Auslegung von 1Mose 40, 1 - 23                                                                                                                                        von Michael Strauch



home





Inhalt:

  1. Eine „traumatische Nacht" (V.1-8)
  2. Erlösung für den Einen... (V.9-15)
  3. Dunkelheit für den Andern (V.16-23)

Exegese:

zu 1:) Eine „traumatische Nacht" (V.1-8)

Im Alten Orient war es üblich, dass der „oberste Amtmann" im Staatsgefängnis seine Wohnung hatte. In ägyptischer Haft stand nun der hebräische Sklave Joseph in führender Position und Männer aus Führungsrigen, der königliche Bäckermeister und der Mundschenk. Vom hebräischen wird deutlich, dass Joseph nicht als Wächter über sie gesetzt wird, sondern dass er ihnen „zur Seite" gewiesen wurde. Vermutlich von Potiphar selbst.

Das „Traummotiv" wiederholt sich (Kap 37). Joseph hat nicht selbst Träume, sondern wird konfrontiert von Träumen. Der Mundschenk und der Bäcker hatten beide in einer Nacht zwei Träume, die einandern ähnelten. Diese Träume, das ahnen die Beiden mit einem stillen Grauen, haben irgendetwas zu tun mit ihrem Schicksal. Sie empfanden die Träume als eine Art „böses Omen." Joseph findet die Beiden, trübsinnig und voller Sorge. Ganz anders als seine Brüder nimmt er sie ernst und beftragt sie wie ein antiker C.G.Jung nach seinen Träumen. Im Gegensatz zu den heutigen Psychotraumdeutern und den damaligen Scharlatanen betont Joseph, dass Träume dieser Art von Gott kommen. Sie sind ein Geschenk an den Menschen. Dabei offenbart Gott die Zukunft immer nur in Bildern und benutzt andere Menschen, dem er die Deutung offenbart. Zugleich wird die Traumdeutung eine Art „Garant", dass Joseph bald frei kommt. Es ist eigenartig. Die Brüder haben ihren Bruder ausgelacht, angefeindet und ihm übel mitgespielt. Die Edlen an Agyptens Hof nehmen Josef hier ernst und weihen ihn ein, nachdem er sie aufgefordert hat, ihm die Träume zu erzählen. Der Mundschenk fängt an.

zu 2:) Erlösung für den Einen... (V.9-15)

Der Traum des Mundschenks beschreibt in unverkennbarer Art die Aufgabe seines Metiers. Der Pharao trank keinen fermentierten Wein, sondern den frischgepressten Saft der Trauben. Das Wachsen der Reben, das Erblühen, das Fruchtbringen, wie die Früchte in die Hände des Mundschenks gelangen und wie der Mundschenk den Becher Pharaos in der Hand hält, legen die Deutung nahe.

Joseph legt aus: die drei Weinrebenzweige bedeuten noch drei Tage, die vergehen sollen. Nach drei Tagen wird Pharao den Mundschenk wieder aus dem Gefängnis holen und ihn in sein Amt wieder einsetzen.

Zugleich fügt Joseph an, dass auch ihm dieses „Haupt erheben" widerfahren möge. Und das geht nur von höchster Stelle, in diesem Fall von Pharao. Denn er ist keiner Tat schuldig, mit Gewalt ist er vekauft worden. Joseph fügt sich nicht einfach in sein „Schicksal". Er zettelt keine Revolutionen an, besticht niemanden, aber er versucht, ehrlich und bescheiden, dabei klar darauf hinzuweisen, dass Unrecht Unrecht bleibt. Nach gutem Recht hat Joseph aber im Gefängnis nichts verloren.

Diese Deutung ist gut. Der Bäcker ist ermutigt und erzählt nun seinerseits seinen Traum.

zu 3) Dunkelheit für den Andern (V.16-23)

Der Traum des Bäckers beginnt ähnlich wie der des Mundschenks mit der gewohnten, ursprünglichen Arbeit. Doch dieser Traum weist bald eine Anomalie auf. Etwas stimmt nicht.

