Auslegung von 1Mose 45, 1 - 28 von Michael Strauch


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Inhalt:

  1. Josef und seine Brüder - Josef gibt sich zu erkennen (V.1-15)
  2. Josef und sein Vater - Gott macht Tote lebendig (V.16-28)

Exegese:

Zu 1: Josef und seine Brüder - Josef gibt sich zu erkennen (V.1-15)

Juda liess seinen Bruder Josef tief ein sein Herz schauen. Was in diesem Moment geschah, ist auch heute von großer Tragweite: Gott heilt, versöhnt, bringt zusammen, was zerstritten und von Schuld und Sünde zutiefst belastet war. Wer heute erlebt, wie Streit, Neid und Missgunst Beziehungen zerstören und wie furchtbar schwer es ist, Beziehungen wieder zu beleben, der wird sich an diesem Kapitel freuen. Nicht wahr: Vertrauen verlieren, das geht in Bruchteilen von Sekunden, das Vertrauen gewinnen kann Jahre dauern. Was hat nicht Josef alles erdulden müssen durch seine Brüder. Doch größer als aller Schmerz ist die Liebe. Und größer als alles an ihm begangene Unrecht ist der Wunsch, dass man sich wieder in die Augen schauen kann. Größer ist der Wunsch nach Gemeinschaft mit den eigenen Brüdern. Wer liebt, vergibt. Wer liebt, gibt dem anderen immer wieder einen Neuanfang. Diese Liebe trotz begangenem Unrecht wirkt im ersten Augenblick im wahrsten Sinne des Wortes „un-glaublich!" Jenseits des eigenen Erfahrungsbereichs, geschweige der eigenen Bereitschaft. Was ist nun der Schlüssel, dass Josef vergeben kann? Wie kann es sein, dass Josef sagen kann: (V.5): Und nun bekümmert euch nicht und denkt nicht, dass ich darum zürne, dass ihr mich hierher verkauft habt;" ? Der Schlüssel ist in der Hand des „Ha-Elohim" , der in allem Unrecht doch seinen Plänen nachgeht und dem Geschädigten Heilung, Trost und Ziel für sein Leben schenkt. Josef erkennt, dass trotz des begangenen Unrechts Gott größer ist und seine Gnade und Liebe den geschädigten Josef umfassen, sowie auch die Sünder und mit ihnen viele Heiden. Sie alle erfahren Segen von Gott. Gottes Plan war es aber von Anbeginn, dass die Brüder Jakobs zu einem großen Volk werden sollen (V.7). Der Segen, der von Israel ausgeht auch auf die Heiden, wird jetzt schon spürbar in der Zeit der Not. Wenn die Welt nichts mehr zu bieten hat, gibt es beim Gott Israels Brot! Josef begreift die Wege Gottes und bricht darüber in Jubel aus. Die Brüder freilich stehen mit offenen Mündern vor ihm und werden sich gefragt haben, ob sie einen Geist sehen oder - wenn es wirklich Josef ist - nicht irgendwo doch einen Haken gibt. Josef muss sie geradezu wachrütteln: „siehe, eure Augen sehen es und die Augen meines Bruders Benjamin, dass ich leibhaftig mit euch rede. Verkündet meinem Vater alle meine Herrlichkeit...!"

Einschub:

Ich meine, in Josef einen Abglanz zu sehen auf die Auferstehungsgeschichte Jesu. Wie der Engel auf dem Stein sass, der vom Grab weggerollt war und die Auferstehung verkündete und alle erstmal skeptisch waren. Sollte Gott durch soviel Leid doch und gerade dadurch seinen Sieg proklamieren? Ja! Für die Brüder, die hier wie später die Jünger sprachlos vor dem Auferstandenen, Totgeglaubten stehen. Die Brüder, die wie die Frauen vom Grabe zu den Jüngern, hier zum Vater Israel rennen und berichten: Josef lebt - Jesus lebt. Dieses Bild wird sich wiederholen, wenn Christen nach ihrer Auferstehung den Heiland sehen und plötzlich ganz gewiss sind: er lebt. Mein Heiland lebt.

