Israel (V.1-27)

Jakob hört nicht auf die gut gemeinten Worte des Pharao: „Und seht euren Hausrat nicht an; denn das Beste des ganzen Landes Ägypten soll euer sein...!" (K.45,20). Jakob verhält sich wie sein Großvater Abraham, als er dem König von Sodom sagte (K.14,23), er solle nicht sagen, er habe Abram reich gemacht. Was hätte ihm Pharao auch geben wollen? Agyptische Stühle, Spiegel, Tische, die nicht selten in vollendeter, kunstvoller Weise mit heidnischen Göttern verziert waren? Stuhlbeine in Form der heiligen Uräus-Schlange, Spiegelstiele mit der Form eines nackten Frauenkorpus? Pharao meinte es bestimmt von Herzen gut, aber Jakob weiß um seine eigene Identität, seine Geschichte die in Zelt, Vieh und Gerätschaften auch ihren kulturellen Ausdruck finden. Ein Gut, dass die Juden sich über Jahrtausende bewahrten und somit ihre ihnen so eigene Identität sicherte. Freilich, dieses Festhalten an dieser Identität wird 400 Jahre zum tödlichen Verhängnis und wiederum zur größten Befreiungstat durch den Gott Israels.

Geht es uns nicht auch so? Wer schon einmal von seiner Heimat wegzog und dann wieder zurückkehrt, der steht nachdenklich vor manchen Gebäuden, Bäumen und Plätzen. Da ist der Baum, der in der Kindheit so klein war, da der Spielplatz, da das elterliche Haus, da die Kirche, die einem so lange soviel bedeutet hat. Jakob bleibt auf seiner Reise nach Ägypten in Beersheba noch einmal stehen. Dort stand immer noch die Tamariske, die sein Großvater pflanzte, als er mit Abimelech einen Bund geschlossen hatte (K.21,33) und dann an diesem Ort den Gott Abrahams anrief. Das Kapitel endete mit dem Gefühl, das wohl auch Jakob besonders beschlich: Fremdlingschaft! Zugleich war es aber auch der Ort, wo Abraham dem HERRN einen Altar baute und Gott ihm nochmal zusagte, dass Er ihn zu einem großen Volk machen würde. Diese Verheißung hat Abraham nicht mehr erlebt. Auch nicht sein Sohn Isaak. Erst Abrahams Enkel Jakob, der wiederum hier als alter Mann vor dem Altar steht, erfährt die Generationen übergreifenden Worte Gottes. Und auch er wird seine Augen schließen und wird als Mensch das große Volk nicht sehen (K.26,25f). Aber wenn er seine Söhne und die vielen Enkel anschaut, dann bekommt er einen kleinen Vorgeschmack von dem, was kommen wird.

Jakob bleibt vor den alten Steinen stehn und opfert dem „Gott Isaaks" ein Opfer. In der Nacht geschieht es. In der Nacht wiederholt sich, was Jakob einst erlebte, als er vor seinem Bruder Esau fliehen mußte. Immer an „noralgischen Punkten", wo er im Zwispalt war, ob der eingeschlagene Weg der richtige sei, bekommt er Weisung von Gott. Das Land der Verheißung verlassen, um ins heidnische Ägypten zu fliehen? Gott spricht zu Jakob. Er spricht zu ihm mehr als zu Josef und Pharao. Er spricht zu Jakob, wie er zu Abraham geredet hat: Direkt und ohne Bilder. ER ruft Jakob beim Namen: Jakob, Jakob! Und Jakob antwortet wie später der junge Prophet Samuel: „Hier bin ich!" Und Gott wiederholt die Verheißung, die er einst dem Abraham gegeben hat (K.26,24).

