Auslegung von 1Mose 41,
1 - 57 von Michael Strauch
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Inhalt:
Exegese:
zu 1:) Noch
eine „traumatische Nacht" (V.1-36)
Wenn wir die
Lebensgeschichte Josefs studieren, so sind die Zeitangaben sehr wichtig. Sie
zeigen uns, dass nicht alles in kurzer Zeit Hand in Hand läuft. Seit der
Freisprechung des Mundschenks blieb Josef zwei Jahre
lang im Gefängnis. Zwei Jahre lang, wo er nichts von seiner Familie hörte. Zwei
Jahre, wo er still wartete, dass Gott eingreifen möge. Zwei Jahre, wo er still
und sorgfältig seine Arbeit tat ohne erkennen zu können, dass sein Weg wieder
ans Licht geht. Und dass es zwei Jahre sein würden,
davon wußte Josef zuvor ja nichts. Was hier
heraussticht, dass Gott die Kontinuität segnet, mit der ein Mensch im Vertrauen
auf Gottes Wort wartend seine Arbeit tut. Die
Verheißung liegt nicht darauf, dass man Dinge - und sind sie noch so fromm -
immer tut - in großer Treue, wie es oft heißt. Wir sollen nicht treu sein in
einen einmal eingeschlagen Weg. Wir sollen der Wegstrecke treu sein! Das
ist ein Unterschied. Im Leben eines Christen und im Bau der Gemeinde gibt es
unterschiedliche Wegstrecken. Darum muß der Christ
hören, welche Ziele Gott vorab vorzeichnet. Diese Ziele sind selten exakt zu
fassen. Aber das Wissen, das dieser Weg jetzt dran ist und die Bereitschaft,
einen anderen Weg einzuschlagen, das macht die Treue und den Gehorsam aus. Dann
kann es passieren, dass Gott in wenigen Wochen sichtbar und ergreifend wirkt!
Hier gilt es, zu handeln, zu hören, den Weg einzuschlagen. Und dann, oft mitten
in der größten Euphorie, kommen Monate, vielleicht sogar Jahre, wo wieder nicht
viel geschieht. Hier gilt es, auszuharren. Treu und fleißig seine Arbeit zu
tun. Aber innerlich wissend: Gott wird die nächsten Anweisungen geben.
Der Mundschenk
hatte Josef vergessen. Gott reagiert erneut. Leise, still - sprichwörtlich im
Schlaf. Gott schläft nie. Ein Phänomen, dass nur Gott
sich leisten kann. Er wirkt und arbeitet manchmal ganz still. So redet Gott zum
mächtigsten Mann Ägyptens. Er redet nicht mit ihm, wie er mit Abraham
gesprochen hat. Das würde ein heidnischer Herrscher nicht verstehen. Er redet
nicht in Katastrophen, das würde ihn verstocken. Er redet zu ihm in der Weise,
wie es ein Mensch in damaliger Zeit mit Ehrfurcht aufnahm: in Träumen. Und Gott
redet stringent so, wie er das Leben Josefs geprägt hat. Nun wird Josef bald
das dritte Mal mit Träumen konfrontiert.
Pharao hat
Albträume: Ägypten, alle großen Monumente sind wie eine Perlenkette gebaut an
den Ufern und Karrakten des Nils. Der Nil ist das Herz Ägyptens. Ohne diesen
Fluss ist ein dauerhaftes Leben nicht möglich. An den Uferböschungen wächst
saftiges Nilgras. Da kommt Bewegung aus dem Fluss. Aus dem Nil, dem Bild des
Lebens für Ägypten, Garant für Üppigkeit und Wohlstand, kommen die Früchte des
Nils: fette Kühe. Fett, weil sie sich am Nilgras gütlich tun. Doch trotz dieser
Üppigkeit entsteht eine Disharmonie. Plötzlich stehen „Monsterkühe"
daneben. Jedesmal je sieben Stück. Die gesunden Kühe
fressen Gras. Die Monsterkühe sind Kanibalen: sie
fressen Fleisch, fressen ihresgleichen. Sie sind spukhässlich, das Fleisch
hängt schlaff, die Knochen treten heraus. Doch der Verzehr ihrer Artgenossen
hat sich nicht dicker gemacht. Ein gespenstiges Bild, von dem Pharao
schweißtriefend erwacht.
Nun folgt das,
was wir vom Bäcker und Mundschenk kennen, ja auch zuvor von Josefs Träumen:
Gott bestätigt den Traum durch einen zweiten. Er legt quasi eine Kopie bei.