Das der Bäcker den Korb mit Backwaren auf dem Kopf trägt, ist typisch für das alte Ägypten.

Anders wie heute trugen die ägyptischen Frauen ihre Lasten auf den Schultern, während die Männer die Lasten auf dem Kopf zu transportieren pflegten.

Interessant ist, wie der Bäcker seine Rede beginnt: „mir hat auch geträumt..." So, als hätte er auch von Weinreben und Becher und Pharao geträumt. Ob der Bäcker bewußt das günstige Schicksal auf sich kopieren wollte? Ob er meinte, Josefs Deutung könne beeinflußt werden? Er hat nicht verstanden, was Josef zu Beginn sagte: Träume kommen von Gott. Ihre Interpretation ist Gottes Sache. Und tatsächlich: die Parallelen sind anfangs verblüffend: drei Reben und drei Körbe mit Backwerk. Wie der Mundschenk im Dienst des Pharao, so sieht auch der Bäcker sich wieder im Dienst des ägyptischen Monarchen. Doch statt das Pharao das Brot und Gebäck aus der Hand des Bäckers nimmt, kommen freche Vögel und picken das begehrte Teiggut auf.

Ohne Umschweife, in einer geradezu eigenartigen Sachlichkeit interpretiert Joseph dem Bäcker die furchtbare Bedeutung seines Traums.Und Josephs Deutung wirken auf den heutigen Leser fast sarkastisch: drei Körbe sind drei Tage. In drei Tagen wird Pharao auch dein Haupt „erheben", sprich der Kopf wird zum Knotenpunkt seines Todes. Nach der Hinrichtung wird sein Körper aufgehängt nach alter orientalischer Sitte zur Abschreckung. Für jedermann sichtbar und ein Fraß für die Geier. Somit der Bäcker, der Ware schuf, um andere zu verköstigen, nun selbst zum Gegenstand des Gefressenwerdens.

Die Träume kamen von Gott. Die Interpretation ebenso. Joseph beansprucht nicht von sich, eine Art Seher zu sein. Er weiß, dass die Erklärung von dem Gott Israels stammt und scheint mir gewiss, dass Gott ihm einen Lichtblick der Hoffnung vermittelt.

Wie Joseph es gedeutet hat, so trat es ein. Pharao veranstaltete in den kommenden drei Tagen seinen Geburtstag, erhob beider Häupter, das eine, um wieder in den Dienst gestellt zu werden, das andere, um die Strafe entgegen zu nehmen. Das Kapitel endet mit dem traurigen Hinweis, dass der Mundschenk in seinem Glück den armen Joseph schlichtweg vergass.

Weiterführende Gedanken:

Für die Stunde oder den Hauskreis könnte man dem Gedanken nachgehen, welcher Art und Weise sich Gott bedient, um an Joseph zu handeln. Wieviele waren später unschuldig im Gefängnis. Ich denke an Petrus und Paulus, die Engel machtvoll und mit Getöse befreit haben. Bei Joseph handelt Gott ganz sanft, verborgen und stets im Zusammenspiel mit Heiden. Die ägyptischen Menschen werden zu Instrumenten in Gottes weiser Hand. Ihr Weg und auch ihre Schuld kreuzt den Weg Josephs und dieser schaut still aus auf Rettung. So handelt Gott nie, dass man sagen könnte: so ist es immer. Hier sind die Regeln. Gott bleibt souverän.

Ein zweiter Gedanke, der Aufmerksamkeit wert, wäre das Verhalten Josephs. Ihm widerfährt ständig Unrecht. Wie reagiert er? Er tut sein Bestes. Nachwievor. Er immigriert oder kündigt nicht innerlich. Er tut sein Bestes, wo immer er ist, welche Aufgabe er auch hat. Aber er begibt sich auch nicht in eine Schicksalshaltung. Das sind nunmal Gottes Wege, ich muss sie ertragen. Er nennt das Unrecht beim Namen und feinfühlig erwähnt er sein Anliegen bei passender Stelle.