Einschubende

zu 2: Josef und sein Vater - Gott macht Tote lebendig (V.16-28)

Josef weinte sehr laut vor Freude über das Wiedersehen, aber auch über dem, was Gott tun kann. Größer als die Getreidepolitik ist das, was Gott zwischenmenschlich zu wirken vermag. Und obwohl Josef die Ägypter hinaus geschickt hat, sind diese vermutlich zum Pharao gegangen und haben ihm Bericht erstattet. Und Pharao hört von dieser Geschichte. Er hört von den Brüdern, die einen ihrer Brüder aus Neid verkauften. Er hört von den wundersamen Wegen, die Josef geführt wurde und wie Pharao irgendwann selbst zum Teil dieser Geschichte wurde. Und Pharao, der mächtige Staatsmann und alle seine Minister, Männer - die Kriege planen und führen, nüchterne, heidnisch geprägte, mächtige Figuren im ägyptischen Großreich hören diese Geschichte. Sie alle sind tief bewegt. Und wie Josef nicht an sich halten konnte, nun auch der Pharao nicht. Er bricht in einen Überschwang der Gastfreundlichkeit aus. Holt euren Vater, holt eure Familien, Enkel - alles. Was ihr an Möbiliar nicht mitnehmen könnt und wollt, ich will es euch viel mehr ersetzen. Im besten Land sollt ihr wohnen (furchtbaren Nildelta). Das ist Gottes Gnade. Gott kann Menschen, die er berufen hat, viel auferlegen an Leid und Entbehrung. An ihnen wird man schuldig und sie verschulden sich an anderen. Doch Gott belohnt, wenn nicht in diesem Leben, dann im nächsten. Hier bekommt Jakob alles, was er bisher vermissen mußte. Man bekommt den Eindruck, als würde erst jetzt der Segen Isaaks zum Tragen kommen: Fettigkeit des Landes, Völker dienten ihm (Ägypten), er ist rundum versorgt. Und wer ihm Böses angetan hat, muss es bereuen. Das haben die Brüder leidlich erfahren müssen. Denn im Grunde haben sie durch die ganze Josefsgeschichte dem Vater Jakob sehr übel mitgespielt. Doch Gott bezieht in den Segen des Einen die Anderen mithinein. Denn Gott will seine Verheißung an Israel erfüllen. Aus den Söhnen soll ein großes Volk erstehen.

Die Brüder eilen nun zum Vater. Arm gingen sie stets nach Ägypten, reich kamen sie stets zurück. Hatten sie zunächst das Geld immer dabei, so kamen sie nun in Staatskarosserien. Jakob mußte geglaubt haben, seine Söhne hätte reiche Ägypter beraubt. Ihr Ausruf: Josef lebt und ist Herr über Ägypten! empfand Jakob wohl als die schlechteste Ausrede, die sich seine Söhne je ausgedacht hatten. Ein billiger Trost, unverschämt in seiner offenkundigen Unmöglichkeit dazu. „Sein Herz blieb kalt, denn er glaubte ihnen nicht!" (V.26)

Erneut werden wir an die vielen Szenen nach Jesu Auferstehung erinnert. Wie die Frauen zu den Jüngern rannten und erzählten, dass Jesus lebe und alle skeptisch waren. Warum jedesmal diese Skepsis? Hier bei Jakob, dort bei den Jüngern? Der Herr sagt: Mußte nicht Christus dies erleiden und in siene Herrlichkeit eingehen?"

Jakob erblickt nun all die Gaben, hört die Geschichte der Brüder - dann wird es in ihm Licht: „Mir ist genug, dass mein Sohn Josef noch lebt; ich will hin und ihn sehen, ehe ich sterbe!" Das ist das Herrliche an Jesu Erlösungswerk: wir werden ihn sehen, obwohl wir sterben müssen. Amen.