Hier erfahren wir das erstemal, dass das Doppel der Träume bedeutet, dass Gott
gewiss und eilig handeln wird. Pharao fällt erschöpft zurück und schon erfaßt ihn das zweite Bild:
Ein Halm,
sieben fette Ähren erwachsen aus einem Halm. Die übliche Ernte scheint sich zu
versiebenfachen, obwohl die zu beackernde Fläche nicht größer geworden ist.
Doch nach der Freude folgt der Spuk aufs Neue. Sieben einzelne Ähren,
Platzverzehrend, vom heißen Wüstensand Arabiens hart gemacht und versengt,
beginnen wider ihre Art und Vermögen, ihresgleichen zu verzehren. Pharao
erwacht erneut.
Wir kennen das
sicher auch. Nächte, wo wir so fest schlafen und so intensiv träumen, dass wir
beim Aufwachen erst nicht unterscheiden können zwischen Fiktion und
Wirklichkeit. So muß es dem Pharao ergangen sein. Die
Bilder standen in einer Klarheit, Vehemenz und „Realität" vor ihm, dass er
- von sich als Sprößling der Götter ausgehend - daran
glauben muß, dass ein Gott mit ihm reden will. Doch
er versteht die Sprache der Götter nicht. Das erschüttert sein Weltbild.
Ägypten war
damals eine sehr hoch entwickelte Kultur. Menschen gehen immer davon aus, als
wäre die menschliche Entwicklung von der primitiven Steinzeit stringent in
einer Aufwärts- bewegung nach oben verlaufen. Das
aber ist ein Irrtum. Es gab Wissen, Kultur, Medizin, Einsichten zu jener Zeit,
die heute erst wieder gefunden werden muß. Darum ist
z.B. die Zerstörung der berühmten Bibliothek in Alexandria um die
Jahrtausendwende v.Chr. eine wirkliche Katastrophe. In Ägypten gab es
Astrologen, die bis heute gültige astronomische Erkenntnisse hatten. Dort gab
es eine mächtige Priesterkaste, die die Zukunft deuten wollte. Es gab Magier.
Priester und Magier liefen oft ineiander über. Denn
die Priester waren auch immer Träger von Geheimnissen. Denn nur Geheimnisse
verleihen dem Priester Macht über das abergläubische Volk. Es gab „Grammateus", Schriftgelehrte, bewandert in der antiken
Literatur. Sie alle ließ der Pharao rufen. Heute würde man sagen: Pharao berief
ein Spitzensymposium ein. Alle anerkannten Professoren, Germanisten,
Parapsychologen, Kryptologen etc. ließ Pharao kommen.
Deutet mir diesen Traum ist der Auftrag. Doch der geistigen Elite bleibt der
Sinn völlig verborgen. Das Ganze ist umso irritierender, weil die Symbole
des Traumes ägyptischer Natur sind! Denn die
Göttin Isis wird mit Stierhörnern dargestellt - die
Kuh ist also Bild für die Göttin Isis in Ägypten. Isis ist der Garant des Wohlstands, der Fruchtbarkeit. Und
der Nil ist ihr Instrument. Aber die Kühe steigen aus dem Nil und stehen
außerhalb des Flusses. Das macht deutlich, dass das Verständnis des Bildes auch
außerhalb des Weltbildes der Ägypter sich bewegt. Gott verhüllt die Einsicht.
Er offenbart, er verschleiert - wie er will.
In dieser
fatalen Situation ist ein Mann die Rettung, der mit der Deutung von Träumen
nichts am Hut hat. Aber er hat etwas mit Pharao gemeinsam. Ja, er hat etwas mit
Josef gemeinsam. Pharao, Mundschenk und Josef sind alle drei Traumempfänger
göttlicher Rede. Doch nur Josef emfping Träume und
kann sie deuten. Denn nur Josef hat den „Draht" zum Gott Israels. Hier
wird deutlich, wie macht-und sinnlos falsche Götter
sind. Das der für Ägypten unbekannte Gott Israels über alle Götter hinweg mit
dem Pharao redet und sich Bilder dieser Kultur bedient, ist großartig. Er ist
der Souverän. Und seine Größe macht der deutlich, dass Pharao abhängig ist, von
einem hebräischen Gefängnisinsassen die Deutung zu erfahren.
