Bibelarbeit zu 1Mose 39, 1 - 23 von Michael Strauch
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Inhalt:
Kapitel 39,1 greift den
Faden dort wieder auf, wo er in Kapitel 37,36 aufgehört hat. Potiphar, von Gott
bewußt gewählt als einen einflußreichen Menschen bei Pharao, kauft den jungen
Hebräer und stellt bald fest, dass dem jungen Mann aber auch alles gelingt, was
er anpackt. Es heißt in Vers 2: Jahwe war mit ihm! Gott liess ihm alles
gelingen und Potiphar wurde immer wohlhabender.
Einschub:
Ich erinnere mich, in
Spurgeons „Ratschläge für Prediger" gelesen zu haben, dass ein Verkündiger
des Evangeliums auch in seinem säkularen Beruf gut gewesen sein muß. Das
Denken, dass der Herr dem Frommen alles gelingen läßt, ist in vielen christlich
geprägten Menschen verankert. Bis heute wird Besitz und Wohlstand als Segen
Gottes angesehen. Diese Ansicht hat in der Bibel, besonders im AT - siehe z.B.
das Ende Hiobs - auch seine Berechtigung. Aber es ist keine Regel. Joseph
vermehrte ja auch nicht seinen Reichtum, sondern den des Potiphar. Die Jünger
Jesu blieben vermutlich bis zum Rest ihres Lebens aus kapitalistischer
Sichtweise „arme" Leute. Wenn der Herr einen Christen erfolgreich sein
läßt und ihn materiell segnet, dann dazu, dass er den Segen an andere
weiterleitet. (siehe den reichen Jüngling!). Die Frage, ob man reich wird, wenn
man nur fromm lebt, wird in Kapitel 39 meines Erachtens nicht thematisiert. Es
geht vielmehr um die „unsichtbaren Fäden, die Gott spannt". Nocheinmal:
Gott möchte seine Verheißungen an Abraham, Isaak und Jakob erfüllen. Mit Jakob
sind die zwölf Söhne gegeben, die zu Stammvätern der 12 Stämme Israels werden.
Damit sie als Volk prosperieren, schafft Gott ihnen später im fruchtbaren
Nildelta Raum und Möglichkeit. Den Weg dahin geht er über Josef, an dem die
Brüder schuldig werden und durch den die Brüder Gott auf besondere Weise auch
erfahren. Josef ist also der Erste, der nach Ägypten kommt. Über ihn wird der
Herr alles andere in die Wege leiten. Gott Ziel: ein heiliges Volk!
Einschubende
Vermutlich war Joseph ein
einfacher Sklave, der vielleicht auf den Feldern schuften mußte. Doch bald
entdeckt man vermutlich seine „Managerqualitäten". Wie sie entdeckt
wurden, wird nicht erwähnt. Vielleicht hat Joseph Vorschläge gemacht, wie man
effektiver arbeiten kann. Und trotz anfänglicher Skepsis traf alles genau ein,
wie Joseph es vorschlug. Eine Vermutung.
Potiphar, als Kämmerer und
Vorgesetzter von Soldaten hat ein gutes Auge für gute Leute. Sehr schnell
erkennt er den Wert seines „Glückfangs". Es dauert nicht lange, und Joseph
„schmeißt den ganzen Laden!" Das meint, er wird zum Manager des ganzen
Betriebs um Potiphar, sodass dieser sich nur um Essen und Trinken kümmern muß.
Potiphar wird den Tag selig gepriesen haben, als er den Josef gekauft hat.
Je höher man steigt, desto
dünner wird die Luft. Zumindest ist es bei den Bergen so. Joseph verschlägt es
bald den Atem, als er Opfer einer gezielten Denunzierung wird. Potiphars Frau,
gewohnt, dass ihre Befehle strikt ausgeführt werden, möchte auch etwas vom
„Kuchen" haben. Joseph sieht ausgesprochen gut aus. Wer sich mit dem Alten
Ägypten beschäftigt, hat ungefähr eine Ahnung, wie auch auf erotischem Gebiet
gearbeitet wurde. Vermutlich hatte Joseph eine feine, pechschwarze Perücke.
Dazu ein schönes, weißes Leinenkleid. Er duftet nach agyptischen Salben und
„Wässerchen": kurz - die Brüder Josephs hätten ihn kaum erkannt. Sein
muskulöser Bau, sein Erfolg und zugleich seine Geradlinigkeit weckt in
Potiphars Frau den Wunsch, ihre Macht an ihm zu probieren. Sie will ihn „erobern".
Vielleicht auch wissen, ob solch ein Junggeselle nicht tief in seinem Inneren
erotischen Phantasien erliegt. In einem günstigen Moment, sie sitzt vermutlich
auf dem Ehebett, spricht sie zu ihm im Imperativ. Damit macht sie ihm deutlich,
dass er immer noch Eigentum Potiphars ist. Ihre Anweisung ist klar und
eindeutig: „Leg dich zu mir!" Ob Joseph der erste, mißbrauchte Sklave ist,
bleibt offen. Eines ist klar: ein Sklave, dem so eine Vergewaltung passierte,
hatte keine Chance, Gehör zu finden. Im Gegenteil. Man wird ihm vorwerfen, den
Namen der Herrin in den Schmutz zu ziehen. Potiphars Frau hat also die Macht.