  1. Jakob, Jakob!
  2. Gott ruft ihn bei seinem Namen. Gott wird später durch den Propheten Jesaja (K.43,1) Jakobs Nachkommen zusagen: Ich habe Dich bei deinem Namen gerufen! Der Herr Jesus wird später sagen, dass Christen sich freuen dürfen, weil ihre Namen im Himmel geschrieben sind. Der Name macht die Identität des Menschen aus. Gott ruft uns bei unserem Namen und macht damit deutlich: Ich kenne dich! War stets bei dir! Habe dich geschaffen.
  3. Ich bin Gott, der Gott deines Vaters!
  4. Mose wird (Exodus 3) diesselben Worte hören: ich bin der Gott deiner Väter. Ich bin, der ich bin. Der Herr Jesus gebraucht oft die berühmten „Ich bin-Worte". Ich bin Gott. Bei der Verkündigung der zehn Gebote (Exodus 20) wird der Herr diese seine Identität noch persönlicher zum Ausdruck bringen: Ich bin der Herr, dein Gott! An diesem „Ich bin Gott!" hängt alles Leben, alles Sein. Unser Sein ist ein schwacher Abglanz dieses „Ich bin!" Und dieser großer „Ich bin Gott!" macht sich klein, neigt sich herab und nennt sich selbst „Gott deiner Väter!" Der Jesus wird später im Gespräch mit den Pharisäern und Sadduzäern darauf zurückkommen, indem er betont, dass durch diesen Titel deutlich wird, dass es eine Auferstehung gibt. Denn Gott ist kein Gott der Toten, sondern der Lebendigen. Und Abraham und Isaak leben bei Gott. Jakob spürt: er ist eingebunden als Glied einer Kette im großen Plan Gottes: „ich will dich zu einem großen Volk machen!" Darum „fürchte dich nicht!"
  5. Fürchte dich nicht...
  6. Diese Worte erinnern stark an den Traum Josefs, dem Mann von Maria. Die Namens- identität mit Jakobs Sohn ist verblüffend. Auch Marias Mann war damals voller Unruhe und Zweifel bezüglich der Schwangerschaft seiner Frau. Auch er erlebte eine „Hungersnot" im Sinne einer für ihn gefährlichen Situation (Herodes). Und beide Male wird Josef wie Jakob nach Ägypten geschickt. Ein Ort, wo sie als Fremdlinge wachsen und reifen bis zum großen Tag. Gott gibt Jakob seine Verheißung mit: ich werde Dich hinabführen, Dich wieder hinaufführen...Auf diese Worte baut Jakob.

Dann bricht der Treck los. Und fast nebenbei staunen wir über die Zahl der Kinder, Teenager und jungen Erwachsenen. Wohl haben wir von Ihnen gehört (Juda, Ruben), aber nun werden sie alle mit Namen erwähnt. Es wäre interessant, wieviele Kinder jeder der Brüder bekommen hat, wobei ich davon ausgehe, dass die Töchter keine Erwähnung finden:

  1. Ruben, der Erstgeborene hatte vier Söhne. (5 Personen)
  2. Simeon, der Zweitgeborene, hatte wohl eine Nebenfrau und brachte es auf sechs Söhne. (7 Pesonen)
  3. Levi hatte drei Söhne. (4 Personen)
  4. Juda hatte ursprünglich 5 Söhne. Wir wissen aus K.38, dass Er und Onan starben. Also hatte er noch drei Söhne. Allerdings war Juda schon wieder Opa und hatte zwei Enkel (sein Sohn Perez) (6 Personen)
  5. Issachar brachte es auf 4 Söhne. (5 Personen)
  6. Sebulon hatte 3 Söhne. (4 Personen)

Diese sechs Söhne waren alle von Lea geboren. 31 männliche Personen (zuzüglich 2 verstorbene Söhne 33). Allerdings plus Dina und Jakob sind es wieder 33 Personen.

Nun kommen die Söhne der Silpa, der Dienerin Leas:

  1. Gad brachte es auf sagenhafte 7 Söhne! (8 Personen)
  2. Asser hatte vier Söhne und eine namentlich erwähnte Tochter Serach. Asser war auch schon Opa. Sein Sohn Beria hatte zwei Söhne. (8 Personen)

Es sind also insgesamt 16 Personen.

Fast klein und schmerzhaft erscheint nun an dritter Stelle, obwohl von Jakob vom Herzen her stets und immer an erster Stelle gesetzt: die Söhne Rahels: Josef und Benjamin.