Joseph wird
„eilend" geholt. Man muß davon ausgehen, dass
Josef nicht wie ein hübscher Halbstarker im Lendenschurz herumlief, wie das
Filme einen weiß machen wollen. Sondern er hatte vermutlich eine
Bart, verfilzte Haare und war schmutzig. Die Ägypter trugen keine Bärte. Die
Priester und Hofbeamte trugen auch keine Haare, sondern eine Perücke. Josef
wurden die Haare komplett abrasiert, im Gesicht und auf dem Kopf, gewaschen,
gesalbt und neu eingekleidet. Aus alten Flakons konnte man die Zusammensetzung
ägyptischer Parfüms herausfinden. Es riecht schwer und süß. Vielleicht
vergleichbar mit dem Parfüm „Opium" oder
„Loulou".
Pharao leitet
seine Worte damit ein, dass man von Josef höre, er könne Träume sofort deuten.
Josef weist erneut von sich weg. Es stünde nicht in seiner Macht. Gott vermag
es.
Pharao erzählt
ihm seinen Traum, Josef deutet ihn. Gott gestattet dem Pharao Einblick in die
nächsten vierzehn Jahre. Sie bringen sieben ertragreiche Jahre, und siebe Jahre
des Hunges. Die Hungerjahre sind so hart, dass man
sich nicht erinnern kann, je fette Jahre erlebt zu haben.
Nun geht Josef
weiter und tut etwas, um was Pharao ihn nicht bat: er gibt dem König einen Rat!
Normalerweise hätte Pharao sagen müssen: „Wer bist Du, dass Du mir raten
willst. Ich weiß selbst, was ich zu tun habe. Ich habe dir nur befohlen, die
Deutung wiederzugeben!"
Aber die
Reaktion bleibt aus. Pharao spürt: dieser Mann wird von göttlicher Einsicht
gespeist.
Josef gibt
Pharao einen wirtschaftlichen Rat: in den fetten Jahren sammle den fünften Teil
in Kornhäusern. Dann wird die Überbrückung der Hungersjahre möglich, wenn sie
auch an Härte nicht verliert. Pharao ist von Josef ergriffen und für Josef
beginnt ein beispielloser Aufstieg.
Was lernen
wir aus dieser Episode?
Wir können das
Leben Josefs nicht 1:1 kopieren und davon Regeln ableiten nach dem Motto: jetzt
erlebe ich finanziell ein Desaster, danach müßte es
wieder besser werden und umgekehrt. Bei den Josefsgeschichten
dürfen wir auch eines nicht außer Acht lassen: es geht nicht primär um Josef,
sondern um die Bildung des Volkes Israel. Und über diesem Gedanken finden wir
den Weg: wer ist Gott? Wie handelt er in dieser Geschichte? Das sind die
entscheidenden Fragen. Im Katechismus lernen wir bei der Frage, was die
Bestimmung des Christen sei neben dem Dienst an Gott: dass wir uns an ihm
freuen. Wir können Freude gewinnen an den Wegen, die Gott geht.
Was auffällt,
dass Gott in Ägypten ganz anders verfährt als später bei der kriegerischen
Einnahme Kanaans unter Josua. In Ägypten geht Gott ganz feinfühlig und geradezu
unentdeckt vor. Er redet in Träumen, in ägyptischen Symbolen, bedient sich
heidnischer Schlüsselfiguren wie Potiphar, Mundschenk
und Pharao. Bei jedem Traum gelangt Joseph der eigentlichen Bestimmung etwas
näher.
Dann fällt auf,
dass Gott trotz dieser feinen Gangart seine unbestrittene Majestät erweist und
seiner ihm so eigenen Art, den Unterdrückten und Schwachen zu erheben, treu
bleibt. Joseph erweist sich als göttliches Sprachrohr (priesterliche
Funktion) und zugleich wird die Anerkennung seiner Person und Deutung
wirtschaftlich und politisch zum Segen für`s Volk.
Die Geschichte Josefs wird geradezu zum Paradebeispiel jüdischer Geschichte.
Die Geschichte eines Volkes, dessen Volksidentität der Gott Israels ist. Die
Geschichte eines Volkes, das stets unter anderen Völkern leben muß: unterdrückt, ghettoisiert.
Aber ohne das Judentum wäre die weltweite Kultur, sei es in der Literatur, in
der Musik, in der Medizin, in Politik, Wirtschaft und Naturwissenschaften etc.
um ein Vielfaches ärmer. Und so gab es immer in der Geschichte der Juden den
wellenartigen Verlauf zwischen Aufstieg und Unterdrückung, auf dass Israel
erkenne: seine Kraft, seine Identität und Bestimmung liegt in Gott, offenbart
in seinem Sohn Jesus Christus.
zu 2:) Mit
dreißig Jahren ganz oben (V.37-46)
Nun beginnt
Josefs Karriere. Pharao schaut umher und sagt aus, was alle denken.