Doch das Ungeheure geschieht: Joseph verweigert ihr den Gehorsam. Seine
Begründung ist für die Ägypterin nicht zu unterschätzen: Potiphar hat Vertrauen
in ihn. Und: es ist eine Sünde gegen den Gott Israels. Letzteres wäre ihr
vermutlich kein Hinderniss. Aber eine einfache Denunziation ohne Beweise würde
Potiphars Vertrauen (der seine Frau ja auch sicher kannte), nicht so einfach
erschüttern. Zwischen Beiden entpuppt sich nun ein vor Spannung knisterndes
„Schachspiel". Wer behielt die besseren Nerven? Der Plan der Ägypterin
war, Josef moralisch so zuzusetzen, bis er eines Tages schwach wurde. Jeden Tag
bedrängte sie ihn. Joseph war nicht dumm. Er wußte: gab er ihr ihren Willen, so
würder er u.U. seine Arbeit fortführen können wie bisher. Aber Gott würde nicht
mehr mit ihm sein. Es wäre, als hätte er feurige Kohlen unter dem Mantel.
Würder er sich aber auf Dauer verweigern, würde die Situation unerträglich
werden.
Einschub:
Warum läßt Gott das zu? Ich
vermute: Joseph muß raus aus Potiphars Haus und über Umwegen mehr und mehr in
die Nähe Pharaos kommen. Seine Glaubwürdigkeit auch vor der Welt steigt, wenn
hernach bewiesen werden kann, dass er Opfer und nicht Täter war.
Im übrigen kannte das alte
Agypten ein ausgeklügeltes, erotisches Reservoir von Schminke etc. Die Kleider
der feinen Damen waren stellenweise durchsichtig und ließ den Blick auf vieles
zu. Joseph, vermutlich tagtäglich umgeben von Männern, dazu eben ein „junger
Mann", stand in großer Anfechtung. Sein Beispiel gibt allen
Geschlechtsgenossen ein wertvolles Vorbild. Ich nenne es das
„Josefsprinzip". Das meint, wenn man als Christ in brenzlige Situationen
kommt, ist es besser, zu fliehen, als gegen Gott zu sündigen. Sexuelle Vergehen
haben die Eigenschaft, dass sie sehr tief in das Seelenleben der Betreffenden
eingreifen. Hier sind alle Teeniemitarbeiter gefragt, ob sie gemischte
Unterkünfte zulassen wollen. Hier sind junge, christliche Paare angesprochen,
ob sie vor der Ehe gemeinsam Urlaub machen wollen. Es geht nicht um den
moralischen Zeigefinger, sondern um den Tatbestand, dass der Sexualtrieb der
stärkste Trieb im Menschen ist (S.Freud). Wer sich hier auf zu große
Distanzlosigkeit einläßt, steht in Gefahr, das zu tun, was er eigentlich lassen
wollte. Das kann „täglich" gut gehen. Es kommt der Moment, ein einziger
Moment, wo man fällt.
Einschubende
Eigenartig: sobald Joseph
das einfache Gewand eingetauscht hat gegen eine gehobene Kleidung, wird ihm das
zum Verhängnis. Die Kleider waren das Erste, was die Brüder ihm vom Leib
rissen. Nun wird ihm zum zweitenmal das Kleid weggerissen. Beim ersten Mal wird
das Kleid zum „falschen Zeugen", indem Ziegenblut und Lügen den Vater auf
den falschen Pfad führen. Beim zweitenmal wird das Kleidungsstück zum
Lügenbeweis einer Tat, die den Tod verdient hat. Und zum zweitenmal entgeht
Joseph dem Tod. Und zum zweitenmal muß er sein „Haus" eintauschen gegen
eine „Zisterne", hier der Kerker. Zum zweitenmal wird ein Mann
unglücklich, der Joseph liebte und schätzte. Jakob und dann Potiphar.
Die Frau Potiphars rächt
sich. Ihre Darstellung ist wiedermal äußerst geschickt gewählt. Achten wir
genau auf die Worte:
2. Josephs
Karriereleiter im Haus des Kerkermeisters (V.19-23)
Potiphar fällt auf den
Schwindel hinein. Versuchte Vergewaltigung seiner eigenen Frau, der Herrin des
Hauses, einer Ägypterin. Ohnmächtiger Zorn bemächtigt sich seiner. Doch: er
tötet Joseph nicht. Er läßt ihn ins Gefängnis werfen. Joseph ist chancenlos und
versucht keinen Widerstand. Ich möchte deutlich betonen, dass diese Art der
Bestrafung noch sehr, sehr moderat ist. Es zeigt, dass Potiphar vielleicht an
die Unschuld Josephs glaubte, aber das Spiel war so geschickt geführt, dass er
um seines Ansehens willen so handeln mußte. Viele Spekulationen bleiben
möglich. Potiphars Frau hätte Joseph auch durch einen Diener um die „Ecke"
bringen können, damit er für immer schweigt. Das Gefängnis, so seltsam es
klingen mag, wird zugleich auch der Rettungsort für Joseph. Und das Wunder
geschieht erneut. Die Hand Gottes läßt nicht von Joseph ab. Wiederum erweist
sich Joseph als äußerst nützlich und tüchtig und beginnt eine erneute Karriere
als Manager des Gefängnisbetriebes. In diesem Sinne war Joseph eigentlich nie
wirklich Sklave bzw. Gefangener. Der Kerkermeister übergab Joseph volle
Handlungsfreiheit und mußte feststellen, dass Joseph dieses Vertrauen nie
mißbrauchte. Potiphar war in seiner Funktion auch Vorgesetzter des
Kerkermeisters. Das Verhalten Josephs dürfte die restlichen Zweifel an Josephs
Loyalität getilgt haben. Dies alles tat der Herr, damit der Weg nach oben
geebnet wurde.