  1. Josef war mit einer Ägypterin vermählt (Asenath, Tochter Potipheras). Sie hatten im Vergleich wenig Kinder, nämlich zwei Söhne.
  2. Benjamin sollte mehr Söhne haben, ja er übertrifft eigenartigerweise alle seine Brüder mit 10 Söhnen!!

Josef und Benjamin und deren insgesamt 12 Söhne ergeben vierzehn Personen.

Zum Schluss folgen die Söhne der zweiten Nebenfrau, der Bilha, Dienerin Rahels:

  1. Dan sticht eigenartig hervor mit einem Sohn.
  2. Naftali zeugt vier Söhne.

Insgesamt also 7 Personen.

Zählt man nun die Söhne Jakobs von der Lea mit ihren Söhnen abzüglich der beiden verstorbenen Söhne, plus Jakob und Dina, so sind es 33 Personen. Dazu kommen 14 Personen aus der Linie Rahels (die Söhne Josefs zähle ich dazu, weil Josef im ursprünglichen Sinne ja auch nach Ägypten kam), dann haben wir 47 Personen. Dazu kommen 23 Personen von den zwei Nebenfrauen, dann haben wir 70 Personen. Ziehen wir die zwei Söhne Josefs ab plus Josef und Jakob, dann haben wir die 66 Personen, die mit Jakob nach Ägypten zogen, da Josef ja schon in Ägypten ist. Zählt man 12 Frauen dazu, mit denen Jakobs Söhne verheiratet waren (Simeon hatte zwei Frauen) plus der Frauen von Jakobs Enkel -erwähnt Perez und Berias Gattinen - zwei Frauen (insgesamt 14 Frauen) plus Töchter, Schwestern, Enkelinnen bestand der Treck sicher aus über 100 Personen. Also für damalige Verhältnisse ein ansehnlicher Stamm, der sich hier nach Ägypten mit seinem gesamten Hausrat aufmachte.

2. Der Prolog zum werdenden Volk Israel (V.28-34)

Jakob sendet sicher bewußt den Sohn, der besonders das Vertrauen Jakobs und Josephs nach seiner großen Beichte genießen dürfte: Juda. Er geht voraus und zeigt dem Zug den Weg. Quer durch den Sinai über die Grenze ins Nildelta. Dort in geographischer Nähe zu den großen ägyptischen Städten wie Memphis oder Heliopolis siedeln sich die Nachkommen Jakobs an. Ich glaube nicht, dass Jakob sich gefreut hat auf Ägypten oder auf Wohlstand. Seine Augen wollten Josef sehen und mehr nicht mehr. Und Gott hat ihm versprochen, dass Josefs Hände die toten, müden Augen Jakobs einst schließen werden, wenn er sie nicht mehr schließen kann. Seine Augen sehen eine neue Herrlichkeit. Und Josef hört von der Ankunft seiner Familie. Ihn hält nichts mehr. Er spannt seinen Wagen an und rast zu seinem Vater. Lange, lange weint er am Hals des alten Mannes. Dann bricht sofort der praktische und auch weise, vorausschauende Sinn Josefs wieder durch. Er will Pharao von der Ankunft in Kenntnis setzen. Er achtet aber darauf, dass die Familie Jakob im guten Sinn des Wortes ghettoartig in Ägypten lebt. Sie haben ihren geographischen Bereich. Ansonsten bestünde die Gefahr, „sich mit den Töchtern des Landes" zu vermischen, wie es oft ein Unglück war für Israels Volk. Doch diese Bitte vor Pharao zu äußern, wäre unklug. Also bedient sich Josef eines Tricks. Dabei lügt er nicht einmal. Sondern er betont den Beruf der Brüder: Viehhirten. Man muss wissen, dass viele Tiere für Ägypter heilig waren. Also es ist nicht so, dass es keine ägyptischen Landwirte gab. Im Traum von Pharao kamen die Kühe ja auch nicht aus der Wildniss. Nur waren Tiere in Ägypten heilig und bestimmte Tiere durften nur nach bestimmten Riten geschlachtet werden. Die Art und Weise, wie andere Völker Viehwirtschaft betrieben, war für die Ägypter widerlich. Und so beginnt eine neue Ära im Volk