Schattenartig verwirklicht sich der Traum Josefs aus Kapitel 37. Josef wird zu
einer Art Großwesir. Josef, der erste Premierminister Israels. Pharao segnet
ihn, weil in Josef die Weisheit Gottes sei. Pharao sagt nicht, die Weisheit
Jahwes, sondern die Weisheit Elohims. Das meint: in
Joseph wohnt eine übernatürliche Einsicht. Es liegt nahe, so einem Mann das
Management zu geben. Er verleiht Joseph den königlichen Siegelring, mit dem er
sich kenntlich machen kann in seiner Vollmacht. Dann wird er mit Abyssosleinwand gekleidet als Ausdruck seiner Würde und
seines Amtes. Josef wird zum zweiten Mann im Staat. Und das nur, weil er einen
Traum gedeutet hat. Um den Hals bekommt er eine goldene Kette, Ausdruck seines
Adels und seiner Bestimmung. Wenn nun Pharao mit seiner Staatskarosse durch das
Land fuhr, so folgte unmittelbar der Streitwagen Josefs! Im ganzen Land
wird ausgerufen: Josef ist der Vater Ägyptens! Weiter gibt ihm Pharao einen
eigenartigen Namen, der aus dem hebräischen entlehnt ist: Zaphnath-Paaneah
(siehe das griech. Psonth-
ompsanäch - P - Arikel - sote - Erlösung - m-genetiv - Ph - Artikel - eneh - Welt).
Also, der Name meint salvator mundi, sotär kosmon,
spricht: Retter der Welt! Es bedeutet auch „Erhalter des Lebens, Garant für
das Leben!" Der Hinweis auf Christus liegt hier auf der Hand. Auch, das
Pharao „um den Thron höher ist" und Josef über alle Ägypter gestellt wird,
weil in Josef der Geist Gottes wirkt. All das wird zum Bild für Vater, Sohn und
heiligem Geist. Und Josef wird zum Bild für den Retter, dem alles zu Füßen gelegt
wird. Christus gibt aber seinem Vater alle Ehre. Er bekommt Asenath
zur Frau, Tochter vermutlich des Priesters zu Heliopolis, der vermutlich dem
Sonnengott Re diente. Diese Priesterkaste galt als die Höchste und Vornehmste
in Ägypten.
So avanciert
Josef vom Sklaven zum zweiten Mann im Staat. Und das nur, weil er Träume recht
gedeutet hat. Im alten Ägypten, wo die Deutung von Träumen und das Wissen um
Mysterien eine sehr große Rolle spielten, eine nicht ungewöhnliche Tatsache.
Joseph war
dreißig Jahre alt. Er war 17, als er verkauft wurde. Bedenken wir erneut die
vielen Jahre. 13 Jahre sind eine lange Zeit. Das heißt, er war ca. 10 Jahre bei
Potiphar und ca. drei Jahre im Gefängnis. Das passt
auch gut zu Kapitel 38, wo Judas Kinder ja auch schon im heiratsfähigen Alter
vorkommen.
Gottes Hand mit
mit Josef. Diese Hand erhob ihn aus seinem Elend,
diese Hand sollte ihn auch schützen vor den fremden Einflüssen der ägyptischen
Götterwelt.
Ein Gedanke:
Nochmal, was Josef den Durchbruch gebracht? Die Auslegung der
Träume. Man könnte auch sagen: Gott hat zu einem Heiden geredet und dieser
verstand es nicht. Josef versteht Gottes Reden und eröffnet Pharao das
Verständnis. Wie später Philippus dem Kämmerer die
Schrift öffnet durch die Kraft des Heiligen Geistes. Und alle merken: diese
Worte Gottes haben ja etwas mit meinem Leben zu tun! Die Aufgabe und Bestimmung
Josefs gilt für alle Glaubensnachfahren. Christen sollen nicht allein sich
selbst, sondern der Welt das Wort öffnen. Denn Gott redet zu allen Menschen.
Aber die Menschen können es nicht einordnen. Sie brauchen „weise und
verständige Leute", die das Reden Gottes verstehen und sich einsetzen auch
in dieser Welt, damit Gott geehrt wird. Wo Gott geehrt wird, geht es dem Volk
gut.
zu 3:) Josef
alias Zafenat-Paneach, kurz: das Käpsele
(V.47-57)
Es gibt eine
Zeit der Deutung und eine Zeit des Wirtschaftens. Die alten pietistischen Väter
haben das gut verstanden: sie haben sich integriert in die Gesellschaft, ohne
religiös in ihr aufzugehen. Sie wurden zum Segen durch Erfindungen,
diakonischen Projekten etc. Leider hat sich in den letzten hundert Jahren in
vielen christlichen Bewegungen eine Subkultur entwickelt, in der Christ wie
einer Fruchtblase sich bewegt. In dieser Fruchblase
empfängt er seine Nährstoffe, aber er sieht durch die milchige Membran die
Außenstehenden nur verschwommen, zeitweise registriert er sie nicht. Zu ihm
gelangt von außen nichts herein und von ihm geht nach außen nichts aus. Aber er
bleibt damit auch stets ein Embryo, ein Säugling. Josef wird uns zum Vorbild,
weil er nicht die Weltkultur in seine christliche Subkultur einlädt. Auch
verändert er seine Subkultur mit weltlichen Eigenarten, sondern Josef bewegt
sich ganz in der Welt, hat direkten Kontakt zu ihr, wird ihr ständig zum Segen
und bleibt doch bewahrt. Bewahren tut ihn nicht eine fromme Ghettoisierung,
sondern Gottes Hand.
Heute gibt es
christliche Literatur, christliche Zeitschriften, christliche Pop-,Rock-und Schlagermusik
(eigenartig, es gibt meines Wissens keine christliche Opernmusik). Es gibt
christliche Kreise, Kirchen, Vereine und Veranstaltungen. Gegen all das ist
nichts einzuwenden. Nur der Ghettoisierungseffekt
halte ich für fatal. Der entsteht, wo ein gesundes Verhältnis zur weltlichen
Kultur polarisiert wird. J.S.Bach hatte keine Mühe,
weltliche Orchesterwerke zu schreiben, Mozart keine Mühe, geistliche Musik zu
komponieren. Weltliche Regisseure filmem Bibelfilme
und große Literaten haben immer biblische Themen benutzt, um große Romane zu
schreiben (ich erinnere an John Steinbeck, den
Nobelpreisträger und Realist, der mit „Jenseits von Eden" die Geschichte
von Kain und Abel erzählt!). Männer wie Johannes Falk, John Bunyan
etc. haben diakonische Geschichte geschrieben...Es wäre viel aufzuführen. Die
Welt steht vor unseren Türen und schreit nach Brot. Machen wir ihnen die
Schleusen auf? Die Kornspeicher standen aber mitten in der Stadt. Und mitten
unters Volk müssen wir auch! Die fromme Subkultur aber sagt sich: ich habe
alles, was ich brauch. Für die Hungernden bete ich, Gott wird schon Leute
senden. Lieber Christ, hast Du schon mal ans Gericht gedacht, das uns erwartet,
wenn wir so gleichgültig den Verlorenen gegenüber stehen?
Josef hat weise
gehandelt, indem er auf Gott gehört hat. Sein Gehorsam wird allen zum Segen.
Nicht allein dem ägyptischen Volk, sondern der ganzen antiken Landschaft! Er
wird sprichwörtlich zum Salvator mundi.
Er gibt allen Menschen Brot. Gott segnet Josef aber auch mit zwei Söhnen. Den
ersten nennt er Manasse. Er begründet den Namen damit,
dass er das Elend um sein Vaterhaus vergessen konnte. Hier müssen wir kurz
innehalten: das Elend vergessen! Hat er nicht eigentlich seinen Vater
vergessen, seine Brüder, seine Familie? Hätte er in seiner Machtstellung nicht
alle Möglichkeiten gehabt, die Familie zu rufen? Josef handelt nach einem
inneren „Instinkt". Josef begreift oder ahnt, was in Jakobs Herzen
ständiger Begleiter ist: Gott hat einen Plan. Und bisher hat Josef nie
eigenhändig diesem Plan vorgegriffen. Wenn Gott will, das
Josef seine Familie wiedersieht, dann wird es ihm deutlich werden. Josef hat
das Warten gelernt. Der zweite Sohn heißt Ephraim (doppelter Ertrag).
Bis heute ist es so geblieben. Der Nil, wenn er zu wenig Wasser führt,
verhindert eine gute Ernte. Der Nil muß das Land bis
zu einem gewissen Grad überschwemmen. Im furchtbaren Schlamm lag Ägyptens
Reichtum. Aber wenn der Nil die Ufer beständig überschwemmte, zerstörter er
auch wieder alle Voraussetzungen. So lebte Ägypten mit dem Fluss in ständiger,
empfindlicher Symbiose. Doch: überall war Hungersnot. Nur in Ägypten war Brot.
Auch heute ist geistlich Hungersnot. Und nur bei den Christen ist Brot. Was
aber, wenn Christen aufhören, „Träume zu deuten" und die Kornspeicher
nicht öffnen?